Wer war Jesus ? - von
D.Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/dsFyjK8m6aE
Unabhängige
historische Aussagen über den Menschen Jesus gibt es nicht. Es ist sogar schon
angezweifelt worden, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Nur einmal wird er
nebenbei in einem antiken Dokument erwähnt: Flavius Josephus
("Antiquitates Judaicae ", 94 n.Chr.), erzählt von der unrechtmäßigen
Steinigung eines gewissen "Jacobus, Bruder des Jesus, den sie Messias
nennen".
Die
Evangelien sprechen nicht von dem historischen Jesus, sondern von dem Jesus der
Christus wurde. Sie projizieren den Christus bereits in den Jesus hinein,
schreiben seine "Geschichte" immer mit Blick auf das geglaubte Ende.
Sie wurden an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten, unter verschiedenen
Umständen geschrieben, sie präsentieren unterschiedliche theologische Sichten.
Sie wollten etwas verkünden! In diesem Sinne kann man sie mit heutigen
Sekten-Traktaten vergleichen. Das Markusevangelium, wohl das älteste der vier,
gilt noch als am nächsten am Menschen Jesus. Das Johannesevangelium, das
späteste, präsentiert eine sehr eigene, hellenistisch und gnostisch
beeinflusste Sicht, es gilt als historisch weitgehend wertlos.
Die
Evangelien, auch die drei synoptischen, stecken voller Widersprüche. Bedenkt
man wie Zeugenaussagen von realen Ereignissen (z.B. einem Unfall oder einem
Flugzeugabsturz) schon kurz nach dem Ereignis von einander abweichen, sind
solche Widersprüche nicht verwunderlich. Kontrollierte Versuch haben ergeben,
dass das menschliche Gedächtnis in den Details sehr kreativ ist. Bedenkt man
die Entstehungsgeschichte der Evangelien (keiner der Verfasser war Augenzeuge
gewesen, die Texte wurden 40 .. 70 Jahre nach Jesu Tod verfasst), so wäre
Widerspruchsfreiheit ein wirkliches Wunder. Ebenso kann man in aller Regel
nicht erwarten, dass Äußerungen Jesu wörtlich widergegeben werden – nach mehr
als 40 Jahren "Stille Post" kann man das nur für besonders markante
Worte erhoffen. Man muss sich in der Regel mit der Botschaft des Gesagten
zufrieden geben. Insofern ist Stilkritik wie "typisch mathäische
Wortwahl" unfruchtbar. Auch bei der Übersetzung ursprünglicher hebräischen
oder aramäischer Teiltexte in das Griechische können viele Verschiebungen
eingetreten sein .
Entsprechend
der mangelhaften bis widersprüchlichen Quellenlage verbreiten unzählige Bücher
unzählige unterschiedliche Bilder von Jesus. Sie reichen vom Aufrührer (Joel
Carmichael) bis zum Psychisch Kranken (Berthold Block), um nur einmal zwei
Darstellungen neueren Datums zu nennen. Sie spiegeln wohl mehr die Anliegen
ihrer Verfasser als den wahren Jesus – wie es schon die Evangelien selbst tun!
Damit
ist es unmöglich, irgendeines der Bilder einfach zu übernehmen – jedermann muss
sich sein eigenes Bild machen. Dabei ist man gezwungen von den Evangelien
auszugehen – es gibt eben einfach keine anderen Quellen. In diesem Papier wird
versucht, dies möglichst fair zu tun, ohne willkürliche Text-Manipulationen;
dafür muss auch Widersprüchliches hingenommen werden, schwarze Flecken werden
nicht übertüncht.
Basis des folgenden Persönlichkeitsbildes
sind die Evangelien, jedoch ausgenommen:
·
Verstöße
gegen die Naturgesetze (z.B. Jungfrauengeburt, Wiederbelebung einer verwesenden
Leiche, Wandeln auf dem Wasser, Auferstehung und Himmelfahrt ...);
·
Märchenhafte
Verbrämungen (Weihnachtsgeschichte, Dämonen welche in
Säue fahren ....... )
·
Nachweislich
Jesus später in den Mund gelegte Äußerungen (siehe die Arbeiten von Gerd
Lüdemann!);
·
Äußerungen
von denen überhaupt niemand Kenntnis haben kann (Gespräche in der Wüste mit dem
Teufel, Gebete in Gethsemane während alle schlafen; Äußerungen am Kreuz )
·
offensichtliche
theologische Konstrukte (Johannes-Evangelium);
·
Judenhass,
dem Juden Jesus in den Mund gelegt. Schlimmstes Beispiel: [Johannes 8: 44]
Wollte
man nur 100% beweisbare Aussagen gelten lassen, so bliebe kaum eine
Feststellung übrig. Vernünftig begründete Vermutungen müssen akzeptiert werden.
2. Geschichtlicher Hintergrund.
Die Herrschaft über Palästina, das nach jüdischem
Verständnis doch Jahwe selber seinem Volk zugewiesen hatte, ging durch viele
Hände: Babylonier, Perser, die
ägyptischen Ptolemäer, Seleukidenkönige ..... 164 v.Chr. kamen nach einem
Guerillakrieg unter Judas Makkabäus die jüdischen Hasmonäer (oder Makkabäer) an die Macht, die als Könige und Hohepriester des Tempels in Jerusalem das Land regierten. Erbfolgestreitigkeiten riefen die Römer ins Land: 63 v.Chr. wurde Judäa römisches Protektorat. 37 v.Chr. wurde Herodes der Große zum Klientelkönig von Roms Gnaden.
Guerillakrieg unter Judas Makkabäus die jüdischen Hasmonäer (oder Makkabäer) an die Macht, die als Könige und Hohepriester des Tempels in Jerusalem das Land regierten. Erbfolgestreitigkeiten riefen die Römer ins Land: 63 v.Chr. wurde Judäa römisches Protektorat. 37 v.Chr. wurde Herodes der Große zum Klientelkönig von Roms Gnaden.
