Sonntag, 6. Januar 2013

Ichimoku Kinko Hyo – Wolkencharts

Grundlagen: Entdecken Sie japanische Charttechniken – von D.Selzer-McKenzie








Ichimoku Kinko Hyo – Wolkencharts


􀂆 Ursprung und Kerngedanken



Die Indikatortechnik „Ichimoku Kinko Hyo“ (IKH) stammt

aus dem Land der aufgehenden Sonne. Sie wurde in den

30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von dem japanischen

Journalisten Goichi Hosoda (1898–1982) entwickelt.

Ein Tross von Studenten soll ihm bei den Kalkulationen der

Parameter geholfen haben – man bedenke, dass es damals

weder Taschenrechner noch Computer gab. Ichimoku

Kinko Hyo besteht aus fünf Indikatoren, zwei davon bilden

die obere und untere Begrenzung der Wolke. Die Indikatoren

beschreiben das innere Marktgleichgewicht zwischen

Angebot und Nachfrage. Das Gleichgewicht zwischen Preis

und Zeit wird über die Zeittheorie, die Wellentheorie und

die Kurszielbestimmung beschrieben. Die „Wolkencharts“

– wie sie umgangssprachlich bezeichnet werden – fi nden

nur langsam ihren Weg in die Handelsräume der westlichen

Welt. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass dort bisher

wenig Literatur über Ichimoku Kinko Hyo veröff entlicht

wurde. Was bietet der IKH dem Trader nun? Jede Menge.

Ein Blick auf den Wolkenchart setzt den Trader über folgende

Punkte ins Bild:

• die Trendrichtung

• die Trendstärke

• Unterstützungen und Widerstände

• Kauf- und Verkaufssignale.

Ichimoku Kinko Hyo ist also ein echter Tausendsassa. Der

allererste Blick auf einen Wolkenchart stiftet allerdings bei

den meisten in erster Linie Verwirrung: nichts ist auf einen

Blick erkennbar. Es bedarf viel Übung, Wolkencharts zu

interpretieren.

Konstruktion eines Wolkencharts



In Bild 1 sehen Sie den EUR/USD-Tageschart. Grundlage für

einen Wolkenchart sind Candlesticks. Wir sehen, dass der

SelMcKernzie


SelMcKenzie


Chart nicht mit dem aktuellen Schlusskurs aufhört, sondern

die Wolke in die Zukunft gezeichnet wird. Ebenso einzigartig

ist, dass eine der Linien (Chikou Span) rückwärts projiziert

wurde. Diese Projektionen in die Zukunft (= Wolke) und in

die Vergangenheit (= Chikou Span) sind einzigartig und ein

wichtiges Element bei der Analyse und Prognose.

Vier der fünf Linien sind Durchschnittslinien. Allerdings

wird zu deren Berechnung nicht der sonst häufi g verwendete

Schlusskurs herangezogen, sondern der Mittelwert von

Tageshoch und Tagestief. Dieser entspricht übrigens dem Mittelwert

eines High-Low-Preiskanals.

Durch die Verwendung von Durchschnittslinien ist klar,

dass der IKH ein lupenreiner Trendfolger ist. In einem Seitwärtstrend

ist er überfordert – wie alle anderen Systeme, die

auf Gleitenden Durchschnitten beruhen.

= Kijun-Sen = Standard-Linie (rote Linie)



Kijun-Sen ist der Mittelwert vom höchsten und tiefsten Kurs

der letzten 26 Tage. Die Richtung von Kijun-Sen spielt eine

wichtige Rolle, um die Richtung des Marktes zu beurteilen.

Bedingt durch die Berechnung über 26 Tage reagiert Kijun-

Sen bei einem Trendwechsel allerdings recht träge.

= Tenkan-Sen = drehende Linie (blaue Linie)



Tenkan-Sen ist der Mittelwert vom höchsten und tiefsten

Kurs der letzten neun Tage. Er ist der unruhige Partner von

Kijun-Sen.

= Senkou Span 1 = vorauseilende Linie (grün)



Senkou Span 1 ist der Mittelwert von Kijun-Sen und Tenkan-

Sen. Es ist also der Mittelwert aus der Summe zweier Mittelwerte.

