Cabo Verde Kapverdische Inseln Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
WeiBe Strande und schwarze Vulkane, iippige Taler und karge Wiisten.
Die Kapverdischen Inseln Santiago und Fogo konnten unterschiedlicher nicht sein.
4 Das ist gewiss ein wunderschoner Flecken Erde, mit diesem Buick ins Gran rundum. Und ganz weit vome, ganz weit unten liegt das blaue, blaue Meer. Der Weg fiihrt steil hinab, zwischen Bananenfel¬dem, Agaven-Alleen und strohgedeckten Steinhau¬sem hindurch. Nach funf beschwerlichen Stunden durch den Regenwald, ilber 1000 Meter immer ab¬warts, Hit es schwer, den Ausblick zu geniden. Der Abstieg vom Kraterrand zum wellenumtosten Ort¬chen Mosteiros auf der kleinen Insel Fogo fordert von den Wanderem Ausdauer. Die mussen auch die Bauem haben, die auf dem gleichen Weg wieselflink Bananen, Kaffee und Papayas ins Tal transportieren. Das Leben ist hart auf der Kapverdischen Insel. Je tiefer die Wanderer kommen, desto mehr fuhlen sie sich wie in einem Treibhaus. Zucchini wachsen auf Beeten in 45-Grad-Schrage, Sidigkartoffeln ranken wie Efeu uber die Steinmauern. Und wo sich kein Guavenstrauch, keine Feige, keine Akazie festgesetzt hat, leuchten Bliffenkopfe. Andy, der Filhrer, gibt den
Wanderem Zeit. Das ist fur ihn die Gelegenheit, sei-nen Vorrat an Zitronenthymian einzusammeln• gut gegen Erkaltung! Zwischendurch findet er Zeit fur einen Plausch mit Augustina, die sich trotz ihrer 72 Jahre immer noch auf den Feldem abplagt.
Fogo heiBt Feuer
Die Heimat der beiden liegt 600 Kilometer westlich von Afrika. Knapp eine halbe Million Menschen wohnen auf neun der 15 Inseln des Cabo Verde, den Kapverdischen Inseln. Fogo ist eine von ihnen, ein fast kreisrundes Stiick Land mitten im Atlantik mit dem schroffen, fast 3000 Meter hohen Vulkan Pico de Fogo, dem Hauptort Sao Filipe und einigen Dorfern. Zwei davon liegen direkt im Vulkankrater. Fogo hen Feuer in der portugiesischen Landes-sprache. Und der regelmagig Lava und Feuer spu-ckende Riese bestimmt das Leben auf der Insel. Nach jedem Ausbruch ziehen die Menschen zuruck
in den Krater — die Cha das Caldeiras bestellen den fruchtbaren Boden, bauen ihren schweren Wein an und zuchten Granatapfel. Heute leben wieder 1000 Menschen dort oben — so viele wie vor der bis¬lang letzten Eruption im Jahr 1995.
Andy war damals ein Kind. Er kann sich aber noch genau an den Ausbruch erinnem, als der Berg tagelang Feuer und Steine spie und Hauser und Menschen unter sich begrub. Heute ist er Bergfiihrer, liiert mit der deutschen Aussteigerin Helga. Sie hat sich spontan in Andy und Fogo verliebt, akzeptiert das schwere Leben und will bleiben — „fiir immer". Von der kleinen Hauptstadt Sao Filipe windet sich die Straik hinauf zu dieser Mondlandschaft aus Asche und Staub. Rechts erhebt sich der Kegel des Pico de Fogo, davor der kleine Pico. Er entstand beim letzten Ausbruch und ist jetzt ein relativ leicht zu erreichender Aussichtspunkt. Es riecht nach Schwefel, der standige Wind wirbelt den Staub auf. Uberall spriden Granatapfel, Quitten und Wein.
Die beiden Ortschaften Portela und Bangaeira lie-gen wie Mond-Dorfer in der graubraunen Land-schaft, direkt unterhalb der Caldeira-Wand. Treff-punkt ist „Ramiros Bar". Sie erinnert an einen Tan-te-Emma-Laden: mit Bockbier, Vollmilchpulver, Konserven, Dosenfleisch. Ramiro steht mit seiner hithschen Schwiegertochter hinter dem Tresen, ein stammiger Ken mit schwarzem Bart.
Verwegene Typen
Draugen wird es langsam dunkel, der Mond schiebt sich iiber den Vulkan, Nebelschwaden ziehen urn seine Spitze. Drinnen trinken die Gaste roten Fogo-Wein. Ramiro lasst Tiiren und Fenster schliegen und Kerzen anztinden. Mehr und mehr Einhei¬mische finden sich ein, verwegene Typen. Dann greift Ramiro zur Gitarre, urn ihn herum andere Musikanten, darunter ein trommelnder Mann, Ramiros Sohn Insandro und ein Freund, der ein Instrument spielt, das aus einer Thermoskanne ge-macht wird: recu-recu. Es wird getanzt, auf einer Flache von nicht einmal zwei Quadratmetern.
