Bitcoin – Digitale Währungen
Author D. Selzer-McKenzie
YoutubeVideo: https://youtu.be/Uwcmr52feAk
Die Folgen dieser Begrenzungen für das Wirtschaftswachstum
sind ein Argument gegen eine Einführung digitaler Währungen auf breiter Basis.
Dieses Problem mag jedoch nicht so groß sein wie oft dargestellt. Vielmehr
werden die berechtigten techni¬schen und sicherheitsbezogenen Bedenken den
Spielraum für Bitcoin beschränken.
Um Sicherheitsbedenken auszuräumen, spricht einiges dafür,
den Zentralbanken die Verwaltung einer elektronischen Wäh¬rung auf Basis eines
zentralisierten Kontobuchs zu gestatten. Doch dazu müsste die Privatwirtschaft
einige Merkmale des Bargelds wie etwa Anonymität aufgeben und dafür mit
niedri¬geren Transaktionskosten entlohnt werden.
Die Rolle des Geldes in einer modernen Volkswirtschaft
Seit Urzeiten steigert der Tausch von Waren und Dienste gen
den Wohlstand. Mit zunehmender Komplexität de-
schaftssysteme erforderten immer komplexere T a sa Z.;
Verwendung von Geld als Tausch-ii- =
geschäfte zu verlassen. Zudem wurde Geo-P,_ mit der man
angemessene Preise für Güter und 2 -.1--.1•7 ermitteln konnte. Darüber hinaus,
als die Gesellschaften began¬nen, mehr zu produzieren als sie in einer
bestimmten Periode
verbrauchen konnten, mussten zudem Wege zur Aufbewahrung des
Mehrwerts gefunden werden. So wurde Geld zum Wertauf-bewahrungsmittel, das es
ermöglichte, die heute angesammelten Reichtümer morgen zu verzehren.
Geldsysteme basierten ursprünglich auf einer Bezugsgröße,
und seit Urzeiten kam diese Rolle dem Gold zu. Mit zunehmender Festigung der
institutionellen Rahmenwerke stieg die Akzeptanz von Fiatgeld (Geld, das vom
Staat als gesetzliches Zahlungsmit¬tel betrachtet wird). In den Siebzigerjahren
wurden die letzten
noch verbliebenen Verbindun-
gen zwischen Währungen und
»Geldsysteme
basierten Rohstoffen in den
Industrie-
ursprünglich auf einer ländern
gekappt; heute wird in
Bezugsgröße,
und seit den westlichen Ländern alles
Urzeiten
kam diese Rolle physische Bargeld
von der
dem Gold zu.« Zentralbank
geschaffen. Doch
in einem partiellen Reserve-
system können Geldinstitute Kredite schaffen, die den Wert
der bei ihnen eingelegten Gelder um ein Vielfaches übersteigen. Dabei sind sie
sich sicher, dass jeweils nur ein kleiner Teil ihrer Bareinlagen abgerufen
wird. Infol¬gedessen macht Bargeld in den Industrieländern heute nur einen
kleinen Teil der Gesamtliquidität aus. Wie sich die Rolle des Gel¬des über
längere Zeit verändert hat, zeigen wir anhand britischer Daten, die bis ins 19.
Jahrhundert zurückreichen. Grafik 1 zeigt die abnehmende Bedeutung der
umlaufenden Geldscheine und
-münzen im Verhältnis zu einer breiter gefassten Definition
von Liquidität. Grafik 2 verdeutlicht das durch das partielle System
ermöglichte kräftige Wachstum der Kredite im Verhältnis zum
Bruttoinlandsprodukt.
Zwar hat sich das Konzept dessen, was als Geld gilt, im
Laufe der Zeit verändert. Doch der Prozess, der Zahlungen zwischen Einzelpersonen
ermöglicht, ist noch immer als das im 16. Jahr¬hundert eingeführte System
erkennbar. Praktisch betreibt das Finanzsystem ein Kontobuch, in dem der
Zahlungsverkehr über Clearingbanken verarbeitet wird, die wiederum von der
Zentral¬bank in ihrer Funktion als Clearingstelle letzter Instanz
beauf¬sichtigt werden. Über die Jahre wurde geäußert, dass man die
Zentralbanken nicht damit betrauen dürfe, den Wert des im Finanzsystem
hinterlegten Geldes zu erhalten, weil sie die Infla¬tion nicht unter Kontrolle
hätten. Im Zuge der Politik der quanti-tativen geldpolitischen Lockerung haben
sich diese Bedenken noch verstärkt. Hinzu kommen die aus dem Kollaps
renommier¬ter Banken in den Jahren 2007 und 2008 erwachsenen Probleme. Somit
dürfte es kaum überraschen, dass manche Investoren die Idee attraktiv finden,
dass Geld nicht vom Bankensystem kontrolliert wird.