Der Clou ist aber, dass dieser Wert, genau wie sein Kompagnon

Senkou Span 2, 26 Tage in die Zukunft projiziert wird.

= Senkou Span 2 = vorauseilende Linie (orange)



Senkou Span 2 ist der Mittelwert vom höchsten und tiefsten

Kurs der letzten 52 Tage. Dieser wird ebenfalls 26 Tage in

die Zukunft projiziert. Senkou Span 2 verläuft aufgrund der

beschriebenen Berechnungsmethode häufi g waagerecht.

Wird der Bereich zwischen Senkou Span 1 und Senkou Span

2 eingefärbt oder schraffi ert, hat man die Wolke (= Kumo)

geschaff en.

= Kumo = Wolke (grau eingefärbte Fläche)



Senkou Span 1 und Senkou Span 2 werden 26 Tage in die

Zukunft projiziert, die Fläche dazwischen ist die Wolke. Kumo

ist das zentrale Element von Ichimoku Kinko Hyo. Nicht umsonst

heißen sie Wolkencharts und nicht umsonst nennen sich ihre

Anwender „Kumotrader“.

Aufgrund der Berechnungsvorschriften ist die Wolke

ähnlich einem in die Zukunft projizierten 17 Tage- (Mittelwert

von neun und 26) und 52-Tage-Durchschnitt. Die Wolke

wird unter anderem als Filter für die Bewertung der Kaufund

Verkaufssignale verwendet.

= Chikou Span = verzögerte Linie (schwarz)



Die Konstruktion von Chikou Span ist denkbar einfach:

Der aktuelle Kurs wird um 26 Tage rückwärts projiziert,

Der Chart zeigt die einzigartige Konstruktion eines Ichimoku-Charts: Die Projektion in die Zukunft (= Wolke) und

in die Vergangenheit (= Chikou Span).

Q


B1) Konstruktion des Wolkencharts im EUR/USD
Um die Trendstärke deutlicher darzustellen, kann das Momentum auf Kijun-Sen (MomKijun) berechnet und in

einem separaten Indikatorfenster angezeigt werden.

Quelle: www.tradesignalonline.com


B2) Trendstärke im EUR/USD
somit entsteht ein Linienchart. Trendumkehrformationen

– wie zum Beispiel eine Kopf-Schulter-Formation – lassen

sich im Linienchart einfacher und schneller erkennen als

in einem Candlestick-Chart. Chikou Span kann als Sentiment-

Indikator verwendet werden: Liegt Chikou Span

über „seinem“ Kurs, ist die Stimmung gegenüber der vor

SelMcKenzie


Info



Mehr zu den Wolkencharts

können Sie in dem Buch

„Ichimoku Wolkenchart Trading



Besser traden mit der

Wolkenchart-Indikatorentechnik“

nachlesen.

ISBN: 978-1-291-22343-9

Seiten: 389

Verlag: SelMcKenzie Publishing

Preis: 7,80 Euro



26 Perioden positiver liegt Chikou Span unter „seinem“ Kurs,

ist die Stimmung gegenüber der vor 26 Perioden gefallen.

Chikou Span ist der zweite Filter, der für die Bewertung der

Kauf- und Verkaufssignale verwendet wird. Die Berechnung

der einzelnen Linien ist immer inklusive des aktuellen

Tages.

Trendrichtung



Die Trendrichtung festzustellen ist unkompliziert: Befi ndet

sich der Kurs über der Wolke, liegt per Defi nition ein Aufwärtstrend

vor. Befi ndet sich der Kurs unter der Wolke, liegt ein

Abwärtstrend vor. Befi ndet sich der Kurs in der Wolke, liegt

ein Seitwärtstrend vor. Es lässt sich also auf einen Blick

erkennen, ob Kauf- oder Verkaufssignalen gefolgt werden

sollte.

Trendstärke



Die Trendstärke wird über den Neigungswinkel von Kijun-Sen

angezeigt. In einem idealen Trend beträgt dieser in einem

normal skalierten Chart 45 Grad. Programmierfreaks können

das Momentum auf Kijun-Sen (MomKijun) berechnen

und in einem separaten Indikatorfenster anzeigen lassen.

