Freitag, 1. Dezember 2017

Bitcoin – Digitale Währungen Author D. Selzer-McKenzie YoutubeVideo: https://youtu.be/Uwcmr52feAk Die Folgen dieser Begrenzungen für das Wirtschaftswachstum sind ein Argument gegen eine Einführung digitaler Währungen auf breiter Basis. Dieses Problem mag jedoch nicht so groß sein wie oft dargestellt. Vielmehr werden die berechtigten techni¬schen und sicherheitsbezogenen Bedenken den Spielraum für Bitcoin beschränken. Um Sicherheitsbedenken auszuräumen, spricht einiges dafür, den Zentralbanken die Verwaltung einer elektronischen Wäh¬rung auf Basis eines zentralisierten Kontobuchs zu gestatten. Doch dazu müsste die Privatwirtschaft einige Merkmale des Bargelds wie etwa Anonymität aufgeben und dafür mit niedri¬geren Transaktionskosten entlohnt werden. Die Rolle des Geldes in einer modernen Volkswirtschaft Seit Urzeiten steigert der Tausch von Waren und Dienste gen den Wohlstand. Mit zunehmender Komplexität de- schaftssysteme erforderten immer komplexere T a sa Z.; Verwendung von Geld als Tausch-ii- = geschäfte zu verlassen. Zudem wurde Geo-P,_ mit der man angemessene Preise für Güter und 2 -.1--.1•7 ermitteln konnte. Darüber hinaus, als die Gesellschaften began¬nen, mehr zu produzieren als sie in einer bestimmten Periode verbrauchen konnten, mussten zudem Wege zur Aufbewahrung des Mehrwerts gefunden werden. So wurde Geld zum Wertauf-bewahrungsmittel, das es ermöglichte, die heute angesammelten Reichtümer morgen zu verzehren. Geldsysteme basierten ursprünglich auf einer Bezugsgröße, und seit Urzeiten kam diese Rolle dem Gold zu. Mit zunehmender Festigung der institutionellen Rahmenwerke stieg die Akzeptanz von Fiatgeld (Geld, das vom Staat als gesetzliches Zahlungsmit¬tel betrachtet wird). In den Siebzigerjahren wurden die letzten noch verbliebenen Verbindun- gen zwischen Währungen und »Geldsysteme basierten Rohstoffen in den Industrie- ursprünglich auf einer ländern gekappt; heute wird in Bezugsgröße, und seit den westlichen Ländern alles Urzeiten kam diese Rolle physische Bargeld von der dem Gold zu.« Zentralbank geschaffen. Doch in einem partiellen Reserve- system können Geldinstitute Kredite schaffen, die den Wert der bei ihnen eingelegten Gelder um ein Vielfaches übersteigen. Dabei sind sie sich sicher, dass jeweils nur ein kleiner Teil ihrer Bareinlagen abgerufen wird. Infol¬gedessen macht Bargeld in den Industrieländern heute nur einen kleinen Teil der Gesamtliquidität aus. Wie sich die Rolle des Gel¬des über längere Zeit verändert hat, zeigen wir anhand britischer Daten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Grafik 1 zeigt die abnehmende Bedeutung der umlaufenden Geldscheine und -münzen im Verhältnis zu einer breiter gefassten Definition von Liquidität. Grafik 2 verdeutlicht das durch das partielle System ermöglichte kräftige Wachstum der Kredite im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Zwar hat sich das Konzept dessen, was als Geld gilt, im Laufe der Zeit verändert. Doch der Prozess, der Zahlungen zwischen Einzelpersonen ermöglicht, ist noch immer als das im 16. Jahr¬hundert eingeführte System erkennbar. Praktisch betreibt das Finanzsystem ein Kontobuch, in dem der Zahlungsverkehr über Clearingbanken verarbeitet wird, die wiederum von der Zentral¬bank in ihrer Funktion als Clearingstelle letzter Instanz beauf¬sichtigt werden. Über die Jahre wurde geäußert, dass man die Zentralbanken nicht damit betrauen dürfe, den Wert des im Finanzsystem hinterlegten Geldes zu erhalten, weil sie die Infla¬tion nicht unter Kontrolle hätten. Im Zuge der Politik der quanti-tativen geldpolitischen Lockerung haben sich diese Bedenken noch verstärkt. Hinzu kommen die aus dem Kollaps renommier¬ter Banken in den Jahren 2007 und 2008 erwachsenen Probleme. Somit dürfte es kaum überraschen, dass manche Investoren die Idee attraktiv finden, dass Geld nicht vom Bankensystem kontrolliert wird. Das mag radikal anmuten, doch die Vorstellung von Geld, das keiner behördlichen Kontrolle unterliegt, ist nicht neu: Im uralten System des Tauschhandels konnte man jede beliebige Zahlungs¬form verlangen. Doch da Fiatgeld in verschiedenen Teilen Euro pas seit mehr als tausend Jahren verwendet wird, ist es eindeutig zur Norm geworden. Neu ist indes, dass die Ausgabe von Wäh¬rungen außerhalb einer zentralisierten Kontrolle durch den tech¬nischen Fortschritt sehr viel einfacher geworden ist. Was ist eine digitale Währung? Digitale Währungen (auch elektronische Währungen genannt) sind virtuelle Recheneinheiten. Da die Sicherheit hierbei in vielen Fällen durch kryptografische Methoden gewährleistet wird, wer¬den diese Währungen oft auch als Kryptowährungen bezeichnet (wenngleich, wie wir nachfolgend zeigen, diese Methoden nicht bei allen digitalen Währungen angewendet werden). Eines ihrer wesentlichen Merkmale ist, dass sie nicht von einer zentralen Stelle herausgegeben werden und sich somit theoretisch der Kontrolle von Regierungen und Zentralbanken entziehen. Ein weiteres Charakteristikum ist ihr begrenztes Angebot; es soll verhindern, dass sie durch ein Überangebot an Wert verlieren. Eine der ersten Kryptowährungen, die ins öffentliche Bewusst¬sein rückten, war Bitcoin. Eingeführt wurde sie im Jahr 2009 vom mysteriösen Satoshi Nakamoto, der so geheimnisumwittert ist, dass nicht einmal als gesichert gelten kann, ob es sich bei ihm um eine Einzelperson oder eine Gruppe handelt. Nakamotos Ziel war, eine Art elektronisches Geld zu schaffen, mit dem man untereinander Transaktionen abwickeln kann, ohne über ein zentralisiertes Clearingsystem zu gehen. Erreicht wurde dies durch die Schaffung eines Peer-to-Peer-Netzwerks, das als Blockchain bekannt ist. Die Blockchain ist ein dezentrales elektronisches Kontobuch (Distributed Ledger), das von einer Nutzergemeinde verwaltet wird. Diese stellt sicher, dass bei jeder Durchführung einer Bit-coin-Transaktion der Übergang des Eigentums an der Währung in einem digitalen Kontobuch verzeichnet wird. Das erfolgt in Form einer Kette, wobei jede Transaktion einfach an die Liste der bereits durchgeführten Transaktionen angefügt wird. Um die korrekte Erfassung der Transaktionskette sicherzustellen, ist der Verifizierungsprozess rechnerisch so beschwerlich gestaltet, dass Fälscher abgeschreckt werden. Da diese Aufgabe viel Rechenzeit und Aufwand erfordert, werden die Wächter des Systems mit neu geschaffenen Bitcoins bezahlt. Somit wird diese Währung nicht von einer Zentralbank herausgegeben, sondern von denjenigen, die sie kontrollieren. Da diese Entlohnungen wertvoll sind, stehen die sogenannten Bitcoin-Miner miteinander im Wettbewerb, um als Erster das Verifizierungsproblem zu lösen. Diese Wettbewerbskomponente fördert die Ehrlichkeit der anderen Nutzer. Der Markt für digitale Währungen Bis dato sind mehr als 1.000 Kryptowährungen dokumentiert; ihr Marktwert entspricht fast 156 Milliarden US-Dollar. Dieser Sektor hat sich beachtlich entwickelt: Noch im April 2013 wur¬den auf der Website nur sieben digitale Währungen mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 1,6 Milliarden US-Dollar verzeichnet. Das Wachstum war so stark, dass in den letzten Jahren effektiv vier neue digitale Wäh-rungen pro Woche geschaffen wurden. Man kann sich jedoch kaum des Eindrucks erwehren, dass der jüngste Höhenflug zum Großteil eine Blase darstellt. Gefördert wird sie von Initial Coin Offerings (ICO, initiales Angebot einer neuen Kryptowährung), bei denen es sich im Wesentlichen um Crowdfunding-Kampag-nen für Kryptowährungs-Start-ups auf Basis der Ethereum-Plattform handelt. Bitcoin war die ursprüngliche digitale Währung und