Das mag radikal anmuten, doch die Vorstellung von Geld, das
keiner behördlichen Kontrolle unterliegt, ist nicht neu: Im uralten System des
Tauschhandels konnte man jede beliebige Zahlungs¬form verlangen. Doch da
Fiatgeld in verschiedenen Teilen Euro
pas seit mehr als tausend Jahren verwendet wird, ist es
eindeutig zur Norm geworden. Neu ist indes, dass die Ausgabe von Wäh¬rungen
außerhalb einer zentralisierten Kontrolle durch den tech¬nischen Fortschritt
sehr viel einfacher geworden ist.
Was ist eine digitale Währung?
Digitale Währungen (auch elektronische Währungen genannt)
sind virtuelle Recheneinheiten. Da die Sicherheit hierbei in vielen Fällen
durch kryptografische Methoden gewährleistet wird, wer¬den diese Währungen oft
auch als Kryptowährungen bezeichnet (wenngleich, wie wir nachfolgend zeigen,
diese Methoden nicht bei allen digitalen Währungen angewendet werden). Eines
ihrer wesentlichen Merkmale ist, dass sie nicht von einer zentralen Stelle
herausgegeben werden und sich somit theoretisch der Kontrolle von Regierungen
und Zentralbanken entziehen. Ein weiteres Charakteristikum ist ihr begrenztes
Angebot; es soll verhindern, dass sie durch ein Überangebot an Wert verlieren.
Eine der ersten Kryptowährungen, die ins öffentliche Bewusst¬sein rückten, war
Bitcoin. Eingeführt wurde sie im Jahr 2009 vom mysteriösen Satoshi Nakamoto,
der so geheimnisumwittert ist, dass nicht einmal als gesichert gelten kann, ob
es sich bei ihm um eine Einzelperson oder eine Gruppe handelt. Nakamotos Ziel
war, eine Art elektronisches Geld zu schaffen, mit dem man untereinander
Transaktionen abwickeln kann, ohne über ein zentralisiertes Clearingsystem zu
gehen. Erreicht wurde dies durch die Schaffung eines Peer-to-Peer-Netzwerks,
das als Blockchain bekannt ist.
Die Blockchain ist ein dezentrales elektronisches Kontobuch
(Distributed Ledger), das von einer Nutzergemeinde verwaltet wird. Diese stellt
sicher, dass bei jeder Durchführung einer Bit-coin-Transaktion der Übergang des
Eigentums an der Währung in einem digitalen Kontobuch verzeichnet wird. Das
erfolgt in Form einer Kette, wobei jede Transaktion einfach an die Liste der
bereits durchgeführten Transaktionen angefügt wird. Um die korrekte Erfassung
der Transaktionskette sicherzustellen, ist der Verifizierungsprozess
rechnerisch so beschwerlich gestaltet, dass Fälscher abgeschreckt werden. Da
diese Aufgabe viel Rechenzeit und Aufwand erfordert, werden die Wächter des
Systems mit neu geschaffenen Bitcoins bezahlt. Somit wird diese Währung nicht
von einer Zentralbank herausgegeben, sondern von denjenigen, die sie
kontrollieren. Da diese Entlohnungen wertvoll sind, stehen die sogenannten
Bitcoin-Miner miteinander im Wettbewerb, um als Erster das
Verifizierungsproblem zu lösen. Diese Wettbewerbskomponente fördert die
Ehrlichkeit der anderen Nutzer.
Der Markt für digitale Währungen
Bis dato sind mehr als 1.000 Kryptowährungen dokumentiert;
ihr Marktwert entspricht fast 156 Milliarden US-Dollar. Dieser Sektor hat sich
beachtlich entwickelt: Noch im April 2013 wur¬den auf der Website nur sieben digitale Währungen mit einer
Gesamtmarktkapitalisierung von 1,6 Milliarden US-Dollar verzeichnet. Das
Wachstum war so stark, dass in den letzten Jahren effektiv vier neue digitale
Wäh-rungen pro Woche geschaffen wurden. Man kann sich jedoch kaum des Eindrucks
erwehren, dass der jüngste Höhenflug zum Großteil eine Blase darstellt.
Gefördert wird sie von Initial Coin Offerings (ICO, initiales Angebot einer
neuen Kryptowährung), bei denen es sich im Wesentlichen um
Crowdfunding-Kampag-nen für Kryptowährungs-Start-ups auf Basis der
Ethereum-Plattform handelt.
