Samstag, 26. Juni 2010

Grossglockner Hoachalpenstrasse Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Grossglockner Hoachalpenstrasse Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=Ja0ea-KXol0

Zur Hebung des Fremdenverkehrs ist eine bilderreiche Hochstraße notwen¬dig, die technisch alle berühmten Al
penstraßen in den Schatten stellt. Maßgeb¬lich für den Bau einer Glocknerstraße wird nur der leistungsfähige internationale Fremdenverkehr jener reichen Leute aus dem weiteren Auslande sein, welche ihre Reisen zur Gänze mit dem Kraftwagen zu¬rücklegen und imstande sind, viel Geld in Österreich auszugeben." So befand 1922 eine Konferenz von Experten in Mittersill. Längst schon fühlte sich Kärnten benach¬teiligt, weil auf dem 156 km langen Alpen¬hauptkamm zwischen Brenner und Katsch¬berg ein Alpenübergang fehlte, der Kärnten das touristisch erstrangige Quellgebiet Deutschland erschlossen hätte. Die 1909 fertiggestellte Tauernbahn über Bad Gas¬tein nach Spittal lockte nämlich Automobi¬listen kaum an.
Die Konferenzteilnehmer in Mittersill ver-fügten über erstaunliche Weitsicht, denn damals zählte man in Österreich lediglich 8.354 Pkw und in Deutschland auch nur zehnmal so viele. Zudem bestanden in Österreich auch nur 60 km asphaltierte Überlandstraßen, und der große Rest taugte nach dem sarkastischen Urteil des Salzbur¬ger Landeshauptmannes Franz Rehrl "aus-gezeichnet für den Fuhrwerksverkehr". Ungleich deprimierender: Die Niederlage im Ersten Weltkrieg hatte Österreich auf ein Siebentel seiner imperialen Größe redu¬ziert und von seinen Märkten auf dem Bal¬kan abgeschnitten. Gemeinhin hielt man dieses kleine Land nicht für lebensfähig. Eine Inflation von 15.000 Prozent schmolz alle Finanzreserven ein, und dem Staat fehlten die Mittel, so ein gewaltiges Projekt zu finanzieren.
Vermutlich wäre die Glocknerstraße für lange Zeit auf dem Wunschzettel vergilbt, hätte nicht Rehrl diese Idee aufgegriffen. Er setzte nämlich auf den potenziellen Reichtum des Bundeslandes Salzburg: Ausbau der unerschöpflichen Wasserkraft, massive Förderung des alpinen Fremden¬verkehrs und der Salzburger Festspiele, die er eben erst vor dem Bankrott gerettet hatte.
Da tauchte plötzlich 1926 eine Idee der Berliner AEG auf: Bau eines riesigen „Tau-ernwerks", das in rund 2.000 m Seehöhe in 1.260 km Hangkanälen alles Wasser der Hohen Tauern sammelt und durch gigan-tische Stollen einem Megakraftwerk in Kaprun zuleitet. Dieses sollte die zweiein-halbfache Strommenge des damaligen österreichischen Verbrauchs erzeugen und der deutschen Industrie zuführen. Diese

Von Heiligenblut aus startete 1900 unter Leitung von Heinrich Pierl der Bau der 12 km langen Straße bis zum Glocknerhaus.
Idee zündete bei Rehrl: Da brauche doch die AEG Baustraßen in der Glockner-gruppe, und diese könne man kostengüns¬tig zur Glocknerstraße ausbauen.
Immerhin hatte der Kärntner Techniker Heinrich Pierl bereits 1895 eine Straße von Heiligenblut in den Pinzgau entworfen. Und weil dafür das Geld fehlte, machte sich die Klagenfurter AV-Sektion auf eige¬ne Faust ans Werk. Aus Eigenmitteln, mit Lotterien und Spendern brachte sie 2,6 Mio. Euro (Geldwert 2010) für ein einspu¬riges Sträßchen von Heiligenblut über 900 Höhenmeter bis zum Glocknerhaus auf und baute unter Pierls Leitung von 1900 bis 1908 die 12 km lange Straße.
Weil Heiligenblut damals schon in drei Herbergen 111 Gästebetten anbot, ent-wickelte sich auf dieser „alten Glockner-straße" sogleich ein reger Verkehr — erst mit Zweispännern und ab 1927 schon mit zehnsitzigen Postbussen. Die touristische Zukunft gehörte also bereits dem Auto. Die Idee der Expertenkonferenz von Mit¬tersill hatte auch in Klagenfurt gezündet. Man beauftragte 1924 den Bauingenieur Franz Wallack mit der Planung der Glock¬nerstraße, denn der 37-jährige Techniker war seinen Vorgesetzten als Projektmana¬ger mit beträchtlichen Kenntnissen der Glocknergruppe aufgefallen. Binnen drei Tagen legte Wallack eine Planskizze vor und machte sich alsbald auf eine fünf-wöchige „Studienreise" über 43 Passstra¬ßen zwischen Dolomiten und Frankreich, um Erfahrungen seinem Projekt dienstbar zu machen. Er notierte einfach alles: Stra