ist nach wie vor marktführend. Doch im zweiten Quartal 2017 verzeichneten digitale Währungen einen besonders großen Wertzuwachs, was den Marktanteil von Bitcoin erstmals unter 50 Prozent drückte (siehe Grafik 3). So hat sich der Gesamtwert des Marktes für digitale Währungen außer Bitcoin im zweiten Quartal fast um den Faktor neun erhöht; seitdem wurden die überhöhten Gewinne zum Teil jedoch wieder abgegeben. Fast 80 Prozent des Werts aller in Gebrauch befindlichen Kryptowährungen entfällt auf nur drei Währungen: Bitcoin, gefolgt von Ethereum (18 Pro¬zent) und Ripple (6 Prozent). Bitcoin ist mit einem Marktwert von 95 Milliarden US-Dollar (54 Prozent der Gesamtsumme, siehe Grafik 4) immer noch die mit weitem Abstand am höchsten bewertete digitale Währung. Doch der Marktwert von Ethereum hat sich seit Ende 2016 um den Faktor 50 erhöht. Damit wuchs deren Marktanteil von 4 Pro¬zent auf 22 Prozent, was der Hauptgrund für das zuletzt enorme Wachstum digitaler Wäh¬rungen ist. Ebenso wie Bitcoin ist Ethereum ein dezentrales öffentliches Blockchain-Netzwerk. Doch während Bitcoin lediglich eine Anwendung der Blockchain-Techno-logie anbietet - ein Peer-to-Peer-System für den elektronischen Zahlungsverkehr - offeriert Ethereum eine brei¬tere Vielfalt von Applikationen, und die elektronische Währung (als Ether bekannt) ist nur eine von ihnen. Ethereum ist vielleicht die nächste Generation der Blockchain-Anwendungen und unter¬scheidet sich von Bitcoin darin, dass sie eine allgemeinere Skript-sprache nutzt. Das macht es einfacher, neue Applikationen zu entwickeln, ohne Experte für Kodierung, Mathematik und Kryptografie sein zu müssen. Somit ist Ethereum derzeit die Plattform erster Wahl für die Weiterentwicklung neuer Bereiche wie zum Beispiel Smart Contracts (Computerprotokolle, die Verträge abbilden, überprüfen oder durchsetzen können). Doch ebenso wie bei Bitcoin wird die Integrität der Blockchain auch hier von Minern gewahrt, die mit einer digitalen Währung (Ether) entlohnt werden. Tatsächlich ist es nicht möglich, im Netzwerk ohne diese Währung zu operieren: Das »Mining« von Ether ist der Prozess, der Blöcke in der Kette erstellt, verifiziert, veröffentlicht und verbreitet. Da Entwickler diese Plattform zunehmend nutzen, »erzeugen« sie die Kryptowährung, was es ihnen gestattet, die Weiterentwicklung zu bezahlen. Entspre-chend dürfte der jüngste Höhenflug des Werts von Ethereum als Nebenprodukt ihrer breiteren Anwendbarkeit zu betrachten sein, die sich aus der Entwicklung neuer Applikationen ergeben hat. Ähnlich wie Ethereum ist Ripple weniger als alternative Währung konzipiert, sondern eher als Applikation, die ein Echtzeit-Brutto-Abwicklungssystem für Finanztransaktionen bietet. Technisch handelt es sich dabei gar nicht um eine Kryptowährung. Denn Ripple strebt durch nichtkryptografische Mittel einen Konsens an. Zudem unterstützt Ripple auch Transaktionen in anderen Werteinheiten als denjenigen, die sich aus dem Netzwerk selbst ergeben. Deshalb ist es möglich, Transaktionen in Fiatwährung vorzunehmen - obgleich von den Nutzern verlangt wird, eine geringe Summe der digitalen Währung (XRP) auf ihrem Account vorzuhalten. XRP ist eine kontrahentenfreie Währung. Folglich hängt ihre Existenz nicht von anderen Finanzinstituten wie zum Beispiel einer Zentralbank ab. Anders als bei den beiden anderen wichtigsten Kryptowährungen findet hier kein Mining statt. XRP muss an einer Börse gekauft werden; dabei werden nach jeder Transaktion ein paar Münzen zerstört. Das kann als Trans¬aktionskosten betrachtet werden. Doch während in einem Fiat-geldsystem die Einnahmen bei einem der Kontrahenten anfallen, gibt es im Ripple-Netzwerk keine solche Partei; Transaktions¬kosten fallen also in Form einer Währungszerstörung an. XRP ist auch insofern anders, als ihr Angebot zu Beginn festgelegt wurde. Der Zerstörungsmechanismus bedeutet somit, dass ihr Wert proportional zur Zahl der Transaktionen steigt. Hingegen wird das Angebot von Bitcoin und Ether zwar letzten Endes festgelegt (siehe nächster Abschnitt), doch derzeit werden diese Währungen noch expandiert. Tabelle 1 auf Seite 18 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der drei großen digitalen Währungen. Probleme mit digitalen Währungen: Angebotsengpässe Ein Grund für die Beliebtheit digitaler Währungen in einem bestimmten Segment der Bevölkerung ist die Sorge, dass die Expansion der Geldmenge durch die Zentralbanken Inflation erzeugt, die den Wert des Geldes erodieren lässt. Dieses Prob¬lem lässt sich vermeiden, wenn Einzelpersonen ihr eigenes Geld kontrollieren, da es dann keinen Anreiz dafür gibt, seinen Wert wegzuinflationieren. Im Fall von Bitcoin ist das Angebot auf 21 Millionen Einheiten festgelegt, von denen bereits etwa 16,6 Millionen (79 Prozent der Gesamtsumme) erzeugt worden sind. Doch die Schöpfung der Währung wird in Zukunft lang¬samer vonstatten gehen, und erst nach unendlich langer Zeit wird die Grenze von 21 Millionen erreicht (siehe Kasten rechts). Das Standardargument gegen eine Währung, deren Angebot festgelegt ist, besteht darin, dass sie dem Wirtschaftswachstum enge Grenzen setzt, sobald die Obergrenze erreicht wird. Um dies zu verdeutlichen, kann man sich eine geschlossene Volks¬wirtschaft denken, in der alle Transaktionen zwischen inländi¬schen Wirtschaftssubjekten erfolgen (also kein Außenhandel stattfindet) und zudem ausschließlich bar finanziert werden (Finanzinstitute die Geldmenge also nicht vergrößern können). Insofern als das Bruttoinlandsprodukt ein monetäres Maß aller Wirtschaftstransaktionen ist, die innerhalb der Grenzen eines Landes stattfinden, bedeutet die Anhebung des Preises eines Gutes, dass der Preis eines anderen Gutes (oder mehrerer ande¬rer Güter) sinken muss, weil das physische Währungsangebot einfach nicht ausreicht, damit die Wirtschaftssubjekte für ein Gut einen höheren Preis und für alle anderen Güter weiterhin denselben Preis bezahlen können. WIE BITCOIN GESCHAFFEN WIRD Die Blockchain funktioniert so, dass neue Blöcke an eine beste¬hende Kette angefügt werden. Die für die Verifizierung der neuen Transaktionen Verantwortlichen, die die Kette dadurch verlängern (Miner), werden mit Bitcoins bezahlt. Zunächst wurde den Minern ein Satz von 50 Bitcoins pro erzeugtem Block (das heißt Zahl der an die Kette angefügten Blöcke) gezahlt. Doch nach jeweils 210.000 erzeugten Blöcken wird der Satz der Bitcoin-Emission halbiert. Bis dato sind insgesamt 490.000 Blöcke erzeugt worden, und die Miner erhalten für jeden hinzugefügten Block 12,5 Bitcoins. Verlängert sich die Kette weiterhin im derzeitigen Tempo, so wer¬den bis Mitte 2020 etwa 630.000 Blöcke erzeugt worden sein; dann sinkt die Währungsschöpfung auf 6,25 Bitcoins pro Block. Bis Ende 2023 wird sie auf 3,125 Bitcoins pro Block zurückgehen usw. Auf dieser Basis werden bis zum Jahr 2034 99 Prozent aller Bitcoins erzeugt worden sein (siehe Grafik 5). Danach wird es nur noch sehr langsam vorangehen. Bis Ende des 21. Jahrhunderts werden fast alle Bitcoins, die erzeugt werden können, abgerufen worden sein. Der Grund dafür ist: Da sich der Satz der Bitcoin-Zahlung alle 210.000 Blöcke bis ins Unendliche immer weiter halbieren kann, wird die Ausgabe von Bitcoins unendlich langsam erfolgen. Die Emissionsgrenze von 21 Millionen wird somit zwar näherrücken - aber niemals erreicht werden. Die Miner müssen sich fragen, wann ihre weitere Tätigkeit unwirt-schaftlich wird. Ein gut dokumentiertes Problem mit dem Bitcoin-Mining ist, dass erhebliche Mengen Strom dafür verbraucht werden. Derzeit benötigen diese Aktivitäten so viel Strom wie die Volkswirtschaft