Bitcoin war die ursprüngliche digitale Währung und ist nach
wie vor marktführend. Doch im zweiten Quartal 2017 verzeichneten digitale
Währungen einen besonders großen Wertzuwachs, was den Marktanteil von Bitcoin
erstmals unter 50 Prozent drückte (siehe Grafik 3). So hat sich der Gesamtwert
des Marktes für digitale Währungen außer Bitcoin im zweiten Quartal fast um den
Faktor neun erhöht; seitdem wurden die überhöhten Gewinne zum Teil jedoch
wieder abgegeben. Fast 80 Prozent des Werts aller in Gebrauch befindlichen
Kryptowährungen entfällt auf nur drei Währungen: Bitcoin, gefolgt von Ethereum
(18 Pro¬zent) und Ripple (6 Prozent).
Bitcoin ist mit einem Marktwert von 95 Milliarden US-Dollar
(54 Prozent der Gesamtsumme, siehe Grafik 4) immer noch die mit weitem Abstand
am höchsten bewertete digitale Währung. Doch der Marktwert von Ethereum hat
sich seit Ende 2016 um den Faktor 50 erhöht. Damit wuchs deren Marktanteil von
4 Pro¬zent auf 22 Prozent, was der Hauptgrund für das zuletzt enorme Wachstum
digitaler Wäh¬rungen ist. Ebenso wie Bitcoin ist Ethereum ein dezentrales
öffentliches Blockchain-Netzwerk. Doch während Bitcoin lediglich eine Anwendung
der Blockchain-Techno-logie anbietet - ein Peer-to-Peer-System für den elektronischen
Zahlungsverkehr - offeriert Ethereum eine brei¬tere Vielfalt von Applikationen,
und die elektronische Währung (als Ether bekannt) ist nur eine von ihnen.
Ethereum ist vielleicht die nächste Generation der Blockchain-Anwendungen und
unter¬scheidet sich von Bitcoin darin, dass sie eine allgemeinere
Skript-sprache nutzt. Das macht es einfacher, neue Applikationen zu entwickeln,
ohne Experte für Kodierung, Mathematik und Kryptografie sein zu müssen. Somit
ist Ethereum derzeit die Plattform erster Wahl für die Weiterentwicklung neuer
Bereiche wie zum Beispiel Smart Contracts (Computerprotokolle, die Verträge
abbilden, überprüfen oder durchsetzen können).
Doch ebenso wie bei Bitcoin wird die Integrität der
Blockchain auch hier von Minern gewahrt, die mit einer digitalen Währung
(Ether) entlohnt werden. Tatsächlich ist es nicht möglich, im Netzwerk ohne
diese Währung zu operieren: Das »Mining« von Ether ist der Prozess, der Blöcke
in der Kette erstellt, verifiziert, veröffentlicht und verbreitet. Da Entwickler
diese Plattform zunehmend nutzen, »erzeugen« sie die Kryptowährung, was es
ihnen gestattet, die Weiterentwicklung zu bezahlen. Entspre-chend dürfte der
jüngste Höhenflug des Werts von Ethereum als Nebenprodukt ihrer breiteren
Anwendbarkeit zu betrachten sein, die sich aus der Entwicklung neuer
Applikationen ergeben hat.
Ähnlich wie Ethereum ist Ripple weniger als alternative
Währung konzipiert, sondern eher als Applikation, die ein
Echtzeit-Brutto-Abwicklungssystem für Finanztransaktionen bietet. Technisch
handelt es sich dabei gar nicht um eine Kryptowährung. Denn Ripple strebt durch
nichtkryptografische Mittel einen Konsens an. Zudem unterstützt Ripple auch
Transaktionen in anderen Werteinheiten als denjenigen, die sich aus dem
Netzwerk selbst ergeben. Deshalb ist es möglich, Transaktionen in Fiatwährung
vorzunehmen - obgleich von den Nutzern verlangt wird, eine geringe Summe der
digitalen Währung (XRP) auf ihrem Account vorzuhalten.
XRP ist eine kontrahentenfreie Währung. Folglich hängt ihre
Existenz nicht von anderen Finanzinstituten wie zum Beispiel einer Zentralbank
ab. Anders als bei den beiden anderen
wichtigsten Kryptowährungen findet hier kein Mining statt.
