Energiewende Schieferproduktion Trading SelMcKenzie
Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/b0geSOED1VU
ie weltweite Energiewende ist voll im Gang, auch wenn nicht
ganz so, wie es sich manch ein Umweltschützer wünscht. Anhand neuer
Fördertechniken bei Erdgas und Rohöl wird vor allem in den USA inzwischen
fleißig „gefrackt", um an tief schlummernde Reserven in Schie-fergesteinen
heranzukommen (siehe Kasten ,Yom Fracken zur Rendite").
Dabei wird das Ganze von einem wei-teren Punkt angefeuert:
Dank einer Weiterentwicklung der Technologien kann inzwischen auch horizontal
und nicht nur vertikal an Land — also on-shore — gebohrt werden. „So kann man
jetzt an die Schiefergas- und -öl-Reserven gelangen", erklärt Norman
McDonald, Fondsmanager des Invesco Energy Fund. Denn die herkömmliche
Technologie des vertikalen Bohrens ist zwar praktisch, um
leicht zugäng¬liche Ölfelder zu erschließen. Doch um einzelne Öl- und Gasblasen
tief in den Schiefergesteinen zu erschließen, würden sich mehrere vertikale
Boh-rungen, die dann notwendig wären, nicht auszahlen. Stattdessen werden diese
Blasen horizontal „aufgefädelt".
AUTARKIE IN SICHT
McDonald von Invesco wittert bei der US-Fracking-Revolution
insbesondere einen betriebswirtschaftlichen Effekt: Viele Explorations- und
Produktions-unternehmen können nun viel steti¬ger ihre Einnahmen kalkulieren.
Frü¬her, als konventionelles Öl etwa aus geopolitisch heiklen Regionen eine
größere Rolle spielte, waren auch die Preise wesentlich volatiler." Zu
sei-
nen E&P-Favoriten zählt McDonald deshalb etwa Occidental
Petroleum, Apache Corp und Marathon Oil, sie alle produzieren unter anderem
soge-nanntes unkonventionelles Öl, allen voran aber Gas in den US-Schieferre-gionen.
Aufgrund des Frackings im-portieren die USA inzwischen kaum noch letzteren
Energieträger, bis 2017 sollen sie auf diesem Gebiet komplett autark sein.
Auch beim Rohöl gibt es immer mehr Nachschub „made in
USA". Die US-amerikanische EIA (Energy Informa-tion Agency) hat jüngst
Zahlen veröf-fentlicht, sie zeigen, dass das Land mit 7,6 Millionen Fass pro
Tag nun soviel Rohöl fördert wie seit rund einem Vierteljahrhundert nicht mehr,
dank des Fracking-Boom
gov/forecasts/steo/). Noch liegt der US-Ölverbrauch von
täglich 19 Mil-lionen Fass aber ein gutes Stück über der Eigenproduktion. Zum
Vergleich: Der weltweite Ölkonsum lag 2012 bei rund 90 Millionen Fass.
Noch größer ist der Energiehunger Chinas, das Land überholte
2010 die USA als weltweit größten Verbrau¬cher, wenngleich es beim Ölkonsum
mit elf Millionen Fass pro Tag noch an 2. Stelle liegt. Das
könnte sich bald ändern. Denn der Großteil von Rohöl landet im Transportsektor.
Und kein Automarkt wächst so rasant wie jener im Reich der Mitte. Carlos Gomez
von der Scotiabank rechnet 2013 mit ei¬nem Rekordabsatzjahr, in China dürf¬ten
rund 15 Millionen neue Boliden einen Besitzer finden, damit erstmals mehr als
in den USA. Das wäre ein be-achtlicher Anteil am global geschätz-ten Absatz von
68 Millidnen Stück.
CHINAS WIRTSCHAFT PRÄGT
DEN ÖLPREIS
Kein Wunder, dass China schon im Oktober die USA als größten
Netto-ölimporteur überholen wird, prognos-tiziert die EIA (http://www.eia.gov/
todayinenergy/detail.cfm?id=12471). Ein wesentlicher Grund, weshalb der Ölpreis
zunehmend auf Meldungen aus dem Fernen Osten reagiert (wenn auch kurzfristig
die geopolitischen Spannungen ihr Übriges tun). Beein-flusst wird vor allem
jener der europäi-schen Nordseemarke Brent. Die US-amerikanische Marke WTI
(West Texas Intermediate) wird primär von den US-Geschehnissen vorangetrieben,
da WTI praktisch nicht im Export landet. Das erklärt auch zum Teil die
Preisun¬terschiede zwischen den zwei Marken
Wesentlich größer ist das globale Preisdifferenzial bei
Erdgas. Alastair Bishop, Energie-Fondsmanager im Rohstoffteam bei BlackRock:
„Erdgas wird sehr regional gehandelt. Damit variiert auch die Preisgestaltung
nach Regionen." Das liege vor allem daran, dass der Energieträger nur
schwer über weite Distanzen transportiert werden kann, im Gegensatz zu Rohöl,
erklärt der BlackRock-Experte. Wer es auf der Börse handeln will, muss sich
dabei an die New Yorker NYMEX wenden. Dort wird der Henry Hub Gaspreis
gehan¬delt, wobei die Bezeichnung von der gleichnamigen Gas-Pipeline in Loui¬siana
stammt.
