Dienstag, 16. Februar 2016

Musikproduktion – ein Produktionsbeispiel


Musikproduktion – ein Produktionsbeispiel

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/4RS4VirQ7jY

 

Der Künstler kam mit einer beinahe fertigen Komposition zu mir. Die harmo-nische Struktur und die dazugehörige Gesangsmelodie standen schon fest. Außerdem war der Text fast vollständig ausgearbeitet. Meine Aufgabe lautete, den Titel zu produzieren, aufzunehmen, zu arrangieren, zu mischen und zu mastern.

Im ersten Schritt nahm ich eine Demo-Version auf. Der Künstler spielte die Harmonien auf einer akustischen Gitarre und sang dazu quasi live. Auf meinen Wunsch hin tat er dies zu einem Metronom, das ich zuvor eingerichtet hatte. Dazu verwendete ich ein Drum-Plug-in (EZ Drummer), mit dem ich einen ein-fachen Rhythmus programmierte. Die Bassdrum setzte ich auf 1 und 3 und die Snaredrum auf die 2 und 4. Hinzu kam eine Hi-Hat in Achtelnoten, wobei die Downbeats etwas lauter sein sollten als die Offbeats dazwischen. Der Rhyth-mus sollte ganz gerade sein, keine Synkopen, eben nur ein besserer Klick.

Zu diesem Rhythmus ließ ich den Musiker spielen. Wichtig war, schon zu die-sem Zeitpunkt das Tempo für den Song zu bestimmen. Da das Demo als Grund¬lage für das Arrangement des auszuarbeitenden Titels dienen sollte, wäre eine spätere Änderung des Tempos relativ aufwendig gewesen. Es ist zwar möglich, auch eine Audiospur im Tempo umrechnen zu lassen, aber je nach Art des Instruments entstehen dabei hörbare Artefakte. Hätten wir uns während der Produktion für ein anderes Tempo entschieden, hätten also alle bis dahin ein¬gespielten Instrumente neu eingespielt werden müssen.

 

Maßgeblich für das Tempo war der Gesang. Vor allem der Refrain sollte weder gehetzt noch lahm klingen. Nach mehreren Versuchen entschieden wir uns für 68 BPM (Beats per Minute).

Guide-Spuren (Gesang und akustische Gitarre)

Zur Aufnahme verwendete ich ein Rode-K-2-Gesangsmikrofon mit Röhren-technik und ein Rode NT 55 (mit Nierenkapsel) zur Aufnahme der akustischen Gitarre. Da ich schon mehrfach erlebt hatte, dass am Ende einer Produktion entschieden wurde, die Demo-Gesangsspur zumindest in manchen Aus-schnitten im Endprodukt zu nutzen, verwendete ich große Sorgfalt auf die Aufnahme der Stimme. Dazu gehörten die korrekte Ausrichtung der Mikrofone und die richtige Positionierung des Poppschutzes zwischen dem Mikro und dem Sänger. Als Aufnahmeformat wählte ich eine Sample-Rate von 44,1 kHz (Haustakt) mit einer Auflösung von 24 Bit.

Ich nehme Gesang grundsätzlich ohne jeglichen Filter, ohne Kompressor oder Limiterauf. Mit einer Auflösung von 24 Bit kann ich mir einen großzügigen Head-room von circa 10 dB leisten, um bei eventuellen Überraschungen (Pegelspit¬zen) keine Übersteuerung zu riskieren.

Umgehung der Latenz

Da ich bei einer Liveaufnahme keinerlei Latenz wahrnehmen möchte, splitte ich das Mikrofonsignal. Mein Mikrofon-Vorverstärker (Focusrite ISA One) besitzt einen digitalen und einen analogen Ausgang. Der digitale Ausgang ist mit einem S/PDIF-Eingang meiner Audiokarte (Digidesign D003) verbunden. Den analo¬gen Ausgang des Vorverstärkers schließe ich an mein Mischpult an.