XRP muss an einer Börse gekauft werden; dabei werden nach jeder Transaktion ein
paar Münzen zerstört. Das kann als Trans¬aktionskosten betrachtet werden. Doch
während in einem Fiat-geldsystem die Einnahmen bei einem der Kontrahenten
anfallen, gibt es im Ripple-Netzwerk keine solche Partei; Transaktions¬kosten
fallen also in Form einer Währungszerstörung an. XRP ist auch insofern anders,
als ihr Angebot zu Beginn festgelegt wurde. Der Zerstörungsmechanismus bedeutet
somit, dass ihr Wert proportional zur Zahl der Transaktionen steigt. Hingegen
wird das Angebot von Bitcoin und Ether zwar letzten Endes festgelegt (siehe
nächster Abschnitt), doch derzeit werden diese Währungen noch expandiert.
Tabelle 1 auf Seite 18 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der
drei großen digitalen Währungen.
Probleme mit digitalen Währungen: Angebotsengpässe Ein Grund
für die Beliebtheit digitaler Währungen in einem bestimmten Segment der
Bevölkerung ist die Sorge, dass die Expansion der Geldmenge durch die
Zentralbanken Inflation erzeugt, die den Wert des Geldes erodieren lässt.
Dieses Prob¬lem lässt sich vermeiden, wenn Einzelpersonen ihr eigenes Geld
kontrollieren, da es dann keinen Anreiz dafür gibt, seinen Wert
wegzuinflationieren. Im Fall von Bitcoin ist das Angebot auf 21 Millionen
Einheiten festgelegt, von denen bereits etwa 16,6 Millionen (79 Prozent der
Gesamtsumme) erzeugt worden sind. Doch die Schöpfung der Währung wird in
Zukunft lang¬samer vonstatten gehen, und erst nach unendlich langer Zeit wird
die Grenze von 21 Millionen erreicht (siehe Kasten rechts).
Das Standardargument gegen eine Währung, deren Angebot
festgelegt ist, besteht darin, dass sie dem Wirtschaftswachstum enge Grenzen
setzt, sobald die Obergrenze erreicht wird. Um dies zu verdeutlichen, kann man
sich eine geschlossene Volks¬wirtschaft denken, in der alle Transaktionen
zwischen inländi¬schen Wirtschaftssubjekten erfolgen (also kein Außenhandel
stattfindet) und zudem ausschließlich bar finanziert werden (Finanzinstitute
die Geldmenge also nicht vergrößern können). Insofern als das
Bruttoinlandsprodukt ein monetäres Maß aller Wirtschaftstransaktionen ist, die
innerhalb der Grenzen eines Landes stattfinden, bedeutet die Anhebung des
Preises eines Gutes, dass der Preis eines anderen Gutes (oder mehrerer ande¬rer
Güter) sinken muss, weil das physische Währungsangebot einfach nicht ausreicht,
damit die Wirtschaftssubjekte für ein Gut einen höheren Preis und für alle
anderen Güter weiterhin denselben Preis bezahlen können.
WIE BITCOIN GESCHAFFEN WIRD
Die Blockchain funktioniert so, dass neue Blöcke an eine
beste¬hende Kette angefügt werden. Die für die Verifizierung der neuen
Transaktionen Verantwortlichen, die die Kette dadurch verlängern (Miner),
werden mit Bitcoins bezahlt. Zunächst wurde den Minern ein Satz von 50 Bitcoins
pro erzeugtem Block (das heißt Zahl der an die Kette angefügten Blöcke)
gezahlt. Doch nach jeweils 210.000 erzeugten Blöcken wird der Satz der
Bitcoin-Emission halbiert. Bis dato sind insgesamt 490.000 Blöcke erzeugt
worden, und die Miner erhalten für jeden hinzugefügten Block 12,5 Bitcoins.
Verlängert sich die Kette weiterhin im derzeitigen Tempo, so wer¬den bis Mitte
2020 etwa 630.000 Blöcke erzeugt worden sein; dann sinkt die Währungsschöpfung
auf 6,25 Bitcoins pro Block. Bis Ende 2023 wird sie auf 3,125 Bitcoins pro
Block zurückgehen usw. Auf dieser Basis werden bis zum Jahr 2034 99 Prozent
aller Bitcoins erzeugt worden sein (siehe Grafik 5).
Danach wird es nur noch sehr langsam vorangehen. Bis Ende
des 21. Jahrhunderts werden fast alle Bitcoins, die erzeugt werden können,
abgerufen worden sein. Der Grund dafür ist: Da sich der Satz der
Bitcoin-Zahlung alle 210.000 Blöcke bis ins Unendliche immer weiter halbieren
kann, wird die Ausgabe von Bitcoins unendlich langsam erfolgen. Die
Emissionsgrenze von 21 Millionen wird somit zwar näherrücken - aber niemals
erreicht werden.
