Sonntag, 16. Oktober 2011

Apulien Italia Reise SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Apulien Italia Reise SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Apulien, das sind rund 900 Kilometer Küste an Sporn und Absatz des italienischen Stiefels. Die Hafenstadt Bari war einst ein großer Umschlagplatz für Handel, Moden und Kulturen.

 „Antipasti di Mare", sagt die junge Süd-italienerin, die mit einem Stapel tönerner Schalen an unseren Tisch kommt. „Si", sage ich, „pero avere ordinare anche antipasti di terra." Grammati¬kalisch ist das freilich falsch, aber ich will ja auch nur in Italien Urlaub machen und jetzt dafür sor¬gen, dass alles auf den Tisch kommt, was wir bestellt haben. Übersetzt also „haben ich bestellen auch Vorspeisen von Erde". Ich gucke die südliche Schön¬heit an, lächle und sehe zu, wie sie sich daran
Die Altstadt Baris bietet ein Labyrinth aus engen Gassen wie hier im Viertel San Nicola.
macht, die Schalen auf den Tisch zu stellen. Neun an der Zahl. Und dann kommt ihre Zwillings¬schwester mit einem ebenso hohen 'ffirm Schälchen mit Vorspeisen. „Buon provecho", wünschen uns die beiden, einen guten Appetit.
Die Terrasse des Restaurants breitet sich über der Adria aus. Es ist blaue Stunde, nicht mehr Tag und noch nicht Nacht. Kein Lüftchen regt sich. Die Licht-punkte des Mondes wiegen sich auf der ruhig wa-bernden Oberfläche der Adria. Mir wird schwumm-rig, als ich das Meer von Schalen auf dem Tisch sehe. Vorspeisen! Davon wird ja eine achtköpfige Familie satt. In einem Schälchen sind getrocknete

Tomaten. Funghi di Bosco daneben, Waldpilze aus den dunklen, sogar in der sengenden Sommerhitze kühlen Wäldern der Gargano-Halbinsel, eingelegt in eine Art Essig mit Estragon und Saubohnen mit Canestrato Pugliese, einem Käse aus der Alta Murgia, der Region um Bari. Überbackene und ge¬kochte Muscheln und eingelegter Meeresfenchel, aber auch andere Köstlichkeiten, die die Zwillings¬schwester vom Meer abgestellt hat, kommen dazu. Und frisches Weißbrot mit einer scharf angebacke
Polignano a Mare ist eine der weißen Perlen Apuliens und liegt auf einem Felsplateau über dem Meer.
nen Kruste, die ein wenig bitter schmeckt, so¬wie Taralli, kleine Brotringe mit einem leich¬ten Geschmack nach Anis. Dann natürlich ei¬ne Karaffe Rotwein. Was die Zwillinge auf den Tisch bringen, ist ein kulinarischer Streifzug durch alle möglichen Winkel Apuliens.
Erde und Meer. Mit diesem Motto könnte auch der Tourismesverband Apuliens wer¬ben. Das wird bei einem Blick auf die Land¬karte deutlich. Knapp 900 Kilometer Küste säumen den Sporn und den Absatz des italie¬nischen Stiefels. Die Adria mit der Meerenge von Otranto dem Osten und die Ionische See
im Golf von Taranto dem Sonnenuntergang zuge-wandt. Viele der sehenswerten Orte Apuliens liegen an oder nahe der Küste.
Bari, die Hauptstadt Apuliens, liegt an der Adria. Hat man erst einmal die Stadtmauer passiert, mit der die Baresen früher unwillkommene Besucher fernhiel-ten, befindet man sich in einem unendlich wirken¬den Labyrinth aus engen Gassen. Die Fassaden der Häuser an beiden Seiten sind mit Waren behängt wie in einem arabischen Basar. Folgt man ihnen, gelangt man an Plätze, in deren Cafes sich Stu¬denten einer der größten Universitäten Italiens bei einem Cappuccino vom Professor im Hörsaal erho¬len. Im Hafen drängen sich auch heute noch viele Fischerboote. Bari ist auch Fährhafen. Von hier ist es nur ein kurzer Sprung nach Griechenland, Kroatien und Albanien.
Bari ist eine der Hafenstädte, in denen sich einst Kaufleute aus dem ganzen Mittelmeerraum zum Handel getroffen haben, neue Moden sahen, ganz selbstverständlich Ideen austauschten und fremde Lebensart übernahmen. Sie haben hier um Qualität und Preise für Olivenöl und Gries gefeilscht. Und sie haben in den Häfen die Verladung von Amphoren mit Wein überwacht.
Seit 2000 Jahren wird in Apulien Wein kultiviert, ge-keltert und vergoren. Seit gut zehn Jahren arbeitet eine neue Generation von Önologen in den Kellern. Sie haben die Methoden der Weinherstellung mit Hilfe von neuestem Wissen und dem Einsatz sensib¬ler Technik verfeinert. Und sie erzeugen heute tief-dunkle, kräftige Tropfen, für die sich der Weltmarkt zunehmend begeistert. Salice Salentino ist der Star unter ihnen. Doch auch Namen wie Negramaro, Nero di Troia und Primitivo di Manduria bringt man zusehends mit Apulien in Verbindung. In den Weinhandlungen vor Ort lassen sich oft gute und noch günstige Entdeckungen machen.
Teuflisch wilde Musik
Eine Entdeckung der anderen Art machen wir, als wir an einem heißen Abend noch spät auf der Ter¬rasse eines kleinen Familienrestaurants in Lecce sit¬zen. Die lebensfrohen Wirte gesellten sich schon zu den letzten Gästen, als einer der Köche mit seinem Bandoneon um die Schulter vorbeihuscht. Er ist zu einer Tarantellaparty unterwegs. Wir müssen ihn nicht lange bitten, dass er uns eine Kostprobe seiner
Imposant:  das Castel del Monte des Staufer¬kaisers
Friedrich II.