An diesem Mischpult ist auch ein Ausgang der Audiokarte angeschlossen, über den der Rhythmus zu hören sein wird. Außerdem ist über einen Aux-Send ein Effektgerät angeschlossen. Der Sänger wünschte sich, etwas Reverb auf der Stimme zu hören. Mit meinem Setup kann ich am Pult die Lautstärkever-hältnisse von Beat und Stimme sowie den Effekt-Anteil des Halls regeln, ohne dabei den Aufnahmepegel der Stimme berücksichtigen zu müssen.

Ich möchte unbedingt vermeiden, das aufzunehmende Signal durch den Rech-ner hören zu müssen. Auch kleinste Verzögerungen zwischen dem wieder-gegebenen Signal und der Aufnahme können dazu führen, dass der Sänger „untight" singt. Er kann mit einer wahrnehmbaren Latenz (Verzögerung) defini-tiv nicht exakt auf dem Beat singen.

Das Signal der Gitarre nahm ich sozusagen ungehört auf. Hierfür verwendete ich einen weiteren Kanal meines analogen Mischpults und leitete das Signal

über einen anderen Bus zur Audiokarte des Rechners. Da die Gitarre auch über das Gesangsmikrofon gut hörbar sein würde, benötigte ich hierbei kein zusätzliches Monitoring.

Nach mehreren Aufnahmen hörten wir die drei letzten Versionen gemeinsam an. Zum Abhören rücke ich die aufgezeichneten Takes in meiner DAW auf extra dafür vorkonfigurierte Spuren. Ich habe mir angewöhnt, in jeden Wiedergabe¬kanal einen Equalizer und einen Kompressor einzuschleifen. Um den Sound beim Abhören etwas zu optimieren, regelte ich sowohl für die Gitarre als auch für den Gesang beim Kompressor die Ratio auf 4:1 bei einem Threshold von circa 8 dBFS und gab über einen Bus etwas Reverb hinzu. Wir entschieden uns schließlich nach mehrfachem Anhören für die zuletzt aufgenommene Version.

 

Aufnahme des Basses

Mit dem Demo ließ mich der Künstler nun einige Tage allein arbeiten. Als näch-sten Schritt wollte ich einen Bass einspielen. Ich ging dabei nicht davon aus, dass es eine endgültige Aufnahme sein würde, sondern er sollte zunächst eine Grundlage für den Gesamtklang geben. Der Bass untermauerte die harmo-nische Struktur und vervollständigte das Klangbild. Am Ende des Produkti-onsprozesses, wenn alle Feinheiten ausgearbeitet sind, sollte der Bass nocheinmal exakt mit allen harmonischen und rhythmischen Feinheiten aufgenom-men werden. Obwohl ich den Bass zunächst von Hand mit meinem Music Man einspielte, entschied ich mich im späteren Verlauf der Produktion für einen Synthesizer-Sound, einen „Fingered Double Bass" des Sculpture-Plug-ins. Dieser Sound klingt für sich relativ unspektakulär, er funktionierte aber hervor-ragend im Zusammenspiel mit dem später arrangierten Piano.

 Aufnahme der ersten Gitarren

Als Nächstes schnallte ich mir meine Gitarre um und begann zu spielen. Da mir durch den Bass, den Gesang und die akustische Gitarre die Betonung auf den schweren Taktzeiten (1 und 3) zu stark erschien, arbeitete ich eine kleine Arpeg¬gio-Figur aus, die auf der „2 und" begann. Diese Figur nahm ich mit mehreren Signalen gleichzeitig auf. Das war erstens das original Stratocaster-Signal mei¬ner Gitarre, verstärkt über einen Engl-Amp und eine 4 x 12 Marshallbox. Die Box stand dabei im Aufnahmeraum, sodass ich nur das mikrofonierte Signal über das analoge Mischpult hörte und komfortabel über einen Stereo-Bus, verbunden mit der Audiokarte des Rechners, aufnehmen konnte.

