Freitag, 13. September 2013

Altersvorsorge Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Altersvorsorge Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie




VORSORGEN ODER
VERZICHTEN?
Die Sparfreude der Deutschen geht zurück. Darunter leidet die Altersvorsorge. Wer sich nicht rechtzeitig auf den Weg macht, muss seine Lebensgewohnheiten im Ruhestand massiv zurückschrauben. Denn die gesetzliche Rente sinkt auf das Niveau einer Basisversorgung. Also, warten oder starten? Die Entscheidung ist gar nicht schwer... von Kay Schelauske

D
ie Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Besser als mit diesem Wortspiel des 2007 verstorbenen österreichischen Kom-
munikationswissenschaftlers  und
Philosophen Paul Watzlawick lässt sich das vielen längst leid gewordene Thema kaum angehen. Dabei dürfte sich manch ausländischer Beobachter wundern: Kennt er doch die Deut-schen als ein Volk der Sparer. Das sind wir immer noch. Aber auch diese Me-daille hat zwei Seiten.
Die Sparbereitschaft ist zwar in den letzten beiden Jahren in der erwerbs-tätigen Bevölkerung weiter gestie¬gen, von 52 auf aktuell 60 Prozent. Aber es wird weniger Geld und dies nur für kürzere Zeit zurückgelegt. So sparen hierzulande zwei von drei Bürger vor allem mit einem klaren

Ziel vor Augen: Sie wollen sich z. B. ein Auto kaufen oder einen Urlaub finanzieren. Und nur ein Drittel legt 200 oder mehr Euro auf die hohe Kante - dies immerhin in jedem zwei-ten Fall auch für die Altersvorsorge. Zu diesen Ergebnissen kommt der kürzlich veröffentlichte „Sparerkom-pass Deutschland 2013", für den das Meinungsforschungsinstitut forsa Ende vergangenen Jahres eine re-präsentative Umfrage im Auftrag der Bank of Scotland durchführte.
SPARERFEINDLICHE GELDPOLITIK
Die andere Seite der Medaille offen¬bart einen gefährlichen Trend. Die Ersparnisse nehmen im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen ab -deutlich abzulesen an der seit 2010 rückläufigen Sparquote. Gleichzeitig hat sich das Konsumklima weiter auf-

gehellt, so das Ergebnis der jüngsten GfK-Studie, und verzeichnet nun mit 7,3 den höchsten Wert seit Ausbruch der Finanzkrise im September 2007. Wunderbar für die deutsche Kon-junktur. Denn der private Konsum behauptet sich als wichtige Stütze und verhinderte im ersten Quartal dieses Jahres, dass Deutschland er¬neut in die Rezession gerutscht wäre, schreiben die Marktforscher. Die stei¬gende Konsumlust könnte jedoch be¬reits eine Antwort auf die anhaltende Niedrigzinspolitik der Notenbanken sein - die sparerfeindlicher kaum sein könnte.
Die klassische Geldanlage lohnt sich einfach nicht mehr - ganz gleich, ob auf den bislang stets so beliebten Spar-büchern, als Tagesgelder oder in Bun-desanleihen. Die Erträge werden heu-
te von der mehr als dreimal so hohen Inflationsrate schlichtweg aufgefres¬sen (siehe Grafik Seite 10). Ergo wird lieber konsumiert. Wer weiß schon, was morgen ist. Der jüngste Zugriff auf isländische Bankeinlagen und die schwelende Euro-Schuldenkrise höh-len die langfristige Sparbereitschaft noch zusätzlich aus. So könnte die künftige Vorsorgebereitschaft wider besseren Wissens der Bürger weiter nachlassen. Hinzu kommt ein gefühl-ter oder tatsächlicher Geldmangel, der die Bürger daran hindert, ausreichend vorzusorgen. Mit einer Quote von 52 Prozent führt der „Sparerkompass 2013" keinen Grund häufiger an. Wäh-rend manche sicherlich zumindest 50 Euro pro Monat in die Altersvorsor¬ge stecken könnten, ist selbst dieser Obolus z. B. für Alleinerziehende oder Bezieher niedriger Einkommen oft zu

viel. So blickt nur jeder Dritte seiner finanziellen Zukunft im Rentenalter optimistisch entgegen.
Laut einer ebenfalls repräsentativen Umfrage des Institutes für Demo-skopie Allensbach im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vom August dieses Jahres geht sogar nur jeder Vierte der 30- bis 59-Jährigen davon aus, im Alter keine finanziellen Sorgen zu haben. Vielmehr richtet sich jeder Zweite darauf ein, nach der Be-rufsphase sehr sparsam wirtschaften zu müssen. 20 Prozent der Befragten rechnen gar mit einer gravierenden Versorgungslücke — besonders in den unteren Einkommensschichten.
RENTENBEITRAG KÖNNTE SINKEN
Zu Recht. Die gesetzliche Altersren-

