Musikproduktion – ein Produktionsbeispiel
Author D.Selzer-McKenzie
https://youtu.be/4RS4VirQ7jY
Der Künstler kam mit einer beinahe fertigen Komposition zu
mir. Die harmo-nische Struktur und die dazugehörige Gesangsmelodie standen
schon fest. Außerdem war der Text fast vollständig ausgearbeitet. Meine Aufgabe
lautete, den Titel zu produzieren, aufzunehmen, zu arrangieren, zu mischen und
zu mastern.
Im ersten Schritt nahm ich eine Demo-Version auf. Der
Künstler spielte die Harmonien auf einer akustischen Gitarre und sang dazu
quasi live. Auf meinen Wunsch hin tat er dies zu einem Metronom, das ich zuvor
eingerichtet hatte. Dazu verwendete ich ein Drum-Plug-in (EZ Drummer), mit dem
ich einen ein-fachen Rhythmus programmierte. Die Bassdrum setzte ich auf 1 und
3 und die Snaredrum auf die 2 und 4. Hinzu kam eine Hi-Hat in Achtelnoten,
wobei die Downbeats etwas lauter sein sollten als die Offbeats dazwischen. Der
Rhyth-mus sollte ganz gerade sein, keine Synkopen, eben nur ein besserer Klick.
Zu diesem Rhythmus ließ ich den Musiker spielen. Wichtig
war, schon zu die-sem Zeitpunkt das Tempo für den Song zu bestimmen. Da das
Demo als Grund¬lage für das Arrangement des auszuarbeitenden Titels dienen
sollte, wäre eine spätere Änderung des Tempos relativ aufwendig gewesen. Es ist
zwar möglich, auch eine Audiospur im Tempo umrechnen zu lassen, aber je nach
Art des Instruments entstehen dabei hörbare Artefakte. Hätten wir uns während
der Produktion für ein anderes Tempo entschieden, hätten also alle bis dahin
ein¬gespielten Instrumente neu eingespielt werden müssen.
Maßgeblich für das Tempo war der Gesang. Vor allem der
Refrain sollte weder gehetzt noch lahm klingen. Nach mehreren Versuchen
entschieden wir uns für 68 BPM (Beats per Minute).
Guide-Spuren (Gesang und akustische Gitarre)
Zur Aufnahme verwendete ich ein Rode-K-2-Gesangsmikrofon mit
Röhren-technik und ein Rode NT 55 (mit Nierenkapsel) zur Aufnahme der
akustischen Gitarre. Da ich schon mehrfach erlebt hatte, dass am Ende einer
Produktion entschieden wurde, die Demo-Gesangsspur zumindest in manchen
Aus-schnitten im Endprodukt zu nutzen, verwendete ich große Sorgfalt auf die
Aufnahme der Stimme. Dazu gehörten die korrekte Ausrichtung der Mikrofone und
die richtige Positionierung des Poppschutzes zwischen dem Mikro und dem Sänger.
Als Aufnahmeformat wählte ich eine Sample-Rate von 44,1 kHz (Haustakt) mit
einer Auflösung von 24 Bit.
Ich nehme Gesang grundsätzlich ohne jeglichen Filter, ohne
Kompressor oder Limiterauf. Mit einer Auflösung von 24 Bit kann ich mir einen
großzügigen Head-room von circa 10 dB leisten, um bei eventuellen
Überraschungen (Pegelspit¬zen) keine Übersteuerung zu riskieren.
Umgehung der Latenz
Da ich bei einer Liveaufnahme keinerlei Latenz wahrnehmen
möchte, splitte ich das Mikrofonsignal. Mein Mikrofon-Vorverstärker (Focusrite
ISA One) besitzt einen digitalen und einen analogen Ausgang. Der digitale
Ausgang ist mit einem S/PDIF-Eingang meiner Audiokarte (Digidesign D003)
verbunden. Den analo¬gen Ausgang des Vorverstärkers schließe ich an mein
Mischpult an.
An diesem Mischpult ist auch ein Ausgang der Audiokarte
angeschlossen, über den der Rhythmus zu hören sein wird. Außerdem ist über
einen Aux-Send ein Effektgerät angeschlossen. Der Sänger wünschte sich, etwas
Reverb auf der Stimme zu hören. Mit meinem Setup kann ich am Pult die
Lautstärkever-hältnisse von Beat und Stimme sowie den Effekt-Anteil des Halls
regeln, ohne dabei den Aufnahmepegel der Stimme berücksichtigen zu müssen.
Ich möchte unbedingt vermeiden, das aufzunehmende Signal
durch den Rech-ner hören zu müssen. Auch kleinste Verzögerungen zwischen dem
wieder-gegebenen Signal und der Aufnahme können dazu führen, dass der Sänger
„untight" singt. Er kann mit einer wahrnehmbaren Latenz (Verzögerung)
defini-tiv nicht exakt auf dem Beat singen.
Das Signal der Gitarre nahm ich sozusagen ungehört auf.
Hierfür verwendete ich einen weiteren Kanal meines analogen Mischpults und
leitete das Signal
über einen anderen Bus zur Audiokarte des Rechners. Da die
Gitarre auch über das Gesangsmikrofon gut hörbar sein würde, benötigte ich
hierbei kein zusätzliches Monitoring.
Nach mehreren Aufnahmen hörten wir die drei letzten
Versionen gemeinsam an. Zum Abhören rücke ich die aufgezeichneten Takes in
meiner DAW auf extra dafür vorkonfigurierte Spuren. Ich habe mir angewöhnt, in
jeden Wiedergabe¬kanal einen Equalizer und einen Kompressor einzuschleifen. Um
den Sound beim Abhören etwas zu optimieren, regelte ich sowohl für die Gitarre
als auch für den Gesang beim Kompressor die Ratio auf 4:1 bei einem Threshold
von circa 8 dBFS und gab über einen Bus etwas Reverb hinzu. Wir entschieden uns
schließlich nach mehrfachem Anhören für die zuletzt aufgenommene Version.
Aufnahme des Basses
Mit dem Demo ließ mich der Künstler nun einige Tage allein
arbeiten. Als näch-sten Schritt wollte ich einen Bass einspielen. Ich ging
dabei nicht davon aus, dass es eine endgültige Aufnahme sein würde, sondern er
sollte zunächst eine Grundlage für den Gesamtklang geben. Der Bass untermauerte
die harmo-nische Struktur und vervollständigte das Klangbild. Am Ende des
Produkti-onsprozesses, wenn alle Feinheiten ausgearbeitet sind, sollte der Bass
nocheinmal exakt mit allen harmonischen und rhythmischen Feinheiten
aufgenom-men werden. Obwohl ich den Bass zunächst von Hand mit meinem Music Man
einspielte, entschied ich mich im späteren Verlauf der Produktion für einen
Synthesizer-Sound, einen „Fingered Double Bass" des Sculpture-Plug-ins.
Dieser Sound klingt für sich relativ unspektakulär, er funktionierte aber
hervor-ragend im Zusammenspiel mit dem später arrangierten Piano.
Aufnahme der ersten
Gitarren
Als Nächstes schnallte ich mir meine Gitarre um und begann
zu spielen. Da mir durch den Bass, den Gesang und die akustische Gitarre die
Betonung auf den schweren Taktzeiten (1 und 3) zu stark erschien, arbeitete ich
eine kleine Arpeg¬gio-Figur aus, die auf der „2 und" begann. Diese Figur
nahm ich mit mehreren Signalen gleichzeitig auf. Das war erstens das original
Stratocaster-Signal mei¬ner Gitarre, verstärkt über einen Engl-Amp und eine 4 x
12 Marshallbox. Die Box stand dabei im Aufnahmeraum, sodass ich nur das
mikrofonierte Signal über das analoge Mischpult hörte und komfortabel über
einen Stereo-Bus, verbunden mit der Audiokarte des Rechners, aufnehmen konnte.
Einen Lautsprecher der Box nahm ich mit einem Shure SM57
auf, für den zweiten Lautsprecher nahm ich ein R de NT1 Mikrofon. Beide Mikros
waren so positioniert, dass sie sich im exakt gleichen Abstand zu den Lautsprechern
befanden, um Phasenprobleme zu vermeiden. Die beiden Mikrosignale
posi-tionierte ich ganz links und rechts außen, um auf diese Weise ein echtes
Stereo-Signal zu erhalten.
Das zweite Stereo-Signal erzeugte mein Gitarrenprozessor
Roland VG-99. Meine Gitarre besitzt einen zusätzlichen Roland GK-3 Pickup, über
den das VG-99 angesteuert wird. Ich entschied mich für einen glockenartigen
Synthe¬sizer-Sound. Da die VG-99 Sounds nicht über MIDI ansteuerbar sind, war
die Wahl dieses Sounds verbindlich. Es ist nicht möglich, ihn im Nachhinein zu
ändern.
Das dritte Signal, das ich aufnahm, war ein MIDI-Signal, das
der GK-3 ausgab. Mit diesem MIDI-Signal würde ich später jeden beliebigen
Synthesizer-Sound der DAW ansteuern können. Dieses Signal ließ ich bei der
Aufnahme ungehört (allein schon weil die MIDI-Latenz riesig war).
Keyboards
Auf der Suche nach einem schönen Flächensound durchforste
ich häufig diverse Software-Synthesizer-Bänke in Logic und in meiner
Native-Instru¬ments-Datenbank. Ich wählte in diesem Fall einen weichen
Flächensound aus dem Pro 53 (PWM-Strings), der einen langsam aufgehenden
Resonanzfilter enthält. Der Filter gefiel mir, weil auch er die Aufmerksamkeit
auf die unbeton¬ten Taktzeiten lenkt. Um den Flächensound noch etwas luftiger
zu gestalten, verwendete ich im Kanalzug den Spreader, ein Modulationseffekt
aus dem Logic-Sortiment.
Mit dem Logic-Equalizer im Kanalzug hob ich 3,5 kHz und 10
kHz um jeweils 2 dB an. Da mir dieser Sound allein etwas zu schwach erschien, suchte
ich nun einen weiteren Flächensound als Ergänzung, vor allem für den unteren
Frequenzbereich. Ich fand ihn im Korg M 50. Dieses Instrument dient mir in
erster Linie als Keyboard-Tastatur. Hin und wieder findet sich aber auch dort
ein schöner Atmo-Sound oder ein Piano-Klang. Ich kopierte die MIDI-Daten auf
eine Spur, von der aus ich den Korg angesteuerte. Mit einem Sound namens
„Flutter Pad" fand ich die ideale Ergänzung.