Turkmenistans. Schätzungen zufolge könnten sie bis 2020 so viel Strom verbrauchen wie Dänemark. Ein positiver Faktor ist, dass die Effizienz der im Prozess des Minings verwen¬deten Computerausstattung weiter verbessert wird, womit sich der Stromverbrauch verringern dürfte. Doch die Erträge aus dem Mining sinken, je länger die Blockchain wird. Daher könnten die Kosten einer Fortsetzung den Nutzen überwiegen. Doch sollte der Wert des Bitcoins so sehr steigen, wenn wir uns der Angebots¬grenze nähern, könnte es immer noch profitabel sein, selbst kleine Bruchteile eines Bitcoins zu erzeugen (ebenso wie Standard-Fiat-währungen kann Bitcoin technisch in immer kleinere Einheiten unterteilt werden). Wächst zudem die Erwerbsbevölkerung infolge Bevölkerungs-wachstums, so muss der von jedem Einzelnen gehaltene Wäh-rungsbestand mit der Zeit abnehmen. Die Verbraucher können ihren Lebensstandard nur halten, wenn der Preis von Gütern und Dienstleistungen entsprechend sinkt (es also zur Deflation kommt). Auch technischer Fortschritt, der einer Gruppe von Erwerbstätigen zulasten einer anderen zugutekommt, führt dazu, dass einige soziale Gruppen die Gewinner sind, während andere absolute Einkommenseinbußen erleiden. Hingegen müssen in einem konventionellen System der Fiatgeld-Expansion die Ver¬lierer nur eine relative Einbuße hinnehmen. Im Wesentlichen werden sie infolge der Geldillusion entschädigt. Selbst die Befürworter von »solidem« Geld wie beispielsweise Milton Friedman haben sich für eine k-Prozent-Regel ausgespro¬chen, bei der der Geldbestand Jahr für Jahr um einen festen Satz erhöht werden sollte, ohne dass sich das Ausmaß der Erhöhung ändert, um konjunkturelle Bedürfnisse zu decken. Vor dem Beitritt zur Währungsunion setzte die Bundesbank ein Ziel für das Wachstum der deutschen Geldmenge M3, das auf dem potenziellen Produktionswachstum, der Steigerung der Geld-umlaufgeschwindigkeit und dem »unvermeidlichen Anstieg des Preisniveaus« basierte. Theoretisch scheint es also, als würde ein System mit festgeleg¬tem Währungsangebot eine wesentliche Veränderung in der Funktionsweise des Preismechanismus erfordern. So gibt es im derzeitigen Fiatgeldsystem zwar Preisstarrheit (das heißt, die Preise sinken selten in absoluten Zahlen), doch die relativen Preise von Gütern und Dienstleistungen schwanken erheblich. In einem System mit festgelegter Geldmenge müssten Preis¬anpassungen jedoch in Form tatsächlicher Preisrückgänge erfolgen. Das ähnelt den Problemen, die im Rahmen des Gold¬standards auftraten. Doch es gibt einen Weg, das Problem der Angebotsengpässe zu umgehen. Bitcoin zum Beispiel wird auf acht Nachkommastellen definiert. Die kleinste Bitcoin-Einheit ist als Satoshi bekannt und stellt ein Hundertmillionstel einer Bitcoin dar. Werden die Preise von Gütern und Dienstleistungen auf Basis dieser Untereinheiten festgelegt, gäbe es beträchtliches Potenzial, damit die Preise so steigen können wie jetzt. So sind beispielsweise in Großbritan¬nien die Verbraucherpreise in der Zeit von 1660 bis 2016 Schät¬zungen zufolge um den Faktor 112 gestiegen. Das liegt durchaus im Rahmen, den auch Bitcoin zulässt (siehe Grafik 6). Doch eine solche Begrenzung würde für die deutsche Hyperinflation von 1923 nicht ausreichen, denn damals stiegen die Preise um mehr als 813 Millionen Prozent. In der Theorie wäre eine so starke Inflation in einem Bitcoin-artigen System nicht möglich. Die technischen Einschränkungen sind gravierend Auch wenn es theoretisch machbar wäre, eine digitale Währung einzuführen, sind in der Praxis doch diverse Hürden zu nehmen. Eine solche Hürde betrifft die Skalierbarkeit der derzeitigen Architektur. Fiatgeld bietet Sofortliquidität; große Kreditkarten¬gesellschaften schaffen 56.000 Transaktionen pro Sekunde (Tps), und ihre Durchschnittsrate liegt üblicherweise bei 2.000. Bitcoin ist jedoch für sieben Tps ausgelegt. Die naheliegende Lösung für das Bitcoin-Problem wäre, die Datenblöcke zu vergrößern (diese sind momentan auf ein Megabyte [1 MB] begrenzt; die Verarbei¬tung dauert zehn Minuten). Weitere technische Studien legen nahe, dass die Skalierbarkeit des Bitcoin-Netzes nicht allein über die Vergrößerung der Blöcke erreicht werden kann, sondern das gesamte Protokoll umstruktu¬riert werden müsste. Neueinsteiger am digitalen Währungsmarkt können jedoch aus den Schwierigkeiten um Bitcoin lernen. Litecoin, derzeit nach Marktwert die fünftgrößte digitale Wäh¬rung, will eine Verarbeitungsgeschwindigkeit bieten, die etwa viermal so schnell ist wie bei Bitcoin. Das ist zwar schon eine Verbesserung, reicht aber nicht an die Geschwindigkeit der bestehenden Systeme heran. Mit Blick auf Onlinetransaktionen dreht sich zurzeit alles um die digitale Sicherheit, und Meldungen über Bitcoin-Börsen, die gehackt wurden, sind gut dokumentiert. Darüber hinaus funktio¬niert Bitcoin auf Basis der Annahme, dass das System von einer großen Anzahl von sehr kleinen Bitcoin-Minern kontrolliert wird. Kann sich aber ein einzelner Miner oder eine konspirative Gruppe mehr als 50 Prozent der gesamten Computerleistung des Netzes sichern, so sind diese technisch in der Lage, eine Unterbrechung der Kette zu erzwingen. Unter normalen Umständen werden solche verwaisten Blöcke (Orphan Blocks), die nicht einer Block-chain angehören und vom Rest der Community nicht validiert werden können, aussortiert. Verfügt eine Gruppe von Minern aber über ausreichend Rechnerleistung, kann sie den Rest der Community übergehen und den verwaisten Block wieder hin¬zufügen, der dann zum nächsten Glied in der Kette wird (siehe Grafik 7). Dieser neue Block kann diverse gefälschte Transak¬tionen enthalten, die der Rest der Gruppe nicht aufzuspüren vermag; er könnte so der konspirativen Gruppe ermöglichen, bestehende Bitcoins doppelt auszugeben. Durch Vergrößerung der Blöcke in der Kette könnte unbeabsich¬tigt ein solches Ergebnis entstehen. Miner mit Zugang zu enor¬mer Rechenleistung und sehr geringen Energiekosten könnten sich somit mehr Bandbreite leisten, was zu einer größeren Miner-Konzentration führen könnte. Das ist einer der Gründe, weshalb sich für die jüngsten Bemühungen um eine Anhebung der Blockgröße in der bestehenden Miner-Community kein Konsens fand. Wie sind die Aussichten einer digitalen Zentralbankwährung? Technische Einschränkungen und Sicherheitsbefürchtungen sind derzeit die größten Hürden auf dem Weg zur Einführung eines Geldsystems, in dem Einzelpersonen miteinander über Distribu-ted-Ledger-Technologie Transaktionen abschließen. Wenn man also der Miner-Community nicht trauen kann, braucht man viel¬leicht eine zentrale Stelle mit gut etablierter Glaubwürdigkeit, um das Kontobuch (Ledger) zu führen. Doch welchen Anreiz bietet für Zentralbanken die Ausgabe einer digitalen Währung, zumal sie mit der Ausgabe physischen Geldes Geldschöpfungsgewinne erzielen (das heißt Zinseinnahmen durch Ausgabe unverzinsten Bargelds gegen verzinste Wertpapiere)? Eines der jüngst ins Feld geführten Argumente dafür, Einzelpersonen zu erlauben, bei einer Zent¬ralbank Geld auf einem digitalen Konto zu führen, lautet, dass die Währungshüter dadurch mehr Flexibilität erhalten, wenn die Zinsen an ihrem »unteren Ende« notieren. Im derzeitigen System, in dem die Zentralbanken alle elektronischen Einlagen in zu null Prozent verzinstes »Cash an Demand« konvertieren, gibt es Grenzen für negative Zinsen. Werden die Verbindlichkeiten der Zentralbank aber in Form digitaler Währung gehalten, wird es für sie einfach, einen Negativzins zu erheben (möglicherweise in Form einer Gebühr für digitale Konten), der nicht denselben Einschränkungen