Einen Lautsprecher der Box nahm ich mit einem Shure SM57 auf, für den zweiten Lautsprecher nahm ich ein R de NT1 Mikrofon. Beide Mikros waren so positioniert, dass sie sich im exakt gleichen Abstand zu den Lautsprechern befanden, um Phasenprobleme zu vermeiden. Die beiden Mikrosignale posi-tionierte ich ganz links und rechts außen, um auf diese Weise ein echtes Stereo-Signal zu erhalten.

Das zweite Stereo-Signal erzeugte mein Gitarrenprozessor Roland VG-99. Meine Gitarre besitzt einen zusätzlichen Roland GK-3 Pickup, über den das VG-99 angesteuert wird. Ich entschied mich für einen glockenartigen Synthe¬sizer-Sound. Da die VG-99 Sounds nicht über MIDI ansteuerbar sind, war die Wahl dieses Sounds verbindlich. Es ist nicht möglich, ihn im Nachhinein zu ändern.

Das dritte Signal, das ich aufnahm, war ein MIDI-Signal, das der GK-3 ausgab. Mit diesem MIDI-Signal würde ich später jeden beliebigen Synthesizer-Sound der DAW ansteuern können. Dieses Signal ließ ich bei der Aufnahme ungehört (allein schon weil die MIDI-Latenz riesig war).

Keyboards

Auf der Suche nach einem schönen Flächensound durchforste ich häufig diverse Software-Synthesizer-Bänke in Logic und in meiner Native-Instru¬ments-Datenbank. Ich wählte in diesem Fall einen weichen Flächensound aus dem Pro 53 (PWM-Strings), der einen langsam aufgehenden Resonanzfilter enthält. Der Filter gefiel mir, weil auch er die Aufmerksamkeit auf die unbeton¬ten Taktzeiten lenkt. Um den Flächensound noch etwas luftiger zu gestalten, verwendete ich im Kanalzug den Spreader, ein Modulationseffekt aus dem Logic-Sortiment.

Mit dem Logic-Equalizer im Kanalzug hob ich 3,5 kHz und 10 kHz um jeweils 2 dB an. Da mir dieser Sound allein etwas zu schwach erschien, suchte ich nun einen weiteren Flächensound als Ergänzung, vor allem für den unteren Frequenzbereich. Ich fand ihn im Korg M 50. Dieses Instrument dient mir in erster Linie als Keyboard-Tastatur. Hin und wieder findet sich aber auch dort ein schöner Atmo-Sound oder ein Piano-Klang. Ich kopierte die MIDI-Daten auf eine Spur, von der aus ich den Korg angesteuerte. Mit einem Sound namens „Flutter Pad" fand ich die ideale Ergänzung.

Ebenfalls mit dem Korg spielte ich ein einfaches Piano ein. Mit diesem Ste¬reo-Konzert-Piano-Sound unterstütze ich die Grundharmonien. Ich spielte die Harmonien in den Sequencer und editierte danach meine Spielfehler. Den Piano-Sound und den Flutter-Pad-Sound aus dem Korg überspielte ich als Stereo-Audiofiles in die DAW, damit ich im internen Mixer Zugriff darauf hatte. Das war aber erst ab dem Moment sinnvoll, an dem ich absolute Klarheit über das Arrangement des Titels erlangt hatte. Mein nächstes Thema lautete jetzt:

Verfeinerung der Drums

Zu meinen Lieblingswerkzeugen gehört die Stylus-Drum-Software. Da deren Loops sehr prägnant und wiedererkennbar sind, vermeide ich es, den Haupt-rhythmus eines Titels auf einem Stylus-Groove aufzubauen. Ich verwende den Stylus in diesem Fall nur, um kleine perkussive Bewegungen zu generieren.

Mit einem Equalizer filterte ich die tieffrequenten Anteile heraus, um Überlage-rungen mit Bass und Bass-Drum zu vermeiden. Außerdem nahm ich einige Ver-änderungen in der original MIDI-Programmierung vor, sodass der verwendete Loop nicht zu statisch wirkte.