sollte die Straße berappen, sondern der ge-nussvolle Benützer.
Wallack erntete vorwiegend Spott und pro-jektierte trotzdem weiter: Straßenbreite 6 in und Höchststeigung zwölf Prozent.
Doch es fand sich kein Finanzier, und der Staat hatte kein Geld. Gleichwohl erholte sich die Wirtschaft zusehends. Österreichs Fremdenverkehr legte in den „goldenen Zwanzigerjahren" um 90 Prozent zu, jener der ausländischen Gäste um ein Drittel. Auf Europas schlechten Straßen wirbelten bereits 1,6 Mio. Pkw Staub auf, in Öster¬reich hatte sich ihre Zahl bis 1929 auf 17.350 verdoppelt.
Andererseits war Rehrls Spekulation auf die Baustraßen des „Tauernwerks" an der Natur gescheitert: Ein „Probehangkanal" war nach jedem Regen mit Sand und Geröll verstopft, und das AEG-Projekt endete auf dem Friedhof aller Luftschlösser.
Eine Katastrophe öffnete schließlich den Ausweg: der New Yorker Börsenkrach 1929, der die bis dahin schlimmste Welt¬wirtschaftskrise auslöste. Allein im kleinen Österreich schnellte die Zahl der Arbeits¬losen auf 550.000 hinauf — 26 Prozent der Arbeitsfähigen. Und weil damals Frauen kaum zehn Prozent der Erwerbstätigen aus¬machten, saßen mit den arbeitslosen Vätern auch die Familien auf der Straße. Nun also kratzte die Regierung alles Geld zusam¬men, um in härtester Notzeit Arbeitsplätze zu schaffen. So donnerten am 30. August
6 DIE MÜNZE

1930 die ersten Sprengschüsse in Ferleiten als Auftakt für ein Unternehmen ohne Vor-bild: Noch nie waren in Österreich Groß-baustellen auch nur annähernd so hoch in die Alpen hinaufgerückt. Aber dieser Stra-ßenbau bot nun im Sommer durchschnitt¬lich 3.200 Männern Arbeit.
Und die war heiß begehrt, denn die so ge-nannten „Glocknerbaraber", die mangels Baggern und Baumaschinen im Hochgebir¬ge bei jedem Wetter mit Krampen, Schau¬feln und Schubkarren schufteten, bezogen Spitzenverdienste — bis zum Dreifachen eines Lehrers. Daher standen arbeitslose Wiener Kellner oder Frisöre in Halbschu¬hen vor Wallacks Baubüro in der Hoffnung an, einen Job zu ergattern — und wurden
Kaiser-Franz-Josefs-Denkmal vor der Pasterze.