Die Miner müssen sich fragen, wann ihre weitere Tätigkeit
unwirt-schaftlich wird. Ein gut dokumentiertes Problem mit dem Bitcoin-Mining
ist, dass erhebliche Mengen Strom dafür verbraucht werden. Derzeit benötigen
diese Aktivitäten so viel Strom wie die Volkswirtschaft Turkmenistans.
Schätzungen zufolge könnten sie bis 2020 so viel Strom verbrauchen wie
Dänemark. Ein positiver Faktor ist, dass die Effizienz der im Prozess des
Minings verwen¬deten Computerausstattung weiter verbessert wird, womit sich der
Stromverbrauch verringern dürfte. Doch die Erträge aus dem Mining sinken, je
länger die Blockchain wird. Daher könnten die Kosten einer Fortsetzung den
Nutzen überwiegen. Doch sollte der Wert des Bitcoins so sehr steigen, wenn wir
uns der Angebots¬grenze nähern, könnte es immer noch profitabel sein, selbst
kleine Bruchteile eines Bitcoins zu erzeugen (ebenso wie
Standard-Fiat-währungen kann Bitcoin technisch in immer kleinere Einheiten
unterteilt werden).
Wächst zudem die Erwerbsbevölkerung infolge Bevölkerungs-wachstums,
so muss der von jedem Einzelnen gehaltene Wäh-rungsbestand mit der Zeit
abnehmen. Die Verbraucher können ihren Lebensstandard nur halten, wenn der
Preis von Gütern und Dienstleistungen entsprechend sinkt (es also zur Deflation
kommt). Auch technischer Fortschritt, der einer Gruppe von Erwerbstätigen
zulasten einer anderen zugutekommt, führt dazu, dass einige soziale Gruppen die
Gewinner sind, während andere absolute Einkommenseinbußen erleiden. Hingegen
müssen in einem konventionellen System der Fiatgeld-Expansion die Ver¬lierer
nur eine relative Einbuße hinnehmen. Im Wesentlichen werden sie infolge der
Geldillusion entschädigt.
Selbst die Befürworter von »solidem« Geld wie beispielsweise
Milton Friedman haben sich für eine k-Prozent-Regel ausgespro¬chen, bei der der
Geldbestand Jahr für Jahr um einen festen Satz erhöht werden sollte, ohne dass
sich das Ausmaß der Erhöhung ändert, um konjunkturelle Bedürfnisse zu decken.
Vor dem Beitritt zur Währungsunion setzte die Bundesbank ein Ziel für das
Wachstum der deutschen Geldmenge M3, das auf dem potenziellen
Produktionswachstum, der Steigerung der Geld-umlaufgeschwindigkeit und dem
»unvermeidlichen Anstieg des Preisniveaus« basierte.
Theoretisch scheint es also, als würde ein System mit
festgeleg¬tem Währungsangebot eine wesentliche Veränderung in der
Funktionsweise des Preismechanismus erfordern. So gibt es
im derzeitigen Fiatgeldsystem zwar Preisstarrheit (das
heißt, die Preise sinken selten in absoluten Zahlen), doch die relativen Preise
von Gütern und Dienstleistungen schwanken erheblich. In einem System mit
festgelegter Geldmenge müssten Preis¬anpassungen jedoch in Form tatsächlicher
Preisrückgänge erfolgen. Das ähnelt den Problemen, die im Rahmen des
Gold¬standards auftraten.
Doch es gibt einen Weg, das Problem der Angebotsengpässe zu
umgehen. Bitcoin zum Beispiel wird auf acht Nachkommastellen definiert. Die
kleinste Bitcoin-Einheit ist als Satoshi bekannt und stellt ein
Hundertmillionstel einer Bitcoin dar. Werden die Preise von Gütern und Dienstleistungen
auf Basis dieser Untereinheiten festgelegt, gäbe es beträchtliches Potenzial,
damit die Preise so steigen können wie jetzt. So sind beispielsweise in
Großbritan¬nien die Verbraucherpreise in der Zeit von 1660 bis 2016
Schät¬zungen zufolge um den Faktor 112 gestiegen. Das liegt durchaus im Rahmen,
den auch Bitcoin zulässt (siehe Grafik 6). Doch eine solche Begrenzung würde
für die deutsche Hyperinflation von 1923 nicht ausreichen, denn damals stiegen
die Preise um mehr als 813 Millionen Prozent. In der Theorie wäre eine so
starke Inflation in einem Bitcoin-artigen System nicht möglich.