Für den Hauptrhythmus des Stücks verwendete ich den EZ Drummer. Dieses Programm stellt nicht nur sehr gute Samples mehrerer Drum-Kits zur Verfü¬gung, sondern es bietet auch eine Reihe von MIDI-Files, die verschiedene Rhythmen beinhalten. Ich entschied mich für einen Groove, der in mehreren Variationen vorhanden war. Für Strophe und Refrains verwendete ich Files mit unterschiedlich offen gespielter Hi-Hat. Da mir in dem original MIDI-File für die Strophe die Bassdrum zu unruhig war, löschte ich einige einzelne Schläge. Mit dem internen Mischpult vom EZ-Drummer wählte ich das richtige Lautstärke-verhältnis zwischen Bassdrum, Snaredrum, Hi-Hat und den Toms, und expe-rimentierte mit der Lautstärke des zusätzlichen (virtuellen) Raummikrofons. Diese Lautstärkeverhältnisse veränderte ich im Laufe der weiteren Produktion noch einige Male.

Für den Refrain und das Gitarrensolo programmierte ich zwei zusätzliche Sty-lus-Loops, um die einzelnen musikalischen Abschnitte voneinander abzugren-zen. Das Stylus-Plug-in setzte ich außerdem ein, um eine Einzelspur mit Crash-Becken und eine Spur mit einer zusätzlichen Hi-Hat für die Bridge einzurichten.

 Akustische Gitarren

Da die ursprüngliche Version des Titels mit nur einer Westerngitarre und einer Stimme sehr gut funktionierte, wollte ich im Arrangement auf einen akustischen Gitarrensound mit Stahlsaiten nicht verzichten. Ich wählte den einfachen Weg, ließ die Mikrofone im Schrank und nahm ausschließlich das Direktsignal des Piezo-Pickups meiner Westerngitarre über das Mischpult auf. Das Playback lasse ich üblicherweise bei der Aufnahme über die Studio-Monitore relativ leise ablaufen, die akustische Gitarre höre ich auch ohne Kopfhörer. Die wichtigste Grundregel bei Rhythmusgitarren-Arrangements lautet für mich „Doppeln". Also legte ich die rhythmische Phrasierung genau fest und spielte die Gitarre zweimal möglichst identisch ein.

E-Gitarren in der Strophe

Da mir die bereits aufgenommen Gitarren mit der kleinen Figur noch nicht kräftig genug erschienen, spielte ich für die Strophen mit einer Strat und ange-zerrtem Sound eine weitere Rhythmusgitarre ein - auch diese wurde natürlich gedoppelt.

Gitarre im Refrain

Für den Refrain stellte ich mir eine relativ stark verzerrte Gitarre vor, die im Hintergrund einen flächenähnlichen Sound geben sollte. Dafür drehte ich den Engl-Vorverstärker ziemlich weit auf und spielte mit einer PRS mit Humbucker-Pickups die Akkorde für den Refrain ein. Selbstverständlich war auch hier wieder das Doppeln Pflicht.

 Gitarrensolo

Das Einspielen des Gitarrensolos ist immer eine „lustvolle Quälerei". Ich spielte den Part einige Male, um eine Anfangsmelodie zu komponieren. Nach diesem arrangierten Teil sollte ein improvisierter Part folgen, der bei jedem Versuch einen unterschiedlichen Verlauf nahm. Den Schlussteil des Solos komponierte ich wieder, um einen definierten Ausklang zu erhalten. Nach einer guten Stunde (und drei Bier) war das Solo mit nur einem einzigen Schnitt im Kasten.

 Gesangsaufnahme

Jetzt war es an der Zeit mit dem Arrangement zufrieden war und die wichtigster Sounds an ihrem Platz waren, wurde der Künstler wieder eingebunden. Zu meiner Freude gab es eine große Übereinstimmung und nur kleine Änderungs-wünsche hinsichtlich des Arrangements.