abgewiesen, denn harter Arbeit im Hochge-birge waren sie sichtlich nicht gewachsen. Ihnen liefen Tausende arbeitslose Bau¬arbeiter aus den Alpentälern bei Weitern den Rang ab.
Den „Glocknerbarabern" fielen allerdings jene schaulustigen Touristen auf die Ner¬ven, die vor allem an Wochenenden den Fortschritt an der Glocknerstraße begut¬achten wollten und schwärmten: „Bei schö¬nem Wetter in guter Luft arbeiten — wie gesund!" Sie kamen allerdings nur bei Schönwetter und hatten keine Ahnung, wie gesund die Arbeit im Hochgebirge ist, wenn es bei Schneestürmen im Juni hori¬zontal schneit. Allerdings erbrachten die klimatischen Bedingungen in den Hohen Tauern auch einen entscheidenden sozialen Fortschritt: die „Schlechtwetterregelung", nach der in ganz Österreich Löhne auch an Tagen bezahlt werden, wenn Stürme die Arbeit im Freien unterbinden.
Der Straßenbau gedieh zügig. Im Herbst 1932 waren die Nordrampe von Ferleiten (1.160 m) bis zum Hochmais (1.840 m) und die Südrampe von Heiligenblut (1.312 in) bis zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe (2.300 m) gediehen. Da entspann sich zwi-schen Rehrl und Wallack ein zäh geführter Variantenstreit, dessen Hintergrund aller-dings auch die geringe Leistungsfähigkeit der Autos bildete.
Rehrl drang auf den kürzestmöglichen Weg
vorn Hochmais durch einen 2 km langen
Tunnel unterhalb der Pfandlscharte zur Pasterze, um den Autos auf der Fahrt von Zell am See zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe und zurück 16 km Strecke und 1.600 Hö¬henmeter zu ersparen. Wallack hingegen hatte von Anbeginn die Hochtorlinie ver¬fochten. Neben den geringeren Kosten das entscheidende Argument: Dies erschlösse 7g: zwischen Fuscher Törl und Hochtor die
beispiellose Attraktion einer rund 7 km langen Fahrt auf einer Panoramastraße zwischen 2.300 und 2.500 m Seehöhe.
Den Streit beendete ein Schiedsrichter aus der Schweiz mit dem unschlagbaren Argu¬ment, die Hochtorvariante spare 50 Prozent an Baukosten.
Als die Nordrampe im Sommer 1934 das Fuscher Törl (2.404 m) erreicht hatte, ver-süßte Wallack seinem Landeshauptmann Rehrl die Niederlage im Variantenstreit mit einem kleinen Sparwunder. Der Straßenbau bis hierher war nämlich um umgerechnet 130.000 Euro billiger ausgefallen als ver-anschlagt. Diese Summe nutzte Wallack für die Erschließung der Edelweißspitze gleich neben dem Fuscher Törl: Binnen 47 Tagen wurde ein 1.6 km langes Sträßchen in sechs Kehren über 177 Höhenmeter auf diesen Gipfel gebaut.
Die Eröffnung dieses Abstechers auf den mit 2.577 m höchsten Punkt der Glockner¬straße am 22. September 1934 war freilich nicht die Sensation des Tages — die lieferte der Autofan Rehrl. Er hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, als erster Mensch in einem Pkw die Hohen Tauern auf dem Rohbau der Scheitelstrecke zu überqueren. Die halsbrecherische Fahrt in einem umge-bauten Pkw über das Hochtor nach Hei-ligenblut und zurück gelang ohne Panne in knapp sieben Stunden. Anschließend schwärmte Rehrl vor der internationalen Presse: „Wir haben die Wand der Hohen Tauern am heutigen Tag mit motorischer Kraft überwunden." Wallacks Kommentar: „Eine Vergnügen war diese Fahrt gerade nicht."
Am 3. August 1935 bot die Eröffnung der Großglockner Hochalpenstraße dem immer noch schwer angeschlagenen Österreich endlich Anlass zum Jubeln. Tausende Schaulustige waren zu diesem Fest geeilt. Und die Regierung würdigte das Werk als „ewiges Zeugnis von österreichischer Leistung und Selbstbehauptungswillen in schwerer Zeit. Dieses Friedenswerk soll dazu beitragen, dass die Herzen der Völker im Norden und Süden Europas einander entgegenschlagen."
Tags darauf lieferten mehr als 100 ange
reiste Reporter nochmals Schlagzeilen.

In Fusch startete Europas Rennelite zum „Ersten Internationalen Glockner-Rennen" über 19,5 km und knapp 1.600 Höhenmeter hinauf zum Fuscher Törl. Der Schnellste schaffte die Strecke mit einem Schnitt von 80 km/h und gewann den Siegespreis von 5.500 Euro (nach heutiger Währung). Ob die Ehrengäste bei der Eröffnung und die seither 60 Millionen Besucher der Großglockner Hochalpenstraße die In-schrift über den Portalen des Hochtortun¬nels wahrgenommen haben, weiß niemand. Da steht in Stein gemeißelt: In te domine speravi (Auf dich, o Herr, habe ich ge¬hofft). Bauarbeiter hatten nämlich beim Einstich des Hochtortunnels im Bergschutt eine Münze aus der Zeit Maria Theresias (1740-1780) mit dieser Inschrift gefunden — für Wallack ein Symbol für das quälend lange Hoffen, dass der Bau dieser Hoch¬alpenstraße allen Widrigkeiten zum Trotz glücke. Also ließ er diesen Satz an den Tunnelportalen verewigen.
Beim Hochtoreinstich pickelten die Bau¬arbeiter auch eine 19 cm große Statuette des römischen Halbgottes Herkules frei — für Archäologen der beste Beweis, dass be¬reits die Römer einen Weg über das Hoch¬tor gebahnt hatten. Und weil man auch die Bruchstücke einer römischen Öllampe fand, gelang der Nachweis, dass auf dem Hochtor — wie auf mehreren Alpenpässen — ein kleines Heiligtum für Herkules be¬standen hatte. Dort dankten die Wanderer ihrem „Passheiligen" für den geglückten Anstieg und erbaten Schutz auch noch für den Abstieg.
Die Form des Dankes entdeckten Archäo
logen 1995 bei Grabungen auf dem Hoch-