Ebenfalls mit dem Korg spielte ich ein einfaches Piano ein.
Mit diesem Ste¬reo-Konzert-Piano-Sound unterstütze ich die Grundharmonien. Ich
spielte die Harmonien in den Sequencer und editierte danach meine Spielfehler.
Den Piano-Sound und den Flutter-Pad-Sound aus dem Korg überspielte ich als
Stereo-Audiofiles in die DAW, damit ich im internen Mixer Zugriff darauf hatte.
Das war aber erst ab dem Moment sinnvoll, an dem ich absolute Klarheit über das
Arrangement des Titels erlangt hatte. Mein nächstes Thema lautete jetzt:
Verfeinerung der Drums
Zu meinen Lieblingswerkzeugen gehört die Stylus-Drum-Software.
Da deren Loops sehr prägnant und wiedererkennbar sind, vermeide ich es, den
Haupt-rhythmus eines Titels auf einem Stylus-Groove aufzubauen. Ich verwende
den Stylus in diesem Fall nur, um kleine perkussive Bewegungen zu generieren.
Mit einem Equalizer filterte ich die tieffrequenten Anteile
heraus, um Überlage-rungen mit Bass und Bass-Drum zu vermeiden. Außerdem nahm
ich einige Ver-änderungen in der original MIDI-Programmierung vor, sodass der
verwendete Loop nicht zu statisch wirkte.
Für den Hauptrhythmus des Stücks verwendete ich den EZ
Drummer. Dieses Programm stellt nicht nur sehr gute Samples mehrerer Drum-Kits
zur Verfü¬gung, sondern es bietet auch eine Reihe von MIDI-Files, die
verschiedene Rhythmen beinhalten. Ich entschied mich für einen Groove, der in
mehreren Variationen vorhanden war. Für Strophe und Refrains verwendete ich
Files mit unterschiedlich offen gespielter Hi-Hat. Da mir in dem original
MIDI-File für die Strophe die Bassdrum zu unruhig war, löschte ich einige
einzelne Schläge. Mit dem internen Mischpult vom EZ-Drummer wählte ich das
richtige Lautstärke-verhältnis zwischen Bassdrum, Snaredrum, Hi-Hat und den
Toms, und expe-rimentierte mit der Lautstärke des zusätzlichen (virtuellen)
Raummikrofons. Diese Lautstärkeverhältnisse veränderte ich im Laufe der
weiteren Produktion noch einige Male.
Für den Refrain und das Gitarrensolo programmierte ich zwei
zusätzliche Sty-lus-Loops, um die einzelnen musikalischen Abschnitte
voneinander abzugren-zen. Das Stylus-Plug-in setzte ich außerdem ein, um eine
Einzelspur mit Crash-Becken und eine Spur mit einer zusätzlichen Hi-Hat für die
Bridge einzurichten.
Akustische Gitarren
Da die ursprüngliche Version des Titels mit nur einer
Westerngitarre und einer Stimme sehr gut funktionierte, wollte ich im
Arrangement auf einen akustischen Gitarrensound mit Stahlsaiten nicht
verzichten. Ich wählte den einfachen Weg, ließ die Mikrofone im Schrank und
nahm ausschließlich das Direktsignal des Piezo-Pickups meiner Westerngitarre
über das Mischpult auf. Das Playback lasse ich üblicherweise bei der Aufnahme
über die Studio-Monitore relativ leise ablaufen, die akustische Gitarre höre
ich auch ohne Kopfhörer. Die wichtigste Grundregel bei
Rhythmusgitarren-Arrangements lautet für mich „Doppeln". Also legte ich
die rhythmische Phrasierung genau fest und spielte die Gitarre zweimal
möglichst identisch ein.
E-Gitarren in der Strophe
Da mir die bereits aufgenommen Gitarren mit der kleinen
Figur noch nicht kräftig genug erschienen, spielte ich für die Strophen mit
einer Strat und ange-zerrtem Sound eine weitere Rhythmusgitarre ein - auch
diese wurde natürlich gedoppelt.
Gitarre im Refrain
Für den Refrain stellte ich mir eine relativ stark verzerrte
Gitarre vor, die im Hintergrund einen flächenähnlichen Sound geben sollte.
Dafür drehte ich den Engl-Vorverstärker ziemlich weit auf und spielte mit einer
PRS mit Humbucker-Pickups die Akkorde für den Refrain ein. Selbstverständlich
war auch hier wieder das Doppeln Pflicht.
Gitarrensolo
Das Einspielen des Gitarrensolos ist immer eine „lustvolle
Quälerei". Ich spielte den Part einige Male, um eine Anfangsmelodie zu
komponieren. Nach diesem arrangierten Teil sollte ein improvisierter Part
folgen, der bei jedem Versuch einen unterschiedlichen Verlauf nahm. Den Schlussteil
des Solos komponierte ich wieder, um einen definierten Ausklang zu erhalten.
Nach einer guten Stunde (und drei Bier) war das Solo mit nur einem einzigen
Schnitt im Kasten.
Gesangsaufnahme
Jetzt war es an der Zeit mit dem Arrangement zufrieden war
und die wichtigster Sounds an ihrem Platz waren, wurde der Künstler wieder
eingebunden. Zu meiner Freude gab es eine große Übereinstimmung und nur kleine
Änderungs-wünsche hinsichtlich des Arrangements.
Jetzt war es an der Zeit, den Gesang aufzunehmen. Bei einer
Gesangsauf-nahme habe ich auf zwei wesentliche Dinge zu achten. Erstens: Der
Sänger sollte sich unbedingt wohl in der Aufnahme-Umgebung fühlen. Dazu gehör:
die richtige Raumtemperatur, die Bereitstellung der richtigen Getränke und vor
allem der perfekte Sound im Kopfhörer. Dieser Sound ist nicht zwangsläu¬fig der
perfekte Mixdown, sondern der Stimmensound sollte verhältnismäßig laut hörbar
sein. Zweitens: Meine Aufgabe ist es, Übersteuerungen auf jeder Fall zu
vermeiden. Digitales Clipping ist ärgerlich und irreversibel. Bei
eine-Auflösung von 24 Bit ist es überhaupt kein Problem, ein unterpegeltes
Signa aufzunehmen.
Etwas umständlich ist das „Droppen" (Einsteigen mit der
Aufnahme in einzelre Gesangspassagen). Da wir bei der Aufnahme (wie
beschrieben) den eiger:-lichen Aufnahmekanal in Logic stumm geschaltet hatten,
war es notwend,c die eben entstandene Aufnahme auf eine Wiedergabespur zu
schieben
sie hörbar zu machen. Zum Droppen muss bei der Aufnahme eine
direkte Abhörmöglichkeit geschaffen werden. Es ist zu kontrollieren, was man
aufge-nommen hat, und es ist festzulegen, an welcher Stelle genau, es notwendig
ist, in die Aufnahme neu einzusteigen. Um zu wissen, wo wir uns in der Aufnahme
befanden, legte ich mir den Text zur Seite und schrieb die Timecode-Zeiten
beziehungsweise die Takte an einige Textzeilen.
Wir nahmen mehrere Versionen des Liedgesangs auf, um
genügend Material zur Auswahl zu haben. Bei diesem Titel war die Auswahl
überschaubar, da es keine Chorstimmen oder Dopplungen gab. Die ausgewählten Passagen
mar-kierte ich mit gleicher Farbe.
Arrangement und
Philosophie
Jeder Produzent hat seine eigene Philosophie. Mein
vorrangiges Ziel ist es, den Zuhörer bis zum Schluss des Titels zu fesseln.
Dazu bemühe ich mich, den Ablauf eines Titels in ständiger Bewegung zu halten.
Die zweite Strophe sollte etwas anders arrangiert sein als die erste.
Entsprechendes gilt für die Refrains. Das erreiche ich, indem einige Elemente
nur ein einziges Mal zu hören sind. Oder ich ändere die Zusammensetzung der
Instrumente. Bei diesem Titel variierte ich das Zusammenspiel von akustischer
Gitarre und E-Gitarre mit dem Roland VG-99 Sound sowie dem Synthesizer mit dem
Resonanzfilter.
Mit Hallräumen bringe ich Dreidimensionalität in den Sound.
Gerade Balla¬den bieten Platz für eine schöne Tiefenstaffelung der
verschiedenen Sounds. In diesem Fall mischte ich beispielsweise reichlich
Reverb zu den verzerrten Gitarren, um sie in die Tiefe des Gesamtklangs zu
bringen.
Mixdown
Nachdem alle Aufnahmen abgeschlossen waren, folgte der Mixdown
des Titels. Obwohl, wie so häufig im Laufe der Produktion, schon einige
Vorarbeiten geleistet worden waren, war es bei diesem Mix notwendig, sich mit
dem Sound jedes einzelnen Instruments noch einmal dezidiert zu beschäftigen.
Grundsätzlich verteile ich alle existierenden Spuren auf
verschiedene Sub-gruppen. Den Ausgang dieser Subgruppen route ich auf die
Master-Summe. In diesem Fall richtete ich eine Gruppe für die Drums ein, eine
für die akustischen Gitarren, eine für die E-Gitarren, eine für alle Synthesizer-Sounds,
eine für den Liedgesang und eine für den Bass (was nicht immer zwingend
notwendig ist,
Das neue Tonstudo
da er meist nur aus einer Spur besteht). Durch diese
Aufteilung schaffe ich mir die Möglichkeit, jede Gruppe mit einem einzigen
Fader in der Lautstärke zu kontrollieren, und ich habe die Option, mit einem
Equalizer den Gesamtsound der Gruppe noch etwas zu verändern.
Das EZ-Drummer Plug-in beinhaltet ein eigenes Mischpult.
Damit kann ich Einfluss auf das Lautstärkeverhältnis von Bassdrum, Snaredrum,
Hi-Hat, Toms und Becken legen. Außerdem gibt es ein zusätzliches
Stereo-Raummikro, das ich hinzumischen kann. Leider bietet dieses Pult nicht
die Möglichkeit, die einzelnen Instrumente separat zu filtern oder einen
externen Effekt hinzuzu-mischen. Das Verhältnis von Bassdrum und Snaredrum
gehört zu den Einstel-lungen, die ich sehr häufig im Mix verändere, bis ich die
perfekte Einstellung gefunden habe. Für diesen Mix hob ich im Kanalzug des EZ
Drummer 75 Hz um 2 dB an, um die tiefen Frequenzen der Bassdrum etwas zu
unterstützen. Außerdem senkte ich mit einem Shelf-Equalizer 10 KHz um 3 dB ab,
da mir die Hi-Hat und die Becken etwas zu scharf waren.