unterliegt. Ein weiteres Argument für eine digitale Währung ist, dass Transaktionen, die über Blockchain laufen, transparent und nachverfolgbar sind; das würde den Spielraum für Steuerhinterziehung und illegale Handlungen reduzieren. Des Weiteren ergibt sich für die Zentralbanken schon allein daraus ein Anreiz, die von privaten Digitalwährungen ausgehende Gefahr abzuwenden. Denn im unwahrscheinlichen Fall, dass eine Währung wie Bitcoin weitere Verbreitung fände, würde sich entsprechend die Macht des Staates beim Einsatz der Geldpolitik als Steuerungsinstrument für die Wirtschaft verringern. Grundsätzlich könnten private Haushalte ganz leicht »überredet« werden, die digitale Währung durch Bargeld zu ersetzen, indem man den Umtauschkurs zwischen Bargeld und elektronischem Geld sukzessive immer ungünstiger gestaltet und damit einen Umtausch erleichtert. Grafik 8 zeigt, wie sich die Ertragsdifferenz zwischen Bargeld und digitaler Währung im Laufe der Zeit ent¬wickelt, wenn man unterstellt, dass Bargeld mit 1,25 Prozent p.a. verzinst wird, die digitale Währung jedoch 2,50 Prozent abwirft. Innerhalb von 15 Jahren ließe sich mit der digitalen Währung ein doppelt so hoher Ertrag erzielen wie mit Bargeld. Das verdeutlicht aber lediglich, wie die Zentralbank dieses Ziel erreichen könnte. Ein größeres gesellschaftliches Problem ist jedoch die Frage, ob die Menschen bereit wären, der Zentralbank die Kontrolle eines zentralisierten Kontobuchs zu gestatten. Denn wenn eine Zentralbank willkürlich eine Kontoführungsge-bühr festlegen kann und die privaten Haushalte keine Möglichkeit haben, Bargeld ausgezahlt zu bekommen, besteht eine Rechen- Grafik 10: Auf und Ab der Bitcoin-Transaktionskosten Kosten je Bitcoin-Transaktion in Prozent 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 0 2014 2015 2016 2017 Stand: Oktober 2017; Quelle: https://blockchain.info, Commerzbank Research schaftspflicht der Zentralbank gegenüber der Öffentlichkeit. Auch gibt es erhebliche Netzwerkeffekte in Verbindung mit dem Einsatz der Währung, die es schwierig machen, das bestehende Medium zu ersetzen. In der Tat deutet trotz des derzeitigen Nullzinsumfelds nichts darauf hin, dass die Verbraucher ihre Bargeldbestände reduzieren, wobei in der Eurozone in den letzten Jahren ein besonders starker Anstieg zu verzeichnen ist (siehe Grafik 9). Mit am meisten könnten die Verbraucher wohl zur Umstellung bewegt werden, wenn die digitale Währung ihr Versprechen hält, die Transaktionskosten zu senken. Theoretisch dürfte das durch eine Verringerung der Anzahl an sich überschneidenden Buch¬führungssystemen zugunsten eines zentral verwalteten digitalen Kontobuchs möglich sein. Ein weiteres zentrales Element in diesem Wandel wird die Rolle der Banken sein. In der gesamten EU sind Debit- und Kreditkartentransaktionen auf 0,2 Prozent bzw. 0,3 Prozent je Transaktion beschränkt. Wie aus Grafik 10 ersichtlich, lagen die Kosten je Bitcoin-Transaktion bis Anfang 2017 im Schnitt bei ca. 0,02 Prozent. Auch wenn sie in der ersten Jahreshälfte gestiegen sind aufgrund von Kapazitätsmängeln im Blockchain-Netzwerk und rückläufiger Prämien aus dem Bitcoin-Mining, infolge derer Miner die Kosten für die Trans¬aktionsverarbeitung erhöhen mussten, ist Bitcoin immer noch konkurrenzfähig. Ein von der Zentralbank betriebenes System, das nicht mit denselben Kapazitätseinschränkungen zu kämpfen haben dürfte, sollte daher mit geringeren Kosten einhergehen als das derzeitige System. Stellt man aus Kostengründen auf eine von der Zentralbank geschaffene Währung um, so würde sich die Rolle der Banken ändern; diese würden sich dann von Kontoführungsinstituten zunehmend hin zu Transaktionsverifizierungsstellen entwickeln. Infolgedessen nähme auch der Wettbewerb im Bankensektor zu, weil es weitaus günstiger ist, eine Transaktionsverifizierungsstelle zu werden als eine vollwertige Bank. Entsprechend dürften die Transaktionskosten zunehmend die Verifizierungskosten wider¬spiegeln. Kostengründe sind womöglich genau der Faktor, der eine brei¬tere Umstellung auf eine zentral kontrollierte Digitalwährung bewirkt. Viele Menschen fragen sich aber immer noch, ob es wünschenswert ist, das Maß an Kontrolle zu opfern, das Bargeld bietet. Für solche Menschen werden privat betriebene Digital¬währungen sicher attraktiv bleiben, auch wenn deren Nutzung auf Nischenmärkte beschränkt sein dürfte. Schlussbemerkung Digitale Währungen könnten zweifelsohne das Finanzsystem stören. Die Diskussion in diesem Bereich konzentriert sich größtenteils auf Bitcoin, weil es von den bislang angebotenen Optionen die am weitesten entwickelte ist. Allerdings haben wir festgestellt, dass sich andere Optionen in den letzten Monaten schneller verbreitet haben. Systeme, die sich außerhalb der zentralisierten Kontrolle der Währungshüter bewegen, haben jedoch bedeutende Einschränkungen, die deren breiteren Einsatz begrenzen. An oberster Stelle stehen, wie in einem nur online existierenden System zu erwarten, Sicherheitsbefürchtungen, und je ausgeklügelter die Hacking-Angriffe werden, desto größer dürften entsprechende Sorgen werden. Blockchain-basierte Sys¬teme wie Bitcoin leiden unter Skalierbarkeitsproble-men, die deren breitere Anwendbarkeit weiter begrenzen, weil dadurch die Verarbeitung der Trans¬aktionen verlangsamt wird. Das ist kein technisch unlösbares Problem; allerdings hat es sich als politisch schwierig erwiesen, die digitale Community zu einer Einigung über die weitere Entwicklung zu bewegen. Zwar gab es zunächst keine Größenbeschränkungen für die Bitcoin-Blöcke, doch das wurde geändert, um die Sicherheit zu verbessern und »Denial-of-Service«-Angriffe zu verhindern. Entsprechend gibt es eine Kompromisslösung zwischen Verarbeitungsgeschwindigkeit und Sicherheit, die eine ernsthafte Einschränkung für die breitere Anwendbarkeit darstellt. Zurzeit sind digitale Währungen mit Blick auf die Erfüllung der drei Hauptfunktionen des Geldes weniger effizient als physisches Bargeld. Sie funktionieren zweifelsohne als Tauschmittel, auch wenn es noch unüblich ist, Preise in Bitcoin anzugeben. Ihr Nutzen beim Werterhalt wird durch Schwankungen in dem Kurs begrenzt, zu dem sie gegen Papiergeld wie den US-Dollar getauscht werden können. Aber auch das hat Menschen nicht davon abgehalten, an ihnen festzuhalten, weil sie auf eine Wert¬steigerung hofften. Trotz aller Einschränkungen legt die Tatsache, dass die Zentral¬banken an der Anwendung digitaler Währungen interessiert sind, nahe, dass diese nicht von der Hand zu weisen sind. Auch wenn das Interesse hauptsächlich den Blockchain-Anwendungen gilt, gibt es keinen technischen Grund, der gegen eine digitale Wäh¬rung auf Basis eines zentral kontrollierten Kontobuchs spräche. Die größte Hürde auf dem Weg dorthin ist wohl der Widerstand in der Gesellschaft. Doch wie die Erfahrungen mit Amazon und Co. gezeigt haben, lässt sich der Widerstand der Verbraucher überwinden, wenn der technische Fortschritt eine Verbesserung gegenüber dem Status quo bringt. Es wird weithin die Auffassung vertreten, die heutige Welt der digitalen Währung sei eher wie das Internet von 1995, das heißt sie biete ein enormes unerschlossenes Potenzial. Allerdings waren zahlreiche deutliche technologische Verbesserungen nötig, um uns von der Position 1995 in die heutige Position zu bringen. Die digitalen Gewinner sind jene, die das System so stören, dass es für die Menschen leicht ist, sich anzuschließen. Das schließt eine breitere Anwendung von Bitcoin aus, heißt aber nicht, dass nicht eine andere monetäre Innovation dort erfolgreich sein kann, wo Bitcoin gescheitert ist.