Die MomKijun-Linie kann mithilfe der Formationsanalyse

und Divergenzen zwischen Kursentwicklung und MomKijun

in die Analyse mit einbezogen werden. In Bild 2 ist dies auf

einem EUR/USD-Tageschart mit einem 17-Perioden-Momentum

auf Kijun-Sen dargestellt.

Unterstützung und Widerstände



Eines der wichtigsten Konzepte im Bereich der Technischen

Analyse ist das von Unterstützung und Widerstand. Bei

Ichimoku zeigt die Wolke Unterstützungs- und Widerstandslevel

an. Aufgrund der Berechnung der beiden wolkenbegrenzenden

Linien sind die Unterstützungs- und Widerstandslevel

dynamischer Natur.

Ist der Kurs oberhalb der Wolke, fungiert die obere

Begrenzung der Wolke als erstes Unterstützungslevel und

die untere Begrenzung der Wolke als zweites Unterstützungslevel.

Ist der Kurs unterhalb der Wolke, fungiert die

untere Begrenzung der Wolke als erstes und die obere

Begrenzung der Wolke als zweites Widerstandslevel. Die

Widerstands- und Unterstützungsniveaus werden häufi

g nach dem ersten Durchbruch nochmals getestet. Je

dicker die Wolke, desto massiver ist die Unterstützungsund

Widerstandszone – und desto höher ist auch die

Volatilität.

Je dünner die Wolke, desto geringer die Volatilität und

desto einfacher gestaltet es sich für den Preis, die Wolke

nachhaltig zu durchbrechen und damit den Trendwechsel

zu bestätigen.

Signalerzeugung



Bei insgesamt fünf Linien und einer Wolke gibt es erwartungsgemäß

nicht nur eine Variante der Signalerzeugung,

sondern fünf. Hinzu kommt, dass jede der Varianten in der

Ausprägung stark, neutral oder schwach ausgebildet sein

kann – und dann natürlich für Long- oder Short-Positionen.

Aufgrund der Konstruktion der Linien ist klar, dass die

Signale auf Basis von Gleitenden Durchschnitten generiert

werden. Solche Signale müssen gefi ltert werden. Bei

Ichimoku gibt es zwei Filter: die Wolke und Chikou Span.

Über diese beiden Elemente können die Signale auch bewertet

werden – als stark, neutral oder schwach. Grundsätzlich

gilt, dass sich bei einem Kaufsignal der Kurs über der Wolke

befi nden sollte und Chikou Span über „seinem“ Kurs (von vor

26 Perioden). Bei einem Verkaufssignal sollte sich der Kurs

unter der Wolke befi nden und Chikou Span unter „seinem“

Kurs (von vor 26 Perioden).

Variante 1: Kreuzung Kijun-Sen und Tenkan-Sen


Ein Kaufsignal liegt vor, wenn Tenkan-Sen von unten nach

oben Kijun-Sen kreuzt (Golden Cross). Ein Verkaufssignal

liegt vor, wenn Tenkan-Sen von oben nach unten Kijun-Sen

kreuzt (Death Cross).

Hier sehen Sie Ichimoku-Signale beim DAX im zeitlichen Ablauf, kombiniert mit weiteren Methoden der

Technischen Analyse.

Quelle: www.tradesignalonline.com


B3) Praxistest im DAX I
SelMcKenzie


Hier sehen Sie den weiteren Kursverlauf des DAX. Nach einer kleinen Korrektur läuft er weiter nach oben.

Quelle: www.tradesignalonline.com


B4) Praxistest im DAX II



Variante 2: Kreuzung Kijun-Sen und Preis


Ein Kaufsignal liegt vor, wenn der Preis von unten nach oben

Kijun-Sen kreuzt. Ein Verkaufssignal liegt vor, wenn der Preis

von oben nach unten Kijun-Sen kreuzt.

Variante 3: Ausbruch des Preises aus der Wolke


Ein Kaufsignal liegt vor, wenn der Kurs die Wolke von unten

nach oben kreuzt und dabei die obere Begrenzungslinie

auf Schlusskursbasis durchbricht. Ein Verkaufssignal liegt

vor, wenn der Kurs die Wolke von oben nach unten kreuzt

und dabei die untere Begrenzungslinie auf Schlusskursbasis

durchbricht.

