Samstag, 9. April 2016

MRT-Bilder vom schlagenden Herzen aufnehmen


MRT-Bilder vom schlagenden Herzen aufnehmen

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/tVxR7L1qlbM


 

Das Kind leidet an Herzproblemen, nun soll es im MR-Scanner untersucht werden. Zwar ist die Methode schonend und präzise. Doch die Untersuchung in der Röhre dauert und der junge Patient darf sich möglichst nicht bewegen — für Kleinkinder praktisch unmöglich. Deshalb müssen ihnen die Ärzte oft ein Beruhigungs¬oder Narkosemittel verabreichen, ansonsten können die Bilder unscharf und damit un¬brauchbar werden. Ein jüngst abgeschlossenes Gemeinschaftsprojekt des Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie und des Fraunho¬fer-Instituts für Bildgestützte Medizin MEVIS verspricht nun Abhilfe.

Beschleunigte Bildaufnahme

Das neue Verfahren beschleunigt die Bildauf-nahme von MR-Scannern enorm. Damit lassen sich Bewegungen erkennen und ausgleichen —kleine Patienten müssen für eine MRT-Herzunter-suchung nicht mehr sediert werden. Doch auch bei Erwachsenen erlaubt die Methode wichtige Fortschritte. Die Aufnahmen vom schlagenden Herzen erlauben Untersuchungen von Herz-klappenproblemen, blockierten Arterien und Rhythmusstörungen.

Für die Diagnose von Herzerkrankungen wird die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) immer wichtiger. Im Gegensatz zu einem Herzkatheter ist sie nicht mit einem Eingriff verbunden und anders als ein Röntgengerät belastet sie den Patienten nicht mit Strahlung. Zudem liefert ein MR-Scanner exklusive Informationen darüber, ob der Herzmuskel gesund oder angegriffen ist. Angesichts der Vorteile ist die Zahl der MRT-

 

Herzaufnahmen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Allerdings zeigt das Verfahren auch manche Ein¬schränkung. Derzeit dauern die Untersuchungen relativ lange. Außerdem müssen die Patienten an ein EKG angeschlossen sein — nur so lässt sich im Nachhinein feststellen, zu welcher Phase des Herzschlags eine Aufnahme gehört. Allerdings sind bei Menschen mit Herzrhythmusstörungen die EKG-Daten oft zu schwankend, um brauch¬bare Bilder zu erhalten.

Hinzu kommt, dass die Patienten, um störende Atembewegungen zu minimieren, während der Aufnahme immer wieder die Luft anhalten müssen. »Das ist gerade kleinen Kindern nur schwer zu vermitteln«, sagt MEVIS-Forscherin Anja Hennemuth. »Besser wäre eine Methode, bei der die Kinder frei atmen und sich auch ein bisschen hin- und her bewegen können.«

Atmen erlaubt

Genau das schafft das neue »Echtzeit-MRT«-Verfahren. Die Basisentwicklung stammt vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen. Die Experten um Professor Jens Frahm haben es geschafft, die Bildaufnahmen im MR-Scanner auf 30 bis 50 Bilder pro Sekunde zu beschleunigen — eine Bildfrequenz ähnlich wie beim Fernsehen. Damit ist es möglich, Herz¬aufnahmen ohne EKG und ohne Atemanhalten zu machen und außerdem die Reaktionen von Herzmuskel und Blutfluss auf körperliche Belas¬tung direkt zu beobachten.

Die Schwierigkeit: »Die Bilddaten, die ein Echtzeit-Scanner erzeugt, sind nicht ohne weite¬res interpretierbar«, erläutert Hennemuth. »Die Methode liefert viele Bilder in schneller Folge und es ist nicht einfach, daraus klinisch nutzbare Informationen zu extrahieren.« Um das Problem zu lösen, suchten die Max-Planck-Experten Rat in Bremen: Die Fachleute vom Fraunhofer MEVIS sind auf das Entwickeln von Algorithmen spezialisiert, die aus Bildern die relevanten medi¬zinischen Informationen herausholen. Gemein-

 

sam rief man das Projekt »Cardiac Function in Realtime«, kurz CaFuR, ins Leben.