Die technischen Einschränkungen sind gravierend
Auch wenn es theoretisch machbar wäre, eine digitale Währung
einzuführen, sind in der Praxis doch diverse Hürden zu nehmen. Eine solche
Hürde betrifft die Skalierbarkeit der derzeitigen
Architektur. Fiatgeld bietet Sofortliquidität; große
Kreditkarten¬gesellschaften schaffen 56.000 Transaktionen pro Sekunde (Tps),
und ihre Durchschnittsrate liegt üblicherweise bei 2.000. Bitcoin ist jedoch
für sieben Tps ausgelegt. Die naheliegende Lösung für das Bitcoin-Problem wäre,
die Datenblöcke zu vergrößern (diese sind momentan auf ein Megabyte [1 MB]
begrenzt; die Verarbei¬tung dauert zehn Minuten).
Weitere technische Studien legen nahe, dass die
Skalierbarkeit des Bitcoin-Netzes nicht allein über die Vergrößerung der Blöcke
erreicht werden kann, sondern das gesamte Protokoll umstruktu¬riert werden
müsste. Neueinsteiger am digitalen Währungsmarkt können jedoch aus den Schwierigkeiten
um Bitcoin lernen.
Litecoin, derzeit nach Marktwert die fünftgrößte digitale
Wäh¬rung, will eine Verarbeitungsgeschwindigkeit bieten, die etwa viermal so
schnell ist wie bei Bitcoin. Das ist zwar schon eine Verbesserung, reicht aber
nicht an die Geschwindigkeit der bestehenden Systeme heran.
Mit Blick auf Onlinetransaktionen dreht sich zurzeit alles
um die digitale Sicherheit, und Meldungen über Bitcoin-Börsen, die gehackt
wurden, sind gut dokumentiert. Darüber hinaus funktio¬niert Bitcoin auf Basis
der Annahme, dass das System von einer großen Anzahl von sehr kleinen
Bitcoin-Minern kontrolliert wird. Kann sich aber ein einzelner Miner oder eine
konspirative Gruppe mehr als 50 Prozent der gesamten Computerleistung des
Netzes
sichern, so sind
diese technisch in der Lage, eine Unterbrechung der Kette zu erzwingen. Unter
normalen Umständen werden solche verwaisten Blöcke (Orphan Blocks), die nicht
einer Block-chain angehören und vom Rest der Community nicht validiert werden
können, aussortiert. Verfügt eine Gruppe von Minern aber über ausreichend
Rechnerleistung, kann sie den Rest der Community übergehen und den verwaisten
Block wieder hin¬zufügen, der dann zum nächsten Glied in der Kette wird (siehe
Grafik 7). Dieser neue Block kann diverse gefälschte Transak¬tionen enthalten,
die der Rest der Gruppe nicht aufzuspüren vermag; er könnte so der
konspirativen Gruppe ermöglichen, bestehende Bitcoins doppelt auszugeben.
Durch Vergrößerung der Blöcke in der Kette könnte
unbeabsich¬tigt ein solches Ergebnis entstehen. Miner mit Zugang zu enor¬mer
Rechenleistung und sehr geringen Energiekosten könnten sich somit mehr
Bandbreite leisten, was zu einer größeren Miner-Konzentration führen könnte.
Das ist einer der Gründe, weshalb sich für die jüngsten Bemühungen um eine
Anhebung der Blockgröße in der bestehenden Miner-Community kein Konsens fand.
Wie sind die Aussichten einer digitalen Zentralbankwährung?
Technische Einschränkungen und Sicherheitsbefürchtungen sind
derzeit die größten Hürden auf dem Weg zur Einführung eines Geldsystems, in dem
Einzelpersonen miteinander über Distribu-ted-Ledger-Technologie Transaktionen
abschließen. Wenn man
also der Miner-Community nicht trauen kann, braucht man
viel¬leicht eine zentrale Stelle mit gut etablierter Glaubwürdigkeit, um das
Kontobuch (Ledger) zu führen. Doch welchen Anreiz bietet für Zentralbanken die
Ausgabe einer digitalen Währung, zumal sie mit der Ausgabe physischen Geldes
Geldschöpfungsgewinne erzielen (das heißt Zinseinnahmen durch Ausgabe
unverzinsten Bargelds gegen verzinste Wertpapiere)?
Eines der jüngst ins Feld geführten Argumente dafür,
Einzelpersonen zu erlauben, bei einer Zent¬ralbank Geld auf einem digitalen
Konto zu führen, lautet, dass die Währungshüter dadurch mehr Flexibilität
erhalten, wenn die Zinsen an ihrem »unteren Ende« notieren. Im derzeitigen
System, in dem die Zentralbanken alle elektronischen Einlagen in zu null
Prozent verzinstes »Cash an Demand« konvertieren, gibt es Grenzen für negative
Zinsen. Werden die Verbindlichkeiten der Zentralbank aber in Form digitaler Währung
gehalten, wird es für sie einfach, einen Negativzins zu erheben (möglicherweise
in Form einer Gebühr für digitale Konten), der nicht denselben Einschränkungen
unterliegt. Ein weiteres Argument für eine digitale Währung ist, dass
Transaktionen, die über Blockchain laufen, transparent und nachverfolgbar sind;
das würde den
Spielraum für Steuerhinterziehung und illegale Handlungen
reduzieren. Des Weiteren ergibt sich für die Zentralbanken schon allein daraus
ein Anreiz, die von privaten Digitalwährungen ausgehende Gefahr abzuwenden.
