Safran und La Mancha Spanien Reise SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
In Spaniens La Mancha, wo einst Don Quijote
gegen Windmühlen kämpfte, blüht im Oktober
das edelste aller Gewürze: der Safran
Das Land verzaubert sich, an einem Ort in der Mancha, in einer einzigen Oktobernacht. Nichts und niemand kündigt die Intensität der Farben an, die einen am nächsten Morgen überraschen. In der Dämmerung blenden sich zuerst die Erdtöne der scheinbar leeren Fel¬der aus. Mit den blätter¬losen Bäumen verste¬cken sich schließlich die anderen kargen Schattierungen des Herbstes. Zurück bleibt die Ursuppe einer märchenhaften Schöpfung, wallender Nebel, der auch die Wind¬mühlen oben
träumender, von allen guten Geis¬tern verlassener Don Quijote würde sie zu dieser Stunde für feindliche Riesen halten.
Unten, in der. Ebene der Mancha, vollzieht sich der-weil die Verwandlung, sichtbar beim ersten Son-nenstrahl des neuen Morgens. Ein violettes Blüten-meer breitet sich aus, hunderttausende von Krokussen öffnen ihre Kelche, zeigen den kostraren
Feindliche Riesen des Don Quijote: die Windmühlen auf den Hügeln von La Mancha.
Schatz in ihrem Inneren. Drei dunkelrote Fäden, die kaum duften, nur ein wenig süßlich nach Blüten-staub. Doch am Ende des Tages werden sie sich in das teuerste Gewürz der Welt verwandelt haben, das man hier im Herzen Spaniens einst mit Gold auf-wog: Safran.
Ernten ab Sieben
In den Dörfern der Mancha ist die Sprache bisweilen
hart wie der Boden, und wer viele Worte macht, lebt
wohl lieber in der Stadt. Man kann hier in die Bar
gehen, ohne reden zu müssen. Und so war es josd
Valdeperias-Ropero wohl etwas unangenehm gewe
sen, beim Feierabendbier in seiner Lieblingskneipe
gestört zu werden. Doch als er erfuhr, warum der
Besucher aus dem fernen Deutschland mit ihm
sprechen wollte, blühte er auf. Den besten Safran der
Welt gebe es hier rund um Consuegra, keine Frage,
und selbstverständlich könne man ihm, dem
Safranbauern, und seiner Familie zuschauen beim
Pflücken. Oder noch besser: selbst
mithelfen. „Wir treffen uns um
Punkt Sieben", ordnet der Mann
an, besiegelt den Pakt mit dem
neuen Erntehelfer per Schraub
stock-Händedruck. Zögerlicher
Einwand: Warum so früh? „Sa
fran ist arrogant wie eine bild
schöne Frau — schon bei Sonnen
aufgang musst Du Dich ihr zu
wenden." Im Laufe des Tages, er
klärt nüchtern das Pflanzen
handbuch, verlassen den violetten Krokus se Kräfte — er verwelkt Und überrascht am nächs' Tag mit einer Wiederauferstehung.
Sieben Uhr: Jose VaIdeperias-Ropero hat Schlaf den Augen, Dutzende von Hanfkörben im Koff raum, und das Auto voll mit der Familie. Fi Marie-Carmen, Tochter Rocfo und Sohn Jo Miguel müssen mithelfen, wenn die Safranrose nennt man sie in Spanien, auch wenn Biologen ( Krokus eigentlich in die Familie der Schwertlil einsortieren) im Herbst die weite Ebene der Man in Zentralspanien violett einfärbt. Die wertvollen ten Fäden verlieren im Laufe des Tages schnell Geschmack und Qualität. Tief gebeugt wird also pflückt, stundenlang, bis nicht nur dem Emtehel sondern auch den trainierten Experten der Rücl schmerzt, und dann noch länger: „Wir braucl ungefähr 200.000 Blüten für ein Kilogran Gewürz."
Begehrtes Aroma
Die Handarbeit ist damit allerdings noch la nicht zu Ende, sie geht zu Hause bei Valdepefias-Ropero weiter: Nur die roten Narb schenkel des Safrankrokus — und nicht die gel Staub gefäße oder die markanteren violei Blütenblätter — liefern das begehrte Aroma. Blüte Blüte trennen Auszupfer deswegen Wertvolles Abfall. „Man schafft vielleicht 10.000 Blüten Tag, manchmal auch 15.000", erzählt Ma Carmen, während ihre Fingernägel routiniert Stiel aufritzen und die roten Spitzen abzwicken,
das gelblich-weiße Ende des Fadens zu entfernen. „Je weniger gelbe Griffelreste, desto besser die Qualität", gibt sie Gewürzkäufern einen Tipp. Bis die Familie ihre Ernte beim Großhändler zum Portio¬nieren und Verpacken abliefert, dauert es: Tagelang sammeln und zupfen die Bauern, bis der nächste Arbeitsschritt ansteht — das Rösten über einem Koh¬lebecken. Hier verlieren die Fäden zwar an Gewicht. Doch dabei entwickelt sich das einmalige Aroma, das bei Windstille tagelang über den Dörfern der Mancha hängt: eine Dunstglocke aus Safranduft.