te ist zwar sicher, aber nicht in ihrer Höhe, denn die wird weiter sinken — trotz der aktuell positiven Finanz¬lage. So verfügte die gesetzliche Rentenversicherung im vergangenen Jahr über Einnahmen in Höhe von 254,3 Milliarden Euro, die sich nach Angaben der Deutschen Rentenver-sicherung aus Rentenversicherungs-beiträgen in Höhe von 192,9 Milliar-den Euro und aus Bundeszuschüssen im Umfang von 60 Milliarden Euro speisten. Dem standen geringere Ausgaben in Höhe von 249,2 Milliar-den Euro gegenüber. Entsprechend konnte der Pflichtbeitrag zur gesetz-lichen Rentenversicherung Anfang dieses Jahres um 0,7 auf 18,9 Prozent gesenkt werden. Nach Einschätzung der Vorsitzenden des Bundesvorstan-des des Rentenversicherungsträgers, Annelie Buntenbach, könnte sich bei
unveränderter Gesetzeslage Anfang 2014 sogar Spielraum für eine erneu¬te Senkung des Beitragssatzes erge¬ben. So weit, so gut.
Nur die Welt dreht sich weiter. Mit ihr verändern sich die demografi-schen Grundlagen unseres Landes. Nach den Prognosen des Statisti¬schen Bundesamtes wird die Bevölke¬rung bis 2060 auf 65 bis 70 Millionen Menschen sinken. Gleichzeitig wird sich der Altersaufbau verschieben: Während die Zahl der unter 20-Jäh¬rigen sowie 65-Jährigen und Älteren heute noch etwa gleich ist, wird der Anteil der alten Menschen bis 2030 auf 29 bzw. bis 2060 auf 34 Prozent

ansteigen. Die Gründe sind hinläng¬lich bekannt: eine zu geringe Gebur¬tenrate, eine anhaltend steigende Lebenserwartung von knapp drei Monaten pro Jahr sowie eine Zuwan-derung aus dem Ausland, die die Ent-wicklung zwar abmildere, aber nicht stoppe. Was das für das gesetzliche Rentensystem bedeutet, liegt auf der Hand: Immer weniger Beitragszahler müssen immer mehr Rentenempfän¬ger finanzieren. Manche reden daher schon dem Renten-Kollaps das Wort. Doch: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Da der Gesetzgeber an den demografi-schen Schrauben nur bedingt drehen

kann, wurde im Zuge der zurücklie-genden Rentenreformen massiv ins System eingegriffen (siehe Kasten). Der vorerst letzte Einschnitt war die Rente mit 67: Für alle, die keine 45 Jahre Rentenbeiträge eingezahlt ha¬ben — und das sind schon heute die wenigsten —, steigt der Rentenbeginn schrittweise bis zum 67. Lebensjahr an. Vorzeitige Wechsel in den Ruhe¬stand müssen mit Rentenabschlägen bezahlt werden. „Durch diese Ma߬nahmen wurde die gesetzliche Rente zukunftsfest gemacht, aber gleichzei¬tig zu einer Basisversorgung umgestal¬tet", sagt Prof. Bernd Raffelhüschen, Leiter des Instituts für Finanzwissen¬schaft an der Universität Freiburg, be¬tont aber gleichzeitig: „Mehr als zuvor ist der Bürger damit gefordert, selbst für einen auskömmlichen finanziellen Ruhestand zu sorgen."
ALTERSARMUT WIRD VERMIEDEN Deutlich sichtbar werden diese Ver¬änderungen an der Entwicklung des Netto-Rentenniveaus: Dieser Wert drückt das Verhältnis einer Netto-Standardrente vor Steuern bei 45 Ver¬sicherungsjahren im Verhältnis zum durchschnittlichen Jahresentgelt aus und ist seit 1985 von seinerzeit 57,4 auf bereits unter 50 Prozent gesunken. Tendenz weiter fallend. Denn nach Prognosen des Rentenversicherungs-trägers wird das Netto-Rentenniveau bereits in 13 Jahren bei nur noch 46 Prozent liegen — und wohl schon 2030 bei 43 Prozent verharren. Dieser Min¬destwert wurde gesetzlich verankert und darf nicht unterschritten werden. Raffelhüschen: „Die Niveaus sind so niedrig, dass Altersarmut noch ver¬mieden wird, aber zur Sicherung des Lebensstandards reicht es nicht."
sendwende auf heute durchschnittlich 3,6 Prozent und markiert damit, laut der Ratingagentur Assekurata, einen historischen Tiefststand. Besonders deutlich zeigte sich diese Entwicklung beim Garantiezins, der inzwischen nur noch bei 1,75 Prozent und damit viel-fach unterhalb der Inflationsrate liegt. Branchenweit legen die Versicherer die Kundengelder zu 90 und mehr Prozent in fest verzinslichen Wertpapieren an. Wie stark die Gesellschaften von dem anhaltenden Niedrigzinsniveau be-troffen sind, hängt aber von der Dura-tion, also der Laufzeitenverteilung der angelegten Gelder, ab.
Nach Angaben von Assekurata müs¬sen knapp zwei Drittel der Kunden-verpflichtungen mit einem garantier¬ten Zins von mindestens drei Prozent bedient werden. In einem kürzlich erschienenen Fachartikel schreiben Alexander Kling und Prof. Jochen Ruß vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften an der Uni-versität Ulm: „Der durchschnittliche Garantiezins im Bestand klassischer Produkte liegt in Deutschland, Öster-reich und der Schweiz oberhalb der Kapitalmarktzinsen." Diese Garantien geben die Gesellschaften ihren Kun-den durch fest zugesagte sogenannte Rentenfaktoren über sehr lange Zeit-
VERZICHT IM RUHESTAND
Erwartungen an den eigenen Lebensabend
...weiß nicht/     ...werde meinen
keine Angabe   Lebensstandard
halten können
...auf einiges verzichten
Quelle: Sparerkompass Deutschland 2013, Bank of Scotland