Eines der zu lösenden Probleme: In der Regel sind die Bildkontraste der Echtzeit-MRT-Daten weniger klar als die von herkömmlichen MRT-Aufnahmen — nicht selten ändern sich die Kontraste zwischen Blut und Gewebe von einer Aufnahme zu nächsten. Das macht es schwie¬rig, beide sicher voneinander zu unterscheiden. Hennemuths Kollege Markus Hüllebrand zeigt auf den Bildschirm seines Computers. »Hier siehe man, dass Herzmuskel und linke Herzkammer gut voneinander abgrenzbar sind. Die Herz¬kammer ist hell dargestellt und der Herzmuskel dunkler.« Dann zeigt er eine spätere Aufnahme aus derselben Sequenz: »Hier ist der Herzmuskel heller dargestellt. Das macht eine klare Abgren¬zung zur Kammer schwierig.«

Genau das kann zu Fehlinterpretationen verleiten — weshalb die Forscher eine Software entwickelt haben, die das unerwünschte Wech¬selspiel der Kontraste erfasst und ausgleicht. Des Weiteren identifiziert das Programm automa¬tisch die Konturen der verschiedenen Organe und Organteile und teilt sie in Segmente ein —wichtig, um deren Bewegung nachzuverfolgen. Letzteres geschieht durch Registrierungsverfah-ren: Sie erkennen, wohin und wie schnell sich eine bestimmte Struktur mit der Zeit bewegt. »Das Herz kontrahiert nicht nur, sondern be¬wegt sich durch das Atmen auch auf und ab«, erläutert CaFur-Projektleiterin Hennemuth. »Mit unserer Software kann man auch den Einfluss der Atmung auf die Herzfunktion bestimmen.«

Software misst Blutfluss

Eine weitere Funktion: Das Programm misst den Blutfluss und kann dadurch zum Beispiel die Auswirkungen von Herzklappenproblemen analysieren. Wieder zeigt Markus Hüllebrand auf eine MRT-Aufnahme: »Hell bedeutet Blutfluss in die eine, dunkel in die entgegengesetzte Richtung. Wo es besonders hell und besonders dunkel ist, fließt das Blut am schnellsten.« Damit lässt sich zum Beispiel messen, wie der Blutfluss a fiert — was dann auf Herzrhythmusstörungen :der Klappenprobleme schließen lässt. Fließt

Beispiel zu viel Blut zurück, scheint die —erzklappe nicht richtig zu schließen.

ne große Herausforderung lag in den riesigen atenmengen«, sagt Anja Hennemuth. »Pro Un-te—suchung fallen bis zu zehn Gigabyte an Bild-:aten an.« In ersten Tests hat sich das Verfahren :ereits bewährt. Dank der neuen Methode :nnen die Kinder nun wach im MR-Scanner lie-:en. Da das EKG wegfällt, ist eine Untersuchung :eutlich kürzer. Das Universitätsklinikum Göt¬

 

tingen hat bereits mit der klinischen Erprobung begonnen, bald sollen weitere Zentren folgen. »Eine neue Hardware ist nicht nötig, es genügt eine Software-Erweiterung für die bestehenden Geräte«, betont Hennemuth.

CaFur ist seit kurzem abgeschlossen, nun haben die Experten ein Folgeprojekt namens »CaFur Innovator« aufgelegt: »Unter anderem wollen wir die Software beschleunigen und robuster machen sowie ihre Anbindung ins klinische Rechnernetz verbessern«, erläutert der technische Projektleiter Markus Hüllebrand.

 

»Außerdem werden wir untersuchen, welchen konkreten Nutzen die neue Methode in der Praxis bringt.«

Auf lange Sicht aber soll das Echtzeit-MRT auch für weitere Diagnosen tauglich gemacht werden. »Ideen gibt es genug«, sagt Anja Hennemuth. So ließe sich der Blutfluss in den Beinvenen messen und das Risiko von Venenthrombosen abschät¬zen. Und Orthopäden könnten künftig per MR-Scanner nachverfolgen, was sich im Inneren eines Knies abspielt, wenn ein schmerzgeplagter Patient das Gelenk bewegt.

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