Bei den Loops der drei Stylus-Plug-ins reduzierte ich die
tiefen Frequenzen unterhalb von 75 Hz mit eine Shelf-EQ, um tieffrequente
Überlagerungen mit der Bassdrum zu vermeiden.
Der Bass-Synthesizer klang für sich unauffällig. Er doppelte
praktisch die linke Hand des Pianisten. Ich komprimierte ihn mit einer Ratio
von 2:1 etwa um 4 dB.
Mein nächstes Thema waren die akustischen Gitarren. Ich
hörte beide zusam-men solo ab und prüfte, ob es Störgeräusche und
Asynchronitäten gab.
Ich bin kein Fan von perfektionistischer Präzision, daher
lasse ich kleine Unge-nauigkeiten durchaus unbearbeitet. Mir ist es lieber,
wenn es etwas klappert, als dass es tot-quantisiert wird. Aber das ist sicher
auch eine Frage des Musik¬stils. An Stellen, die jedoch große Differenzen in
der Phrasierung aufwiesen, oder bei kleinen Verspielern griff ich ein, indem
ich den gleichen Part aus einer anderen Stelle des Titels an die
„Problemstelle" kopierte.
Akustische Gitarren sollten auf jeden Fall komprimiert
werden, um sie präsent werden zu lassen. Bei diesem Titel sind sie ein
tragendes Element des Rhyth-mus. Mit der Kompressionsrate bin ich vorsichtig.
Gern hätte ich dort etwas kräftiger eingegriffen. Durch die Transienten
(schnelle Attacks) der akustischen Gitarren macht sich aber eine
Überkompression leider sehr schnell mit einem pumpenden Sound bemerkbar.
Die E-Gitarre benötigte nur wenig Bearbeitung. Ich
komprimierte sie nur etwas und senkte mit einem Equalizer 200 Hz breitbandig um
2 dB ab. Außerdem installierte ich einen Reverb in einem Bus-Kanal. Dies würde
mein Bus 1 sein. Damit konnte ich nun (zumindest theoretisch) mit dem Bus-Send
1 jeden Kanal-zug etwas Hallanteil hinzufügen. Ich verwendete einen
Plate-Reverb mit 1,7 Sekunden Länge aus dem Logic-Space-Designer. Plates
besitzen die schöne Eigenschaft, einen Sound nur sehr wenig einzufärben.
Das Gitarrensolo komprimierte ich beherzt mit einer Ratio
von 4:1 und einem Threshold von 14 dB, da ein paar unschöne Resonanzen bei 200
Hz zu besei-tigen waren. Nach einiger Abwägung entschied ich mich gegen meinen
Lieb-lingsbreitmacher, den Spreader. Stattdessen fügte ich reichlich Reverb und
ein k-äftiges Stereo-Delay hinzu.
Bei den Synthesizern und dem Piano gab es nur wenig zu tun.
Abgesehen von dem Spreader auf dem Pro 53 beließ ich die Synthesizer und das
Piano original und wendete nur eine vorsichtige Komprimierung an. Der Reverb
für das Piano ist obligatorisch.
Danach war es an der Zeit, sich ausgiebig mit dem
Lead-Gesang zu beschäf-tigen. Zunächst hörte ich die Spur einmal komplett durch
und achtete auf Störgeräusche und die korrekten Übergänge zwischen den
einzelnen Takes. Überflüssiges beseitigte ich mit der Mute-Automation. Außerdem
überprüfte ich nochmals, ob in jedem Part der richtige Take ausgewählt war.
Zur Klangbearbeitung der Stimme verwendete ich den
Gliss-Equalizer von Voxengo, den Fairchild Kompressor von UAD, und am Ende der
Bearbeitungs-kette schaltete ich den Elephant-Limiter von Voxengo hinzu, um die
Stimme richtig im Vordergrund zu positionieren.
Mit dem Gliss-Equalizer hob ich 8.000 Hz breitbandig um 1 dB
an. Mit dem Fairchild komprimierte ich die Stimme etwa um 4 bis 6 dB. Die
Einstellung für den Limiter würde ich im Ablauf der Mixdown Session mehrfach
ändern. Ich suchte den besten Kompromiss zwischen der richtigen Lautheit und
der not-wendigen Dynamik.
Feinabgleich
Nun hatte ich nur noch die einzelnen Instrumente und die
Stimme in das rich¬tige Verhältnis zu setzen. Nach meiner Vorstellung hat jedes
Instrument seinen Auftritt, um sich dann wieder in den Gesamtklang einzufügen.
Jedes Instrument erhält einen zugewiesenen Platz im Gesamtklang. Die Feinarbeit
am Gesamtar-rangement dauerte bei diesem Titel mindestens noch einmal so lange
wie der bisherige Mixdown der einzelnen Spuren. Allein die
Hüllkurven-Program-mierung des Korg-Flächensounds beschäftigte mich eine ganze
Weile. Der dynamische Verlauf dieses Sounds schafft eine schöne Atmosphäre
durch sein Kommen und Gehen. So ist er beispielsweise zu Beginn der ersten
Stro¬phe ganz aus, um sich danach leise wieder aufzubauen. Die Rhythmusgitarren
kommen erstmalig in der zweiten Strophe ins Bild.
Ich höre grundsätzlich über verschiedene Monitorsysteme ab
und höre den Mix auch vom Flur aus mit geöffneter Studiotür. Ich vergleiche
zusätzlich ähnliche Songs anderer Interpreten. Irgendwann habe ich dann das
Gefühl, dass alles getan ist.
Mastering
Ich zwang mich, ein paar Tage Abstand zu dem Titel zu
bekommen, hörte ihn nach Beendigung des Mixdowns fast eine Woche lang nicht.
Als ich mich dem Song wieder näherte, um ihn zu mastern, war ich froh, dass ich
kein Bedürfnis spürte, nochmals in den Mix einzugreifen. Alles schien okay zu
sein.
In der Mastering-Session perfektionierte ich den Gesamtsound
mit kleinen Edits. Ich ließ den Titel über meine Studer-Bandmaschine laufen,
gab mit einem Avalon-EQ ein klein wenig Höhen ab 10.000 Hz hinzu und
limitierteden Gesamt-sound, soweit es notwendig war, um eine angemessene
Lautheit zu erhalten. Der Sound der Bandmaschine unterstützt den analogen
Klangcharakter, den ich mir für diesen Titel vorstellte und er schafft eine
schöne Tiefenstaffelung, vor allem im unteren Frequenzbereich.
Ich masterte eine Vocal-Up- und eine Vocal-Down-Version, um
dem Künstler zwei Optionen für seine Gesangslautstärke zu bieten. Die letzte
Tat war das Mastering des Playbacks. Vieleicht würde es für einen Live-Auftritt
oder für die erneute Produktion des Titels in englischer Sprache benötigt.
Am folgenden Tag freute ich mich über das Lächeln im Gesicht
meines Kunden.
Musikproduktion – ein Produktionsbeispiel
Author D.Selzer-McKenzie
https://youtu.be/dpjXilI9Jak
Der Künstler kam mit einer beinahe fertigen Komposition zu
mir. Die harmo-nische Struktur und die dazugehörige Gesangsmelodie standen
schon fest. Außerdem war der Text fast vollständig ausgearbeitet. Meine Aufgabe
lautete, den Titel zu produzieren, aufzunehmen, zu arrangieren, zu mischen und
zu mastern.
Im ersten Schritt nahm ich eine Demo-Version auf. Der
Künstler spielte die Harmonien auf einer akustischen Gitarre und sang dazu
quasi live. Auf meinen Wunsch hin tat er dies zu einem Metronom, das ich zuvor
eingerichtet hatte. Dazu verwendete ich ein Drum-Plug-in (EZ Drummer), mit dem
ich einen ein-fachen Rhythmus programmierte. Die Bassdrum setzte ich auf 1 und
3 und die Snaredrum auf die 2 und 4. Hinzu kam eine Hi-Hat in Achtelnoten,
wobei die Downbeats etwas lauter sein sollten als die Offbeats dazwischen. Der
Rhyth-mus sollte ganz gerade sein, keine Synkopen, eben nur ein besserer Klick.
Zu diesem Rhythmus ließ ich den Musiker spielen. Wichtig
war, schon zu die-sem Zeitpunkt das Tempo für den Song zu bestimmen. Da das
Demo als Grund¬lage für das Arrangement des auszuarbeitenden Titels dienen
sollte, wäre eine spätere Änderung des Tempos relativ aufwendig gewesen. Es ist
zwar möglich, auch eine Audiospur im Tempo umrechnen zu lassen, aber je nach
Art des Instruments entstehen dabei hörbare Artefakte. Hätten wir uns während
der Produktion für ein anderes Tempo entschieden, hätten also alle bis dahin
ein¬gespielten Instrumente neu eingespielt werden müssen.
Maßgeblich für das Tempo war der Gesang. Vor allem der
Refrain sollte weder gehetzt noch lahm klingen. Nach mehreren Versuchen
entschieden wir uns für 68 BPM (Beats per Minute).
Guide-Spuren (Gesang und akustische Gitarre)
Zur Aufnahme verwendete ich ein Rode-K-2-Gesangsmikrofon mit
Röhren-technik und ein Rode NT 55 (mit Nierenkapsel) zur Aufnahme der
akustischen Gitarre. Da ich schon mehrfach erlebt hatte, dass am Ende einer
Produktion entschieden wurde, die Demo-Gesangsspur zumindest in manchen
Aus-schnitten im Endprodukt zu nutzen, verwendete ich große Sorgfalt auf die
Aufnahme der Stimme. Dazu gehörten die korrekte Ausrichtung der Mikrofone und
die richtige Positionierung des Poppschutzes zwischen dem Mikro und dem Sänger.
Als Aufnahmeformat wählte ich eine Sample-Rate von 44,1 kHz (Haustakt) mit
einer Auflösung von 24 Bit.
Ich nehme Gesang grundsätzlich ohne jeglichen Filter, ohne
Kompressor oder Limiterauf. Mit einer Auflösung von 24 Bit kann ich mir einen
großzügigen Head-room von circa 10 dB leisten, um bei eventuellen
Überraschungen (Pegelspit¬zen) keine Übersteuerung zu riskieren.