Denn im unwahrscheinlichen Fall, dass eine Währung wie Bitcoin weitere
Verbreitung fände, würde sich entsprechend die Macht des Staates beim Einsatz
der Geldpolitik als Steuerungsinstrument für die Wirtschaft verringern.
Grundsätzlich könnten private Haushalte ganz leicht
»überredet« werden, die digitale Währung durch Bargeld zu ersetzen, indem man
den Umtauschkurs zwischen Bargeld und elektronischem Geld sukzessive immer
ungünstiger gestaltet und damit einen Umtausch erleichtert. Grafik 8 zeigt, wie
sich die Ertragsdifferenz zwischen Bargeld und digitaler Währung im Laufe der
Zeit ent¬wickelt, wenn man unterstellt, dass Bargeld mit 1,25 Prozent p.a.
verzinst wird, die digitale Währung jedoch 2,50 Prozent abwirft. Innerhalb von
15 Jahren ließe sich mit der digitalen Währung ein doppelt so hoher Ertrag
erzielen wie mit Bargeld.
Das verdeutlicht aber lediglich, wie die Zentralbank dieses
Ziel erreichen könnte. Ein größeres gesellschaftliches Problem ist jedoch die
Frage, ob die Menschen bereit wären, der Zentralbank die Kontrolle eines
zentralisierten Kontobuchs zu gestatten. Denn wenn eine Zentralbank willkürlich
eine Kontoführungsge-bühr festlegen kann und die privaten Haushalte keine
Möglichkeit haben, Bargeld ausgezahlt zu bekommen, besteht eine Rechen-
Grafik 10: Auf und Ab der Bitcoin-Transaktionskosten
Kosten je Bitcoin-Transaktion
in Prozent
0,25
0,20
0,15
0,10
0,05
0
2014 2015 2016 2017
Stand: Oktober 2017; Quelle: https://blockchain.info,
Commerzbank Research
schaftspflicht der Zentralbank gegenüber der Öffentlichkeit.
Auch gibt es erhebliche Netzwerkeffekte in Verbindung mit dem Einsatz der
Währung, die es schwierig machen, das bestehende Medium zu ersetzen. In der Tat
deutet trotz des derzeitigen Nullzinsumfelds nichts darauf hin, dass die
Verbraucher ihre Bargeldbestände reduzieren, wobei in der Eurozone in den
letzten Jahren ein besonders starker Anstieg zu verzeichnen ist (siehe Grafik
9).
Mit am meisten könnten die Verbraucher wohl zur Umstellung
bewegt werden, wenn die digitale Währung ihr Versprechen hält, die
Transaktionskosten zu senken. Theoretisch dürfte das durch eine Verringerung
der Anzahl an sich überschneidenden Buch¬führungssystemen zugunsten eines
zentral verwalteten digitalen Kontobuchs möglich sein. Ein weiteres zentrales
Element in diesem Wandel wird die Rolle der Banken sein. In der gesamten EU
sind Debit- und Kreditkartentransaktionen auf 0,2 Prozent bzw. 0,3 Prozent je Transaktion
beschränkt. Wie aus Grafik 10 ersichtlich, lagen die Kosten je
Bitcoin-Transaktion bis Anfang 2017 im Schnitt bei ca. 0,02 Prozent. Auch wenn
sie in der ersten Jahreshälfte gestiegen sind aufgrund von Kapazitätsmängeln im
Blockchain-Netzwerk und rückläufiger Prämien aus dem Bitcoin-Mining, infolge
derer Miner die Kosten für die Trans¬aktionsverarbeitung erhöhen mussten, ist
Bitcoin immer noch konkurrenzfähig. Ein von der Zentralbank betriebenes System,
das nicht mit denselben Kapazitätseinschränkungen zu kämpfen haben dürfte,
sollte daher mit geringeren Kosten einhergehen als das derzeitige System.