Bitcoin – Digitale Währungen

Author D. Selzer-McKenzie






Die Folgen dieser Begrenzungen für das Wirtschaftswachstum sind ein Argument gegen eine Einführung digitaler Währungen auf breiter Basis. Dieses Problem mag jedoch nicht so groß sein wie oft dargestellt. Vielmehr werden die berechtigten techni¬schen und sicherheitsbezogenen Bedenken den Spielraum für Bitcoin beschränken.

Um Sicherheitsbedenken auszuräumen, spricht einiges dafür, den Zentralbanken die Verwaltung einer elektronischen Wäh¬rung auf Basis eines zentralisierten Kontobuchs zu gestatten. Doch dazu müsste die Privatwirtschaft einige Merkmale des Bargelds wie etwa Anonymität aufgeben und dafür mit niedri¬geren Transaktionskosten entlohnt werden.

Die Rolle des Geldes in einer modernen Volkswirtschaft

Seit Urzeiten steigert der Tausch von Waren und Dienste gen den Wohlstand. Mit zunehmender Komplexität de-

schaftssysteme erforderten immer komplexere T a sa            Z.;

Verwendung von Geld als Tausch-ii- =

geschäfte zu verlassen. Zudem wurde Geo-P,_ mit der man angemessene Preise für Güter und 2 -.1--.1•7 ermitteln konnte. Darüber hinaus, als die Gesellschaften began¬nen, mehr zu produzieren als sie in einer bestimmten Periode

verbrauchen konnten, mussten zudem Wege zur Aufbewahrung des Mehrwerts gefunden werden. So wurde Geld zum Wertauf-bewahrungsmittel, das es ermöglichte, die heute angesammelten Reichtümer morgen zu verzehren.

Geldsysteme basierten ursprünglich auf einer Bezugsgröße, und seit Urzeiten kam diese Rolle dem Gold zu. Mit zunehmender Festigung der institutionellen Rahmenwerke stieg die Akzeptanz von Fiatgeld (Geld, das vom Staat als gesetzliches Zahlungsmit¬tel betrachtet wird). In den Siebzigerjahren wurden die letzten

noch verbliebenen Verbindun-

gen zwischen Währungen und

            »Geldsysteme basierten          Rohstoffen in den Industrie-

ursprünglich auf einer    ländern gekappt; heute wird in

            Bezugsgröße, und seit   den westlichen Ländern alles

            Urzeiten kam diese Rolle         physische Bargeld von der

dem Gold zu.«       Zentralbank geschaffen. Doch

in einem partiellen Reserve-

system können Geldinstitute Kredite schaffen, die den Wert der bei ihnen eingelegten Gelder um ein Vielfaches übersteigen. Dabei sind sie sich sicher, dass jeweils nur ein kleiner Teil ihrer Bareinlagen abgerufen wird. Infol¬gedessen macht Bargeld in den Industrieländern heute nur einen kleinen Teil der Gesamtliquidität aus. Wie sich die Rolle des Gel¬des über längere Zeit verändert hat, zeigen wir anhand britischer Daten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Grafik 1 zeigt die abnehmende Bedeutung der umlaufenden Geldscheine und



-münzen im Verhältnis zu einer breiter gefassten Definition von Liquidität. Grafik 2 verdeutlicht das durch das partielle System ermöglichte kräftige Wachstum der Kredite im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt.

Zwar hat sich das Konzept dessen, was als Geld gilt, im Laufe der Zeit verändert. Doch der Prozess, der Zahlungen zwischen Einzelpersonen ermöglicht, ist noch immer als das im 16. Jahr¬hundert eingeführte System erkennbar. Praktisch betreibt das Finanzsystem ein Kontobuch, in dem der Zahlungsverkehr über Clearingbanken verarbeitet wird, die wiederum von der Zentral¬bank in ihrer Funktion als Clearingstelle letzter Instanz beauf¬sichtigt werden. Über die Jahre wurde geäußert, dass man die Zentralbanken nicht damit betrauen dürfe, den Wert des im Finanzsystem hinterlegten Geldes zu erhalten, weil sie die Infla¬tion nicht unter Kontrolle hätten. Im Zuge der Politik der quanti-tativen geldpolitischen Lockerung haben sich diese Bedenken noch verstärkt. Hinzu kommen die aus dem Kollaps renommier¬ter Banken in den Jahren 2007 und 2008 erwachsenen Probleme. Somit dürfte es kaum überraschen, dass manche Investoren die Idee attraktiv finden, dass Geld nicht vom Bankensystem kontrolliert wird.

Das mag radikal anmuten, doch die Vorstellung von Geld, das keiner behördlichen Kontrolle unterliegt, ist nicht neu: Im uralten System des Tauschhandels konnte man jede beliebige Zahlungs¬form verlangen. Doch da Fiatgeld in verschiedenen Teilen Euro

pas seit mehr als tausend Jahren verwendet wird, ist es eindeutig zur Norm geworden. Neu ist indes, dass die Ausgabe von Wäh¬rungen außerhalb einer zentralisierten Kontrolle durch den tech¬nischen Fortschritt sehr viel einfacher geworden ist.

Was ist eine digitale Währung?

Digitale Währungen (auch elektronische Währungen genannt) sind virtuelle Recheneinheiten. Da die Sicherheit hierbei in vielen Fällen durch kryptografische Methoden gewährleistet wird, wer¬den diese Währungen oft auch als Kryptowährungen bezeichnet (wenngleich, wie wir nachfolgend zeigen, diese Methoden nicht bei allen digitalen Währungen angewendet werden). Eines ihrer wesentlichen Merkmale ist, dass sie nicht von einer zentralen Stelle herausgegeben werden und sich somit theoretisch der Kontrolle von Regierungen und Zentralbanken entziehen. Ein weiteres Charakteristikum ist ihr begrenztes Angebot; es soll verhindern, dass sie durch ein Überangebot an Wert verlieren. Eine der ersten Kryptowährungen, die ins öffentliche Bewusst¬sein rückten, war Bitcoin. Eingeführt wurde sie im Jahr 2009 vom mysteriösen Satoshi Nakamoto, der so geheimnisumwittert ist, dass nicht einmal als gesichert gelten kann, ob es sich bei ihm um eine Einzelperson oder eine Gruppe handelt. Nakamotos Ziel war, eine Art elektronisches Geld zu schaffen, mit dem man untereinander Transaktionen abwickeln kann, ohne über ein zentralisiertes Clearingsystem zu gehen. Erreicht wurde dies durch die Schaffung eines Peer-to-Peer-Netzwerks, das als Blockchain bekannt ist.

Die Blockchain ist ein dezentrales elektronisches Kontobuch (Distributed Ledger), das von einer Nutzergemeinde verwaltet wird. Diese stellt sicher, dass bei jeder Durchführung einer Bit-coin-Transaktion der Übergang des Eigentums an der Währung in einem digitalen Kontobuch verzeichnet wird. Das erfolgt in Form einer Kette, wobei jede Transaktion einfach an die Liste der bereits durchgeführten Transaktionen angefügt wird. Um die korrekte Erfassung der Transaktionskette sicherzustellen, ist der Verifizierungsprozess rechnerisch so beschwerlich gestaltet, dass Fälscher abgeschreckt werden. Da diese Aufgabe viel Rechenzeit und Aufwand erfordert, werden die Wächter des Systems mit neu geschaffenen Bitcoins bezahlt. Somit wird diese Währung nicht von einer Zentralbank herausgegeben, sondern von denjenigen, die sie kontrollieren. Da diese Entlohnungen wertvoll sind, stehen die sogenannten Bitcoin-Miner miteinander im Wettbewerb, um als Erster das Verifizierungsproblem zu lösen. Diese Wettbewerbskomponente fördert die Ehrlichkeit der anderen Nutzer.

Der Markt für digitale Währungen

Bis dato sind mehr als 1.000 Kryptowährungen dokumentiert; ihr Marktwert entspricht fast 156 Milliarden US-Dollar. Dieser Sektor hat sich beachtlich entwickelt: Noch im April 2013 wur¬den auf der Website  nur sieben digitale Währungen mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 1,6 Milliarden US-Dollar verzeichnet. Das Wachstum war so stark, dass in den letzten Jahren effektiv vier neue digitale Wäh-rungen pro Woche geschaffen wurden. Man kann sich jedoch kaum des Eindrucks erwehren, dass der jüngste Höhenflug zum Großteil eine Blase darstellt. Gefördert wird sie von Initial Coin Offerings (ICO, initiales Angebot einer neuen Kryptowährung), bei denen es sich im Wesentlichen um Crowdfunding-Kampag-nen für Kryptowährungs-Start-ups auf Basis der Ethereum-Plattform handelt.