eine private Renten- oder Lebensversicherung
eine betriebliche Altervorsorge
Immobilien
Sparguthaben
26%
Taggeld oder Festgeld
23%
Aktien oder Fonds
20%
andere Altersvorsorge-Produkte 6%
Gold
4%
Ich nutze keine private Altersvorsorge
10%
weiß nicht / keine Angabe
5%
räume von 50 Jahren und mehr hin-weg, eben hinein in die Rentenphasen der Versicherten, geben die Autoren weiter zu bedenken.
In den vergangenen 30 Jahren profi-tierten die Versicherer aufgrund ihrer aufsichtsrechtlich geforderten Überge-wichtung auf Anleihen von Kurssteige-rungen infolge fallender Zinsen. „Den Höhepunkt markierte der beispiellose Renditeverfall durch die Finanz- und Eurokrise", sagt Christoph Leichtweiß und verweist auf die Rendite zehnjäh-riger Bundesanleihen, die seither von 4,7 auf im Tief 1,16 Prozent gefallen ist. „Dieser kurstreibende Effekt bleibt künftig aus, denn die Zinsen können diesen Verfall mathematisch nicht wiederholen", ergänzt der Geschäfts-führer der Ypos-Consulting, einem auf Finanzmarktthemen spezialisier¬ten Beratungsunternehmen.
Daran können auch die Lebensver-sicherer nichts ändern; von künftig eher steigenden regulatorischen An-forderungen — Stichwort Solvency II — ganz zu schweigen. Und so handelte man auf der Produktseite und lancier¬te Vorsorgelösungen, mit denen die Reise durch das anhaltende Niedrig-

