MRT-Bilder vom schlagenden Herzen aufnehmen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/tVxR7L1qlbM
Das Kind leidet an Herzproblemen, nun soll es im MR-Scanner
untersucht werden. Zwar ist die Methode schonend und präzise. Doch die
Untersuchung in der Röhre dauert und der junge Patient darf sich möglichst
nicht bewegen — für Kleinkinder praktisch unmöglich. Deshalb müssen ihnen die
Ärzte oft ein Beruhigungs¬oder Narkosemittel verabreichen, ansonsten können die
Bilder unscharf und damit un¬brauchbar werden. Ein jüngst abgeschlossenes
Gemeinschaftsprojekt des Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie und
des Fraunho¬fer-Instituts für Bildgestützte Medizin MEVIS verspricht nun
Abhilfe.
Beschleunigte Bildaufnahme
Das neue Verfahren beschleunigt die Bildauf-nahme von
MR-Scannern enorm. Damit lassen sich Bewegungen erkennen und ausgleichen
—kleine Patienten müssen für eine MRT-Herzunter-suchung nicht mehr sediert
werden. Doch auch bei Erwachsenen erlaubt die Methode wichtige Fortschritte.
Die Aufnahmen vom schlagenden Herzen erlauben Untersuchungen von
Herz-klappenproblemen, blockierten Arterien und Rhythmusstörungen.
Für die Diagnose von Herzerkrankungen wird die
Magnetresonanz-Tomographie (MRT) immer wichtiger. Im Gegensatz zu einem
Herzkatheter ist sie nicht mit einem Eingriff verbunden und anders als ein
Röntgengerät belastet sie den Patienten nicht mit Strahlung. Zudem liefert ein
MR-Scanner exklusive Informationen darüber, ob der Herzmuskel gesund oder
angegriffen ist. Angesichts der Vorteile ist die Zahl der MRT-
Herzaufnahmen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.
Allerdings zeigt das Verfahren auch manche Ein¬schränkung.
Derzeit dauern die Untersuchungen relativ lange. Außerdem müssen die Patienten
an ein EKG angeschlossen sein — nur so lässt sich im Nachhinein feststellen, zu
welcher Phase des Herzschlags eine Aufnahme gehört. Allerdings sind bei
Menschen mit Herzrhythmusstörungen die EKG-Daten oft zu schwankend, um
brauch¬bare Bilder zu erhalten.
Hinzu kommt, dass die Patienten, um störende Atembewegungen
zu minimieren, während der Aufnahme immer wieder die Luft anhalten müssen. »Das
ist gerade kleinen Kindern nur schwer zu vermitteln«, sagt MEVIS-Forscherin
Anja Hennemuth. »Besser wäre eine Methode, bei der die Kinder frei atmen und
sich auch ein bisschen hin- und her bewegen können.«
Atmen erlaubt
Genau das schafft das neue »Echtzeit-MRT«-Verfahren. Die
Basisentwicklung stammt vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in
Göttingen. Die Experten um Professor Jens Frahm haben es geschafft, die
Bildaufnahmen im MR-Scanner auf 30 bis 50 Bilder pro Sekunde zu beschleunigen —
eine Bildfrequenz ähnlich wie beim Fernsehen. Damit ist es möglich,
Herz¬aufnahmen ohne EKG und ohne Atemanhalten zu machen und außerdem die
Reaktionen von Herzmuskel und Blutfluss auf körperliche Belas¬tung direkt zu
beobachten.
Die Schwierigkeit: »Die Bilddaten, die ein Echtzeit-Scanner
erzeugt, sind nicht ohne weite¬res interpretierbar«, erläutert Hennemuth. »Die
Methode liefert viele Bilder in schneller Folge und es ist nicht einfach,
daraus klinisch nutzbare Informationen zu extrahieren.« Um das Problem zu
lösen, suchten die Max-Planck-Experten Rat in Bremen: Die Fachleute vom
Fraunhofer MEVIS sind auf das Entwickeln von Algorithmen spezialisiert, die aus
Bildern die relevanten medi¬zinischen Informationen herausholen. Gemein-
sam rief man das Projekt »Cardiac Function in Realtime«,
kurz CaFuR, ins Leben.