Dessen Preis ist seit dem Schiefergas-Boom aber im Sinkflug,
im Schnitt lag er im Vorjahr bei 2,75 Dollar pro „mil-lion British thermal
units" (MMBtu) — einen Preisvergleich zu Rohöl fin-den Sie in der Grafik
„Energiematch". Fr&läric van Parijs, Fondsmanager des ING (L) Invest
Energy: „Wir glauben zwar an die Schieferrevolution. Aber der tiefe Erdgaspreis
trifft derzeit vor allem die reinen Gasproduzenten." Deshalb habe man im
Fonds jüngst die großen etablierten Ölkonzerne bevorzugt, etwa Exxon und Royal
Dutch, so van Parijs, „bis das größte Chaos ein wenig ausgestanden ist".
Von dem Mangel an Infrastruktur, um das Erdgas auch durch die Region zu
transportieren, profitiert wiederum
die Pipelineindustrie. Van Parijs: „Transcanada zählt zu den
großen Ge-winnern." Allerdings sollten Anleger beachten, dass viele dieser
Unterneh-men lukrative Dividenden zahlen, gibt Daniel Würmli vom Swisscanto
Equity Fund Selection Energy zu bedenken: „Das machte sie angesichts der
allge-mein tiefen Zinslandschaft besonders begehrt, deren Kurse sind 2012
kräf¬tig gestiegen."
US-GAS BLEIBT GÜNSTIG
Noch dürfte das tiefe Preisniveau bei US-Erdgas eine Weile
anhalten. Im laufenden Jahr wird der Durchschnitt laut EIA auf 3,71 Dollar
klettern, 2014 bei 3,95 Dollar liegen. Anders in Euro-
pa, hier erreicht der Preis rund neun Dollar, in Asien
knackt der Preis sogar die Marke von 16 Dollar. Gleichzeitig werden immer mehr
Erdgas-Kraft-werke, allen voran in den Schwellen-ländern, gebaut, hebt
ING-Experte van Parijs hervor: „Und bestehende Kohlekraftwerke werden
allmählich ersetzt. Denn Erdgas ist nicht nur günstig, sondern auch wesentlich
um-weltfreundlicher." Warum dann nicht Angebot und Nachfrage
zusammen-bringen? Tatsächlich möchte Russ¬land neue Leitungen gen Asien
verle¬gen, nach dem Iran hat es die weltweit zweitgrößten nachgewiesenen
Reser-ven mit 33 Billionen Kubikmeter. Den USA bleibt hingegen die Möglichkeit,
den Energieträger zu verschiffen. So macht es ja auch seit
Jahren der weltweit größte Exporteur, Katar.
Dabei wird Erdgas in Exportterminals auf minus 161 Grad
Celsius gekühlt und verflüssigt - so entsteht LNG (Liquified Natural Gas). Weil
sich das Volumen auf ein Sechshundertstel verkleinert, kann es leich¬ter
verschifft werden. In den USA werden bereits die ersten LNG-Exportterminals
gebaut, zeigt Bishop von BlackRock auf: „Als Erstes hat der Sabine Pass
LNG-Importterminal in Louisiana die Erlaubnis vom Energieministerium erhalten,
Erdgas zu expor¬tieren." Insgesamt sind bereits drei Terminals mit grünem
Licht vom Ministerium ausgestattet, „ab Ende 2017 dürften die ersten bereits
startklar sein". Dann dürfte auch mit billigem US-Gas allmählich Schluss
sein.
Doch LNG liefert nicht nur „Nachschub" für Kraft-werke.
Edith Southammakosane von ETF Securities: „Auch im Transport wird Gas zunehmend
eingesetzt werden." Schon jetzt erprobt etwa Lkw-Hersteller Iveco den
Einsatz von LNG-Motoren. Selbst Schif¬fe könnten künftig mit LNG angetrieben
werden, es werde aber noch Jahre dauern, bis sich Gasmo¬toren etablieren, so
Southhammakosane. Was sich hingegen schon jetzt munter weiterentwickelt, sind
Atomkraftwerke. Auch sie sollen zum Teil Kohle-kraftwerke ersetzen, hier greift
man ebenso auf das CO2-Argument. Würmli liebäugelt deshalb gerade mit dem
weltweit größten Uranproduzenten, der ka-nadischen Cameco: „Langfristig sind
die Aussichten für den Uranpreis besser als jene etwa für Kohle."
Die Energiewende gewinnt jedenfalls zunehmend an Fahrt,
wenngleich in eine Richtung, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar war. In
der Tabelle vis-a-vis finden Sie einen Überblick über die bran-chenbesten
Energieaktienfonds - kurzfristig ma¬chen sich freilich die Nachwehen der
Finanzkrise von 2008 sowie der tiefe Gaspreis bemerkbar.
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