Seinem
Tod 4 v. Chr. folgen Jahre der Wirren und Revolten, so dass Kaiser Augustus 6
n.Chr. Judäa in eine direkt von Rom verwaltete Provinz verwandelt. Fortan ist
die Burg Antonia, an einer Ecke des Tempels von Jerusalem, Sitz des römischen
Stadthalters (seit 26 n.Chr. ist es Pontius Pilatus). Er wirkt zusammen dem
Hohepriester (seit 18 n.Chr. Joseph Kaiphas). Diesem untersteht mit dem großen
Tempel von Jerusalem das religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Juden. Seine
adeligen Priester häufen für den Tempel (und sich selbst) Reichtümer an, während
draußen die Landbevölkerung verarmt und vielfach ihren Landbesitz verliert.
Der
Zorn der Verarmten richtet sich einerseits gegen die Römer, die das den Juden
doch von Gott zugewiesene Land beherrschten, aber ebenso gegen die als
verräterisch angesehene, mit den Römern kollaborierende Priesterschaft im
Tempel. Die ganze Hoffnung richtet sich auf ein Eingreifen Jahwes. Ein Messias
würde das kommende Reich Gottes vorbereiten, ein neuer König werde es regieren.
Messias und König verschmelzen im Volksglauben zu einer Person.
Es ist eine Zeit apokalyptischer Erwartungen. Propheten,
Prediger, Wunderheiler, Möchte-gerne-Messiasse, aufrührerische Banden ziehen
durch das Land – die
römische Staatsmacht machte mit allen kurzen
Prozess. Galiläa gilt als besonders unruhig, seit langem steht es mit Judäa in
Konflikt.
3. Der Mensch Jesus – ein
Persönlichkeitsbild
Name: Jeschu (kurz für
Joshua = "Gott rettet"),
lateinisiert:
Jesus
Geboren: Wahrscheinlich
wenige Jahre vor unserer Zeitrechnung
Geburtsort: Unklar,
wahrscheinlich Nazareth
Hingerichtet: Irgendwann in den
Jahr 30 ... 37
Nationalität: Jude
Vater: Traditionell
Joseph, Zimmermann (Bauunternehmer im winzigen
Nazareth? Eher wohl Bauhandwerker).
Wahrscheinlich
jedoch wurde Jesus unehelich gezeugt, deswegen wird er als "Sohn der
Maria" bezeichnet (Markus 6:3).
Als
sein Vater wird in der Spätantike ein gewisser "Pantera" genannt. Ein
Grabstein belegt, dass ein "Abdes Panthera" aus Sidon in der 1.
Kohorte der Bogenschützen diente, die bis zum Jahre 9 in Palästina stationiert
war. Abdes Panthera starb etwa im Jahre 40 im Alter von 62 Jahren.
Mutter: Maria
(Mirjam)
Vorfahren: Völlig
unklar – die Genealogien in der Bibel sind reine Erfindungen ,
sie sind grob widersprüchlich
Geschwister: Vier Brüder sind namentlich
bekannt: Jakobus, Josef, Simon und
Judas.
Jakobus "der Gerechte" war später der Kopf der Judenchristen in
Jerusalem (anfänglich Petrus?). Mehrere Schwestern, genaue Zahl offen.
Eigentlich Halbgeschwister?! Ihr Vater taucht in der Bibel nicht auf.
Wohnort: Überliefert als
Nazareth in Galiläa (Damalige Existenz des Ortes
angezweifelt,
Ort zumindest klein und unbedeutend)
Sprache: Aramäisch,
wahrscheinlich mit dem Akzent von Galiläa ähnlich
Petrus [Matthäus 26: 73]
Bildung: Kein Hinweis
darauf dass er lesen und schreiben konnte – die
weitaus
meisten Menschen konnten es damals nicht.
Beruf: "Zimmermann"
[Markus 6:3] (Übernahme des Gewerbes vom nur
legendenhaften
Vater??? Oder hat man diesem das Gewerbe des Sohnes angedichtet?!)
Familienstand: Unverheiratet (sehr ungewöhnlich in seinem Alter!), keine
Kinder bekannt.
Verhältnis
zur eigenen Familie gestört – diese hält ihn für verrückt [Markus 3, 21/22). ]
Er
verweigert den Kontakt zu seiner Mutter und seinen Brüdern [Markus 3: 31ff],
lässt sie vor der Tür stehen. Mit der Frage :"Wer ist meine Mutter und wer
sind meine Brüder?" sagt er sich von seiner Familie los .
In
[Lukas 14: 26] macht er den Hass auf Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder,
Schwestern zur Voraussetzung dafür sein Jünger zu werden.
Aber: das Verhältnis muss sich später
gebessert haben – vielleicht
wurde
er erst nach seinem Tod anerkannt? Jedenfalls
übernimmt
sein Bruder Jakobus die Leitung der kleinen Gruppe seiner Anhänger in
Jerusalem.
Äußeres Keine Hinweise.
Jedenfalls keine auffällige Kleidung wie für
Johannes den Täufer überliefert.
Sexualität: Schwul??? Er
nimmt nackten jungen Mann über Nacht zu sich
[Brief des Kirchenvaters Clemens, 2. Jahrhundert ]
Ein
nackter junger Mann läuft ihm nach [ Markus 14: 51,52 ]. Im historisch
allerdings besonders zweifelhaften Johannes-Evangelium gibt es den
Lieblingsjünger: ".... der Jünger, den er lieb hatte" und "der
an seiner Brust lag" [Johannes 213: 23-25].
Kastrat???
In [Matthäus 19: 12] spricht er von Eunuchen, darunter Menschen, die sich
selbst um des Himmelreichs willen kastrieren.
Hetero
- wahrscheinlich. Lässt sich ausgiebig von einer stadtbekannten Hure verwöhnen
[Lukas 7:37 ].
Eine
Gruppe von Frauen läuft ihm nach und hält ihn finanziell aus [Lukas 8: 1-3;],
darunter Maria Magdalena, mit der man ihn später in eine engere Verbindung
brachte (in der Gnosis ist sie Jesu Gefährtin)
Temperament: Sein Wechsel zwischen
Liebesbotschaften und Verdammen lässt ihn als temperamentvoll, zu Extremen
neigend, innerlich unausgeglichen erscheinen. Wenn er einen unfruchtbaren
Feigenbaum verflucht, gebärdet er sich wie ein unreifes Kind.