Es ist die unbandige Lebenslust, die der Mischung afrikanischer und siidamerikanischer Einfliisse ent-springt. Oberon erklingt Morna, der kapverdische Blues, der die Stimmung des portugiesischen Fado mit afrikanischem Rhythmus vereint. Fiir dieses Lebensgefilli gibt es das Wort „morabeza", ein kre-olischer Begriff, unithersetzbar. Aber man kann
dass es Freundlichkeit, herzliches Entgegen-kommen und Hilfsbereitschaft bedeutet.
In Sao Filipe spielen Kinder am Hauptplatz Fugball, die Stadtschonheiten flanieren in hohen Schuhen ither Kopfsteinpflastet Am schwarzen Lava-Strand la¬den Manner Sand auf einen Lastwagen fur den Haus¬bau. Der alte Stadtteil Baixo gibt sich pastellfarben mit renovierten Hausern und charmanten Platzen, geschmUckt mit Hibiskus und Bougainvillea.
Nur ein Mini-Luftsprung trennt Fogo von der Nachbarinsel Santiago. Propellermaschinen fliegen mehrmals taglich hin und her, schon allein des-wegen, weil es auf Fogo nicht alles zu kaufen gibt, was man zum modernen Leben benotigt. Santiago, die Groge und Schone, wo die Geschichte der Kap-verden vor 500 Jahren mit Kettengeklirr und Peit-schenhieben begann, wirkt ganz und gar afrika-nisch. Am Grunde der Ribeira Grande wachsen Zu-ckerrohr, Avocados, Papayas und Gemilse. Damals, gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als am Ausgang des grogen Tals die erste Hauptstadt Cidad Velha ge¬griindet wurde, diente die Schlucht als Gefangnis fur viele 1000 Sklaven, die auf ihren Weitertransport warteten. Weil dieser Handel immer wieder von Piraten gestort wurde, errichtete man eine Burg. Ms nach ein paar Jahrzehnten die Geschafte dann richtig gut liefen, kam ein Bischof ins Stadtchen, fiir den anno 1700 eine Kathedrale gebaut wurde. Heute stehen noch ein paar Grundmauern. Noch immer hoffen die Insulaner, dass sich die UNESCO des he¬runtergekommenen Gotteshauses annimmt.
Die Schonheit der Frauen
In Praia, seit der Unabhangigkeit 1975 Hauptstadt der Inselrepublik, ist es lebhaftet Aber im Vergleich immer noch ruhig. Die grauen, unfertigen Hauser der Vororte scheinen Taler und Hugel vereinnah-men zu wollen. Dagegen hebt sich die Altstadt von Praia fast malerisch ab. Sie liegt 30 Meter uber der Bucht auf einem Plateau. Schachbrettartig verlau-fen die Stragenzilge des etwa 300 Meter breiten und 600 Meter langeft Plato, wie die Altstadt genannt wird. Es ist die Schonheit der Frauen von Santiago, die ins Auge springt — ob sie nun in einem abgetra-genen XX-Large-Shirt zehn Liter Wasser auf dem Kopf balancieren oder am Samstagabend in den ro¬ten Minirock steigen — jetzt wei1 man, warum die
Kapverdianerinnen bei den Schonheitswahlen im-mer ganz vome landen.
Ein paar Stunden spater findet man sich in einer bi-zarren Bergwelt hoch oben mit dem wohl schtinsten Inselblick bei Lindorfo wieder. Der singende Wirt, der in Rui Vaz eine kleine Pension betreibt, serviert kostliche Hausmannskost und greift am Abend Ber¬ne zur Gitarre. Lindorfo brennt selbst Zuckerrohr¬schnaps. Das Nationalgetrank heigt „Grogue" und wird am besten mit „Acqua dente" Ubersetzt. Die dubiosesten Mischungen brennt man hier auf San¬tiago. Der Zuckeffohrschnaps gehort zu den Merk¬wiirdigkeiten von Cabo Verde. Er ist stark und macht jeden umgehend zum passablen Tanzer.
lautstark, bunt, pralles Leben
Inzwischen hat sich das einst stalinistische Kap Verde zum demokratischen Musterland gemausert, was viele Hilfsgelder locker machte. Das sieht man an manchen Stragen wie der nach Assomada. Sie fiihrt, gut ausgebaut, durch fruchtbare grune Idler. Wenn die Wolkendecke aufreiLt, fallt der Buick auf schroffe Berggipfel. In Assomada, der drittgrogten Stadt der Kapverden, ist jeden Mittwoch und Sams-tag Markttag. Ein reges Hin und Her, lautstark, bunt, das pralle Leben. Afrika lasst griigen.
Durch die Sierra Malagueta, eine zerldiiftete Berg-landschaft mit spektakularen Felsabbruchen, die nach der Regenzeit von einem weichen griinen Pelz iiberzogen sind, geht es nach Tarrafal. Da mochte man bleiben: den Fischem zusehen, mit den Fischerfrauen Karten spielen, die Fige in den wei¬gen Sand der Traumbucht stecken und immer wie¬der bei Alvaro einkehren. Unter den Schatten spen-denden Baumen seiner Terrasse sitzen und sich den Seehecht munden lassen, zu dem Maniok, Siligkar-toffeln und Mangold serviert werden — ein Genuss fiir die ewige Erinnerung.
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