Jetzt war es an der Zeit, den Gesang aufzunehmen. Bei einer Gesangsauf-nahme habe ich auf zwei wesentliche Dinge zu achten. Erstens: Der Sänger sollte sich unbedingt wohl in der Aufnahme-Umgebung fühlen. Dazu gehör: die richtige Raumtemperatur, die Bereitstellung der richtigen Getränke und vor allem der perfekte Sound im Kopfhörer. Dieser Sound ist nicht zwangsläu¬fig der perfekte Mixdown, sondern der Stimmensound sollte verhältnismäßig laut hörbar sein. Zweitens: Meine Aufgabe ist es, Übersteuerungen auf jeder Fall zu vermeiden. Digitales Clipping ist ärgerlich und irreversibel. Bei eine-Auflösung von 24 Bit ist es überhaupt kein Problem, ein unterpegeltes Signa aufzunehmen.

Etwas umständlich ist das „Droppen" (Einsteigen mit der Aufnahme in einzelre Gesangspassagen). Da wir bei der Aufnahme (wie beschrieben) den eiger:-lichen Aufnahmekanal in Logic stumm geschaltet hatten, war es notwend,c die eben entstandene Aufnahme auf eine Wiedergabespur zu schieben

sie hörbar zu machen. Zum Droppen muss bei der Aufnahme eine direkte Abhörmöglichkeit geschaffen werden. Es ist zu kontrollieren, was man aufge-nommen hat, und es ist festzulegen, an welcher Stelle genau, es notwendig ist, in die Aufnahme neu einzusteigen. Um zu wissen, wo wir uns in der Aufnahme befanden, legte ich mir den Text zur Seite und schrieb die Timecode-Zeiten beziehungsweise die Takte an einige Textzeilen.

Wir nahmen mehrere Versionen des Liedgesangs auf, um genügend Material zur Auswahl zu haben. Bei diesem Titel war die Auswahl überschaubar, da es keine Chorstimmen oder Dopplungen gab. Die ausgewählten Passagen mar-kierte ich mit gleicher Farbe.

 Arrangement und Philosophie

Jeder Produzent hat seine eigene Philosophie. Mein vorrangiges Ziel ist es, den Zuhörer bis zum Schluss des Titels zu fesseln. Dazu bemühe ich mich, den Ablauf eines Titels in ständiger Bewegung zu halten. Die zweite Strophe sollte etwas anders arrangiert sein als die erste. Entsprechendes gilt für die Refrains. Das erreiche ich, indem einige Elemente nur ein einziges Mal zu hören sind. Oder ich ändere die Zusammensetzung der Instrumente. Bei diesem Titel variierte ich das Zusammenspiel von akustischer Gitarre und E-Gitarre mit dem Roland VG-99 Sound sowie dem Synthesizer mit dem Resonanzfilter.

Mit Hallräumen bringe ich Dreidimensionalität in den Sound. Gerade Balla¬den bieten Platz für eine schöne Tiefenstaffelung der verschiedenen Sounds. In diesem Fall mischte ich beispielsweise reichlich Reverb zu den verzerrten Gitarren, um sie in die Tiefe des Gesamtklangs zu bringen.

Mixdown

Nachdem alle Aufnahmen abgeschlossen waren, folgte der Mixdown des Titels. Obwohl, wie so häufig im Laufe der Produktion, schon einige Vorarbeiten geleistet worden waren, war es bei diesem Mix notwendig, sich mit dem Sound jedes einzelnen Instruments noch einmal dezidiert zu beschäftigen.

Grundsätzlich verteile ich alle existierenden Spuren auf verschiedene Sub-gruppen. Den Ausgang dieser Subgruppen route ich auf die Master-Summe. In diesem Fall richtete ich eine Gruppe für die Drums ein, eine für die akustischen Gitarren, eine für die E-Gitarren, eine für alle Synthesizer-Sounds, eine für den Liedgesang und eine für den Bass (was nicht immer zwingend notwendig ist,

Das neue Tonstudo

da er meist nur aus einer Spur besteht). Durch diese Aufteilung schaffe ich mir die Möglichkeit, jede Gruppe mit einem einzigen Fader in der Lautstärke zu kontrollieren, und ich habe die Option, mit einem Equalizer den Gesamtsound der Gruppe noch etwas zu verändern.