Musik gibt. Und es dauert nicht lange, bis wir, ange-leitet von seiner monotonen und doch teuflisch wil-den Musik, anfangen zu wippen und mit den Füßen im Takt zu stampfen. Ob der Rhythmus ursprüng-lich aus Taranto stammt oder von der Tarantel, von der man gestochen in diese Tanzwut verfällt, bleibt offen. Es gab eine Zeit, in der die Jugend mit Taran-tella nicht viel am Hut hatte. Seit 1998 jährlich die notte della taranta stattfindet, gibt es wieder zahl-reiche Zuhörer und Tänzer.
Florenz des Südens
Lecces Altstadt wirkt aber eher wie eine Bühne für klassische Musik. Bach, Mozart und Vivaldi wä¬ren perfekt für die Kulissen von Lecces Gassen. Kirchenfassaden prahlen dort mit überbordendem Schmuck. Rosetten werden über mehrere Reihen von Putten umgarnt. Engel fliegen über die Fassade der Basilika Santa Croce, tragen Bänder; auf denen Gottes Größe gelobt wird. Meterhohe Heilige wachen auf Balustraden. Über 150 Jahre wurde hier gebaut und gefeilt. Der Barockpracht wegen wird Lecce oft auch „Florenz des Südens" genannt. Möglich war dies nicht nur, weil der Stein der Region, der Pietra
Im Gargano, einem Vorgebirge nördlich von Apulien,
wird noch gepflügt wie anno dazumal.
Leccese, sehr weich und dadurch leicht zu be¬arbeiten ist, sondern auch, weil Bürger und Unternehmer ihren Stolz und ihre Dank¬barkeit zeigten und genug Geld für den Bau springen ließen.
Apuliens Städte sind großartig, doch das Land zwischen ihnen ist gespickt mit verborgenen Schätzen. Nördlich von Brindisi, im Valle d'Itria, gibt es die Trullis, pittoreske Häus¬chen, denen man eine Art Trichter als Dach aufgesetzt hat. Ein Trick, um den Bewohnern die Hitze des Sommers in den Häusern erträg¬licher zu machen. Viele reisen nur nach

Alberobello, wo ein ganzes Stadtviertel in diesem Stil gebaut ist. Dort ertrinkt man leicht in der Folklore und übersieht am Stadtrand und in der Umgebung die Schilder, die zu Ateliers weisen, zu Galerien und Ausstellungen moderner Künstler, die sich dort eingerichtet haben

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.