Genusssucht: Jesus erwähnt selbst, dass er
als Fresser und Säufer bekannt ist [Lukas 7: 34] (ganz im Gegensatz zum
asketischen Täufer Johannes)
Das
Reich Gottes scheint ihm ein ewiges Tafeln zu sein [Lukas3:29, 22:30]
Tierliebe: Keine relevanten
Äußerungen
Humor: Nichts
überliefert. Es sei denn man fasst sein rätselhaftes Wort,
er
spreche in Gleichnissen damit andere Menschen nichts verstehen und verstocken [Markus 4:12], als
Selbstironie auf (Es wurde ohne Beleg auch spekuliert, dass Jesus in seinen
Reden Doppeldeutigkeiten und geheime Hinweise versteckt habe). Das bisweilen als
grotesk-humoristische Übertreibung zitierte Kamel, das nicht durch ein Nadelöhr
geht [Markus 10:25], ist möglicherweise das Ergebnis der Verwechslung zweier
nahezu gleichlautender griechischer Worte (die Botschaft bleibt die gleiche,
auch wenn Jesus kein Kamel, sondern ein Schiffstau meinte).
Geistige
Basis: Johannes der Täufer, der seine Täuflinge auf das nahe
bevorstehende
Gottesreich vorbereiten wollte [Matthäus 3: 2] und in dessen Fußstapfen Jesus
trat; eventuell die geheimnisvolle jüdische Sekte der Essener – über
zeitweilige Mitgliedschaft wird spekuliert.
Jesus und Johannes wirkten mindestens eine Zeitlang
nebeneinander, zwischen ihren Jüngern gab es eine Konkurrenz [Markus 2:18-20].
Zwei Jünger liefen von Johannes zu Jesus über, einer davon Andreas, Bruder des
Petrus, [Johannes 1: 35ff].
Dass
Johannes der Täufer nicht selber zum Jünger Jesu wurde, macht alle Aussagen der
Evangelien, dass er in ihm den Messias sah, unglaubwürdig.
Religion: Gläubiger Jude,
hatte keinerlei Absicht eine neue Religion zu
begründen
und schon gar nicht weltweit; erfüllte alle Vorschriften und Riten (mit
Ausnahmen! Siehe unter Ethik!).
Chauvinistischer
Jude, wollte mit Nichtjuden nichts zu tun haben: verbietet ausdrücklich seinen
Jünger anderen als Juden zu predigen "Werft die Perlen nicht vor die
Säue!" [Matthäus 7:6; Matthäus 10 : 5, 6].
Vergleicht
Nichtjuden mit am Tisch bettelnden Hunden
[Matthäus
15, 21:28 und Markus 7, 24:30]
Urteilt "Heiden beten nicht, sie plappern nur"
[Matthäus 6: 7] Nur im Rahmen einer Brandrede gegen seine jüdischen Mitbürger
spricht er davon, dass Heiden aus aller Welt an der Stelle der verlorenen
Kinder Israels im Reich Gottes am Tisch sitzen werden [Lukas 13 : 29] (wird
meist als spätere Erfindung eingeschätzt). Sein Missionsbefehl [Matthäus 28:
19] ist mit Sicherheit späte
Erfindung.
Sozialverhalten:
Keinerlei Scheu vor dem Umgang mit den Außenseitern der
Gesellschaft,
wie den Armen, den Steuereintreibern
(=
"Zöllner", also Kollaborateure mit der römischen Besatzungsmacht!)
und Huren.
Sein
soziales Engagement ist ganz konkret und diesseitig : "Sondern wenn du ein
Mahl machst, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden"
[Lukas 14: 13]. Keinen Sinn hat er für das Los der Sklaven, ihr Schicksal dient
ihm nur als Material zu einem Gleichnis [Lukas 7: 7-10]
Geht
mit Kindern betont freundlich um.
Unterhält
sich häufig mit Frauen, die zu seiner Zeit ja eigentlich in der Öffentlichkeit
nicht aufzutreten und nicht mit fremden Männern zu reden hatten [Johannes 4:27]
Frauen
ziehen in der Gruppe seiner Anhänger mit ihm herum; ihre finanziellen Beiträge
sind die einzigen aus der Gruppe die erwähnt werden [Lukas 8:1-3].
Zielsetzung: Er will die
jüdische Gesellschaft auf die unmittelbar bevorstehende
Ankunft
des Messias und das folgende Gottesreich vorbereiten. Er sieht sich als von
Gott beauftragt. Das Gottesreich wird sehr bald kommen, viele werden es noch
erleben [Markus 9:1] Die Welt wird zu Ende gehen, Gott wird auch den Tempel
zerstören und wieder aufbauen, als Zentrum eines neuen wundervollen Israel. Die
Benachteiligten dieser Welt, die Armen, Hungernden, Weinenden werden
Wiedergutmachung erfahren
[Seligpreisungen
bei Lukas 6: 20b,21; bei Matthäus 5:3ff schon theologisch umfrisiert].
Für
das baldige Kommen des Gottesreiche muss man beten:
Vaterunser
zweite Bitte [Matthäus 6:10, Lukas 11: 2]
Der
Vorbereitung auf die Ankunft des Gottesreiches ist alles andere unter zu
ordnen, man muss sogar seinen eigenen Vater unbegraben (!) lassen: "Lasst
die Toten ihre Toten begraben!" [Matthäus 8:22; Lukas 9: 60]
Wirkung: Charismatischer
Prediger, sehr erfolgreicher Heiler. Zieht große
Volksmengen
an. Kommt besonders bei den sozialen
Randschichten
an, mit dem (religiösen) Establishment vielfach im Konflikt.
Veranlasst
biedere Menschen, alles liegen und stehen zu lassen und ihm als Jünger zu
folgen. Allerdings: Mindestens einer seiner Jünger war "Zelot" (Simon
Zelotes vgl. [ Lukas 6:15 ]), also Anhänger einer Gruppe besonders
fundamentalistisch eingestellter Juden, welche die Römer – auch mit
Waffengewalt - vertreiben wollten; bis zu sechs Zeloten unter den Jüngern
wurden vermutet. (Zur Zeit Jesu eher "Eiferer", erst später im
jüdischen Aufstand ab
66 als
militärische Gruppe formiert) .