Bitcoin war die ursprüngliche digitale Währung und ist nach wie vor marktführend. Doch im zweiten Quartal 2017 verzeichneten digitale Währungen einen besonders großen Wertzuwachs, was den Marktanteil von Bitcoin erstmals unter 50 Prozent drückte (siehe Grafik 3). So hat sich der Gesamtwert des Marktes für digitale Währungen außer Bitcoin im zweiten Quartal fast um den Faktor neun erhöht; seitdem wurden die überhöhten Gewinne zum Teil jedoch wieder abgegeben. Fast 80 Prozent des Werts aller in Gebrauch befindlichen Kryptowährungen entfällt auf nur drei Währungen: Bitcoin, gefolgt von Ethereum (18 Pro¬zent) und Ripple (6 Prozent).

Bitcoin ist mit einem Marktwert von 95 Milliarden US-Dollar (54 Prozent der Gesamtsumme, siehe Grafik 4) immer noch die mit weitem Abstand am höchsten bewertete digitale Währung. Doch der Marktwert von Ethereum hat sich seit Ende 2016 um den Faktor 50 erhöht. Damit wuchs deren Marktanteil von 4 Pro¬zent auf 22 Prozent, was der Hauptgrund für das zuletzt enorme Wachstum digitaler Wäh¬rungen ist. Ebenso wie Bitcoin ist Ethereum ein dezentrales öffentliches Blockchain-Netzwerk. Doch während Bitcoin lediglich eine Anwendung der Blockchain-Techno-logie anbietet - ein Peer-to-Peer-System für den elektronischen Zahlungsverkehr - offeriert Ethereum eine brei¬tere Vielfalt von Applikationen, und die elektronische Währung (als Ether bekannt) ist nur eine von ihnen. Ethereum ist vielleicht die nächste Generation der Blockchain-Anwendungen und unter¬scheidet sich von Bitcoin darin, dass sie eine allgemeinere Skript-sprache nutzt. Das macht es einfacher, neue Applikationen zu entwickeln, ohne Experte für Kodierung, Mathematik und Kryptografie sein zu müssen. Somit ist Ethereum derzeit die Plattform erster Wahl für die Weiterentwicklung neuer Bereiche wie zum Beispiel Smart Contracts (Computerprotokolle, die Verträge abbilden, überprüfen oder durchsetzen können).



Doch ebenso wie bei Bitcoin wird die Integrität der Blockchain auch hier von Minern gewahrt, die mit einer digitalen Währung (Ether) entlohnt werden. Tatsächlich ist es nicht möglich, im Netzwerk ohne diese Währung zu operieren: Das »Mining« von Ether ist der Prozess, der Blöcke in der Kette erstellt, verifiziert, veröffentlicht und verbreitet. Da Entwickler diese Plattform zunehmend nutzen, »erzeugen« sie die Kryptowährung, was es ihnen gestattet, die Weiterentwicklung zu bezahlen. Entspre-chend dürfte der jüngste Höhenflug des Werts von Ethereum als Nebenprodukt ihrer breiteren Anwendbarkeit zu betrachten sein, die sich aus der Entwicklung neuer Applikationen ergeben hat.

Ähnlich wie Ethereum ist Ripple weniger als alternative Währung konzipiert, sondern eher als Applikation, die ein Echtzeit-Brutto-Abwicklungssystem für Finanztransaktionen bietet. Technisch handelt es sich dabei gar nicht um eine Kryptowährung. Denn Ripple strebt durch nichtkryptografische Mittel einen Konsens an. Zudem unterstützt Ripple auch Transaktionen in anderen Werteinheiten als denjenigen, die sich aus dem Netzwerk selbst ergeben. Deshalb ist es möglich, Transaktionen in Fiatwährung vorzunehmen - obgleich von den Nutzern verlangt wird, eine geringe Summe der digitalen Währung (XRP) auf ihrem Account vorzuhalten.

XRP ist eine kontrahentenfreie Währung. Folglich hängt ihre Existenz nicht von anderen Finanzinstituten wie zum Beispiel einer Zentralbank ab. Anders als bei den beiden anderen



wichtigsten Kryptowährungen findet hier kein Mining statt. XRP muss an einer Börse gekauft werden; dabei werden nach jeder Transaktion ein paar Münzen zerstört. Das kann als Trans¬aktionskosten betrachtet werden. Doch während in einem Fiat-geldsystem die Einnahmen bei einem der Kontrahenten anfallen, gibt es im Ripple-Netzwerk keine solche Partei; Transaktions¬kosten fallen also in Form einer Währungszerstörung an. XRP ist auch insofern anders, als ihr Angebot zu Beginn festgelegt wurde. Der Zerstörungsmechanismus bedeutet somit, dass ihr Wert proportional zur Zahl der Transaktionen steigt. Hingegen wird das Angebot von Bitcoin und Ether zwar letzten Endes festgelegt (siehe nächster Abschnitt), doch derzeit werden diese Währungen noch expandiert. Tabelle 1 auf Seite 18 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der drei großen digitalen Währungen.

Probleme mit digitalen Währungen: Angebotsengpässe Ein Grund für die Beliebtheit digitaler Währungen in einem bestimmten Segment der Bevölkerung ist die Sorge, dass die Expansion der Geldmenge durch die Zentralbanken Inflation erzeugt, die den Wert des Geldes erodieren lässt. Dieses Prob¬lem lässt sich vermeiden, wenn Einzelpersonen ihr eigenes Geld kontrollieren, da es dann keinen Anreiz dafür gibt, seinen Wert wegzuinflationieren. Im Fall von Bitcoin ist das Angebot auf 21 Millionen Einheiten festgelegt, von denen bereits etwa 16,6 Millionen (79 Prozent der Gesamtsumme) erzeugt worden sind. Doch die Schöpfung der Währung wird in Zukunft lang¬samer vonstatten gehen, und erst nach unendlich langer Zeit wird die Grenze von 21 Millionen erreicht (siehe Kasten rechts).

Das Standardargument gegen eine Währung, deren Angebot festgelegt ist, besteht darin, dass sie dem Wirtschaftswachstum enge Grenzen setzt, sobald die Obergrenze erreicht wird. Um dies zu verdeutlichen, kann man sich eine geschlossene Volks¬wirtschaft denken, in der alle Transaktionen zwischen inländi¬schen Wirtschaftssubjekten erfolgen (also kein Außenhandel stattfindet) und zudem ausschließlich bar finanziert werden (Finanzinstitute die Geldmenge also nicht vergrößern können). Insofern als das Bruttoinlandsprodukt ein monetäres Maß aller Wirtschaftstransaktionen ist, die innerhalb der Grenzen eines Landes stattfinden, bedeutet die Anhebung des Preises eines Gutes, dass der Preis eines anderen Gutes (oder mehrerer ande¬rer Güter) sinken muss, weil das physische Währungsangebot einfach nicht ausreicht, damit die Wirtschaftssubjekte für ein Gut einen höheren Preis und für alle anderen Güter weiterhin denselben Preis bezahlen können.

WIE BITCOIN GESCHAFFEN WIRD

Die Blockchain funktioniert so, dass neue Blöcke an eine beste¬hende Kette angefügt werden. Die für die Verifizierung der neuen Transaktionen Verantwortlichen, die die Kette dadurch verlängern (Miner), werden mit Bitcoins bezahlt. Zunächst wurde den Minern ein Satz von 50 Bitcoins pro erzeugtem Block (das heißt Zahl der an die Kette angefügten Blöcke) gezahlt. Doch nach jeweils 210.000 erzeugten Blöcken wird der Satz der Bitcoin-Emission halbiert. Bis dato sind insgesamt 490.000 Blöcke erzeugt worden, und die Miner erhalten für jeden hinzugefügten Block 12,5 Bitcoins. Verlängert sich die Kette weiterhin im derzeitigen Tempo, so wer¬den bis Mitte 2020 etwa 630.000 Blöcke erzeugt worden sein; dann sinkt die Währungsschöpfung auf 6,25 Bitcoins pro Block. Bis Ende 2023 wird sie auf 3,125 Bitcoins pro Block zurückgehen usw. Auf dieser Basis werden bis zum Jahr 2034 99 Prozent aller Bitcoins erzeugt worden sein (siehe Grafik 5).

Danach wird es nur noch sehr langsam vorangehen. Bis Ende des 21. Jahrhunderts werden fast alle Bitcoins, die erzeugt werden können, abgerufen worden sein. Der Grund dafür ist: Da sich der Satz der Bitcoin-Zahlung alle 210.000 Blöcke bis ins Unendliche immer weiter halbieren kann, wird die Ausgabe von Bitcoins unendlich langsam erfolgen. Die Emissionsgrenze von 21 Millionen wird somit zwar näherrücken - aber niemals erreicht werden.