Das EZ-Drummer Plug-in beinhaltet ein eigenes Mischpult. Damit kann ich Einfluss auf das Lautstärkeverhältnis von Bassdrum, Snaredrum, Hi-Hat, Toms und Becken legen. Außerdem gibt es ein zusätzliches Stereo-Raummikro, das ich hinzumischen kann. Leider bietet dieses Pult nicht die Möglichkeit, die einzelnen Instrumente separat zu filtern oder einen externen Effekt hinzuzu-mischen. Das Verhältnis von Bassdrum und Snaredrum gehört zu den Einstel-lungen, die ich sehr häufig im Mix verändere, bis ich die perfekte Einstellung gefunden habe. Für diesen Mix hob ich im Kanalzug des EZ Drummer 75 Hz um 2 dB an, um die tiefen Frequenzen der Bassdrum etwas zu unterstützen. Außerdem senkte ich mit einem Shelf-Equalizer 10 KHz um 3 dB ab, da mir die Hi-Hat und die Becken etwas zu scharf waren.

Bei den Loops der drei Stylus-Plug-ins reduzierte ich die tiefen Frequenzen unterhalb von 75 Hz mit eine Shelf-EQ, um tieffrequente Überlagerungen mit der Bassdrum zu vermeiden.

Der Bass-Synthesizer klang für sich unauffällig. Er doppelte praktisch die linke Hand des Pianisten. Ich komprimierte ihn mit einer Ratio von 2:1 etwa um 4 dB.

Mein nächstes Thema waren die akustischen Gitarren. Ich hörte beide zusam-men solo ab und prüfte, ob es Störgeräusche und Asynchronitäten gab.

Ich bin kein Fan von perfektionistischer Präzision, daher lasse ich kleine Unge-nauigkeiten durchaus unbearbeitet. Mir ist es lieber, wenn es etwas klappert, als dass es tot-quantisiert wird. Aber das ist sicher auch eine Frage des Musik¬stils. An Stellen, die jedoch große Differenzen in der Phrasierung aufwiesen, oder bei kleinen Verspielern griff ich ein, indem ich den gleichen Part aus einer anderen Stelle des Titels an die „Problemstelle" kopierte.

Akustische Gitarren sollten auf jeden Fall komprimiert werden, um sie präsent werden zu lassen. Bei diesem Titel sind sie ein tragendes Element des Rhyth-mus. Mit der Kompressionsrate bin ich vorsichtig. Gern hätte ich dort etwas kräftiger eingegriffen. Durch die Transienten (schnelle Attacks) der akustischen Gitarren macht sich aber eine Überkompression leider sehr schnell mit einem pumpenden Sound bemerkbar.

Die E-Gitarre benötigte nur wenig Bearbeitung. Ich komprimierte sie nur etwas und senkte mit einem Equalizer 200 Hz breitbandig um 2 dB ab. Außerdem installierte ich einen Reverb in einem Bus-Kanal. Dies würde mein Bus 1 sein. Damit konnte ich nun (zumindest theoretisch) mit dem Bus-Send 1 jeden Kanal-zug etwas Hallanteil hinzufügen. Ich verwendete einen Plate-Reverb mit 1,7 Sekunden Länge aus dem Logic-Space-Designer. Plates besitzen die schöne Eigenschaft, einen Sound nur sehr wenig einzufärben.

Das Gitarrensolo komprimierte ich beherzt mit einer Ratio von 4:1 und einem Threshold von 14 dB, da ein paar unschöne Resonanzen bei 200 Hz zu besei-tigen waren. Nach einiger Abwägung entschied ich mich gegen meinen Lieb-lingsbreitmacher, den Spreader. Stattdessen fügte ich reichlich Reverb und ein k-äftiges Stereo-Delay hinzu.

