Freitag, 11. März 2016

Geldpolitik unter neuen Voraussetzungen


Geldpolitik unter neuen Voraussetzungen

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/gcivVima0ww

 

Die Erdölpreise sind weiter niedrig. Das drückt verstärkt auf die Inflationsraten - und gibt den Noten¬banken Spielraum und Argumente für eine anhaltend expansive Geldpolitik. Nicht nur in den USA, wo die Federal Reserve erst Ende Dezember die Zinsen anhob, fragen sich Anleger: Wie geht es weiter?

 

Das vergangene Jahr dürfte eines der aufregendsten in Janet Yellens langer Karriere gewesen sein: Monatelang stand die Chefin der US-Notenbank Fed wie kaum eine andere Person im Fokus der Öffent¬lichkeit. Selbst wer das Marktgeschehen nur am Rande verfolgte, hatte plötzlich etwas von „Notenbanken", „Leitzinsen" und „Offenmarkt-ausschuss" gehört. Vor allem aber an den Börsen von New York bis Tokio wurden die Auftritte Yellens genau verfolgt und jede ihrer Reden Wort für Wort analysiert. Die Marktteil¬nehmer suchten nach Hinweisen auf den Zeit¬punkt der ersten US-Leitzinserhöhung seit der Finanzkrise — ließen doch ein positiver Arbeits-markt, eine stabile Konjunktur und solide Inflati-onserwartungen diesen Schritt schon früh im Jahr 2015 möglich erscheinen.

 

Tatsächlich sah die Fed dann aber erst im Dezember die Voraussetzungen für eine Zins-erhöhung erfüllt und erhöhte die Leitzinsen um einen viertel Prozentpunkt. Die Zinswende, so dachten viele Marktbeobachter, sei nun einge¬leitet — entsprechend wurden ihre möglichen Auswirkungen an den Kapitalmärkten bereits in die Kurse eingerechnet.

Seitdem sind nicht einmal drei Monate vergangen. Die Rahmenbedingungen jedoch haben sich grundlegend gewandelt — und mit ihnen die geldpolitischen Aussichten.

Fed rudert zurück - aber der Trend bleibt vorerst erhalten

Bestehen geblieben ist eigentlich nur die ins-gesamt divergente Entwicklung der einzelnen

 

Notenbanken: Auch weiterhin dürfte die Geld-politik der Fed und der Bank of England (BoE) in eine andere Richtung zielen als die der Euro-päischen Zentralbank (EZB) und der Bank of Japan (BoJ). Allerdings wird insbesondere die US-Notenbank dabei ein anderes Tempo an¬schlagen als bis vor wenigen Wochen ange¬nommen. Denn mittlerweile sind es nicht nur die niedrigen Inflationserwartungen (siehe Gra¬fik S. 5 oben), die das Tempo der Fed auf ihrem Weg zu höheren Leitzinsen bremsen dürften.

Zuletzt konnten auch wichtige Konjunktur-daten nicht vollends überzeugen. Hier macht sich insbesondere der anhaltend niedrige Öl¬preis für die vergleichsweise stark von der Ölin¬dustrie abhängige US-Volkswirtschaft negativ bemerkbar. Hinzu kommt, dass der Einzelhan¬del bisher weniger als angenommen davon

profitieren konnte, dass die US-Bürger durch das günstige Öl mehr Geld zur Verfügung ha¬ben, da gleichzeitig die Spar-

quoten steigen.    2,0%

Wenngleich es übertrieben     1,5%

erscheint, von einer Rezession

in den USA zu sprechen, dürf¬           1,0%

ten sich diese Entwicklungen

vermutlich auch auf das Wirt- 0,5%

schaftswachstum auswirken:

Die Deutsche Bank hat ihre Er¬         0,0%

wartungen für das Jahr 2016 jüngst von 1,8 auf 1,2 Prozent nach unten korrigiert und rech-

net daher auch nicht mehr wie bisher mit drei, sondern lediglich noch mit einer Leitzinserhö¬hung in diesem Jahr. Diese könnte dann mögli¬cherweise im Dezember erfolgen.

Da das konjunkturelle Umfeld Großbritanni¬ens große Ähnlichkeit mit dem der USA hat, dürfte sich die Geldpolitik der BoE weiter an der Fed orientieren. Aufgrund der enttäuschenden Inflationsentwicklung und des niedrigen Lohn-wachstums rechnet die Deutsche Bank mittler-weile erst im November 2016 mit einer ersten Leitzinserhöhung in Großbritannien. Bisher war diese für Mai erwartet worden.

Europa und Japan könnten Geldpolitik weiter lockern

Während die Fed und die BoE sich langsamer als vermutet in Richtung einer restriktiveren Geld-politik bewegen, dürften die EZB und die BoJ ihre expansive Linie vermutlich weiterfahren —und das womöglich sogar konsequenter als bis¬lang erwartet. So könnte der anhaltend niedrige Ölpreis die EZB dazu veranlassen, ihre im De-zember 2015 veröffentlichte — und von vielen Marktteilnehmern ohnehin als zu hoch einge-schätzte — Inflationserwartung für das Jahr 2016 in Höhe von 1 Prozent nach unten zu korrigieren. Das ließe weitere Lockerungsmaßnahmen mög¬lich erscheinen. Aktuell geht die Deutsche Bank davon aus, dass die Einlageverzinsung — also der Zinssatz, zu dem Banken Geld bei der EZB „par-ken" können — im März auf -0,4 Prozent gesenkt wird. Darüber hinaus könnte ebenfalls im März eine Umverteilung der monatlichen Ankaufvolu-men von Anleihen verkündet werden, wodurch es zeitlich begrenzt zu einer Erhöhung des An-kaufbudgets kommen dürfte.