Die
Zwölfzahl der Jünger wählte Jesus bewusst im Blick auf die Zwölf Stämme
Israels, die im neuen Gottesreich wieder hergestellt Würden; die Zwölf Jünger
würden sie machtvoll repräsentieren [Markus 3: 14 ff; Matthäus 19: 18].
Heilungen: Zahlreiche
Heilungen im Bereich psychischer und
psychosomatischer
Erkrankungen. In ihrer Häufigkeit auch für jüdische Verhältnisse ungewöhnlich
(es sind auch andere Wunderheiler bekannt, z.B. Honi der Regenmacher, oder Hanina
ben Dosa). Jesu "erstaunlichen Taten" werden später von dem
jüdisch-römischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus erwähnt
["Antiquitates Judaicae"]; jedoch gilt der ganze einschlägige Absatz
als christlicher Einschub aus dem 3. Jahrhundert.
Vermutet:
Seine dominierende Persönlichkeit mit klaren autoritären Ansagen machte ihn als
"Geistheiler" so erfolgreich. Es spricht einiges auch für den Einsatz
von Hypnose (Wasser zu Wein verwandeln). Vielleicht fiel er bei seinen
Heilungen in Trance? Man warf ihm vor selbst mit dem Teufel im Bunde zu sein:
"Er hat einen unsauberen Geist" [Markus 3: 22, 30]
Zur
Technik seines Heilens macht [Markus 7: 32-35] detaillierte Angaben: Er nimmt
einen Taubstummen beiseite, steckt seine Finger in dessen Ohren, spuckt aus, berührt
mit dem Speichel die Zunge des Kranken, und kommandiert mit "Sei
geöffnet!" die Heilung. In [Markus 8:22-26] spuckt er dem Blinden auf die
Augen (die desinfizierende Wirkung des Speichels reicht als Erklärung des
Heilungserfolges nicht aus).
Er
selbst sah – den Vorstellungen seiner Zeit gemäß – seine Heilungen und die der
beauftragten Jünger als Sieg über Krankheit verursachende Dämonen/Teufel [Lukas
13: 32; Lukas 11:20] und damit als ein Zeichen des anbrechenden Gottesreiches :
"So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das
Reich Gottes zu euch". Im heutigen Sprachgebrauch war Jesus ein
erfolgreicher Exorzist.
Voraussetzung
für seinen Erfolg: Die Aura des Besonderen. Beleg: Er kann keine Wunder dort
wirken wo man ihn als gewöhnlichen Menschen kennt [Markus 6: 1-6 ]
Naturwunder: Gelten samt und sonders als
unhistorisch. Eine seltsame und für die Entstehung solcher Erzählungen
vielleicht lehrreiche Stellung nimmt der Feigenbaum ein, den Jesus verflucht
weil er ihm keine Feige bereithält [Markus 11: 12-14]. Ein nur allzu
menschlicher Jesus? Verfluchen wir nicht alle hin und wieder einen Gegenstand,
der sich uns entgegensetzt als habe er einen Willen? [Markus 11:20] macht
daraus nachträglich ein Wunder, bei [Matthäus 21: 18, 19] erfolgt das Wunder
sofort.
Ethik: An den
traditionellen jüdischen Gesetzen wird kein Abstrich
gemacht
[Matthäus 5: 17,18; Lukas 16:17)], sie werden sogar teilweise verschärft, z.B.
[Matthäus 5, 28] "Wer eine Frau ansieht sie zu begehren, der hat schon mit
ihr die Ehe gebrochen", oder [Matthäus 5: 34] "Ihr sollt überhaupt
nicht schwören!" Andererseits stammt von Jesus das großartige Wort:
"Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen und nicht der Mensch um
des Sabbat willen" [Markus 2: 27]. Er hält sich selber an diese neue
Maxime: Er erlaubt seinen Jüngern, am Sabbat Ähren abzupflücken. Wiederholt
heilt er Kranke am Sabbat [Markus 3; 1-6; Lukas 13: 1017; Lukas 14: 1-6] und
rechtfertigt sie gegenüber Kritikern: Der Mensch ist wichtiger als das formale
Gebot.
Die in
allen Kulturen der Welt bekannte "Goldene Regel" kennt natürlich auch
Jesus: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut
ihr ihnen auch [Matthäus 7:12]. Aber er geht weiter, fordert den Nächsten zu
lieben! Freilich: "Der Nächste" kann für einen Juden nur ein anderer
Jude sein, denn in 3. Mose 19,18 heißt es: "Du sollst nicht rachgierig
sein noch Zorn halten gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst; denn ich bin der HERR."
Die
Achtung und Unterstützung des Mitmenschen wird auf die Frage nach dem höchsten
Gebot gleichberechtigt neben die Liebe zu Gott gestellt: "Liebe Deinen
Nächsten wie dich selbst!"
[Markus
12: 29-31]. Dass die Liebe zu Gott sich in der Liebe zum Mitmenschen äußere,
wird in [Matthäus 25: 34-46] eindrucksvoll ausgeführt: "Was ihr getan habt
einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan",
allerdings ist diese Ausführung in den Rahmen der abstoßenden Vorstellung einer
himmlischen Selektionsrampe a la Auschwitz gestellt, und es wird seitens Jesu
nicht die geringste – von ihm ja gepredigte – Bereitschaft zum Vergeben
gezeigt. Die ganze Stelle ist aber wohl eine spätere Erfindung (s.u. unter
>Selbstbild<).
Übersteigert
geläufige ethische Vorgaben ins Absurde: "Liebe Deine Feinde!"
