Dienstag, 30. August 2011

Kastilien Spanien Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Kastilien Spanien Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie

 Ich bin dabei, das Versprechen einzulösen, dass das Abendessen fertig ist, wenn meine Frau aus dem Büro kommt. Beim Kochen lasse ich mich gern vom Fernseher berieseln. Ein Kandidat einer dieser Rate-shows, der gerade auf die entscheidende Frage vorbe-reitet wird, erscheint auf dem Bildschirm. „Oje", sagt der Showmaster gespielt betroffen, „ich würde das nicht wissen!' Wenn er nur endlich die Frage stellen würde, denk' ich mir. „In welcher Stadt wurde im Jahr 1494 entschieden, dass im heutigen Brasilien Portugiesisch die Landessprache ist?"
Der Kandidat schaut ins Leere. Ich lege das Messer und die Kartoffel, die ich gerade schälte, weg und schaue gebannt in die Röhre. Ich wusste das mal. Portugiesisch, Brasilien! Wo habe ich das gehört? Wann? Portugal, Spanien. Verschwommene Bilder tauchen auf, Bilder einer Reise. Ein großes Vogelnest auf einem Glockenturm über einem Torbogen. Ein Storch, der darauf landet. Ein Vorhof. Ich fasse mir an die Schläfen, beinahe synchron mit dem Kandi-daten. Ob er auch an eine Reise denkt?
Fiesta am Wochenende
Es war Spanien und es war am späten Nachmittag. Ich bin mir sicher. Die beiden Länder der iberischen Halbinsel waren ehemals konkurrierende Seefahrer-nationen. Wir kamen von einem Platz, von einfa-chen Laubengängen umgeben. Tranken im Schat-ten einen Kaffee, warteten auf das Ende der Siesta. Verließen dann den Platz, weil es plötzlich laut wur¬de. Traktoren waren vorgefahren, Tische und Bänke wurden abgeladen. Jungs fingen an, Girlanden auf

zuhängen mit Wimpeln daran in verschiedenen Farben — Vorbereitungen für die Fiesta am Wochen¬ende. Wir gingen Gassen entlang vorbei an weiß ge¬tünchten Mauern mit Fenstemischen, in denen Geranien in voller Blüte standen, und wollten zu diesem Kloster. Wie heißt der Ort?
Ein arabischer Traum
Der Showmaster erläutert, dass Papst Alexander VI. 1494, zwei Jahre nach der Entdeckung Amerikas, entschied, 370 Kilometer westlich der Kapverdischen Inseln eine Linie vom Nord- zum Südpol zu ziehen. Die sollte regeln, wem die entdeckten Länder gehör-ten: Portugal oder Spanien. „Und somit wurde in Tordesillas entschieden, dass in Brasilien portugie¬sisch gesprochen wird", erklärt er abschließend. Ich halte das Foto von der alten römischen Brücke über den Fluss Duero in der Hand. Das Kloster, ur¬sprünglich einmal ein Schloss, ist rechts im Bild. Andere Fotos der Reise zeigen die Innenräume mit Artesonado-Decken, hölzerne Deckentäfelungen aus einzelnen Kassetten mit genau gearbeiteten geo¬metrischen Mustern versehen, und Innenhöfe, die filigran ziselierte Bögen schmücken. Ein arabischer Traum, den der Besitzer für seine andalusische Geliebte einrichten ließ.
Ich blättere weiter im Foto-Album, einem Schuh-karton. Der tiefstehende Vollmond im Abendhimmel mit den Schatten von Pinien kommt mir in die Hände und damit die Erinnerung, dass wir darunter saßen und uns und dem Vollmond unsere Träume erzählt haben. Das war am Ende einer Wanderung