Umgehung der Latenz
Da ich bei einer Liveaufnahme keinerlei Latenz wahrnehmen
möchte, splitte ich das Mikrofonsignal. Mein Mikrofon-Vorverstärker (Focusrite
ISA One) besitzt einen digitalen und einen analogen Ausgang. Der digitale
Ausgang ist mit einem S/PDIF-Eingang meiner Audiokarte (Digidesign D003)
verbunden. Den analo¬gen Ausgang des Vorverstärkers schließe ich an mein
Mischpult an.
An diesem Mischpult ist auch ein Ausgang der Audiokarte
angeschlossen, über den der Rhythmus zu hören sein wird. Außerdem ist über
einen Aux-Send ein Effektgerät angeschlossen. Der Sänger wünschte sich, etwas
Reverb auf der Stimme zu hören. Mit meinem Setup kann ich am Pult die
Lautstärkever-hältnisse von Beat und Stimme sowie den Effekt-Anteil des Halls
regeln, ohne dabei den Aufnahmepegel der Stimme berücksichtigen zu müssen.
Ich möchte unbedingt vermeiden, das aufzunehmende Signal
durch den Rech-ner hören zu müssen. Auch kleinste Verzögerungen zwischen dem
wieder-gegebenen Signal und der Aufnahme können dazu führen, dass der Sänger
„untight" singt. Er kann mit einer wahrnehmbaren Latenz (Verzögerung)
defini-tiv nicht exakt auf dem Beat singen.
Das Signal der Gitarre nahm ich sozusagen ungehört auf.
Hierfür verwendete ich einen weiteren Kanal meines analogen Mischpults und
leitete das Signal
über einen anderen Bus zur Audiokarte des Rechners. Da die
Gitarre auch über das Gesangsmikrofon gut hörbar sein würde, benötigte ich
hierbei kein zusätzliches Monitoring.
Nach mehreren Aufnahmen hörten wir die drei letzten
Versionen gemeinsam an. Zum Abhören rücke ich die aufgezeichneten Takes in
meiner DAW auf extra dafür vorkonfigurierte Spuren. Ich habe mir angewöhnt, in
jeden Wiedergabe¬kanal einen Equalizer und einen Kompressor einzuschleifen. Um
den Sound beim Abhören etwas zu optimieren, regelte ich sowohl für die Gitarre
als auch für den Gesang beim Kompressor die Ratio auf 4:1 bei einem Threshold
von circa 8 dBFS und gab über einen Bus etwas Reverb hinzu. Wir entschieden uns
schließlich nach mehrfachem Anhören für die zuletzt aufgenommene Version.
Aufnahme des Basses
Mit dem Demo ließ mich der Künstler nun einige Tage allein
arbeiten. Als näch-sten Schritt wollte ich einen Bass einspielen. Ich ging
dabei nicht davon aus, dass es eine endgültige Aufnahme sein würde, sondern er
sollte zunächst eine Grundlage für den Gesamtklang geben. Der Bass untermauerte
die harmo-nische Struktur und vervollständigte das Klangbild. Am Ende des
Produkti-onsprozesses, wenn alle Feinheiten ausgearbeitet sind, sollte der Bass
nocheinmal exakt mit allen harmonischen und rhythmischen Feinheiten
aufgenom-men werden. Obwohl ich den Bass zunächst von Hand mit meinem Music Man
einspielte, entschied ich mich im späteren Verlauf der Produktion für einen
Synthesizer-Sound, einen „Fingered Double Bass" des Sculpture-Plug-ins.
Dieser Sound klingt für sich relativ unspektakulär, er funktionierte aber
hervor-ragend im Zusammenspiel mit dem später arrangierten Piano.
Aufnahme der ersten
Gitarren
Als Nächstes schnallte ich mir meine Gitarre um und begann
zu spielen. Da mir durch den Bass, den Gesang und die akustische Gitarre die
Betonung auf den schweren Taktzeiten (1 und 3) zu stark erschien, arbeitete ich
eine kleine Arpeg¬gio-Figur aus, die auf der „2 und" begann. Diese Figur
nahm ich mit mehreren Signalen gleichzeitig auf. Das war erstens das original
Stratocaster-Signal mei¬ner Gitarre, verstärkt über einen Engl-Amp und eine 4 x
12 Marshallbox. Die Box stand dabei im Aufnahmeraum, sodass ich nur das
mikrofonierte Signal über das analoge Mischpult hörte und komfortabel über
einen Stereo-Bus, verbunden mit der Audiokarte des Rechners, aufnehmen konnte.
Einen Lautsprecher der Box nahm ich mit einem Shure SM57
auf, für den zweiten Lautsprecher nahm ich ein R de NT1 Mikrofon. Beide Mikros
waren so positioniert, dass sie sich im exakt gleichen Abstand zu den Lautsprechern
befanden, um Phasenprobleme zu vermeiden. Die beiden Mikrosignale
posi-tionierte ich ganz links und rechts außen, um auf diese Weise ein echtes
Stereo-Signal zu erhalten.
Das zweite Stereo-Signal erzeugte mein Gitarrenprozessor
Roland VG-99. Meine Gitarre besitzt einen zusätzlichen Roland GK-3 Pickup, über
den das VG-99 angesteuert wird. Ich entschied mich für einen glockenartigen
Synthe¬sizer-Sound. Da die VG-99 Sounds nicht über MIDI ansteuerbar sind, war
die Wahl dieses Sounds verbindlich. Es ist nicht möglich, ihn im Nachhinein zu
ändern.
Das dritte Signal, das ich aufnahm, war ein MIDI-Signal, das
der GK-3 ausgab. Mit diesem MIDI-Signal würde ich später jeden beliebigen
Synthesizer-Sound der DAW ansteuern können. Dieses Signal ließ ich bei der
Aufnahme ungehört (allein schon weil die MIDI-Latenz riesig war).
Keyboards
Auf der Suche nach einem schönen Flächensound durchforste
ich häufig diverse Software-Synthesizer-Bänke in Logic und in meiner
Native-Instru¬ments-Datenbank. Ich wählte in diesem Fall einen weichen
Flächensound aus dem Pro 53 (PWM-Strings), der einen langsam aufgehenden
Resonanzfilter enthält. Der Filter gefiel mir, weil auch er die Aufmerksamkeit
auf die unbeton¬ten Taktzeiten lenkt. Um den Flächensound noch etwas luftiger
zu gestalten, verwendete ich im Kanalzug den Spreader, ein Modulationseffekt
aus dem Logic-Sortiment.
Mit dem Logic-Equalizer im Kanalzug hob ich 3,5 kHz und 10
kHz um jeweils 2 dB an. Da mir dieser Sound allein etwas zu schwach erschien, suchte
ich nun einen weiteren Flächensound als Ergänzung, vor allem für den unteren
Frequenzbereich. Ich fand ihn im Korg M 50. Dieses Instrument dient mir in
erster Linie als Keyboard-Tastatur. Hin und wieder findet sich aber auch dort
ein schöner Atmo-Sound oder ein Piano-Klang. Ich kopierte die MIDI-Daten auf
eine Spur, von der aus ich den Korg angesteuerte. Mit einem Sound namens
„Flutter Pad" fand ich die ideale Ergänzung.
Ebenfalls mit dem Korg spielte ich ein einfaches Piano ein.
Mit diesem Ste¬reo-Konzert-Piano-Sound unterstütze ich die Grundharmonien. Ich
spielte die Harmonien in den Sequencer und editierte danach meine Spielfehler.
Den Piano-Sound und den Flutter-Pad-Sound aus dem Korg überspielte ich als
Stereo-Audiofiles in die DAW, damit ich im internen Mixer Zugriff darauf hatte.
Das war aber erst ab dem Moment sinnvoll, an dem ich absolute Klarheit über das
Arrangement des Titels erlangt hatte. Mein nächstes Thema lautete jetzt:
Verfeinerung der Drums
Zu meinen Lieblingswerkzeugen gehört die Stylus-Drum-Software.
Da deren Loops sehr prägnant und wiedererkennbar sind, vermeide ich es, den
Haupt-rhythmus eines Titels auf einem Stylus-Groove aufzubauen. Ich verwende
den Stylus in diesem Fall nur, um kleine perkussive Bewegungen zu generieren.
Mit einem Equalizer filterte ich die tieffrequenten Anteile
heraus, um Überlage-rungen mit Bass und Bass-Drum zu vermeiden. Außerdem nahm
ich einige Ver-änderungen in der original MIDI-Programmierung vor, sodass der
verwendete Loop nicht zu statisch wirkte.
Für den Hauptrhythmus des Stücks verwendete ich den EZ
Drummer. Dieses Programm stellt nicht nur sehr gute Samples mehrerer Drum-Kits
zur Verfü¬gung, sondern es bietet auch eine Reihe von MIDI-Files, die
verschiedene Rhythmen beinhalten. Ich entschied mich für einen Groove, der in
mehreren Variationen vorhanden war. Für Strophe und Refrains verwendete ich
Files mit unterschiedlich offen gespielter Hi-Hat. Da mir in dem original
MIDI-File für die Strophe die Bassdrum zu unruhig war, löschte ich einige
einzelne Schläge. Mit dem internen Mischpult vom EZ-Drummer wählte ich das
richtige Lautstärke-verhältnis zwischen Bassdrum, Snaredrum, Hi-Hat und den
Toms, und expe-rimentierte mit der Lautstärke des zusätzlichen (virtuellen)
Raummikrofons. Diese Lautstärkeverhältnisse veränderte ich im Laufe der
weiteren Produktion noch einige Male.
Für den Refrain und das Gitarrensolo programmierte ich zwei
zusätzliche Sty-lus-Loops, um die einzelnen musikalischen Abschnitte
voneinander abzugren-zen. Das Stylus-Plug-in setzte ich außerdem ein, um eine
Einzelspur mit Crash-Becken und eine Spur mit einer zusätzlichen Hi-Hat für die
Bridge einzurichten.
Akustische Gitarren
Da die ursprüngliche Version des Titels mit nur einer
Westerngitarre und einer Stimme sehr gut funktionierte, wollte ich im
Arrangement auf einen akustischen Gitarrensound mit Stahlsaiten nicht
verzichten. Ich wählte den einfachen Weg, ließ die Mikrofone im Schrank und
nahm ausschließlich das Direktsignal des Piezo-Pickups meiner Westerngitarre
über das Mischpult auf. Das Playback lasse ich üblicherweise bei der Aufnahme
über die Studio-Monitore relativ leise ablaufen, die akustische Gitarre höre
ich auch ohne Kopfhörer. Die wichtigste Grundregel bei
Rhythmusgitarren-Arrangements lautet für mich „Doppeln". Also legte ich
die rhythmische Phrasierung genau fest und spielte die Gitarre zweimal
möglichst identisch ein.