[Matthäus 5: 43 ff ], "Wehre dich nicht gegen Unrecht : halte die andere
Wange hin, wenn man dich schlägt ... lass dir deinen Besitz
wegnehmen"[Matthäus 5: 38 ff]
Er
fordert "Vergebt sieben mal siebzig mal!" [Matthäus 18:22]
Andererseits:
für teils triviale Gesetzesübertretungen, wie z.B. seinen Bruder einen Narren
zu nennen, droht er ewiges Höllenfeuer an [Matthäus 5: 22] .
Städte in Galiläa verflucht er ("Sodom wird es
erträglicher gehen als Dir"), wenn sie seinem Ruf nicht folgten [Matthäus
11: 24] Seine geifernden Reden gegen seine "Intimfeinde, die
"Schriftgelehrten" (gemeint ist die Tempelpriesterschaft von
Jerusalem) - zeigen viel Zorn, wenig der von ihm gepredigten Feindesliebe: Er
nennt sie Heuchler, Otterngezücht, Schlangen ....[
z.B.
Matthäus 23:33; Matthäus 23: 25]. Diese "Weherufe gegen Schriftgelehrte
und Pharisäer" sind sicherlich vom Evangelisten kunstvoll ausformuliert
worden, das schließt aber abfällige Äußerungen Jesu als historischen Kern nicht
aus.
Oft
droht er mit der Hölle: "... das ewige Feuer, da ihr Wurm nicht
stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht".
[z.B. Markus 9: 42 ff...... ]
Nichts weist darauf hin, dass er es nicht wörtlich gemeint habe. In [Lukas 17:27] findet sich das entsetzliche Wort "Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor mir."
Nichts weist darauf hin, dass er es nicht wörtlich gemeint habe. In [Lukas 17:27] findet sich das entsetzliche Wort "Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor mir."
Er
predigt den Verzicht auf persönlichen Besitz zu Gunsten der Armen [Matthäus 19:
21] – was angesichts des ohnehin nahen Gottesreiches ja auch unproblematisch
erschien. Reichtum war nicht nur sinnlos, sondern hinderlich für den Eingang in
das bevorstehende Gottesreich: "Niemand kann zwei Herren
dienen...... Ihr könnt nicht beiden dienen,
Gott und dem
Mammon.“[Matthäus 6:24].
Mammon.“[Matthäus 6:24].
Seine
Jünger sollten sich um das Morgen keine Sorgen machen : es gab bald kein
"morgen" mehr. Sie hatten kein Privateigentum, Judas verwaltete die
gemeinsame Kasse. Als Bettler sollen sie durch das Land ziehen: "Ihr sollt
nichts mit euch nehmen auf den Weg, weder Stab noch Tasche noch Brot noch
Geld" [Lukas 9: 3-6]
Nach
seinem Tod führten seine Anhänger ein kommunistisches Leben [Apostelgeschichte
2: 45]. Sie verschenkten ihren Besitz, in Erwartung des Gottesreiches. (Erst im
19. Jahrhundert verkündete Leo XIII ein Naturrecht auf Eigentum. Die Kirche
freilich wusste es schon immer zu schätzen).
Gleichnisse: Die am wenigsten
als historisch angezweifelten Äußerungen Jesu.
Originell,
reichhaltig. Zeigen Vertrautheit mit dem Leben auf dem Lande und große
Menschenkenntnis. Beziehen sich zumeist auf das Reich Gottes, insbesondere
seine Ankunft.
Seine
Aussprüche sind oft von großer sprachlicher Kraft und Poesie.
Prophezeiungen: Von den Prophezeiungen Jesu
zur Ankunft des Messias ist weder zu seiner Zeit noch später etwas eingetroffen.
(Wird häufig kommentiert mit "Er versprach das Reich Gottes und es kam die
Kirche")
Seine
gerne zitierte Vorhersage der Zerstörung des Tempels [Matthäus 24: 1; Lukas 19,
42-44] wurde nach dem Ereignis im Jahre 70 niedergeschrieben und taugt somit nicht
zum Beleg prophetischer Gabe. Schreckensbilder sind aber auch ein gängiges
rhetorisches Hilfsmittel von Predigern.
Ähnlich : Seine Vorhersagen für den eigenen Tod. Dass er
nach der in Jerusalem gestifteten Unruhe nicht ungeschoren davon
kommen
werde, mag ihm ja gedämmert haben, aber als falscher Prophet hätte er vom Hohen
Rat verurteilt und gesteinigt werden müssen wie wenige Jahre später Stephanus.
Die Römische Besatzungsmacht hätte sich nicht quer gestellt.
Intelligenz: Lässt sich nicht
hereinlegen: "Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist
..."[Matthäus
22: 21 ] Aber mit "Gebt Gott was Gottes ist!" sagt er, dass das Land
Jahwe gehört und eben nicht den Römern,
Menschenkenner,
Psychologe: "Wer unter euch ohne Fehler ist der werfe den ersten Stein!"
[Johannes 8: 7 ]
Weiß
einen schlauen Betrug zu schätzen (!) [Lukas 16: 1-7 ]. Ein
selbstsüchtig/betrügerischer Schatzsucher [Matthäus 13:44], erfolgreiche
Meisterdiebe [Matthäus 24; 43,44] und ein korrupter Richter [Lukas 18: 2-5]
sind weitere amoralische Helden seiner Gleichnisse.
Fragen
beantwortet er nach Politikerart mit Gegenfragen [Markus 11: 27 ff. ] und
weicht so einer eigenen Antwort aus
Priesterschaft: Verkehrt mit den
volkstümlichen Pharisäern (glauben an das Weiterleben nach dem Tode), die ihn
einladen [Lukas 7:36, 11:37] und vor Verfolgung warnen [Lukas 13:31].
Wechselseitig kritisch – feindselig steht er den Sadducäern gegenüber, die das
"Unternehmen Tempel" managen, die Tempelsteuer eintreiben, und nicht
an das Leben nach dem Tode glauben.
Dass
in den Evangelien auch die Pharisäer als Jesu Gegner dargestellt werden,
erklärt sich aus der historischen Situation beim Schreiben der Evangelien: Nach
der Tempelzerstörung in 70 n.Chr. übernahmen die Pharisäer die geistige Führung
der Juden, zu denen die Christen jetzt im Konflikt standen.