Fälschungen gibt's genug
Ein Gramm Safran bester Qualität kostet im Laden manchmal fast zehn Euro. „Es gibt deswegen kein anderes Gewürz, das so oft gefälscht wird", sagt An-tonio Garcia Martin-Delgado, Präsident des Safran-rats der Mancha. Täuscher beschweren die Fäden mit Wasser oder öligen Flüssigkeiten, um ein größeres Gewicht zu erzielen und ihnen den an guten Sorten gerühmten fettigen Glanz zu verleihen. „Andere mi-schen Blüten von Arnika, Ringelblume oder Färber-distel unter echten Safran. Wir haben bei Proben so-gar künstlich aromatisierte Rindenspäne und Papri-ka, Ziegelstaub und Sandelholzpulver gefunden." Safran aus der Mancha ist inzwischen als Marken-zeichen geschützt. Die Gewürzhändler werden von den Behörden kontrolliert. Wer auf orientalischen Souks oder in Asien das Gewürz als Schnäppchen einkaufen will, sollte allerdings auf der Hut sein: „Billigen Safran gibt es nicht", sagt Antonio Garcia Martfn-Delgado. „Zumindest keinen echten."
Die „arrogante Rose" hätte also in vielerlei Hinsicht einen Ehrenplatz verdient, auch wenn sie nicht mehr, wie einst im Altertum, mit Gold aufgewogen wird. Safran ist immer noch das teuerste Gewürz der Welt und bietet weitere Superlative: Jahrtausende¬lang nutzte man ihn als Textil- und Lebensmittel¬farbstoff, als Duftstoff und Arzneimittel. Einst trugen Perserkönige und buddhistische Mönche mit Safran gefärbte Gewänder. Im Mittelalter verwendeten Buchmaler ihn als gelbes Pigment für kunstvolle Initialen und Miniaturen. Reiche Römerinnen lie¬ßen ihren Haarpuder nach Safran duften. Und na¬türlich benutzten diejenigen, die es sich leisten konnten, den Safran auch in der Küche: Arabische Händler brachten die Europäer auf den Geschmack.
Behutsam würzen
Einen Hauch Safran gibt bis heute der provenzali-schen Bouillabaisse und der spanischen Paella eine aromatische Note und intensiv gelbe Farbe. Kreative Köche wie Ernest° Fernändez Leal vom Restaurant Las Provincias im Safran-Dorf Consuegra belassen es allerdings nicht bei klassischen Rezepten. „Man sollte behutsam würzen und sich genau überlegen, welche Aromen zueinander passen", empfiehlt der Profi. Und überrascht mit höchst außergewöhnli¬chen Geschmackskombinationen: Safran-Canne¬loni mit Kabeljau und Totentrompeten, Safran-Sor¬bet auf Rotwein-Gelee, Kürbis-Cappuccino mit Safran. Zum als Dessert gereichten Safran-Eis könn¬te er noch eine Rarität aus dem Nachbarort Villafranca servieren: Hier experimentiert Jesus
Aranda Palanqua, um einen süßlich-herb schme-ckenden Safranlikör herzustellen. Viele sind auf den Geschmack gekommen, strahlt der Unternehmer: „Ich kann mich vor Nachfragen kaum retten."
Safran-Zupf-Wettbewerb
Consuegra mit seinen Safranfeldern liegt etwa eine Autostunde südlich der spanischen Metropole Ma-drid in der Nähe der Unesco-Weltkulturerbe-Stadt Toledo. Jedes Jahr am letzten Wochenende im Oktober feiern sie hier ihren seltenen Krokus bei ei-nem bunten Safranfest, der „Fiesta de la Rosa del Azafrdn" (Informationen unter www.consuegra.es und unter www.spain.info). Besucher stellen sich hier beim Safran-Zupf-Wettbewerb den Konkur¬renten oder schwingen mit der Safran-Königin zu Volksweisen das Tanzbein. Alles duftet dann nach dem teuersten Gewürz der Welt. Sogar die Euro-Scheine, die einem die Händler als Wechselgeld zu-rückgeben, nehmen mit der Zeit das Aroma an. Ein Strohfeuer: Im November ist das Safran-Fieber schon wieder vorbei, Consuegra wird zu einem ganz normalen Dorf in der weiten Mancha und versinkt im Winterschlaf.
Bis die Bauern im Frühling Safranzwiebeln pflan¬zen, gerade dann, wenn in Deutschland die norma¬len Krokusse verblüht sind Dann warten sie. Bis ei¬nes Tages im Herbst, an einem Ort in der Mancha, wieder das Wunder der „rosa del azafrän" geschieht. Und sich die dürre Hochebene über Nacht in einen violetten Blumenteppich verwandelt und ein betö-render Duft die Luft erfüllt
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