E-Gitarren in der Strophe
Da mir die bereits aufgenommen Gitarren mit der kleinen
Figur noch nicht kräftig genug erschienen, spielte ich für die Strophen mit
einer Strat und ange-zerrtem Sound eine weitere Rhythmusgitarre ein - auch
diese wurde natürlich gedoppelt.
Gitarre im Refrain
Für den Refrain stellte ich mir eine relativ stark verzerrte
Gitarre vor, die im Hintergrund einen flächenähnlichen Sound geben sollte.
Dafür drehte ich den Engl-Vorverstärker ziemlich weit auf und spielte mit einer
PRS mit Humbucker-Pickups die Akkorde für den Refrain ein. Selbstverständlich
war auch hier wieder das Doppeln Pflicht.
Gitarrensolo
Das Einspielen des Gitarrensolos ist immer eine „lustvolle
Quälerei". Ich spielte den Part einige Male, um eine Anfangsmelodie zu
komponieren. Nach diesem arrangierten Teil sollte ein improvisierter Part
folgen, der bei jedem Versuch einen unterschiedlichen Verlauf nahm. Den Schlussteil
des Solos komponierte ich wieder, um einen definierten Ausklang zu erhalten.
Nach einer guten Stunde (und drei Bier) war das Solo mit nur einem einzigen
Schnitt im Kasten.
Gesangsaufnahme
Jetzt war es an der Zeit mit dem Arrangement zufrieden war
und die wichtigster Sounds an ihrem Platz waren, wurde der Künstler wieder
eingebunden. Zu meiner Freude gab es eine große Übereinstimmung und nur kleine
Änderungs-wünsche hinsichtlich des Arrangements.
Jetzt war es an der Zeit, den Gesang aufzunehmen. Bei einer
Gesangsauf-nahme habe ich auf zwei wesentliche Dinge zu achten. Erstens: Der
Sänger sollte sich unbedingt wohl in der Aufnahme-Umgebung fühlen. Dazu gehör:
die richtige Raumtemperatur, die Bereitstellung der richtigen Getränke und vor
allem der perfekte Sound im Kopfhörer. Dieser Sound ist nicht zwangsläu¬fig der
perfekte Mixdown, sondern der Stimmensound sollte verhältnismäßig laut hörbar
sein. Zweitens: Meine Aufgabe ist es, Übersteuerungen auf jeder Fall zu
vermeiden. Digitales Clipping ist ärgerlich und irreversibel. Bei
eine-Auflösung von 24 Bit ist es überhaupt kein Problem, ein unterpegeltes
Signa aufzunehmen.
Etwas umständlich ist das „Droppen" (Einsteigen mit der
Aufnahme in einzelre Gesangspassagen). Da wir bei der Aufnahme (wie
beschrieben) den eiger:-lichen Aufnahmekanal in Logic stumm geschaltet hatten,
war es notwend,c die eben entstandene Aufnahme auf eine Wiedergabespur zu
schieben
sie hörbar zu machen. Zum Droppen muss bei der Aufnahme eine
direkte Abhörmöglichkeit geschaffen werden. Es ist zu kontrollieren, was man
aufge-nommen hat, und es ist festzulegen, an welcher Stelle genau, es notwendig
ist, in die Aufnahme neu einzusteigen. Um zu wissen, wo wir uns in der Aufnahme
befanden, legte ich mir den Text zur Seite und schrieb die Timecode-Zeiten
beziehungsweise die Takte an einige Textzeilen.
Wir nahmen mehrere Versionen des Liedgesangs auf, um
genügend Material zur Auswahl zu haben. Bei diesem Titel war die Auswahl
überschaubar, da es keine Chorstimmen oder Dopplungen gab. Die ausgewählten Passagen
mar-kierte ich mit gleicher Farbe.
Arrangement und
Philosophie
Jeder Produzent hat seine eigene Philosophie. Mein
vorrangiges Ziel ist es, den Zuhörer bis zum Schluss des Titels zu fesseln.
Dazu bemühe ich mich, den Ablauf eines Titels in ständiger Bewegung zu halten.
Die zweite Strophe sollte etwas anders arrangiert sein als die erste.
Entsprechendes gilt für die Refrains. Das erreiche ich, indem einige Elemente
nur ein einziges Mal zu hören sind. Oder ich ändere die Zusammensetzung der
Instrumente. Bei diesem Titel variierte ich das Zusammenspiel von akustischer
Gitarre und E-Gitarre mit dem Roland VG-99 Sound sowie dem Synthesizer mit dem
Resonanzfilter.
Mit Hallräumen bringe ich Dreidimensionalität in den Sound.
Gerade Balla¬den bieten Platz für eine schöne Tiefenstaffelung der
verschiedenen Sounds. In diesem Fall mischte ich beispielsweise reichlich
Reverb zu den verzerrten Gitarren, um sie in die Tiefe des Gesamtklangs zu
bringen.
Mixdown
Nachdem alle Aufnahmen abgeschlossen waren, folgte der Mixdown
des Titels. Obwohl, wie so häufig im Laufe der Produktion, schon einige
Vorarbeiten geleistet worden waren, war es bei diesem Mix notwendig, sich mit
dem Sound jedes einzelnen Instruments noch einmal dezidiert zu beschäftigen.
Grundsätzlich verteile ich alle existierenden Spuren auf
verschiedene Sub-gruppen. Den Ausgang dieser Subgruppen route ich auf die
Master-Summe. In diesem Fall richtete ich eine Gruppe für die Drums ein, eine
für die akustischen Gitarren, eine für die E-Gitarren, eine für alle Synthesizer-Sounds,
eine für den Liedgesang und eine für den Bass (was nicht immer zwingend
notwendig ist,
Das neue Tonstudo
da er meist nur aus einer Spur besteht). Durch diese
Aufteilung schaffe ich mir die Möglichkeit, jede Gruppe mit einem einzigen
Fader in der Lautstärke zu kontrollieren, und ich habe die Option, mit einem
Equalizer den Gesamtsound der Gruppe noch etwas zu verändern.
Das EZ-Drummer Plug-in beinhaltet ein eigenes Mischpult.
Damit kann ich Einfluss auf das Lautstärkeverhältnis von Bassdrum, Snaredrum,
Hi-Hat, Toms und Becken legen. Außerdem gibt es ein zusätzliches
Stereo-Raummikro, das ich hinzumischen kann. Leider bietet dieses Pult nicht
die Möglichkeit, die einzelnen Instrumente separat zu filtern oder einen
externen Effekt hinzuzu-mischen. Das Verhältnis von Bassdrum und Snaredrum
gehört zu den Einstel-lungen, die ich sehr häufig im Mix verändere, bis ich die
perfekte Einstellung gefunden habe. Für diesen Mix hob ich im Kanalzug des EZ
Drummer 75 Hz um 2 dB an, um die tiefen Frequenzen der Bassdrum etwas zu
unterstützen. Außerdem senkte ich mit einem Shelf-Equalizer 10 KHz um 3 dB ab,
da mir die Hi-Hat und die Becken etwas zu scharf waren.
Bei den Loops der drei Stylus-Plug-ins reduzierte ich die
tiefen Frequenzen unterhalb von 75 Hz mit eine Shelf-EQ, um tieffrequente
Überlagerungen mit der Bassdrum zu vermeiden.
Der Bass-Synthesizer klang für sich unauffällig. Er doppelte
praktisch die linke Hand des Pianisten. Ich komprimierte ihn mit einer Ratio
von 2:1 etwa um 4 dB.
Mein nächstes Thema waren die akustischen Gitarren. Ich
hörte beide zusam-men solo ab und prüfte, ob es Störgeräusche und
Asynchronitäten gab.
Ich bin kein Fan von perfektionistischer Präzision, daher
lasse ich kleine Unge-nauigkeiten durchaus unbearbeitet. Mir ist es lieber,
wenn es etwas klappert, als dass es tot-quantisiert wird. Aber das ist sicher
auch eine Frage des Musik¬stils. An Stellen, die jedoch große Differenzen in
der Phrasierung aufwiesen, oder bei kleinen Verspielern griff ich ein, indem
ich den gleichen Part aus einer anderen Stelle des Titels an die
„Problemstelle" kopierte.
Akustische Gitarren sollten auf jeden Fall komprimiert
werden, um sie präsent werden zu lassen. Bei diesem Titel sind sie ein
tragendes Element des Rhyth-mus. Mit der Kompressionsrate bin ich vorsichtig.
Gern hätte ich dort etwas kräftiger eingegriffen. Durch die Transienten
(schnelle Attacks) der akustischen Gitarren macht sich aber eine
Überkompression leider sehr schnell mit einem pumpenden Sound bemerkbar.
Die E-Gitarre benötigte nur wenig Bearbeitung. Ich
komprimierte sie nur etwas und senkte mit einem Equalizer 200 Hz breitbandig um
2 dB ab. Außerdem installierte ich einen Reverb in einem Bus-Kanal. Dies würde
mein Bus 1 sein. Damit konnte ich nun (zumindest theoretisch) mit dem Bus-Send
1 jeden Kanal-zug etwas Hallanteil hinzufügen. Ich verwendete einen
Plate-Reverb mit 1,7 Sekunden Länge aus dem Logic-Space-Designer. Plates
besitzen die schöne Eigenschaft, einen Sound nur sehr wenig einzufärben.
Das Gitarrensolo komprimierte ich beherzt mit einer Ratio
von 4:1 und einem Threshold von 14 dB, da ein paar unschöne Resonanzen bei 200
Hz zu besei-tigen waren. Nach einiger Abwägung entschied ich mich gegen meinen
Lieb-lingsbreitmacher, den Spreader. Stattdessen fügte ich reichlich Reverb und
ein k-äftiges Stereo-Delay hinzu.
Bei den Synthesizern und dem Piano gab es nur wenig zu tun.
Abgesehen von dem Spreader auf dem Pro 53 beließ ich die Synthesizer und das
Piano original und wendete nur eine vorsichtige Komprimierung an. Der Reverb
für das Piano ist obligatorisch.
Danach war es an der Zeit, sich ausgiebig mit dem
Lead-Gesang zu beschäf-tigen. Zunächst hörte ich die Spur einmal komplett durch
und achtete auf Störgeräusche und die korrekten Übergänge zwischen den
einzelnen Takes. Überflüssiges beseitigte ich mit der Mute-Automation. Außerdem
überprüfte ich nochmals, ob in jedem Part der richtige Take ausgewählt war.