54%
38%
Quelle: Sparerkompass Deutschland 2013, Bank of Scotland
zinstal gelingen soll. Die Konsequenz für den Versicherungsnehmer war schon vorher klar: Abschied nehmen von den jährlichen Kapitalgarantien. Nur was bieten die Gesellschaften im Gegenzug?
GARANTIEN ALLEIN SIND ZUWENIG
Garantien sind für viele Kunden wichtig. Am Ende ist jedoch keiner zufrieden, wenn er nur die garantierte Leistung ausgezahlt bekommt, ganz besonders wenn diese so niedrig ist wie heute", sagt Claus Mischler, Lei¬ter Produktentwicklung bei Standard Life. Der Versicherer hat sich daher für eine flexiblere Form der Garan¬tie entschieden und diese mit einer Performance-Sicherung bei der Ka-pitalanlage kombiniert. „Damit sind die während der gesamten Vertrags-laufzeit erwirtschafteten Erträge zum Rentenbeginn für den Kunden garan-tiert", sagt Mischler (lesen Sie hierzu das Interview auf Seite 13).
Zuerst kam jedoch die Ergo mit ihrer „Rente Garantie" aus der Deckung. Das Neue: Es wird ein Mindestver-tragsguthaben, konkret die Summe der eingezahlten Beiträge abzüglich Kosten, sowie eine Leibrente zum
Beginn der Rentenphase garantiert. Hierfür muss der Versicherungsneh¬mer bei Vertragsabschluss festlegen, wann die Rentenzahlungen beginnen sollen. Die Anlage der eingezahlten Beiträge folgt einem dynamischen Hybridmodell: Der kleinste Teil des Beitrags wird beim Rückversicherer investiert, um die Garantie sicherzu-stellen. Ein weiterer Beitragsanteil soll durch Investments im Geldmarkt als „Stabilitätskomponente" dienen. Nennenswerte Erträge können nur mit dem dritten Beitragsanteil gene¬riert werden: dieser wird jeweils zur Hälfte am Renten- und Aktienmarkt angelegt, Letzteres gekoppelt an eine Volatilitätsvorgabe. Soll heißen: Je nachdem, wie stark die Kursschwan-kungen an den Börsen ausfallen, wird ein mehr oder weniger großer Be-standteil in Aktien investiert.
„Flexibilität und dauerhafte Rendite-chancen haben heute einen ähnlichen Stellenwert. Mit den vor Jahrzehnten konzipierten klassischen Produkten können wir die Kundenwünsche nicht optimal umsetzen", sagt Daniel von Borries, Vorstandsvorsitzender bei dem Lebensversicherer. Konkret sind anders als früher erstmals Kapitalzu¬zahlungen und -entnahmen während der Ansparphase möglich. Letztge-

nanntes gilt auch für die Rentenbe-zugsphase und sei so kaum bei Mit-bewerbern möglich. Von Borries: „Für den Kunden fühlt sich die Ergo Rente Garantie fast wie eine klassische Le-bensversicherung an."
OBOLUS STATTJAHRESGARANTIE Auch der Marktführer hat sich bei sei-nem neuen Produkt „Perspektive" vom jährlichen Garantiezins verabschiedet. Stattdessen wird ebenfalls ein Bei-tragserhalt und eine Mindestrente je-weils erst zum Vertragsbeginn garan-tiert. Bei einem Monatsbeitrag von 100 Euro und einer 30-jährigen Ver-tragslaufzeit ergäbe sich ab Rentenal¬ter 65 Jahre eine lebenslange monat¬liche garantierte Rente in Höhe von 128 Euro. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Vonseiten der Allianz wird zudem noch auf eine weitere Garantie-komponente verwiesen: Die jährlich dem Kundenvertrag gutgeschriebene Überschussbeteiligung lasse das Ga-rantiekapital über den absoluten Bei-tragserhalt steigen und dieses Kapital bilde dann zum Rentenbeginn die Ba-sis zur Berechnung der garantierten und tatsächlichen Rente.
Bei der Kapitalanlage verändert sich hingegen nichts. Wie bei der wei¬terhin angebotenen klassischen Le-

bensversicherung geschieht dies im Sicherungsvermögen, dem sogenann-ten Deckungsstock des Versicherers. Gleichwohl sollen die Versicherungs-nehmer, die der Allianz mit „Pers-pektive" mehr Freiraum bei ihrer Veranlagung eröffnen, hierfür einen finanziellen Obolus erhalten: einen Mehrertrag von 0,3 Prozent gegen¬über der „Klassischen" als Teil der Überschussbeteiligung.
Ob die „neuen" Lebensversicherungen gerade mit Blick auf die Kapitalanla¬ge wirklich einen Einstieg wert sind, bleibt am Ende eine persönliche Ent-scheidung. Aber es geht auch nicht darum, das „richtige" Produkt zu fin-den. „Es kommt auf die Streuung an", betont Raffelhüschen. Und: Es gilt, überhaupt erst mal aktiv zu werden. In den dann folgenden Schritten, aber nicht erst viele Jahre später, lässt sich das eigene Engagement dann immer mehr am voraussichtlichen Bedarf ausrichten.
Erfreulicherweise zeigt sich das Gros der 30-bis 59-Jährigen, nachden Resul-taten der GDV-Studie, mit dem Leben überdurchschnittlich zufrieden. Und das soll im hohen Alter, dessen Errei-chen immer wahrscheinlicher wird, vorbei sein? Auch wenn es in diesen Zeiten wahrlich keine Freude macht: Mit etwas Leichtigkeit und mehr Zu-versicht lassen sich die Weichen in eine lebenswerte Zukunft stellen. Oder um es mit Watzlawick zu sagen: Die Lage ist hoffnungslos, aber...




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