Bildschirme Fernsehbildschirme zum Aufrollen
Author D.Selzer-McKenzie
https://youtu.be/pZZzoQZP5oM
Bildschirme zum Aufrollen werden vielleicht bald
Wirklichkeit sein. Experten am Fraunhofer ISC haben nun Möglichkeiten
entwickelt, um auch Touchscreenlö-sungen für derartige Displays zu realisieren.
Smartphones sind heute in der Regel flache, starre Geräte
mit einer Glasscheibe, die leicht zerbricht, wenn man sie fallen lässt. Damit
könnte es bald vorbei sein: Alle einschlägigen Firmen basteln in ihren
Entwicklungslabors an flexiblen Dis¬plays aus Kunststofffolien, die leichter
und robuster sind als heutige Lösungen. Da gibt es die unterschiedlichsten
Techno¬logien, fast jedes Unternehmen hat seine Geheimformel und versucht sie
so weit zu entwickeln, dass sie für die Massen¬produktion geeignet ist. Was
aber bisher noch fehlt, sind technologische Lösungen, um derartige flexible
Displays mit einem Touchscreen zu versehen. Für künftige Geräte wäre das
unabdingbar, denn der Verbraucher ist es mittlerweile gewöhnt, dass er sich per
Fingerdruck mit seinem Handy verständigen kann, und darauf will er nicht mehr
verzichten.
Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Institut für
Silicatforschung ISC in Würzburg haben nun ein Material entwickelt, das genau
diese Lücke schließt. In dem EU-Projekt »FLASHED« arbeiten sie an einer Paste,
mit deren Hilfe sich druckempfindliche Sensoren herstellen lassen. Der Name des
Projekts steht für »Flexible Large Area Sensors for Highly En-hanced Displays«,
zu deutsch »flexible großflächige Sensoren für stark verbesserte Displays«. Getreu
diesem Motto haben ISC-Wissenschaftler gemeinsam mit ihren Projektpartnern
Jo-anneum Research Forschungsgesellschaft, Media Interaction Lab der Hochschule
FH Oberösterreich, FlexEnable (vormals Plastic Logic) und Microsoft Research
bereits einen Prototyp vorgestellt: Sie zeigten im Februar 2015 eine FLEX SENSE
genannte Folie der Öffentlichkeit. Es handelt sich dabei um ein biegsames,
durchsichtiges, etwa 200 Mikrometer dickes Blatt, das jede Verformung selbst
misst. Verantwortlich dafür sind gedruckte quasi transparente Piezosensoren,
die die Ver¬formung registrieren. Ende 2015 wollen die Wissenschaftler einen
weiteren praxisnahen Demonstrator vorstellen.
Druckempfindliche Paste
»Abgesehen von immer neuen Softwarelösungen sind bei
heutigen Innovationen optimierte und neuartige Materialien wesentliche
Technologietreiber«,sagt man. ,
Leiter Optik und Elektronik und am ISC verantwortlich für
das FLASHED-Projekt. In diesem Fall handelt es sich um innova¬tive
piezoelektrische polymere Druckpasten, die elektrische Spannung aufbauen, wenn
man darauf Druck ausübt. Die Paste wird in feinen Punkten auf dem Bildschirm
aufgetragen und über Leiterbahnen mit dem Display verbunden, So lässt sich
feststellen, an welcher Stelle auf das Display gedrückt wurde. Weiterer
Vorteil: Mit diesen neuartigen Sensoren lässt sich sogar registrieren, wie
stark die Fläche sich verformt —die piezoelektrischen Punkte agieren als
Biegesensoren.
»Diese Technologie läutet einen Paradigmenwechsel in der
Bedienung von Smartphones, eBooks, Tablets und anderen digitalen Medien ein«,
betont Domann. »Man kann die Displays auf gebogenen Flächen anbringen, sie
rollen oder umblättern.« Über diese Interaktionen lassen sich aber auch die
Anzeige und die Bedienung eines flexiblen Tablets steu¬ern. Die aktuellen
kapazitiven Touchscreenlösungen auf der Basis von Indium sind dafür nicht
geeignet.
