Dienstag, 16. Februar 2016

Tips zur Musikproduktion mit einer DAW


Tips zur Musikproduktion mit einer DAW

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/OB26hq6NHSA

 

Im Folgenden gebe ich ein paar Hinweise auf Vorgehensweisen, die bei der Pro¬duktion eines Musiktitels mit einer DAW hilfreich sein können. Sie beruhen auf persönlichen Erfahrungen. Ich möchte sie als Denkanstöße verstanden wissen. Es sind keine Gesetze, die bei Missachtung zwingend mit einem schlechten Sound bestraft werden.

1.        Aufbau eines Arrangements mit einem Schlagzeug-Element oder einem einfachen Rhythmus

Wenn man beginnt, einen Musiktitel mithilfe einer DAW zu komponieren und zu arrangieren, dann ist es sicherlich sinnvoll, mit einem rhythmischen Element zu beginnen. Das kann eine Hi-Hat sein, ein Drumloop oder ein einfach program¬miertes Schlagzeug, das einen rudimentären Rhythmus spielt. Mit so einem rhythmischen Element fällt es leichter, die musikalischen Parts in die DAW zu spielen. Solange man ausschließlich mit MIDI arbeitet, hat man jederzeit die Möglichkeit, das Tempo zu verändern. In dem Moment, in dem man eine Audioaufnahme vornimmt, sollte allerdings klar sein, in welchem Tempo der Titel sein soll. Bei einer modernen DAW wie Cubase oder Logic Pro kann man auch noch nach einer Audio-Aufnahme das Tempo umstellen. Es werden dann allerdings die vorhandenen Audiotracks auf das aktuelle Tempo umgerechnet, was je nach Ausmaß der Veränderung zu Klangeinbußen führen wird.

2.        Nur die Plug-ins verwenden, die man unbedingt benötigt

Plug-ins verschlingen Prozessorleistung. Wenn die CPU stark belastet wird, dann verlängert sich die Rechenzeit (Latenz) vieler gleichzeitig abzuarbeiten¬der Prozesse. Die Auswirkungen liegen zwar im Millisekundenbereich, aber auch schon kleinste Verzögerungen machen sich bei der Generierung eines Rhythmus unschön bemerkbar. Eine ordentliche DAW hat eine sogenannte Latenzkompensation, um dieses Problem zu beseitigen. Besitzt der verwen¬dete Host diese Funktion nicht, dann kann es beim gleichzeitigen Einsatz vieler Plug-ins unangenehm werden. Man wird gezwungen sein, nur so viele Unter-programme zu verwenden, wie unbedingt notwendig sind.

Aus musikalischer Sicht ist es sinnvoll, einen Sound nicht mehr zu verbiegen, als unbedingt notwendig. Selbstverständlich ist es notwendig, einen Equalizer zu verwenden, um das Frequenzspektrum des Sounds für den Mix zu opti¬mieren, aber bei einem EQ pro Kanalzug sollte es dann auch bleiben. Jedes

Problem, das mit vier EQ-Bändern nicht zu beseitigen ist, sollte anderweitig gelöst werden.

Beinahe jedes Instrument erhält mit etwas Kompression mehr Durchsetzungs¬kraft. Aber ein Kompressor plus Sidechain-Kompressor plus Brickwall-Limiter für einen einzelnen Sound lassen nicht mehr viel Musik übrig. Modulationsef-fekte wie Chorus, Phaser und Flanger sind prima Werkzeuge, um einen Sound interessanter und im Stereo-Panorama breiter klingen zu lassen, aber mehrere Effekte dieser Art für einen einzigen Sound stören sich in ihrer Wirkung gegen¬seitig.

Mein Tipp zur Reihenfolge: Erst kommt der Equalizer, dann je nach Bedarf der Modulationseffekt und am Ende der Kette der Kompressor.

3. Nur die musikalischen Elemente in einem Song verwenden, die eine klar definierte Funktion haben

Eine leistungsstarke DAW verleitet dazu, verschwenderisch mit musikalischen Elementen umzugehen. Jede noch so kleine Lücke im Arrangement wird nur zu gern geschlossen. Schnell finden sich in einem Arrangement so viele Sounds, wie ein Symphonie Orchester Musiker beherbergt. Die Kunst liegt aber meist im Weglassen, im Reduzieren auf das Wichtigste.

Jedes einzelne Element, jeder Sound benötigt seinen eigenen Platz, seinen eigenen Auftritt - wie der Musiker in einem Orchester. Die Positionierung kann man sich vorstellen wie das Einordnen in ein vierdimensionales Koordinaten¬system. Die vertikale Achse steht für das Frequenzspektrum. Unten befinden sich die Bässe, oben die Höhen. Die horizontale Achse steht für das Panorama. Links befindet sich alles, was aus der linken Box kommt, rechts alles, was aus der rechten Box kommt. Und die Mitte steht für die Sounds, die mono sind.