Stellt man aus Kostengründen auf eine von der Zentralbank
geschaffene Währung um, so würde sich die Rolle der Banken ändern; diese würden
sich dann von Kontoführungsinstituten zunehmend hin zu
Transaktionsverifizierungsstellen entwickeln. Infolgedessen nähme auch der
Wettbewerb im Bankensektor zu, weil es weitaus günstiger ist, eine
Transaktionsverifizierungsstelle zu werden als eine vollwertige Bank. Entsprechend
dürften die Transaktionskosten zunehmend die Verifizierungskosten
wider¬spiegeln.
Kostengründe sind womöglich genau der Faktor, der eine
brei¬tere Umstellung auf eine zentral kontrollierte Digitalwährung bewirkt.
Viele Menschen fragen sich aber immer noch, ob es wünschenswert ist, das Maß an
Kontrolle zu opfern, das Bargeld bietet. Für solche Menschen werden privat
betriebene Digital¬währungen sicher attraktiv bleiben, auch wenn deren Nutzung
auf Nischenmärkte beschränkt sein dürfte.
Schlussbemerkung
Digitale Währungen könnten zweifelsohne das Finanzsystem
stören. Die Diskussion in diesem Bereich konzentriert sich größtenteils auf
Bitcoin, weil es von den bislang angebotenen Optionen die am weitesten
entwickelte ist. Allerdings haben wir festgestellt, dass sich andere Optionen
in den letzten Monaten schneller verbreitet haben. Systeme, die sich außerhalb
der zentralisierten Kontrolle der Währungshüter bewegen, haben jedoch
bedeutende Einschränkungen, die deren breiteren Einsatz begrenzen. An oberster
Stelle stehen, wie in einem nur online existierenden System zu erwarten,
Sicherheitsbefürchtungen, und je ausgeklügelter die Hacking-Angriffe werden,
desto größer dürften entsprechende Sorgen werden.
Blockchain-basierte Sys¬teme wie Bitcoin leiden unter
Skalierbarkeitsproble-men, die deren breitere Anwendbarkeit weiter begrenzen,
weil dadurch die Verarbeitung der Trans¬aktionen verlangsamt wird. Das ist kein
technisch unlösbares Problem; allerdings hat es sich als politisch schwierig
erwiesen, die digitale Community zu einer Einigung über die weitere Entwicklung
zu bewegen. Zwar gab es zunächst keine Größenbeschränkungen für die
Bitcoin-Blöcke, doch das wurde geändert, um die Sicherheit zu verbessern und
»Denial-of-Service«-Angriffe zu verhindern. Entsprechend gibt es eine
Kompromisslösung zwischen Verarbeitungsgeschwindigkeit und Sicherheit, die eine
ernsthafte Einschränkung für die breitere Anwendbarkeit darstellt.
Zurzeit sind digitale Währungen mit Blick auf die Erfüllung
der drei Hauptfunktionen des Geldes weniger effizient als physisches Bargeld.
Sie funktionieren zweifelsohne als Tauschmittel, auch wenn es noch unüblich
ist, Preise in Bitcoin anzugeben. Ihr Nutzen beim Werterhalt wird durch
Schwankungen in dem Kurs begrenzt, zu dem sie gegen Papiergeld wie den
US-Dollar getauscht werden können. Aber auch das hat Menschen nicht davon
abgehalten, an ihnen festzuhalten, weil sie auf eine Wert¬steigerung hofften.
Trotz aller Einschränkungen legt die Tatsache, dass die
Zentral¬banken an der Anwendung digitaler Währungen interessiert sind, nahe,
dass diese nicht von der Hand zu weisen sind. Auch wenn das Interesse
hauptsächlich den Blockchain-Anwendungen gilt, gibt es keinen technischen
Grund, der gegen eine digitale Wäh¬rung auf Basis eines zentral kontrollierten
Kontobuchs spräche. Die größte Hürde auf dem Weg dorthin ist wohl der
Widerstand in der Gesellschaft. Doch wie die Erfahrungen mit Amazon und Co.
gezeigt haben, lässt sich der Widerstand der Verbraucher überwinden, wenn der
technische Fortschritt eine Verbesserung gegenüber dem Status quo bringt.
Es wird weithin die Auffassung vertreten, die heutige Welt
der digitalen Währung sei eher wie das Internet von 1995, das heißt sie biete
ein enormes unerschlossenes Potenzial. Allerdings waren zahlreiche deutliche
technologische Verbesserungen nötig, um uns von der Position 1995 in die
heutige Position zu bringen. Die digitalen Gewinner sind jene, die das System
so stören, dass es für die Menschen leicht ist, sich anzuschließen. Das
schließt eine breitere Anwendung von Bitcoin aus, heißt aber nicht, dass nicht
eine andere monetäre Innovation dort erfolgreich sein kann, wo Bitcoin
gescheitert ist.
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