Zur Klangbearbeitung der Stimme verwendete ich den
Gliss-Equalizer von Voxengo, den Fairchild Kompressor von UAD, und am Ende der
Bearbeitungs-kette schaltete ich den Elephant-Limiter von Voxengo hinzu, um die
Stimme richtig im Vordergrund zu positionieren.
Mit dem Gliss-Equalizer hob ich 8.000 Hz breitbandig um 1 dB
an. Mit dem Fairchild komprimierte ich die Stimme etwa um 4 bis 6 dB. Die
Einstellung für den Limiter würde ich im Ablauf der Mixdown Session mehrfach
ändern. Ich suchte den besten Kompromiss zwischen der richtigen Lautheit und
der not-wendigen Dynamik.
Feinabgleich
Nun hatte ich nur noch die einzelnen Instrumente und die
Stimme in das rich¬tige Verhältnis zu setzen. Nach meiner Vorstellung hat jedes
Instrument seinen Auftritt, um sich dann wieder in den Gesamtklang einzufügen.
Jedes Instrument erhält einen zugewiesenen Platz im Gesamtklang. Die Feinarbeit
am Gesamtar-rangement dauerte bei diesem Titel mindestens noch einmal so lange
wie der bisherige Mixdown der einzelnen Spuren. Allein die
Hüllkurven-Program-mierung des Korg-Flächensounds beschäftigte mich eine ganze
Weile. Der dynamische Verlauf dieses Sounds schafft eine schöne Atmosphäre
durch sein Kommen und Gehen. So ist er beispielsweise zu Beginn der ersten
Stro¬phe ganz aus, um sich danach leise wieder aufzubauen. Die Rhythmusgitarren
kommen erstmalig in der zweiten Strophe ins Bild.
Ich höre grundsätzlich über verschiedene Monitorsysteme ab
und höre den Mix auch vom Flur aus mit geöffneter Studiotür. Ich vergleiche
zusätzlich ähnliche Songs anderer Interpreten. Irgendwann habe ich dann das
Gefühl, dass alles getan ist.
Mastering
Ich zwang mich, ein paar Tage Abstand zu dem Titel zu
bekommen, hörte ihn nach Beendigung des Mixdowns fast eine Woche lang nicht.
Als ich mich dem Song wieder näherte, um ihn zu mastern, war ich froh, dass ich
kein Bedürfnis spürte, nochmals in den Mix einzugreifen. Alles schien okay zu
sein.
In der Mastering-Session perfektionierte ich den Gesamtsound
mit kleinen Edits. Ich ließ den Titel über meine Studer-Bandmaschine laufen,
gab mit einem Avalon-EQ ein klein wenig Höhen ab 10.000 Hz hinzu und
limitierteden Gesamt-sound, soweit es notwendig war, um eine angemessene
Lautheit zu erhalten. Der Sound der Bandmaschine unterstützt den analogen
Klangcharakter, den ich mir für diesen Titel vorstellte und er schafft eine
schöne Tiefenstaffelung, vor allem im unteren Frequenzbereich.
Ich masterte eine Vocal-Up- und eine Vocal-Down-Version, um
dem Künstler zwei Optionen für seine Gesangslautstärke zu bieten. Die letzte
Tat war das Mastering des Playbacks. Vieleicht würde es für einen Live-Auftritt
oder für die erneute Produktion des Titels in englischer Sprache benötigt.
Am folgenden Tag freute ich mich über das Lächeln im Gesicht
meines Kunden.
Musikproduktion – ein Produktionsbeispiel
Author D.Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Der Künstler kam mit einer beinahe fertigen Komposition zu
mir. Die harmo-nische Struktur und die dazugehörige Gesangsmelodie standen
schon fest. Außerdem war der Text fast vollständig ausgearbeitet. Meine Aufgabe
lautete, den Titel zu produzieren, aufzunehmen, zu arrangieren, zu mischen und
zu mastern.
Im ersten Schritt nahm ich eine Demo-Version auf. Der
Künstler spielte die Harmonien auf einer akustischen Gitarre und sang dazu
quasi live. Auf meinen Wunsch hin tat er dies zu einem Metronom, das ich zuvor
eingerichtet hatte. Dazu verwendete ich ein Drum-Plug-in (EZ Drummer), mit dem
ich einen ein-fachen Rhythmus programmierte. Die Bassdrum setzte ich auf 1 und
3 und die Snaredrum auf die 2 und 4. Hinzu kam eine Hi-Hat in Achtelnoten,
wobei die Downbeats etwas lauter sein sollten als die Offbeats dazwischen. Der
Rhyth-mus sollte ganz gerade sein, keine Synkopen, eben nur ein besserer Klick.
Zu diesem Rhythmus ließ ich den Musiker spielen. Wichtig
war, schon zu die-sem Zeitpunkt das Tempo für den Song zu bestimmen. Da das
Demo als Grund¬lage für das Arrangement des auszuarbeitenden Titels dienen
sollte, wäre eine spätere Änderung des Tempos relativ aufwendig gewesen. Es ist
zwar möglich, auch eine Audiospur im Tempo umrechnen zu lassen, aber je nach
Art des Instruments entstehen dabei hörbare Artefakte. Hätten wir uns während
der Produktion für ein anderes Tempo entschieden, hätten also alle bis dahin
ein¬gespielten Instrumente neu eingespielt werden müssen.
Maßgeblich für das Tempo war der Gesang. Vor allem der
Refrain sollte weder gehetzt noch lahm klingen. Nach mehreren Versuchen
entschieden wir uns für 68 BPM (Beats per Minute).
Guide-Spuren (Gesang und akustische Gitarre)
Zur Aufnahme verwendete ich ein Rode-K-2-Gesangsmikrofon mit
Röhren-technik und ein Rode NT 55 (mit Nierenkapsel) zur Aufnahme der
akustischen Gitarre. Da ich schon mehrfach erlebt hatte, dass am Ende einer
Produktion entschieden wurde, die Demo-Gesangsspur zumindest in manchen
Aus-schnitten im Endprodukt zu nutzen, verwendete ich große Sorgfalt auf die
Aufnahme der Stimme. Dazu gehörten die korrekte Ausrichtung der Mikrofone und
die richtige Positionierung des Poppschutzes zwischen dem Mikro und dem Sänger.
Als Aufnahmeformat wählte ich eine Sample-Rate von 44,1 kHz (Haustakt) mit
einer Auflösung von 24 Bit.
Ich nehme Gesang grundsätzlich ohne jeglichen Filter, ohne
Kompressor oder Limiterauf. Mit einer Auflösung von 24 Bit kann ich mir einen
großzügigen Head-room von circa 10 dB leisten, um bei eventuellen
Überraschungen (Pegelspit¬zen) keine Übersteuerung zu riskieren.
Umgehung der Latenz
Da ich bei einer Liveaufnahme keinerlei Latenz wahrnehmen
möchte, splitte ich das Mikrofonsignal. Mein Mikrofon-Vorverstärker (Focusrite
ISA One) besitzt einen digitalen und einen analogen Ausgang. Der digitale
Ausgang ist mit einem S/PDIF-Eingang meiner Audiokarte (Digidesign D003)
verbunden. Den analo¬gen Ausgang des Vorverstärkers schließe ich an mein
Mischpult an.
An diesem Mischpult ist auch ein Ausgang der Audiokarte
angeschlossen, über den der Rhythmus zu hören sein wird. Außerdem ist über
einen Aux-Send ein Effektgerät angeschlossen. Der Sänger wünschte sich, etwas
Reverb auf der Stimme zu hören. Mit meinem Setup kann ich am Pult die
Lautstärkever-hältnisse von Beat und Stimme sowie den Effekt-Anteil des Halls
regeln, ohne dabei den Aufnahmepegel der Stimme berücksichtigen zu müssen.
Ich möchte unbedingt vermeiden, das aufzunehmende Signal
durch den Rech-ner hören zu müssen. Auch kleinste Verzögerungen zwischen dem
wieder-gegebenen Signal und der Aufnahme können dazu führen, dass der Sänger
„untight" singt. Er kann mit einer wahrnehmbaren Latenz (Verzögerung)
defini-tiv nicht exakt auf dem Beat singen.
Das Signal der Gitarre nahm ich sozusagen ungehört auf.
Hierfür verwendete ich einen weiteren Kanal meines analogen Mischpults und
leitete das Signal
über einen anderen Bus zur Audiokarte des Rechners. Da die
Gitarre auch über das Gesangsmikrofon gut hörbar sein würde, benötigte ich
hierbei kein zusätzliches Monitoring.
Nach mehreren Aufnahmen hörten wir die drei letzten
Versionen gemeinsam an. Zum Abhören rücke ich die aufgezeichneten Takes in
meiner DAW auf extra dafür vorkonfigurierte Spuren. Ich habe mir angewöhnt, in
jeden Wiedergabe¬kanal einen Equalizer und einen Kompressor einzuschleifen. Um
den Sound beim Abhören etwas zu optimieren, regelte ich sowohl für die Gitarre
als auch für den Gesang beim Kompressor die Ratio auf 4:1 bei einem Threshold
von circa 8 dBFS und gab über einen Bus etwas Reverb hinzu. Wir entschieden uns
schließlich nach mehrfachem Anhören für die zuletzt aufgenommene Version.
Aufnahme des Basses
Mit dem Demo ließ mich der Künstler nun einige Tage allein
arbeiten. Als näch-sten Schritt wollte ich einen Bass einspielen. Ich ging
dabei nicht davon aus, dass es eine endgültige Aufnahme sein würde, sondern er
sollte zunächst eine Grundlage für den Gesamtklang geben. Der Bass untermauerte
die harmo-nische Struktur und vervollständigte das Klangbild. Am Ende des
Produkti-onsprozesses, wenn alle Feinheiten ausgearbeitet sind, sollte der Bass
nocheinmal exakt mit allen harmonischen und rhythmischen Feinheiten
aufgenom-men werden. Obwohl ich den Bass zunächst von Hand mit meinem Music Man
einspielte, entschied ich mich im späteren Verlauf der Produktion für einen
Synthesizer-Sound, einen „Fingered Double Bass" des Sculpture-Plug-ins.
Dieser Sound klingt für sich relativ unspektakulär, er funktionierte aber
hervor-ragend im Zusammenspiel mit dem später arrangierten Piano.