Die dritte Dimension bildet die räumliche Tiefe ab. Sie wird bestimmt durch den Hall-Anteil eines Instruments oder beispielsweise einer Stimme. Eine Stimme ohne jeglichen Halleffekt empfindet man als ganz nahe, praktisch vor der Nase. Versehe ich den Stimmensound mit einem Reverb, der ein langes Pre-Delay von 50 ms mitbringt, dann kommt die Stimme klanglich aus den Tiefen des

Die vierte Dimension ist die Zeit beziehungsweise der Augenblick, in dem das musikalische Element wahrgenommen wird. Das Gitarrensolo hat seinen Auf¬tritt, zieht die gesamte Aufmerksamkeit auf sich und macht danach wieder Platz für die Stimme. Songs, bei denen Schlagzeug, Bass, Gitarren, Keyboards. Stimmen und Soundeffekte vom ersten bis zum letzten Takt „durchdudeln". werden kaum besondere Höhepunkte aufweisen.

Mit diesem imaginären vierdimensionalen Koordinatensystem kann man jedes einzelne Element in einem Arrangement positionieren. Alles bekommt sei¬nen zugewiesenen Platz. Und was passiert, wenn sich drei, vier Sounds an derselben Position finden? Sie spielen zur selben Zeit, besetzten dasselbe Frequenzspektrum und sind räumlich nicht voneinander getrennt. Sie stehlen sich gegenseitig die Show und vermischen sich zu einem undifferenzierten Klangereignis.

Mit dieser Maßgabe im Kopf behält man bei einer Musikproduktion die Kon¬trolle über den Gesamtklang, und sie hilft, beim Mixdown einen ausgewoge¬nen, nicht überladenen Sound zu formen.

Wenn die amerikanischen Musikproduzenten eines beherrschen,

dann ist es die Kunst des Weglassens. Amerikanische R&B-Pro-

duktionen führen uns dies vor. Ein Song benötigt nicht mehr als zwei vielleicht drei Sound-Elemente, um wirklich groß zu klingen. Aber diese drei Elemente müssen zu 100 Prozent perfekt sitzen. Der Synthesi¬zer muss so klingen, als könnte man sich an der Stelle überhaupt nichts anders vorstellen. Und eines ist klar dabei: Diesen einen Sound zu finden und richtig zu formen, ist mindestens genau so aufwendig, wie einen Song mit 30 Plings und Plongs zu überfrachten.

4. Copy-Paste in Grenzen halten

In nahezu jeder Art von Musik besteht ein Arrangement aus einer Anzahl vor Wiederholungen. Das weiß jedes Kind. Durch Wiederholung wird ein Refrain erst eingängig. Wer einen Hit produzieren möchte, legt es darauf an, einen Song zum Mitsingen zu komponieren. Der Refrain kommt wieder und wieder, damit er ins Ohr geht. Die Copy-Paste-Funktion ist perfekt dafür. Man arrangiert eine Strophe und einen Refrain und bastelt aus diesen beiden Parts den ganzen Song. In der zweiten Strophe gibt es noch einen anderen Text, alles andere bleibt exakt gleich. Zweiter Refrain — ratzfatz. Dritter Refrain doppelt, fertig ist die Laube.

Wer allerdings ein anspruchsvolles Arrangement erstellen möchte, der wird sich etwas mehr Mühe geben müssen. Selbstverständlich gibt es musikali¬sche Ereignisse, die sich in ihren Funktionen wiederholen. Es gibt auch keinen Grund sie nicht zu kopieren, aber Musik sollte lebendig und abwechslungsreich wirken, oder?

Die Kunst liegt in der Feinarbeit. Nachdem man einen musikalischen Abschnitt kopiert hat, kann man ihn kreativ verändern. Das Schlagzeug spielt beispiels-weise im zweiten Refrain nicht mit der Hi-Hat, sondern dem Ride-Becken. Der Flächensound erhält im zweiten Refrain zusätzlich einen leicht modulierenden Resonanzfilter, oder die zweite Stimme singt eine etwas veränderte Gesangsli-nie. Die Kleinigkeiten machen in der Summe genommen den Unterschied aus.

5.        Farben zur Orientierung für Spuren verwenden

Wenn eine Musikproduktion immer umfangreicher wird, dann sind Orientie-rungshilfen nützlich: Alle Drumspuren gelb, die Bässe blau, Gitarren grün und so weiter. Das klingt trivial, hilft aber ungemein, wenn sich im Laufe einer Pro-duktion vierzig und mehr Spuren untereinander angesammelt haben.