östlich von Tordesillas. Dann das Foto vom perfekt erhaltenen Mauerring Avilas. Er stammt aus dem elften Jahrhundert, als die Stadt viel Geld mit dem Handel von Schafwolle machte. Es lässt mich die trockene Luft der Meseta. riechen — Staub und das trockene Stroh der abgeernteten Felder. Wie Schwal-ben ihr Nest haben die Bewohner im 14. Jahr¬hundert die hängenden Häuser von Cuenca an ei¬nen steilen Felsen über die Schlucht geklebt.
Und das verwackelte Nachtbild der Plaza Mayor in der quirligen Universitätsstadt Salamanca. Eigent¬lich gehört es in den Mülleimer. Wir haben es trotz¬dem behalten, weil wir lange kein so in sich stimmi¬ges Stadtbild gesehen haben. Die Fassaden der Paläste und Kirchen schimmern einheitlich in sat¬tem Ocker. Die Jugend aus der Umgebung allerdings kommt nach Salamanca, weil die Nächte hier be¬sonders lebhaft sind.
Kampf der Kulturen
Toledo. Ich glaube, man kann diese Stadt nicht au einem Foto festhalten. Die Stadt bäumt sich in eine Schleife des Flusses Duero geradezu auf, strahlt in Licht der aufgehenden Sonne. Als die Stadt vor Arabern beherrscht wurde, blühten hier über Jahr hunderte die Geisteswissenschaften. Das Alte um Neue Testament und der Koran wurden hier über-setzt und damit für die Menschen verständlich unc vergleichbar gemacht. Die Zeit des Gedanken austauschs war vorbei, als Christen die Stadt in ihre Hand hatten und mit der Inquisition das Mitein ander der Kulturen zerstörten.
Das Land im Becken des Duero stellte eine wichtige Linie im mittelalterlichen Kampf der Kulturen dar. Und diese Linie wurde mit Burgen befestigt. Diese wurden nutzlos, wurden verlassen und verfielen, als der Kampf gewonnen und Spanien ein geeintes Königreich war. „Paradores National" lautete 1926 die spanische Antwort auf diesen Zerfall. In der Sierra de Gredos nahe Avila eröffnete die erste Luxusherberge in den alten Gemäuern. Bis heute werden herrenlos gewordene Paläste, Landsitze, Burgen und Klöster gekauft, renoviert und als Hotels erhalten. Städte wie Leon, Sigüenza, Belmonte und Ciudad Rodriguez rühmen sich, die schönsten his-torischen Paradores Kastiliens zu haben. Im CoCarlos jedes Jahr für ein paar Tage ab. Wenn keine alten Strukturen zur Verfügung stehen, werden Neu¬bauten errichtet. In Segovia befindet sich das Para¬dor etwas außerhalb der Stadt. Liegt man im Swimmingpool, entsteht der Eindruck, sich bis in die Altstadt treiben lassen zu können. Unsere Fotos zeigen die bis zu 28 Meter hohen, aus Steinquadern aufgeschichteten Pfeiler des römischen Aquädukts, durch die, wie durch einen Lamellenvorhang, die Häuser lugen. Bis in die 1970er-Jahre hinein ver¬sorgte er Teile der Stadt mit Wasser.
Eis oder bunte Luftballons
Die Fotos aus Segovia allein könnten ein ganzes Album füllen. Von der Burg Alcazar und der spät¬gotischen Kathedrale. Bilder vom abendlichen Treiben dort, dem Leben auf dem Hauptplatz, von Kindern und Großmüttern, die ihnen Geld in die Hand drücken, damit sie sich ein Eis kaufen können oder einen knallbunten Ballon.
Für Jahrzehnte waren die ländlichen Regio
nen Kastiliens Abwanderungsland. Es gab kei
ne Jobs, und Schafe wollten die jungen Männer nicht mehr hüten. Sie gingen in die Stadt oder ins Ausland. Es ist noch gar nicht allzu lange her, dass reiche Madrilenen die Orte des Umlands wiederent¬deckt und sich dort Wochenendhäuser gekauft ha
ben. In Pedraza de la Sierra etwa. Ich schaue
das Bild vom stillen Hauptplatz an mit
seinem Rathaus und den Taverne

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