Die Miner müssen sich fragen, wann ihre weitere Tätigkeit unwirt-schaftlich wird. Ein gut dokumentiertes Problem mit dem Bitcoin-Mining ist, dass erhebliche Mengen Strom dafür verbraucht werden. Derzeit benötigen diese Aktivitäten so viel Strom wie die Volkswirtschaft Turkmenistans. Schätzungen zufolge könnten sie bis 2020 so viel Strom verbrauchen wie Dänemark. Ein positiver Faktor ist, dass die Effizienz der im Prozess des Minings verwen¬deten Computerausstattung weiter verbessert wird, womit sich der Stromverbrauch verringern dürfte. Doch die Erträge aus dem Mining sinken, je länger die Blockchain wird. Daher könnten die Kosten einer Fortsetzung den Nutzen überwiegen. Doch sollte der Wert des Bitcoins so sehr steigen, wenn wir uns der Angebots¬grenze nähern, könnte es immer noch profitabel sein, selbst kleine Bruchteile eines Bitcoins zu erzeugen (ebenso wie Standard-Fiat-währungen kann Bitcoin technisch in immer kleinere Einheiten unterteilt werden).



Wächst zudem die Erwerbsbevölkerung infolge Bevölkerungs-wachstums, so muss der von jedem Einzelnen gehaltene Wäh-rungsbestand mit der Zeit abnehmen. Die Verbraucher können ihren Lebensstandard nur halten, wenn der Preis von Gütern und Dienstleistungen entsprechend sinkt (es also zur Deflation kommt). Auch technischer Fortschritt, der einer Gruppe von Erwerbstätigen zulasten einer anderen zugutekommt, führt dazu, dass einige soziale Gruppen die Gewinner sind, während andere absolute Einkommenseinbußen erleiden. Hingegen müssen in einem konventionellen System der Fiatgeld-Expansion die Ver¬lierer nur eine relative Einbuße hinnehmen. Im Wesentlichen werden sie infolge der Geldillusion entschädigt.

Selbst die Befürworter von »solidem« Geld wie beispielsweise Milton Friedman haben sich für eine k-Prozent-Regel ausgespro¬chen, bei der der Geldbestand Jahr für Jahr um einen festen Satz erhöht werden sollte, ohne dass sich das Ausmaß der Erhöhung ändert, um konjunkturelle Bedürfnisse zu decken. Vor dem Beitritt zur Währungsunion setzte die Bundesbank ein Ziel für das Wachstum der deutschen Geldmenge M3, das auf dem potenziellen Produktionswachstum, der Steigerung der Geld-umlaufgeschwindigkeit und dem »unvermeidlichen Anstieg des Preisniveaus« basierte.

Theoretisch scheint es also, als würde ein System mit festgeleg¬tem Währungsangebot eine wesentliche Veränderung in der Funktionsweise des Preismechanismus erfordern. So gibt es



im derzeitigen Fiatgeldsystem zwar Preisstarrheit (das heißt, die Preise sinken selten in absoluten Zahlen), doch die relativen Preise von Gütern und Dienstleistungen schwanken erheblich. In einem System mit festgelegter Geldmenge müssten Preis¬anpassungen jedoch in Form tatsächlicher Preisrückgänge erfolgen. Das ähnelt den Problemen, die im Rahmen des Gold¬standards auftraten.

Doch es gibt einen Weg, das Problem der Angebotsengpässe zu umgehen. Bitcoin zum Beispiel wird auf acht Nachkommastellen definiert. Die kleinste Bitcoin-Einheit ist als Satoshi bekannt und stellt ein Hundertmillionstel einer Bitcoin dar. Werden die Preise von Gütern und Dienstleistungen auf Basis dieser Untereinheiten festgelegt, gäbe es beträchtliches Potenzial, damit die Preise so steigen können wie jetzt. So sind beispielsweise in Großbritan¬nien die Verbraucherpreise in der Zeit von 1660 bis 2016 Schät¬zungen zufolge um den Faktor 112 gestiegen. Das liegt durchaus im Rahmen, den auch Bitcoin zulässt (siehe Grafik 6). Doch eine solche Begrenzung würde für die deutsche Hyperinflation von 1923 nicht ausreichen, denn damals stiegen die Preise um mehr als 813 Millionen Prozent. In der Theorie wäre eine so starke Inflation in einem Bitcoin-artigen System nicht möglich.

Die technischen Einschränkungen sind gravierend

Auch wenn es theoretisch machbar wäre, eine digitale Währung einzuführen, sind in der Praxis doch diverse Hürden zu nehmen. Eine solche Hürde betrifft die Skalierbarkeit der derzeitigen



Architektur. Fiatgeld bietet Sofortliquidität; große Kreditkarten¬gesellschaften schaffen 56.000 Transaktionen pro Sekunde (Tps), und ihre Durchschnittsrate liegt üblicherweise bei 2.000. Bitcoin ist jedoch für sieben Tps ausgelegt. Die naheliegende Lösung für das Bitcoin-Problem wäre, die Datenblöcke zu vergrößern (diese sind momentan auf ein Megabyte [1 MB] begrenzt; die Verarbei¬tung dauert zehn Minuten).

Weitere technische Studien legen nahe, dass die Skalierbarkeit des Bitcoin-Netzes nicht allein über die Vergrößerung der Blöcke erreicht werden kann, sondern das gesamte Protokoll umstruktu¬riert werden müsste. Neueinsteiger am digitalen Währungsmarkt können jedoch aus den Schwierigkeiten um Bitcoin lernen.



Litecoin, derzeit nach Marktwert die fünftgrößte digitale Wäh¬rung, will eine Verarbeitungsgeschwindigkeit bieten, die etwa viermal so schnell ist wie bei Bitcoin. Das ist zwar schon eine Verbesserung, reicht aber nicht an die Geschwindigkeit der bestehenden Systeme heran.

Mit Blick auf Onlinetransaktionen dreht sich zurzeit alles um die digitale Sicherheit, und Meldungen über Bitcoin-Börsen, die gehackt wurden, sind gut dokumentiert. Darüber hinaus funktio¬niert Bitcoin auf Basis der Annahme, dass das System von einer großen Anzahl von sehr kleinen Bitcoin-Minern kontrolliert wird. Kann sich aber ein einzelner Miner oder eine konspirative Gruppe mehr als 50 Prozent der gesamten Computerleistung des Netzes

 sichern, so sind diese technisch in der Lage, eine Unterbrechung der Kette zu erzwingen. Unter normalen Umständen werden solche verwaisten Blöcke (Orphan Blocks), die nicht einer Block-chain angehören und vom Rest der Community nicht validiert werden können, aussortiert. Verfügt eine Gruppe von Minern aber über ausreichend Rechnerleistung, kann sie den Rest der Community übergehen und den verwaisten Block wieder hin¬zufügen, der dann zum nächsten Glied in der Kette wird (siehe Grafik 7). Dieser neue Block kann diverse gefälschte Transak¬tionen enthalten, die der Rest der Gruppe nicht aufzuspüren vermag; er könnte so der konspirativen Gruppe ermöglichen, bestehende Bitcoins doppelt auszugeben.

Durch Vergrößerung der Blöcke in der Kette könnte unbeabsich¬tigt ein solches Ergebnis entstehen. Miner mit Zugang zu enor¬mer Rechenleistung und sehr geringen Energiekosten könnten sich somit mehr Bandbreite leisten, was zu einer größeren Miner-Konzentration führen könnte. Das ist einer der Gründe, weshalb sich für die jüngsten Bemühungen um eine Anhebung der Blockgröße in der bestehenden Miner-Community kein Konsens fand.

Wie sind die Aussichten einer digitalen Zentralbankwährung?

Technische Einschränkungen und Sicherheitsbefürchtungen sind derzeit die größten Hürden auf dem Weg zur Einführung eines Geldsystems, in dem Einzelpersonen miteinander über Distribu-ted-Ledger-Technologie Transaktionen abschließen. Wenn man



also der Miner-Community nicht trauen kann, braucht man viel¬leicht eine zentrale Stelle mit gut etablierter Glaubwürdigkeit, um das Kontobuch (Ledger) zu führen. Doch welchen Anreiz bietet für Zentralbanken die Ausgabe einer digitalen Währung, zumal sie mit der Ausgabe physischen Geldes Geldschöpfungsgewinne erzielen (das heißt Zinseinnahmen durch Ausgabe unverzinsten Bargelds gegen verzinste Wertpapiere)?