Aufnahme der ersten
Gitarren
Als Nächstes schnallte ich mir meine Gitarre um und begann
zu spielen. Da mir durch den Bass, den Gesang und die akustische Gitarre die
Betonung auf den schweren Taktzeiten (1 und 3) zu stark erschien, arbeitete ich
eine kleine Arpeg¬gio-Figur aus, die auf der „2 und" begann. Diese Figur
nahm ich mit mehreren Signalen gleichzeitig auf. Das war erstens das original
Stratocaster-Signal mei¬ner Gitarre, verstärkt über einen Engl-Amp und eine 4 x
12 Marshallbox. Die Box stand dabei im Aufnahmeraum, sodass ich nur das
mikrofonierte Signal über das analoge Mischpult hörte und komfortabel über
einen Stereo-Bus, verbunden mit der Audiokarte des Rechners, aufnehmen konnte.
Einen Lautsprecher der Box nahm ich mit einem Shure SM57
auf, für den zweiten Lautsprecher nahm ich ein R de NT1 Mikrofon. Beide Mikros
waren so positioniert, dass sie sich im exakt gleichen Abstand zu den Lautsprechern
befanden, um Phasenprobleme zu vermeiden. Die beiden Mikrosignale
posi-tionierte ich ganz links und rechts außen, um auf diese Weise ein echtes
Stereo-Signal zu erhalten.
Das zweite Stereo-Signal erzeugte mein Gitarrenprozessor
Roland VG-99. Meine Gitarre besitzt einen zusätzlichen Roland GK-3 Pickup, über
den das VG-99 angesteuert wird. Ich entschied mich für einen glockenartigen
Synthe¬sizer-Sound. Da die VG-99 Sounds nicht über MIDI ansteuerbar sind, war
die Wahl dieses Sounds verbindlich. Es ist nicht möglich, ihn im Nachhinein zu
ändern.
Das dritte Signal, das ich aufnahm, war ein MIDI-Signal, das
der GK-3 ausgab. Mit diesem MIDI-Signal würde ich später jeden beliebigen
Synthesizer-Sound der DAW ansteuern können. Dieses Signal ließ ich bei der
Aufnahme ungehört (allein schon weil die MIDI-Latenz riesig war).
Keyboards
Auf der Suche nach einem schönen Flächensound durchforste
ich häufig diverse Software-Synthesizer-Bänke in Logic und in meiner
Native-Instru¬ments-Datenbank. Ich wählte in diesem Fall einen weichen
Flächensound aus dem Pro 53 (PWM-Strings), der einen langsam aufgehenden
Resonanzfilter enthält. Der Filter gefiel mir, weil auch er die Aufmerksamkeit
auf die unbeton¬ten Taktzeiten lenkt. Um den Flächensound noch etwas luftiger
zu gestalten, verwendete ich im Kanalzug den Spreader, ein Modulationseffekt
aus dem Logic-Sortiment.
Mit dem Logic-Equalizer im Kanalzug hob ich 3,5 kHz und 10
kHz um jeweils 2 dB an. Da mir dieser Sound allein etwas zu schwach erschien, suchte
ich nun einen weiteren Flächensound als Ergänzung, vor allem für den unteren
Frequenzbereich. Ich fand ihn im Korg M 50. Dieses Instrument dient mir in
erster Linie als Keyboard-Tastatur. Hin und wieder findet sich aber auch dort
ein schöner Atmo-Sound oder ein Piano-Klang. Ich kopierte die MIDI-Daten auf
eine Spur, von der aus ich den Korg angesteuerte. Mit einem Sound namens
„Flutter Pad" fand ich die ideale Ergänzung.
Ebenfalls mit dem Korg spielte ich ein einfaches Piano ein.
Mit diesem Ste¬reo-Konzert-Piano-Sound unterstütze ich die Grundharmonien. Ich
spielte die Harmonien in den Sequencer und editierte danach meine Spielfehler.
Den Piano-Sound und den Flutter-Pad-Sound aus dem Korg überspielte ich als
Stereo-Audiofiles in die DAW, damit ich im internen Mixer Zugriff darauf hatte.
Das war aber erst ab dem Moment sinnvoll, an dem ich absolute Klarheit über das
Arrangement des Titels erlangt hatte. Mein nächstes Thema lautete jetzt:
Verfeinerung der Drums
Zu meinen Lieblingswerkzeugen gehört die Stylus-Drum-Software.
Da deren Loops sehr prägnant und wiedererkennbar sind, vermeide ich es, den
Haupt-rhythmus eines Titels auf einem Stylus-Groove aufzubauen. Ich verwende
den Stylus in diesem Fall nur, um kleine perkussive Bewegungen zu generieren.
Mit einem Equalizer filterte ich die tieffrequenten Anteile
heraus, um Überlage-rungen mit Bass und Bass-Drum zu vermeiden. Außerdem nahm
ich einige Ver-änderungen in der original MIDI-Programmierung vor, sodass der
verwendete Loop nicht zu statisch wirkte.
Für den Hauptrhythmus des Stücks verwendete ich den EZ
Drummer. Dieses Programm stellt nicht nur sehr gute Samples mehrerer Drum-Kits
zur Verfü¬gung, sondern es bietet auch eine Reihe von MIDI-Files, die
verschiedene Rhythmen beinhalten. Ich entschied mich für einen Groove, der in
mehreren Variationen vorhanden war. Für Strophe und Refrains verwendete ich
Files mit unterschiedlich offen gespielter Hi-Hat. Da mir in dem original
MIDI-File für die Strophe die Bassdrum zu unruhig war, löschte ich einige
einzelne Schläge. Mit dem internen Mischpult vom EZ-Drummer wählte ich das
richtige Lautstärke-verhältnis zwischen Bassdrum, Snaredrum, Hi-Hat und den
Toms, und expe-rimentierte mit der Lautstärke des zusätzlichen (virtuellen)
Raummikrofons. Diese Lautstärkeverhältnisse veränderte ich im Laufe der
weiteren Produktion noch einige Male.
Für den Refrain und das Gitarrensolo programmierte ich zwei
zusätzliche Sty-lus-Loops, um die einzelnen musikalischen Abschnitte
voneinander abzugren-zen. Das Stylus-Plug-in setzte ich außerdem ein, um eine
Einzelspur mit Crash-Becken und eine Spur mit einer zusätzlichen Hi-Hat für die
Bridge einzurichten.
Akustische Gitarren
Da die ursprüngliche Version des Titels mit nur einer
Westerngitarre und einer Stimme sehr gut funktionierte, wollte ich im
Arrangement auf einen akustischen Gitarrensound mit Stahlsaiten nicht
verzichten. Ich wählte den einfachen Weg, ließ die Mikrofone im Schrank und
nahm ausschließlich das Direktsignal des Piezo-Pickups meiner Westerngitarre
über das Mischpult auf. Das Playback lasse ich üblicherweise bei der Aufnahme
über die Studio-Monitore relativ leise ablaufen, die akustische Gitarre höre
ich auch ohne Kopfhörer. Die wichtigste Grundregel bei
Rhythmusgitarren-Arrangements lautet für mich „Doppeln". Also legte ich
die rhythmische Phrasierung genau fest und spielte die Gitarre zweimal
möglichst identisch ein.
E-Gitarren in der Strophe
Da mir die bereits aufgenommen Gitarren mit der kleinen
Figur noch nicht kräftig genug erschienen, spielte ich für die Strophen mit
einer Strat und ange-zerrtem Sound eine weitere Rhythmusgitarre ein - auch
diese wurde natürlich gedoppelt.
Gitarre im Refrain
Für den Refrain stellte ich mir eine relativ stark verzerrte
Gitarre vor, die im Hintergrund einen flächenähnlichen Sound geben sollte.
Dafür drehte ich den Engl-Vorverstärker ziemlich weit auf und spielte mit einer
PRS mit Humbucker-Pickups die Akkorde für den Refrain ein. Selbstverständlich
war auch hier wieder das Doppeln Pflicht.
Gitarrensolo
Das Einspielen des Gitarrensolos ist immer eine „lustvolle
Quälerei". Ich spielte den Part einige Male, um eine Anfangsmelodie zu
komponieren. Nach diesem arrangierten Teil sollte ein improvisierter Part
folgen, der bei jedem Versuch einen unterschiedlichen Verlauf nahm. Den Schlussteil
des Solos komponierte ich wieder, um einen definierten Ausklang zu erhalten.
Nach einer guten Stunde (und drei Bier) war das Solo mit nur einem einzigen
Schnitt im Kasten.
Gesangsaufnahme
Jetzt war es an der Zeit mit dem Arrangement zufrieden war
und die wichtigster Sounds an ihrem Platz waren, wurde der Künstler wieder
eingebunden. Zu meiner Freude gab es eine große Übereinstimmung und nur kleine
Änderungs-wünsche hinsichtlich des Arrangements.
Jetzt war es an der Zeit, den Gesang aufzunehmen. Bei einer
Gesangsauf-nahme habe ich auf zwei wesentliche Dinge zu achten. Erstens: Der
Sänger sollte sich unbedingt wohl in der Aufnahme-Umgebung fühlen. Dazu gehör:
die richtige Raumtemperatur, die Bereitstellung der richtigen Getränke und vor
allem der perfekte Sound im Kopfhörer. Dieser Sound ist nicht zwangsläu¬fig der
perfekte Mixdown, sondern der Stimmensound sollte verhältnismäßig laut hörbar
sein. Zweitens: Meine Aufgabe ist es, Übersteuerungen auf jeder Fall zu
vermeiden. Digitales Clipping ist ärgerlich und irreversibel. Bei
eine-Auflösung von 24 Bit ist es überhaupt kein Problem, ein unterpegeltes
Signa aufzunehmen.
Etwas umständlich ist das „Droppen" (Einsteigen mit der
Aufnahme in einzelre Gesangspassagen). Da wir bei der Aufnahme (wie
beschrieben) den eiger:-lichen Aufnahmekanal in Logic stumm geschaltet hatten,
war es notwend,c die eben entstandene Aufnahme auf eine Wiedergabespur zu
schieben
sie hörbar zu machen. Zum Droppen muss bei der Aufnahme eine
direkte Abhörmöglichkeit geschaffen werden. Es ist zu kontrollieren, was man
aufge-nommen hat, und es ist festzulegen, an welcher Stelle genau, es notwendig
ist, in die Aufnahme neu einzusteigen. Um zu wissen, wo wir uns in der Aufnahme
befanden, legte ich mir den Text zur Seite und schrieb die Timecode-Zeiten
beziehungsweise die Takte an einige Textzeilen.