Sensoren im Siebdruck auftragen
Die Würzburger Forscher verfügen auf diesem Gebiet der
Materialentwicklung über ein Know-how, das ziemlich einzigartig ist auf der
Welt. In langen Versuchsreihen haben sie erprobt, wie sich die Grundpolymere so
umformulieren lassen, dass sie keine toxischen Lösungsmittel benötigen. Das
Besondere an dem neuen Material ist außerdem, dass es für den Siebdruck
geeignet ist. So lassen sich die Sensoren mit simplen Printverfahren auf
PET-Folien auftragen. Das ist entscheidend für die industrielle Anwendung, denn
künftig werden flexible Displays als Massenprodukt gedruckt werden.
Die kostengünstig herstellbaren Sensoren haben noch eine
weitere Eigenschaft: Sie registrieren außer den Veränderun¬gen des mechanischen
Drucks beim Biegen und Bewegen des flexiblen Displays auch den Wechsel der
Temperatur. Damit lassen sie sich für die Näherungssensorik einsetzen: Schon
eine kleine Temperaturänderung, etwa wenn sich eine Hand dem Sensor nähert,
löst ein entsprechendes Signal aus.
Die Entwickler haben auch, falls gewünscht, inzwischen eine
Möglichkeit gefunden, wie man die Temperaturempfindlich¬keit unterdrücken kann:
Sie mischen bleihaltige Nanopartikel zu. Dies ist allerdings noch nicht die
Ideallösung, denn ein wichtiges Ziel für die ISC-Forscher ist es, bei der neuen
Ma¬terialentwicklung das umweltschädliche Blei zu vermeiden. Deshalb
untersuchen sie nun, wie man mit Hilfe von neuarti¬gen piezokeramischen
Partikel-Matrix-Systemen den gleichen Effekt erreichen und auch diese Kombinationen
für gängige Siebdruckverfahren anpassen kann. Der Druckvorgang wird am Ende aus
drei Schritten bestehen: Erst wird das Muster gedruckt, danach werden in einem
elektrischen Feld zunächst die piezokeramischen Partikel und dann die
Polymermatrix ausgerichtet, damit sie die gewünschten drucksensitiven
Eigenschaften haben.
Die am ISC entwickelten Drucksensoren lassen sich auch als
Aktoren nutzen — sie können ein akustisches oder haptisches Feedback geben. »Es
wäre vorteilhaft, wenn ein Druckknopf ein akustisches Signal gibt, wenn man ihn
einschaltet«, sagt Gerhard Domann. »Oder man könnte sich vorstellen, dass
ein Punkt auf dem Display sich leicht hervorwölbt und damit
anzeigt, dass man als nächstes auf ihn drücken sollte.«
Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. Momentan arbeiten die
Experten daran, ihre Erfindung praxistauglich zu machen. Zugute kommt ihnen,
dass die drucksensitiven Touchscreens auch hinter dem Display platziert werden
können. »Dadurch kann auf eine 100-prozentige Transparenz verzichtet wer¬den«,
meint Gerhard Domann. »In Kombination mit einem elektrophoretischen Display —
wie es etwa in elektronischen Readern angewandt wird — lassen sich schnell
interessante Anwendungen bauen.« So gibt es beim Partner FlexEna-ble bereits
die Vision eines Displays in der Größe DIN A3, das biegsam und druckempfindlich
ist, ebenso wie kleine, flexible Scheckkarten oder gebogene, reaktive
Bedienungs-elemente für Kioske.
Dass dies alles nicht nur Spielereien sind, sondern
Projek¬te mit guten Zukunftsaussichten, zeigt schon allein die Tatsache, dass
Microsoft Research an dem FLASHED-Projekt teilnimmt, obwohl es selbst keine
Fördergelder bekommt
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