Variante 4: Kreuzung Senkou Span 1 und Senkou Span 2


Ein Kaufsignal liegt vor, wenn Senkou Span 1 von unten nach

oben Senkou Span 2 kreuzt. Ein Verkaufssignal liegt vor, wenn

Senkou Span 1 von oben nach unten Senkou Span 2 kreuzt.

Variante 5: Kreuzung Chikou Span mit Preislinie


Ein Kaufsignal liegt vor, wenn Chikou Span den Kurs von

unten nach oben kreuzt. Ein Verkaufssignal liegt vor, wenn

Chikou Span den Kurs von oben nach unten kreuzt.

Wie sieht das in der Praxis aus?



Der DAX liefert am 14.01.2011 im 5-Minuten-Chart (Bild 3)

ein anschauliches Beispiel dafür, wie die fünf Signalvarianten

nacheinander auftreten und somit ein qualitativ hochwertiges

Kaufsignal generieren.

Die Signale in ihrer zeitlichen Reihenfolge: Als erstes

kreuzt der Preis über Kijun-Sen. Vier Kerzen später kommt es

zu einem Golden Cross zwischen Tenkan-Sen und Kijun-Sen.

Da sich diese beiden Kaufsignale unterhalb der Wolke ausbilden,

sind sie mit großer Vorsicht zu genießen. Nochmals

zwei Kerzen später kreuzt Chikou Span über den Kurs. Damit

bestätigt ein Filter die beiden Kaufsignale. Der DAX nimmt

nun Kurs auf die Wolke. Während die erste Kerze in der Wolke

schließt, kreuzt der (kurze) Senkou Span 1 über dem (langen)

Senkou Span 2 – damit wurde ein weiteres Kaufsignal generiert.

Der DAX schaff t es nach drei Anläufen, über der oberen

Begrenzung der Wolke zu schließen.

Dieser Kumo-Breakout als solches ist ein starkes Kaufsignal.

In diesem speziellen Fall, nachdem alle anderen

Signalvarianten ebenfalls ein Kaufsignal generiert haben,

spricht nichts dagegen, mit dem entsprechenden Risikound

Money-Management eine Long-Position einzugehen.

Mit dem Kumo-Breakout hat auch der zweite Filter das Kaufsignal

bestätigt. Dieser Chart off enbart allerdings noch mehr:

Ein bullisch Harami (Candlestick-Muster, bei dem der Körper

der zweite Candle innerhalb des Körpers der ersten Candle

liegt) läutet eine untere Trendwende ein und diese Candlestick-

Formation ist der Kopf einer doppelten Schulter-Kopf-

Schulter (SKS)-Formation. Insbesondere Chikou Span eignet

sich für die klassische Formationsanalyse, da er als „simpler“

Linienchart einen klaren Blick auf das Kursgeschehen ermöglicht.

Für risikofreudigere Trader bietet sich aufgrund der SKS

und des bullisch Harami der Long-Einstieg bereits nach der

Kreuzung Tenkan/Kijun an. Im weiteren Verlauf (Bild 4) fungiert

die obere Begrenzung der Wolke als Unterstützung

und der DAX kann sich nach einer kleinen Korrektur weiter

nach oben bewegen.

Fazit



Die westliche Welt der Technischen Analyse wurde mit

Ichimoku Kinko Hyo um eine mächtige Methode bereichert.

Der Chart off enbart auf einen Blick und ohne Interpretationsspielraum,

ob sich der Preis im bullischen oder bärischen

Territorium befi ndet. Mit einer einzigen Einstellung der Parameter

können Sie in jedem Zeithorizont auf Anhieb den

Trend bestimmen. Der (langfristige) Investor kann seine Anlageentscheidung

mit den gleichen Einstellungen treff en wie

der Trader im 5-Minuten Chart. Ichimoku Kinko Hyo ist eine

durch und durch dynamische Methode. Widerstands- und

Unterstützungszonen werden mit jedem neuen Preis an das

neue Preisniveau angepasst. Für den Einsteiger ist das sicher

eine Herausforderung. Diese Dynamik in Kombination mit

der Projektion in die Zukunft und in die Vergangenheit macht

diese Methode so einzigartig und wertvoll. Die Wolke ist das

zentrale Element und gibt die weitere Strategie vor. 􀂄

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