Friedensliebe: Preist
einerseits "Selig sind die Friedfertigen" und verlangt "Liebet
eure Feinde!", verkündet andererseits aber er sei "nicht gekommen um
Frieden zu bringen, sondern das Schwert ... Ich bin
gekommen
die Söhne mit ihren Vätern zu entzweien, die Töchter mit ihren Müttern
..." [ Matthäus 10: 34; Lukas 12, 51 ]
Sieht
im Krieg etwas durchaus Normales, Krieg wird auch dem Gottesreich vorangehen
[Matthäus 24: 6-8]:
Schickt
beim letzten Abendmahl die Jünger los um Schwerter zu kaufen [Lukas 22: 36-38 ]
Weltbild: Entspricht dem
eines gläubigen Juden seiner Zeit. Israel ist Gottes
erwähltes Volk; als Jude hat man daher zu Gott ein
besonders Verhältnis. Jesus nennt ihn "Abba", was man mit
"Papa" übersetzen sollte und ein starkes Urvertrauen spiegelt [Markus
14:36].
Jesus sieht sich als von Gott beauftragt, wie vor ihm die Propheten.
Gegenspieler
Gottes ist der Teufel / Satan. Wenn Gott sein Reich in der Welt errichtet, wird
Satan endgültig besiegt sein. Nach [Lukas 10:18] beginnt die Entmachtung Satans
bereits: "Ich sah wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen
Blitz.". Jesus sieht sich im ständigen Kampf mit Satan
[Versuchungsgeschichten Markus 1:12,13; breit ausgewalzt in Matthäus 4: 1-11; Lukas
4: 113]. Sein Kampf gegen die Dämonen, die Hilfstruppen Satans, ist in [Markus
5: 1-20] anschaulich beschrieben. Er selbst ist dabei Gottes verlängerter Arm:
"So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das
Reich Gottes zu euch" [Lukas 11:20, ähnlich Matthäus 12:28].
Selbstbild: Das aus den
Evangelien herauslesbare Selbstbild Jesu ist in
starkem
Maße verformt durch das Schreiben der Texte vom Ende her: Weil Jesus zum
Christus wurde, muss er es schon immer gewesen sein! Daher viel
Widersprüchliches!
Stets
spricht er von sich selbst in der dritten Person als "des Menschen
Sohn"; andere benutzen diese Bezeichnung für ihn nicht. Es gibt dafür
vielfältige theologische Deutungsversuche. So wird spekuliert, Jesus spiele
damit auf [Daniel 7, 1-14] an und melde auf diese nur schriftkundigen Juden
verständliche Art seinen Anspruch auf den Königsthron an, weil er das jedermann
geläufige "Messias" vermeiden wolle.
Nicht
ganz neuer eigener Vorschlag: "Des Menschen Sohn" ist nur eine leicht
scherzhafte Form für "ich" (Vgl. "Meines Vaters Sohn" ...
"My father's son"). Darf man Jesus so viel Humor zumuten? Oder – noch
weiter gehend (und m.W. wirklich neu:) – Jesus spielt selbstironisch damit auf
seine uneheliche Herkunft an, die ihm vielleicht viel zu schaffen machte - "Irgendeines
Menschen Sohn"?
Dass
er sich selbst als im besonderen Auftrage Gottes tätig sah, daran gibt es
keinen Zweifel. Soweit, so gut. Aber sah er sich selbst als Gottes eingeborener
Sohn, zu dem ihn die christliche Theologie machte, als Erlöser der Menschen von
Tod und Sünde? Mit Sicherheit nicht. Oder wenigstens als der sehnlich erwartete
Messias, den endzeitlichen Retter Israels, Vorbereiter des unmittelbar
bevorstehenden Gottesreiches? Ein Mensch wohlgemerkt, keine Inkarnation Gottes!
Jesus
kündigt an, er werde den Weltenrichter spielen und die Mehrzahl der Menschen in
das ewige Höllenfeuer schicken [Matthäus 25: 31-34 / 41; Matthäus 22: 14 ].
Diese Äußerung ist mit höchster Wahrscheinlichkeit unecht. Lüdemann sieht sie
als theologische Erfindung des Evangelisten. Zudem: Sich selbst zum Gott zu
erheben war sicherlich für einen Juden die
höchstmögliche
Blasphemie, Jesus hätte kaum der Steinigung
entgehen
können. Ebenso anmaßend ist [Matthäus 19:28]. Als unecht gilt auch Jesu
Bekenntnis zur Gottessohnschaft [ Markus 14, 61b, 62].
Die
Ich-bin-Worte und andere ähnliche Texte bei Johannes gelten als unhistorisch,
sie drücken die besondere theologische Sicht des späten Evangelisten aus.
In der
Tat weist Jesus es zurück mit Gott auch nur
verglichen
zu werden [Lukas 18:19]. Er sieht sich selbst als sündig genug, um sich von
Johannes dem Täufer taufen zu lassen
[Markus 1. 9 ff].
Messianische
Erwartungen wurden wohl häufig an ihn herangetragen: von Johannes dem Täufer
[Matthäus 11:3]; von seinen Jüngern [Markus 8:29]; von den Armen [Markus 10:
47]; vom Volk beim Einzug in Jerusalem [Markus 11:10]. Dass er sich selbst nie
Messias nannte oder sich andere messianische Titel zulegte wie "Sohn
Davids" oder "Sohn Gottes", muss seine Anhänger irritiert haben:
Die Bibel berichtet daher, Jesus habe ausdrücklich verboten ihn Messias zu
nennen: seinen Jüngern in [Matthäus 16:20], den Dämonen (!) in [Lukas 4:41]
Als
Petrus ihn als Messias anspricht, gerät Jesus darüber mit ihm in
Streit
und bezeichnet ihn als Satan [Markus 8; 29-33]
Der
Ausrufung zum politischen Anführer entzieht er sich durch Flucht [Johannes
6:15].