6.        Nicht zu viele Modulationseffekte verwenden

Modulationseffekte wie Chorus, Phaser und Flanger sind prima Werkzeuge um einenSound interessanter, bewegter und dreidimensionaler wirken zu lassen. Sie sind sehr gut geeignet, um beispielsweise einen Gitarren- oder Synthesizer-Klang aus der virtuellen Mitte nach außen in das Stereo-Klangbild zu befördern. Einen Chorus kann man sehr schön einsetzten, um gesungene Stimmen schö-ner klingen zu lassen. Wie so oft wird auch der Einsatz dieser Effekte kritisch, wenn man mehrere Sounds in einem Mixdown mit ihnen versieht. Die sich addierenden kleinen Phasenverschiebungen und Filtereffekte vermischen sich in der Summe zu einem diffusen Klangbild, das um die Monosignale herum-wabert.

7.        Keine Modulationseffekte für Instrumente verwenden, die einen star¬ken Bassanteil haben

Modulationseffekte wie Chorus, Phaser und Flanger sind Effekte, die kleine sich ständig verändernde Phasenverschiebungen erzeugen. Das klingt interessant, bringt jedoch unweigerlich Phasenauslöschungen in den tiefen Frequenzen mit sich. Wenn man einen Bass-Sound mit solch einem Effekt versieht, dann verliert er an Druck und Durchsetzungskraft. Wem dieser Tatbestand bewusst ist, der kann damit spielen, indem er einen zweiten Bass installiert, der das Pro¬blem kompensiert. Das sollte man aber nur tun, wenn man ein Monitorsystem besitzt, das akustisch genau abbildet, was passiert.

8.        Nicht zu viele Delays verwenden

Es gibt gerade im EDM-Bereich Stilrichtungen, in denen Delays ein wichtiges Gestaltungswerkzeug sind. In den meisten DAWs gibt es Delay-Plug-ins, die auf Knopfdruck Echos erzeugen, die genau im Takt sind. Viertel-, Achtel- oder punktierte Grooves können so ganz einfach erzeugt werden. Das funktioniert einwandfrei. Wenn jedoch zu viele einzelne Elemente in einem Musiktitel damit versehen werden, dann führt das unweigerlich zu Konfusion im Sound. Obwohl die einzelnen Echos alle im Takt sind, kann in der Summe aller Delays leicht ein Durcheinander entstehen, da jeder Original-Sound eine eigene rhythmische Phrasierung hat. Diese unterschiedlichen Phrasierungen kämpfen nun in ihrer ständigen Wiederholung um die Vorherrschaft. Viel wirkungsvoller ist es, das Delay für nur einen einzelnen Sound zu verwenden, diesen Effekt richtig zu „zelebrieren" und, wenn es Zeit ist, einfach auszuschalten oder von einem anderen Instrument weiterführen zu lassen. Oftmals klingen Delays, die eben nicht genau im Vierteltakt klingen interessanter, da sie sich nicht auf den star¬ken Taktzeiten tummeln, sondern für sich etwas unregelmäßig zwichen den Beats hörbar sind.

9.        Nicht für jedes Instrument einen anderen Reverb verwenden

Wenn es darum geht, einen Sound zu formen, der als Band-Sound wahrge-nommen werden soll, dann ist es sinnvoll, für die einzelnen Instrumente nicht zu viele unterschiedliche Hallräume zu verwenden. Schließlich spielt eine Band in der Regel in ein und demselben Raum oder auf ein und derselben Bühne, wo für alle Instrumente ähnliche akustische Bedingungen herrschen.

10.      Mixdown-Level-Automation verwenden

Das Programmieren sich verändernder Lautstärke-Verhältnisse der einzelnen Sounds beim Mixdown ist ein bedeutendes Feature einer DAW. Es dient nicht nur dazu, Lautstärkeunterschiede, die bei der Aufnahme entstanden sind, innerhalb einer einzelnen Spur zu kompensieren. Die Level-Automation bietet darüber hinaus Raum für Kreativität: Eine variierende Gewichtung einzelner Sounds innerhalb eines Arrangements schafft Lebendigkeit und Abwechslung.