Eines der jüngst ins Feld geführten Argumente dafür, Einzelpersonen zu erlauben, bei einer Zent¬ralbank Geld auf einem digitalen Konto zu führen, lautet, dass die Währungshüter dadurch mehr Flexibilität erhalten, wenn die Zinsen an ihrem »unteren Ende« notieren. Im derzeitigen System, in dem die Zentralbanken alle elektronischen Einlagen in zu null Prozent verzinstes »Cash an Demand« konvertieren, gibt es Grenzen für negative Zinsen. Werden die Verbindlichkeiten der Zentralbank aber in Form digitaler Währung gehalten, wird es für sie einfach, einen Negativzins zu erheben (möglicherweise in Form einer Gebühr für digitale Konten), der nicht denselben Einschränkungen unterliegt. Ein weiteres Argument für eine digitale Währung ist, dass Transaktionen, die über Blockchain laufen, transparent und nachverfolgbar sind; das würde den



Spielraum für Steuerhinterziehung und illegale Handlungen reduzieren. Des Weiteren ergibt sich für die Zentralbanken schon allein daraus ein Anreiz, die von privaten Digitalwährungen ausgehende Gefahr abzuwenden. Denn im unwahrscheinlichen Fall, dass eine Währung wie Bitcoin weitere Verbreitung fände, würde sich entsprechend die Macht des Staates beim Einsatz der Geldpolitik als Steuerungsinstrument für die Wirtschaft verringern.

Grundsätzlich könnten private Haushalte ganz leicht »überredet« werden, die digitale Währung durch Bargeld zu ersetzen, indem man den Umtauschkurs zwischen Bargeld und elektronischem Geld sukzessive immer ungünstiger gestaltet und damit einen Umtausch erleichtert. Grafik 8 zeigt, wie sich die Ertragsdifferenz zwischen Bargeld und digitaler Währung im Laufe der Zeit ent¬wickelt, wenn man unterstellt, dass Bargeld mit 1,25 Prozent p.a. verzinst wird, die digitale Währung jedoch 2,50 Prozent abwirft. Innerhalb von 15 Jahren ließe sich mit der digitalen Währung ein doppelt so hoher Ertrag erzielen wie mit Bargeld.

Das verdeutlicht aber lediglich, wie die Zentralbank dieses Ziel erreichen könnte. Ein größeres gesellschaftliches Problem ist jedoch die Frage, ob die Menschen bereit wären, der Zentralbank die Kontrolle eines zentralisierten Kontobuchs zu gestatten. Denn wenn eine Zentralbank willkürlich eine Kontoführungsge-bühr festlegen kann und die privaten Haushalte keine Möglichkeit haben, Bargeld ausgezahlt zu bekommen, besteht eine Rechen-

Grafik 10: Auf und Ab der Bitcoin-Transaktionskosten

Kosten je Bitcoin-Transaktion

in Prozent

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05  

0

2014  2015  2016  2017

Stand: Oktober 2017; Quelle: https://blockchain.info, Commerzbank Research



schaftspflicht der Zentralbank gegenüber der Öffentlichkeit. Auch gibt es erhebliche Netzwerkeffekte in Verbindung mit dem Einsatz der Währung, die es schwierig machen, das bestehende Medium zu ersetzen. In der Tat deutet trotz des derzeitigen Nullzinsumfelds nichts darauf hin, dass die Verbraucher ihre Bargeldbestände reduzieren, wobei in der Eurozone in den letzten Jahren ein besonders starker Anstieg zu verzeichnen ist (siehe Grafik 9).

Mit am meisten könnten die Verbraucher wohl zur Umstellung bewegt werden, wenn die digitale Währung ihr Versprechen hält, die Transaktionskosten zu senken. Theoretisch dürfte das durch eine Verringerung der Anzahl an sich überschneidenden Buch¬führungssystemen zugunsten eines zentral verwalteten digitalen Kontobuchs möglich sein. Ein weiteres zentrales Element in diesem Wandel wird die Rolle der Banken sein. In der gesamten EU sind Debit- und Kreditkartentransaktionen auf 0,2 Prozent bzw. 0,3 Prozent je Transaktion beschränkt. Wie aus Grafik 10 ersichtlich, lagen die Kosten je Bitcoin-Transaktion bis Anfang 2017 im Schnitt bei ca. 0,02 Prozent. Auch wenn sie in der ersten Jahreshälfte gestiegen sind aufgrund von Kapazitätsmängeln im Blockchain-Netzwerk und rückläufiger Prämien aus dem Bitcoin-Mining, infolge derer Miner die Kosten für die Trans¬aktionsverarbeitung erhöhen mussten, ist Bitcoin immer noch konkurrenzfähig. Ein von der Zentralbank betriebenes System, das nicht mit denselben Kapazitätseinschränkungen zu kämpfen haben dürfte, sollte daher mit geringeren Kosten einhergehen als das derzeitige System.

Stellt man aus Kostengründen auf eine von der Zentralbank geschaffene Währung um, so würde sich die Rolle der Banken ändern; diese würden sich dann von Kontoführungsinstituten zunehmend hin zu Transaktionsverifizierungsstellen entwickeln. Infolgedessen nähme auch der Wettbewerb im Bankensektor zu, weil es weitaus günstiger ist, eine Transaktionsverifizierungsstelle zu werden als eine vollwertige Bank. Entsprechend dürften die Transaktionskosten zunehmend die Verifizierungskosten wider¬spiegeln.

Kostengründe sind womöglich genau der Faktor, der eine brei¬tere Umstellung auf eine zentral kontrollierte Digitalwährung bewirkt. Viele Menschen fragen sich aber immer noch, ob es wünschenswert ist, das Maß an Kontrolle zu opfern, das Bargeld bietet. Für solche Menschen werden privat betriebene Digital¬währungen sicher attraktiv bleiben, auch wenn deren Nutzung auf Nischenmärkte beschränkt sein dürfte.



Schlussbemerkung

Digitale Währungen könnten zweifelsohne das Finanzsystem stören. Die Diskussion in diesem Bereich konzentriert sich größtenteils auf Bitcoin, weil es von den bislang angebotenen Optionen die am weitesten entwickelte ist. Allerdings haben wir festgestellt, dass sich andere Optionen in den letzten Monaten schneller verbreitet haben. Systeme, die sich außerhalb der zentralisierten Kontrolle der Währungshüter bewegen, haben jedoch bedeutende Einschränkungen, die deren breiteren Einsatz begrenzen. An oberster Stelle stehen, wie in einem nur online existierenden System zu erwarten, Sicherheitsbefürchtungen, und je ausgeklügelter die Hacking-Angriffe werden, desto größer dürften entsprechende Sorgen werden.

Blockchain-basierte Sys¬teme wie Bitcoin leiden unter Skalierbarkeitsproble-men, die deren breitere Anwendbarkeit weiter begrenzen, weil dadurch die Verarbeitung der Trans¬aktionen verlangsamt wird. Das ist kein technisch unlösbares Problem; allerdings hat es sich als politisch schwierig erwiesen, die digitale Community zu einer Einigung über die weitere Entwicklung zu bewegen. Zwar gab es zunächst keine Größenbeschränkungen für die Bitcoin-Blöcke, doch das wurde geändert, um die Sicherheit zu verbessern und »Denial-of-Service«-Angriffe zu verhindern. Entsprechend gibt es eine Kompromisslösung zwischen Verarbeitungsgeschwindigkeit und Sicherheit, die eine ernsthafte Einschränkung für die breitere Anwendbarkeit darstellt.



Zurzeit sind digitale Währungen mit Blick auf die Erfüllung der drei Hauptfunktionen des Geldes weniger effizient als physisches Bargeld. Sie funktionieren zweifelsohne als Tauschmittel, auch wenn es noch unüblich ist, Preise in Bitcoin anzugeben. Ihr Nutzen beim Werterhalt wird durch Schwankungen in dem Kurs begrenzt, zu dem sie gegen Papiergeld wie den US-Dollar getauscht werden können. Aber auch das hat Menschen nicht davon abgehalten, an ihnen festzuhalten, weil sie auf eine Wert¬steigerung hofften.

Trotz aller Einschränkungen legt die Tatsache, dass die Zentral¬banken an der Anwendung digitaler Währungen interessiert sind, nahe, dass diese nicht von der Hand zu weisen sind. Auch wenn das Interesse hauptsächlich den Blockchain-Anwendungen gilt, gibt es keinen technischen Grund, der gegen eine digitale Wäh¬rung auf Basis eines zentral kontrollierten Kontobuchs spräche. Die größte Hürde auf dem Weg dorthin ist wohl der Widerstand in der Gesellschaft. Doch wie die Erfahrungen mit Amazon und Co. gezeigt haben, lässt sich der Widerstand der Verbraucher überwinden, wenn der technische Fortschritt eine Verbesserung gegenüber dem Status quo bringt.

Es wird weithin die Auffassung vertreten, die heutige Welt der digitalen Währung sei eher wie das Internet von 1995, das heißt sie biete ein enormes unerschlossenes Potenzial. Allerdings waren zahlreiche deutliche technologische Verbesserungen nötig, um uns von der Position 1995 in die heutige Position zu bringen. Die digitalen Gewinner sind jene, die das System so stören, dass es für die Menschen leicht ist, sich anzuschließen. Das schließt eine breitere Anwendung von Bitcoin aus, heißt aber nicht, dass nicht eine andere monetäre Innovation dort erfolgreich sein kann, wo Bitcoin gescheitert ist.

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