Auf
der anderen Seite wiederum steht als sehr wahrscheinliches Fakt der triumphale
Einzug in Jerusalem – ist er schließlich doch selbst in die Rolle des
Messias/Königs geschlüpft?! Schon auf dem Wege lässt er sich "Sohn
Davids" nennen [Markus 10: 47 ff], beim Einzug in Jerusalem lässt er sich
als König feiern [Markus 11: 10; Lukas 19:38]
Unruhestifter: Er zieht an Palmsonntag reitend
in Jerusalem ein (aus jüdischer Tradition nicht akzeptabel), bedient sich dabei
eines Esels um eine alte Prophezeiung [Sacharja 9: 9] wahr zu machen – eine
sorgfältig vorbereitete Inszenierung. Sein triumphaler Einzug verursacht einen
Massenauflauf. Jetzt muss jeder in ihm den Messias, ja, den neuen König Israels
sehen. (Für viele war er aber wohl nur einer der vielen wandernden Prediger und
Exorzisten; schließlich brach kein Volksaufstand aus, als man ihn hinrichtete.)
Mit
rabiater Gewalt geht er gegen die Händler im Tempel vor [Markus 11: 15]. Er
bricht damit das gültige Gesetz – der "Heidenhof" des Tempels war
legitimer Ort für den Handel, darüber bestand zwischen der Tempelverwaltung
(Hohepriester Josef Kajphas) und römischer Provinzverwaltung (Präfekt Pontius
Pilatus) einig, sie wirkten gerade damals gut zusammen. Jesus wird endgültig
zum Aufrührer.
Allerdings:
Dass er einen regelrechten Aufstand plante, wurde zwar bisweilen vermutet,
lässt sich aber in keiner Weise belegen.
Abendmahl: Das Sedermahl am
Vorabend des Pessach-Festes ist bis heute
jüdischer Brauch.
Die
Berichte von der Einsetzung der Eucharistie sind nicht nur unterschiedlich, bei
Johannes erfolgt sie überhaupt nicht beim letzten gemeinsamen Essen. Wenn es
überhaupt einen historischen Kern gibt, dann am ehesten, gemäß der ältesten
Erwähnung [Korinther 11, 23-26], als Gedächtnismahl (Jesus mag geahnt haben,
dass er nicht mehr lange zu leben hatte). Die theologisch-magische Aufladung
ist späteren Datums. Auch [Markus 14:25 ] könnte echt sein: Der als Weinsäufer
bekannte Jesus will keinen Wein mehr trinken bis das
Reich Gottes kommt, das er ja als unmittelbar bevorstehend ansieht.
Wahrscheinlich
aber wurden die Berichte von der Einsetzung der Eucharistie später eingefügt um
den inzwischen etablierten Brauch solcher Gedächtnismahle auf Jesus selbst
zurückzuführen.
Verrat: Die ganze
Erzählung vom Verräter Judas Iskariot wird heute
vielfach
als unhistorisch gesehen, eine Erfindung der
Evangelisten,
die alle Schuld an Jesu Tod den Juden in die Schuhe schieben wollten; da bot
sich Judas/Judäa/Juden schon vom Namen her an. In einem der ältesten
christlichen Schriftzeugnissen, Jahrzehnte älter als die Evangelien, erscheint
Jesus nach seinem Tod vor den Zwölfen (!) [1.Korinther 15: 5]. Erst die
Evangelisten machen daraus die Elfe!
Prozess: Der ganze
Vorgang, vom Verrat des Judas bis zur Verurteilung
durch
die Römer, lässt sich nicht vernünftig nachvollziehen, zu sehr ist die
Erzählung überwuchert vom Wunsch die Schuld den Juden zuzuweisen (mit denen die
Christen zur Zeit der Evangelisten im Streit lebten) und sich im römischen
Reich als akzeptable Religion zu präsentieren. Der Bericht über das Verhör vor
dem Hohenpriester ist schon deshalb gänzlich unglaubhaft, als die Jünger alle
geflohen waren, nur Petrus stand im Hof und wärmte sich bei den Knechten
[Markus 14: 53 ff] – der Bericht muss also frei erfunden sein. Der Ablauf
entspricht auch nicht jüdischem Prozedere.
Hatte
der "Hohe Rat" (Sanhedrin) überhaupt etwas damit zu tun? Er hätte
Jesus zur Steinigung verurteilen dürfen, wenn auch für die Durchführung des
Urteils vielleicht formal Zustimmung der römischen Besatzungsmacht erforderlich
war. (In Anlehnung an [Johannes 18:31] wird das immer geleugnet. Die Steinigung
des Stephanus wenige Jahre später zeigt, dass es sehr wohl möglich war).
Dass
der als harter Verwalter bekannte Pontius Pilatus (Präfekt in Judäa 26-36
n.Chr.) sich für die religiösen Streitigkeiten der Juden interessierte und gar
für jüdische Wünsche vereinnahmen ließ, ist sehr unwahrscheinlich. Aber die
neuerliche Unruhe in Jerusalem in der notorisch unruhigen Provinz Judäa konnte
der römischen Verwaltung nicht verborgen bleiben. Ob die jüdische
Priesterschaft konkret aktiv wurde (Gefangenname, Überstellung), kann offen
bleiben: Ein dezenter Tip von jüdischer Seite hätte wohl schon ausgereicht.
Gewiss hat Pontius Pilatus sich nicht auf eine Diskussion mit einem jüdischen
Aufrührer eingelassen.
Tod: Von den
Römern als Aufrührer hingerichtet. (INRI = Jesus
Nazarenus Rex Judarum).
Letzte Worte: Der auf Aramäisch überlieferte
Verzweiflungsschrei "Elohi, Elohi lama asabthani?! (Mein Gott, mein Gott,
warum hast Du mich verlassen?!)" [ Markus 15:34 gebraucht die aramäische
Gottesanrede, Matthäus 27: 46 macht daraus
hebräische
Anrede "Eli". Luther schreibt auch bei Markus "Eli", die
Elberfelder Übersetzung sagt korrekt: "Eloi" ] ist viel glaubhafter
als die wohlgesetzten Worte "Vater, in deine Hände lege ich meinen
Geist" [Lukas 23:46 ]. Was er sonst noch gesagt haben soll, kann ohnehin
keiner gehört haben, weil die Frauen abseits standen [Markus 15:40], sie
hielten sich ganz fern. Die Jünger waren geflohen. Auch unter diesem
Gesichtspunkt ist nur der Schrei glaubhaft. Das triumphierende "Es ist
vollbracht" bei Johannes ist auch deshalb unmöglich, da Jesus ja mit
seiner Mission gescheitert war.