Wir nahmen mehrere Versionen des Liedgesangs auf, um
genügend Material zur Auswahl zu haben. Bei diesem Titel war die Auswahl
überschaubar, da es keine Chorstimmen oder Dopplungen gab. Die ausgewählten Passagen
mar-kierte ich mit gleicher Farbe.
Arrangement und
Philosophie
Jeder Produzent hat seine eigene Philosophie. Mein
vorrangiges Ziel ist es, den Zuhörer bis zum Schluss des Titels zu fesseln.
Dazu bemühe ich mich, den Ablauf eines Titels in ständiger Bewegung zu halten.
Die zweite Strophe sollte etwas anders arrangiert sein als die erste.
Entsprechendes gilt für die Refrains. Das erreiche ich, indem einige Elemente
nur ein einziges Mal zu hören sind. Oder ich ändere die Zusammensetzung der
Instrumente. Bei diesem Titel variierte ich das Zusammenspiel von akustischer
Gitarre und E-Gitarre mit dem Roland VG-99 Sound sowie dem Synthesizer mit dem
Resonanzfilter.
Mit Hallräumen bringe ich Dreidimensionalität in den Sound.
Gerade Balla¬den bieten Platz für eine schöne Tiefenstaffelung der
verschiedenen Sounds. In diesem Fall mischte ich beispielsweise reichlich
Reverb zu den verzerrten Gitarren, um sie in die Tiefe des Gesamtklangs zu
bringen.
Mixdown
Nachdem alle Aufnahmen abgeschlossen waren, folgte der Mixdown
des Titels. Obwohl, wie so häufig im Laufe der Produktion, schon einige
Vorarbeiten geleistet worden waren, war es bei diesem Mix notwendig, sich mit
dem Sound jedes einzelnen Instruments noch einmal dezidiert zu beschäftigen.
Grundsätzlich verteile ich alle existierenden Spuren auf
verschiedene Sub-gruppen. Den Ausgang dieser Subgruppen route ich auf die
Master-Summe. In diesem Fall richtete ich eine Gruppe für die Drums ein, eine
für die akustischen Gitarren, eine für die E-Gitarren, eine für alle Synthesizer-Sounds,
eine für den Liedgesang und eine für den Bass (was nicht immer zwingend
notwendig ist,
Das neue Tonstudo
da er meist nur aus einer Spur besteht). Durch diese
Aufteilung schaffe ich mir die Möglichkeit, jede Gruppe mit einem einzigen
Fader in der Lautstärke zu kontrollieren, und ich habe die Option, mit einem
Equalizer den Gesamtsound der Gruppe noch etwas zu verändern.
Das EZ-Drummer Plug-in beinhaltet ein eigenes Mischpult.
Damit kann ich Einfluss auf das Lautstärkeverhältnis von Bassdrum, Snaredrum,
Hi-Hat, Toms und Becken legen. Außerdem gibt es ein zusätzliches
Stereo-Raummikro, das ich hinzumischen kann. Leider bietet dieses Pult nicht
die Möglichkeit, die einzelnen Instrumente separat zu filtern oder einen
externen Effekt hinzuzu-mischen. Das Verhältnis von Bassdrum und Snaredrum
gehört zu den Einstel-lungen, die ich sehr häufig im Mix verändere, bis ich die
perfekte Einstellung gefunden habe. Für diesen Mix hob ich im Kanalzug des EZ
Drummer 75 Hz um 2 dB an, um die tiefen Frequenzen der Bassdrum etwas zu
unterstützen. Außerdem senkte ich mit einem Shelf-Equalizer 10 KHz um 3 dB ab,
da mir die Hi-Hat und die Becken etwas zu scharf waren.
Bei den Loops der drei Stylus-Plug-ins reduzierte ich die
tiefen Frequenzen unterhalb von 75 Hz mit eine Shelf-EQ, um tieffrequente
Überlagerungen mit der Bassdrum zu vermeiden.
Der Bass-Synthesizer klang für sich unauffällig. Er doppelte
praktisch die linke Hand des Pianisten. Ich komprimierte ihn mit einer Ratio
von 2:1 etwa um 4 dB.
Mein nächstes Thema waren die akustischen Gitarren. Ich
hörte beide zusam-men solo ab und prüfte, ob es Störgeräusche und
Asynchronitäten gab.
Ich bin kein Fan von perfektionistischer Präzision, daher
lasse ich kleine Unge-nauigkeiten durchaus unbearbeitet. Mir ist es lieber,
wenn es etwas klappert, als dass es tot-quantisiert wird. Aber das ist sicher
auch eine Frage des Musik¬stils. An Stellen, die jedoch große Differenzen in
der Phrasierung aufwiesen, oder bei kleinen Verspielern griff ich ein, indem
ich den gleichen Part aus einer anderen Stelle des Titels an die
„Problemstelle" kopierte.
Akustische Gitarren sollten auf jeden Fall komprimiert
werden, um sie präsent werden zu lassen. Bei diesem Titel sind sie ein
tragendes Element des Rhyth-mus. Mit der Kompressionsrate bin ich vorsichtig.
Gern hätte ich dort etwas kräftiger eingegriffen. Durch die Transienten
(schnelle Attacks) der akustischen Gitarren macht sich aber eine
Überkompression leider sehr schnell mit einem pumpenden Sound bemerkbar.
Die E-Gitarre benötigte nur wenig Bearbeitung. Ich
komprimierte sie nur etwas und senkte mit einem Equalizer 200 Hz breitbandig um
2 dB ab. Außerdem installierte ich einen Reverb in einem Bus-Kanal. Dies würde
mein Bus 1 sein. Damit konnte ich nun (zumindest theoretisch) mit dem Bus-Send
1 jeden Kanal-zug etwas Hallanteil hinzufügen. Ich verwendete einen
Plate-Reverb mit 1,7 Sekunden Länge aus dem Logic-Space-Designer. Plates
besitzen die schöne Eigenschaft, einen Sound nur sehr wenig einzufärben.
Das Gitarrensolo komprimierte ich beherzt mit einer Ratio
von 4:1 und einem Threshold von 14 dB, da ein paar unschöne Resonanzen bei 200
Hz zu besei-tigen waren. Nach einiger Abwägung entschied ich mich gegen meinen
Lieb-lingsbreitmacher, den Spreader. Stattdessen fügte ich reichlich Reverb und
ein k-äftiges Stereo-Delay hinzu.
Bei den Synthesizern und dem Piano gab es nur wenig zu tun.
Abgesehen von dem Spreader auf dem Pro 53 beließ ich die Synthesizer und das
Piano original und wendete nur eine vorsichtige Komprimierung an. Der Reverb
für das Piano ist obligatorisch.
Danach war es an der Zeit, sich ausgiebig mit dem
Lead-Gesang zu beschäf-tigen. Zunächst hörte ich die Spur einmal komplett durch
und achtete auf Störgeräusche und die korrekten Übergänge zwischen den
einzelnen Takes. Überflüssiges beseitigte ich mit der Mute-Automation. Außerdem
überprüfte ich nochmals, ob in jedem Part der richtige Take ausgewählt war.
Zur Klangbearbeitung der Stimme verwendete ich den
Gliss-Equalizer von Voxengo, den Fairchild Kompressor von UAD, und am Ende der
Bearbeitungs-kette schaltete ich den Elephant-Limiter von Voxengo hinzu, um die
Stimme richtig im Vordergrund zu positionieren.
Mit dem Gliss-Equalizer hob ich 8.000 Hz breitbandig um 1 dB
an. Mit dem Fairchild komprimierte ich die Stimme etwa um 4 bis 6 dB. Die
Einstellung für den Limiter würde ich im Ablauf der Mixdown Session mehrfach
ändern. Ich suchte den besten Kompromiss zwischen der richtigen Lautheit und
der not-wendigen Dynamik.
Feinabgleich
Nun hatte ich nur noch die einzelnen Instrumente und die
Stimme in das rich¬tige Verhältnis zu setzen. Nach meiner Vorstellung hat jedes
Instrument seinen Auftritt, um sich dann wieder in den Gesamtklang einzufügen.
Jedes Instrument erhält einen zugewiesenen Platz im Gesamtklang. Die Feinarbeit
am Gesamtar-rangement dauerte bei diesem Titel mindestens noch einmal so lange
wie der bisherige Mixdown der einzelnen Spuren. Allein die
Hüllkurven-Program-mierung des Korg-Flächensounds beschäftigte mich eine ganze
Weile. Der dynamische Verlauf dieses Sounds schafft eine schöne Atmosphäre
durch sein Kommen und Gehen. So ist er beispielsweise zu Beginn der ersten
Stro¬phe ganz aus, um sich danach leise wieder aufzubauen. Die Rhythmusgitarren
kommen erstmalig in der zweiten Strophe ins Bild.
Ich höre grundsätzlich über verschiedene Monitorsysteme ab
und höre den Mix auch vom Flur aus mit geöffneter Studiotür. Ich vergleiche
zusätzlich ähnliche Songs anderer Interpreten. Irgendwann habe ich dann das
Gefühl, dass alles getan ist.
Mastering
Ich zwang mich, ein paar Tage Abstand zu dem Titel zu
bekommen, hörte ihn nach Beendigung des Mixdowns fast eine Woche lang nicht.
Als ich mich dem Song wieder näherte, um ihn zu mastern, war ich froh, dass ich
kein Bedürfnis spürte, nochmals in den Mix einzugreifen. Alles schien okay zu
sein.
In der Mastering-Session perfektionierte ich den Gesamtsound
mit kleinen Edits. Ich ließ den Titel über meine Studer-Bandmaschine laufen,
gab mit einem Avalon-EQ ein klein wenig Höhen ab 10.000 Hz hinzu und
limitierteden Gesamt-sound, soweit es notwendig war, um eine angemessene
Lautheit zu erhalten. Der Sound der Bandmaschine unterstützt den analogen
Klangcharakter, den ich mir für diesen Titel vorstellte und er schafft eine
schöne Tiefenstaffelung, vor allem im unteren Frequenzbereich.
Ich masterte eine Vocal-Up- und eine Vocal-Down-Version, um
dem Künstler zwei Optionen für seine Gesangslautstärke zu bieten. Die letzte
Tat war das Mastering des Playbacks. Vieleicht würde es für einen Live-Auftritt
oder für die erneute Produktion des Titels in englischer Sprache benötigt.
Am folgenden Tag freute ich mich über das Lächeln im Gesicht
meines Kunden.
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