Wer die Augen offen hält, entdeckt unter Umständen ein Murmeltier, eines der Bewohner des National¬parks Hohe Tauern.
tor: 199 keltische und römische Münzen und 14 Bruchstücke von Statuetten anderer Gottheiten. Offensichtlich herrschte ver¬gleichsweise reger Verkehr über diesen Pass, obschon römische Schriftsteller eine Reise über das Hochgebirge „strapaziöser als einen Krieg" einschätzten und die Al¬pen als "unnahbar" oder „wahrlich grauen¬erregend" beschrieben. Solches „Grauen" flößte den Römern wohl auch die düstere (fuscus) Bärenschlucht zwischen Fusch und Ferleiten ein. Das lateinische fuscus lebt heute noch als Ortsname Fusch fort. Gleichwohl wagten sich Menschen schon Jahrhunderte vorher über das Hochtor. Im¬merhin kamen im Bereich der Glockner¬straße ein Bronzedolch und ein Bronzebeil aus der Zeit uni 1600 vor Christus sowie eine um 400 Jahre jüngere Lanzenspitze zum Vorschein. )

Wallack erntete einst Häme für seine Be-rechnung, dass 120.000 Gäste die Glock-nerstraße befahren würden — und griff da-mit noch viel zu kurz. 1936 kamen bereits 370.000 Besucher, 1962 waren es schon 1,3 Millionen, und im Sommer 2010 werden es 60 Millionen Menschen sein, die in 75 Jahren die Großglockner Hochalpenstraße erlebten. Noch genauer: Sie durchfuhren auf den 1.500 Höhenmetern zwischen den Tauerntälern und der Kaiser-Franz-Josefs¬Höhe alle außertropischen Klima- und Vegetationszonen. Das entspricht einer 4.000 km langen naturgeschichtlichen Reise von Salzburg bis in die Arktis.
Die Eröffnung der Felbertauernstraße 1967 und der Tauernautobahn 1974 zog einigen Durchzugsverkehr von der Glocknerstraße ab und veränderte ihren Charakter zur Aus-flugsstraße. Verstärkt hat diesen Trend die Errichtung des Nationalparks Hohe Tauern 1984, zu dessen attraktivem Kern die Glocknerstraße führt: zur Pasterze im Schatten von Österreichs höchstem Berg. Einer Ausflugsstraße entspricht auch das umfassende Informationsangebot entlang der Glocknerstraße: Dutzende Schautafeln, sechs permanente Ausstellungen zu histori¬schen und biologischen Themen und drei Lehrwege.
Von Geld redet man nicht, das hat man, be-hauptet eine etwas schnoddrige Redewen-dung. Trotzdem lohnt eine finanzielle Bi-lanz: Die Glocknerstraße kostete nach dem Geldwert von 2010 71 Mio. Euro, um rund 550.000 Euro weniger als veranschlagt. Von solchen Ergebnissen können Bauher-ren heute nur träumen. Nach dem Geldwert von heute betrug das Benützungsentgelt 1936 für eine Durchfahrt 21 Euro. Es sank bis 1952 auf 8,40 Euro, erreichte 1967 mit 36,40 Euro seinen Spitzenwert und ging bis 2010 auf 28 Euro zurück — allerdings für ein Tagesticket, das mehrfache Durchfahr¬ten ermöglicht. Dabei ist zu berücksichti¬gen, dass der Kostenindex zwischen 1935 und 2009 um das 36-Fache geklettert ist. Im Spitzentrio der österreichischen Touris-musattraktionen hält die Glocknerstraße Platz zwei hinter dem Wiener Schloss Schönbrunn und vor der Festung Hohen-salzburg. Wohl auch, weil Wallacks Kon¬zept selbst den hohen Ansprüchen unserer ökologisch sensiblen Zeit standhält: Diese Hochalpenstraße müsse sich „harmonisch in das Landschaftsbild einfügen, denn es wäre vermessen, der Natur mit Mitteln der Technik den Rang abzulaufen". Daraus fol-gerte der österreichische Architekturpapst Friedrich Achleitner: "Diese Straße ist ein Beweis, dass wirtschaftliche Interessen und technischer Verstand eine Landschaft nicht zerstören müssen." •

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