Begräbnis: Zweifelhaft ob
überhaupt begraben. Wahrscheinlich von den
Römern
wie andere Hingerichtete der niedrigsten Kategorie in einer städtischen
Abfallgrube den Geiern vorgeworfen. Oder am Kreuz, wie vielfach zur
Abschreckung üblich, den Hunden und Raben überlassen.
4. Zusammenfassung
Man
erkennt ein in vielerlei Hinsicht widersprüchliches Bild. Bereinigung bis zu
völliger Einheitlichkeit wäre beim Stand des Wissens unehrlich. "Weichspülen"
von Jesu' weniger erfreulichen Eigenschaften wäre Geschichtsklitterung.
Aber
wer sagt auch, dass Jesus ein einfacher Charakter war?! Vielleicht war er ja in
sich widersprüchlich? Vielleicht änderte er auch einmal seine Meinung?
Vielleicht war er auch einmal übellaunig? Vielleicht ging manchmal sein
Temperament mit ihm durch? Vielleicht nutzte er rhetorische Übertreibungen um
sein Anliegen um so klarer zu machen?
Was
bleibt also? Kurz gesagt:
·
Jesus
war eine charismatische Persönlichkeit ersten Ranges, doch in sich
widersprüchlich.
·
Jesus
war er ein fanatischer Eiferer, der vor allem anderen ein Anliegen
hatte: seine jüdischen Volksgenossen (und nur diese) mit Verheißung und Drohung
reif zu machen für das bald kommende Gottesreich in Israel. Viele seiner
Äußerungen sind nur im Kontext des nahen Weltendes verständlich.
·
Er sah
sich als von Gott beauftragt, durch seine großen Erfolge als Heiler von Gott
bestätigt. Wahrscheinlich identifizierte sich schließlich selbst mit der erwarteten
Rettergestalt des Messias.
·
Als
potentieller Messias war er nolens volens eine politische Figur: Es ging
schließlich darum, dass der Gott Israels sein neues Reich mit der Hauptstadt
Jerusalem errichtete. Schließlich identifizierte er sich selbst mit dem
Messias/König – und scheiterte , wie andere vor ihm.
·
Eine neue Religion/Kirche wollte er nicht stiften. Er
dachte auch nicht daran, durch seinen Tod die Welt zu erlösen. Die
nachösterliche Interpretation des irdischen Jesus ist eine Übermalung ohne Grundlage
im wirklichen Jesus.
·
Die
Gesetze des jüdischen Glaubens waren für ihn unverrückbar bindend, doch
beklagte er die Formalisierung des Glaubens und stellte die Menschenliebe
gleichwertig daneben, in der Praxis sogar darüber.
·
Seine
in ihrer radikalen Konsequenz bewundernswerte, viel gerühmte Ethik und
Friedensliebe kann für den Einzelnen immer noch unerreichbares Idealbild sein,
für eine menschliche Gesellschaft ist sie keine brauchbare Richtschnur.
Freilich hielt er sich selbst nicht daran, wenn er nicht den Frieden sondern
das Schwert zu bringen versprach; wenn er seine Gegner verfluchte; wenn
freigiebig war mit der Androhung ewiger Höllenqualen.
·
Sein Verhalten gegenüber der eigenen Familie, seine
Einstellung gegenüber Nichtjuden sind heute nicht mehr akzeptable, gar
abstoßende Charakterzüge.
·
Seine
Zuwendung zu den Außenseitern der Gesellschaft - den Armen, Kranken,
Verachteten (freilich nicht zu den Sklaven) – ist ein bleibendes Vermächtnis.
·
Dass
er Frauen als völlig gleichberechtigt ansieht, ist auch heute noch in weiten
Bereichen der Welt (inklusive der katholischen Kirche) eine aufrührerische
Botschaft.
·
In der
feineren jüdischen Gesellschaft war er, der Handwerker aus Galiläa, mit seinem
Lehren und Verhalten selbst ein Außenseiter, ein "unmoralischer
Held", der umgeben von Anhängern und Anhängerinnen (!) bettelnd, heilend
und predigend durch das Land zog und "schlechte Gesellschaft"
pflegte. Für die Römer war er schlicht ein Unruhestifter.
Hat
Jesus uns heute noch etwas zu sagen? Ja! Aber man muss auch auf ihn hören!
Der
antike Glaube an das gepredigte Jesus-Phantom der Amtskirchen kann es freilich
nicht sein. Käme Jesus heute zurück auf die Erde, wäre er erstaunt, entsetzt,
ja wohl zornig über das, was inzwischen geschah.
Kirchengründer
Paulus hatte ihn "Gottes Sohn" genannt, was ja nur eine besondere
enge Beziehung des Menschen zu Gott bezeichnete, in ihm aber durchaus noch
einen Menschen gesehen: " .... so ist viel mehr Gottes Gnade und Gabe
vielen reichlich widerfahren durch die Gnade des einen Menschen Jesus
Christus" [Römer
5:15,
18]. Immerhin: Paulus hatte Jesus zum Erlöser hochstilisiert, als den er sich
nie gesehen hatte.
Danach
aber hat die christliche Kirche in heidnischer Umgebung Jesus zum Gott in einer
Trinität erhoben. Die Kirche wurde zu einer unerhört mächtigen Organisation;
sie hat in Jesu Namen viel mehr Menschen umgebracht als sie je Märtyrer
vorzuweisen hatte.
Wo
Jesus selbst sich in direkter Beziehung zu seinem Gott sah ("Abba"
nannte er ihn!) , stand er jetzt – vergöttlicht – zwischen dem Menschen und
Gott, mit seiner quasi-vergöttlichten Mutter, mit Heiligen und unfehlbaren
Päpsten und dem ganzen Apparat der Kirche dazu ("Extra ecclesiam nulla
salus").
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