Eines der zu lösenden Probleme: In der Regel sind die
Bildkontraste der Echtzeit-MRT-Daten weniger klar als die von herkömmlichen
MRT-Aufnahmen — nicht selten ändern sich die Kontraste zwischen Blut und Gewebe
von einer Aufnahme zu nächsten. Das macht es schwie¬rig, beide sicher
voneinander zu unterscheiden. Hennemuths Kollege Markus Hüllebrand zeigt auf
den Bildschirm seines Computers. »Hier siehe man, dass Herzmuskel und linke
Herzkammer gut voneinander abgrenzbar sind. Die Herz¬kammer ist hell
dargestellt und der Herzmuskel dunkler.« Dann zeigt er eine spätere Aufnahme
aus derselben Sequenz: »Hier ist der Herzmuskel heller dargestellt. Das macht
eine klare Abgren¬zung zur Kammer schwierig.«
Genau das kann zu Fehlinterpretationen verleiten — weshalb
die Forscher eine Software entwickelt haben, die das unerwünschte Wech¬selspiel
der Kontraste erfasst und ausgleicht. Des Weiteren identifiziert das Programm
automa¬tisch die Konturen der verschiedenen Organe und Organteile und teilt sie
in Segmente ein —wichtig, um deren Bewegung nachzuverfolgen. Letzteres
geschieht durch Registrierungsverfah-ren: Sie erkennen, wohin und wie schnell
sich eine bestimmte Struktur mit der Zeit bewegt. »Das Herz kontrahiert nicht
nur, sondern be¬wegt sich durch das Atmen auch auf und ab«, erläutert
CaFur-Projektleiterin Hennemuth. »Mit unserer Software kann man auch den
Einfluss der Atmung auf die Herzfunktion bestimmen.«
Software misst Blutfluss
Eine weitere Funktion: Das Programm misst den Blutfluss und
kann dadurch zum Beispiel die Auswirkungen von Herzklappenproblemen
analysieren. Wieder zeigt Markus Hüllebrand auf eine MRT-Aufnahme: »Hell
bedeutet Blutfluss in die eine, dunkel in die entgegengesetzte Richtung. Wo es
besonders hell und besonders dunkel ist, fließt das Blut am schnellsten.« Damit
lässt sich zum Beispiel messen, wie der Blutfluss a fiert — was dann auf
Herzrhythmusstörungen :der Klappenprobleme schließen lässt. Fließt
Beispiel zu viel Blut zurück, scheint die —erzklappe nicht
richtig zu schließen.
ne große Herausforderung lag in den riesigen atenmengen«,
sagt Anja Hennemuth. »Pro Un-te—suchung fallen bis zu zehn Gigabyte an
Bild-:aten an.« In ersten Tests hat sich das Verfahren :ereits bewährt. Dank
der neuen Methode :nnen die Kinder nun wach im MR-Scanner lie-:en. Da das EKG
wegfällt, ist eine Untersuchung :eutlich kürzer. Das Universitätsklinikum Göt¬
tingen hat bereits mit der klinischen Erprobung begonnen,
bald sollen weitere Zentren folgen. »Eine neue Hardware ist nicht nötig, es
genügt eine Software-Erweiterung für die bestehenden Geräte«, betont Hennemuth.
CaFur ist seit kurzem abgeschlossen, nun haben die Experten
ein Folgeprojekt namens »CaFur Innovator« aufgelegt: »Unter anderem wollen wir
die Software beschleunigen und robuster machen sowie ihre Anbindung ins
klinische Rechnernetz verbessern«, erläutert der technische Projektleiter
Markus Hüllebrand.
»Außerdem werden wir untersuchen, welchen konkreten Nutzen
die neue Methode in der Praxis bringt.«
Auf lange Sicht aber soll das Echtzeit-MRT auch für weitere
Diagnosen tauglich gemacht werden. »Ideen gibt es genug«, sagt Anja Hennemuth.
So ließe sich der Blutfluss in den Beinvenen messen und das Risiko von
Venenthrombosen abschät¬zen. Und Orthopäden könnten künftig per MR-Scanner
nachverfolgen, was sich im Inneren eines Knies abspielt, wenn ein
schmerzgeplagter Patient das Gelenk bewegt.
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