11.      Nicht in einen Limiter hineinmixen, der in die Summe eingeschliffen ist Der Limiter in der Summe sorgt beim Mixdown dafür, dass der maximale Pegel von 0 dBFS nicht überschritten wird. Wenn die Mixdown-Session eines Titels beendet ist, wird der Limiter verwendet, um die Lautheit des Musiktitels zu erhöhen. Es empfiehlt sich jedoch, einen Limiter erst dann zu verwenden, wenn der Mixdown-Prozess abgeschlossen ist, anderenfalls verliert man die Kontrolle über die tatsächlichen Pegelverhältnisse der Summenschiene. Die¬ser Kontrollverlust kann zu Verzerrungen führen, und man wird sich wundern, warum beispielsweise die Bassdrum nicht lauter wird, wenn man ihren Pegel erhöht. Es passiert sehr leicht, dass man den Eingang des Limiters mit 6 dBFS oder mehr übersteuert, ohne es zu merken. Es ist kein Problem, einen zu leisen Mixdown in der Summe mit einem Limiter anzuheben. Es ist allerdings ein erhebliches Problem, einen übersteuernden Mixdown wieder auf normales Maß zu bringen.

12. Im Mixdown ganz von vorn beginnen und Referenzen hören

Bei der Arbeit mit einer DAW vermischen sich die ursprünglich getrennten Arbeitsschritte einer Musikproduktion. Traditionell wurden früher zunächst alle Instrumente auf ein Speichermedium aufgezeichnet, danach begann dann der Mixdown-Prozess. Produziert man einen Titel in einer DAW, so wird man bei¬spielsweise einen Keyboard-Sound gleich mit den zusätzlichen Chorus- oder Delay-Effekten versehen, um von Anfang an mit dem fertigen Sound weiterar¬beiten zu können. Das bedeutet zwar nicht, dass das gewählte Setting unver¬rückbar und unveränderbar bleibt, aber man geht zunächst davon aus, dass der Sound bereits in Ordnung ist.

So werden nach und nach alle Komponenten eines Musiktitels gleich im „rich¬tigen" Klangbild mit der vorgesehenen Lautstärke zusammengefügt. Danach sollte der Titel eigentlich schon fertig sein. Hört man sich das Ergebnis jedoch in Ruhe an, so wird man sicher feststellen, dass der Titel noch nicht perfekt klingt. Beginnt man dann, sich mit dem eigentlichen Mixdown eines Titels zu beschäftigen, dann geht man von dem derzeitigen Zustand aus, in dem sich der Song befindet. Man betrachtet also nicht die einzelnen Instrumente bezie¬hungsweise Sounds Spur für Spur.

Diese Vorgehensweise ist nicht ideal. Häufig werden Faktoren wie der Gesamt¬pegel, die Tiefenstaffelung, die Aufteilung des Frequenzspektrums auf die ver¬schiedenen Instrumente im Eifer des Gefechts vernachlässigt. Beginnt man nun, am halbfertigen Mixdown zu arbeiten, dann erreicht man oftmals nicht das optimale Ergebnis. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn alles im Kasten ist, wird es sinnvoll sein, zunächst einmal alle Spuren auszuschalten und so tun, als würde man ganz von vorn beginnen: Als erstes die Drums mit Bassdrum und Snare wieder einschalten, darauf achten, dass man genug Headroom lässt (6 bis 10 dBFS). Danach den Bass, die Keyboards und so weiter einschalten und entscheiden, ob jeweils ein Equalizer notwendig ist oder ob der bereits verwen¬dete EQ das Richtige tut.

Auf diese Weise wird der Mixdown komplett neu aufgebaut. Dabei liegt die Aufmerksamkeit nicht mehr so stark darauf, was ein Instrument spielt, son¬dern darauf, wie es klingt und wie es sich in das Gesamtbild einfügt. Wichtig ist, dass nicht zu viele Klänge mit ähnlichem Frequenzspektrum gleichzeitig Selbstverständlich kann man beim Mixdown zurück in das Arrangement gehen und einen Sound ersetzen oder den Aufbau eines Titels verändern. Im Hinblick auf den Gesamtklang wird sich die Sichtweise auf das Werk verändert haben. Hilfreich sind Pausen. Ein bis zwei Tage Abstand schaffen neue objektivere Urteilskraft.

Wenn man an den Punkt gelangt ist, an dem man glaubt, es geschafft zu haben. ist es Zeit, einen Referenztitel gleichen Genres zu hören. Wichtig ist dabei. gleiche Bedingungen zu schaffen. Dabei spielt die identische Abhörlautstärke eine zentrale Rolle. Da man geneigt ist, einen Sound als besser zu bewerten. wenn er einfach nur lauter ist, wird es notwendig sein, den Referenztitel leiser regeln, denn das eigene Werk wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht gemaster sein. Der Referenz-Vergleich bei gleicher Lautheit zeigt schnell, wie der eigene Titel zu bewerten ist.





















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