Bei den Synthesizern und dem Piano gab es nur wenig zu tun. Abgesehen von dem Spreader auf dem Pro 53 beließ ich die Synthesizer und das Piano original und wendete nur eine vorsichtige Komprimierung an. Der Reverb für das Piano ist obligatorisch.

Danach war es an der Zeit, sich ausgiebig mit dem Lead-Gesang zu beschäf-tigen. Zunächst hörte ich die Spur einmal komplett durch und achtete auf Störgeräusche und die korrekten Übergänge zwischen den einzelnen Takes. Überflüssiges beseitigte ich mit der Mute-Automation. Außerdem überprüfte ich nochmals, ob in jedem Part der richtige Take ausgewählt war.

Zur Klangbearbeitung der Stimme verwendete ich den Gliss-Equalizer von Voxengo, den Fairchild Kompressor von UAD, und am Ende der Bearbeitungs-kette schaltete ich den Elephant-Limiter von Voxengo hinzu, um die Stimme richtig im Vordergrund zu positionieren.

Mit dem Gliss-Equalizer hob ich 8.000 Hz breitbandig um 1 dB an. Mit dem Fairchild komprimierte ich die Stimme etwa um 4 bis 6 dB. Die Einstellung für den Limiter würde ich im Ablauf der Mixdown Session mehrfach ändern. Ich suchte den besten Kompromiss zwischen der richtigen Lautheit und der not-wendigen Dynamik.

 

Feinabgleich

Nun hatte ich nur noch die einzelnen Instrumente und die Stimme in das rich¬tige Verhältnis zu setzen. Nach meiner Vorstellung hat jedes Instrument seinen Auftritt, um sich dann wieder in den Gesamtklang einzufügen. Jedes Instrument erhält einen zugewiesenen Platz im Gesamtklang. Die Feinarbeit am Gesamtar-rangement dauerte bei diesem Titel mindestens noch einmal so lange wie der bisherige Mixdown der einzelnen Spuren. Allein die Hüllkurven-Program-mierung des Korg-Flächensounds beschäftigte mich eine ganze Weile. Der dynamische Verlauf dieses Sounds schafft eine schöne Atmosphäre durch sein Kommen und Gehen. So ist er beispielsweise zu Beginn der ersten Stro¬phe ganz aus, um sich danach leise wieder aufzubauen. Die Rhythmusgitarren kommen erstmalig in der zweiten Strophe ins Bild.

Ich höre grundsätzlich über verschiedene Monitorsysteme ab und höre den Mix auch vom Flur aus mit geöffneter Studiotür. Ich vergleiche zusätzlich ähnliche Songs anderer Interpreten. Irgendwann habe ich dann das Gefühl, dass alles getan ist.

Mastering

Ich zwang mich, ein paar Tage Abstand zu dem Titel zu bekommen, hörte ihn nach Beendigung des Mixdowns fast eine Woche lang nicht. Als ich mich dem Song wieder näherte, um ihn zu mastern, war ich froh, dass ich kein Bedürfnis spürte, nochmals in den Mix einzugreifen. Alles schien okay zu sein.

In der Mastering-Session perfektionierte ich den Gesamtsound mit kleinen Edits. Ich ließ den Titel über meine Studer-Bandmaschine laufen, gab mit einem Avalon-EQ ein klein wenig Höhen ab 10.000 Hz hinzu und limitierteden Gesamt-sound, soweit es notwendig war, um eine angemessene Lautheit zu erhalten. Der Sound der Bandmaschine unterstützt den analogen Klangcharakter, den ich mir für diesen Titel vorstellte und er schafft eine schöne Tiefenstaffelung, vor allem im unteren Frequenzbereich.

Ich masterte eine Vocal-Up- und eine Vocal-Down-Version, um dem Künstler zwei Optionen für seine Gesangslautstärke zu bieten. Die letzte Tat war das Mastering des Playbacks. Vieleicht würde es für einen Live-Auftritt oder für die erneute Produktion des Titels in englischer Sprache benötigt.

Am folgenden Tag freute ich mich über das Lächeln im Gesicht meines Kunden.

 

 







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