Einen noch expansiveren geldpolitischen Kurs als die EZB fährt aktuell nur die BoJ. So hat Zentralbankchef Haruhiko Kuroda zuletzt erneut für eine Überraschung gesorgt, als er eine negative Einlageverzinsung von —0,1 Pro¬zent bekannt gab — was er vorher stets abge¬lehnt hatte. Kuroda verkündete zudem, alles für das Erreichen des Inflationsziels von 2 Prozent zu tun. Da es aus Sicht der Deutschen Bank

 

schwierig werden dürfte, das Inflationsziel wie geplant bis Ende 2016 zu erreichen, könnte eine weitere Senkung des Einlagezinses in der zwei¬ten Jahreshälfte folgen.

Notenbanken handeln -Kapitalmärkte reagieren

Diese neue Dynamik in der weltweiten Geld¬politik hat nicht zuletzt auf die Kapitalmärkte erhebliche Auswirkungen. Offensichtlich werden diese zum Beispiel beim Blick auf den US-Dol¬lar, der seit einigen Wochen sowohl zum Euro als auch zum Yen deutlich nachgegeben hat. Die Deutsche Bank erwartet jedoch, dass die¬ser Trend sich mittelfristig wieder umkehren dürfte, sobald sich die wirtschaftliche Lage in den USA stabilisiert.

Den Schwellenländern verschafft das ver-langsamte Tempo der Fed eine willkommene Verschnaufpause: Da die Verzinsung US-ameri-kanischer Staatsanleihen bis zum Ende des Jahres etwa auf dem heutigen Niveau verhar¬ren könnte (siehe Grafik unten), dürften weni¬ger Investoren als befürchtet ihr Kapital von den Schwellenländern in die USA umschichten.

An den Anleihemärkten in Europa und Japan sollten die expansiven Maßnahmen der Notenbanken die Staatsanleihen-Kurse weiter stützen — und die Zinsen entsprechend niedrig halten. 10-jährige japanische Staatsanleihen

Erwartete Kapitalmarktzinsen

Die Verzinsung 10-jähriger Staatsanleihen könnte regional leicht anziehen (Werte gerundet).

2,0%   1,9%

1,7%

1,5% 1,4%

1,0%

0,2%

0,0%

Quelle: Deutsche Bank, Stand: Februar 2016

 

rentieren aktuell mit 0,01 Prozent dabei noch deutlich un¬ter deutschen Bundesanleihen (0,25 Prozent). Japanische Pa¬piere mit 30-jähriger Laufzeit lie¬gen hingegen mit rund 1 Pro¬zent im Bereich vergleichbarer deutscher Titel.

Für die Aktienmärkte wiede¬rum dürfte diese insgesamt zu¬rückgenommene Zinsentwick¬lung eher positive Impulse bringen: Auf der Suche nach hö¬her rentierlichen Investments könnten Anleger mit entspre¬chender Risikoneigung Unternehmensbeteili¬gungen verstärkt in den Fokus nehmen.

Niedrige Zinsen begleiten Anleger - vermutlich länger als erwartet

Im Anleihesegment dürfte es für Anleger bis auf Weiteres schwierig bleiben, Papiere mit interes-santem Rendite-Risiko-Profil zu finden. So dürf¬ten die Zinsen in der Eurozone weiter auf niedrigem Niveau verharren. Im Bereich der Un-ternehmensanleihen bieten US-Papiere guter bis sehr guter Bonität (Investment Grade) mit durchschnittlich rund 3,5 Prozent noch ver-

n         Niedrige Inflation ermöglicht weiter expansive Geldpolitik.

n         Vor allem in der Eurozone und

Japan niedriges Zinsniveau.

n         Mögliche positive Impulse für

die globalen Aktienmärkte.

gleichsweise interessante Aussichten. Im Hoch-zinsbereich (High Yields) dagegen erscheinen der Deutschen Bank die Risiken in Relation zu den erreichbaren Renditen derzeit noch zu hoch. Grundsätzlich für ein zumindest kurzfris¬tiges Engagement anbieten könnten sich Anlei¬hen aus den Schwellenländern — aufgrund hoher Unsicherheiten bezüglich der Währungs-und Konjunkturentwicklung in diesen Staaten scheinen aber auch hier andere Anlageklassen derzeit interessanter.

Ein aussichtsreicheres Chance-Risiko-Verhältnis könnte sich für entsprechend risiko-bereite Anleger zum Beispiel am Aktienmarkt bieten. Zumal die Kurse von einer zunehmend lockeren beziehungsweise weniger als erwar¬teten restriktiven Geldpolitik der Notenbanken und der damit verbundenen hohen Liquidität im Markt weiter profitieren dürften. Auch dabei gilt es jedoch, selektiv vorzugehen und sich bei der Auswahl einzelner Papiere gegebenenfalls von Kapitalmarktexperten unterstützen zu lassen.

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