Karakorum im Himalaya
Author D.Selzer-McKenzie
https://youtu.be/4qmsacOk_Wc
1937 erreichte der Abenteurer Eric Shipton im Auftrag der
Royal Geographical Society von Xinjiang aus das Shaksgam-Tal, um den K2 zu
erreichen. 1939 erkundete er dann den Sim-Gang-Glet-scher, den Snow -Lake und
den Biafo-Gletscher. Shipton überquer¬te erstmals den Lupke La und damit den
Karakorum von Süd nach Nord. Er schrieb ein viel beachtetes Buch über dieses
Abenteuer: „Blank an the map". Nach Shipton vvurcle das Grenzgebiet zu
Chi¬na zur politischen Sperrzone und der zentrale Karakorum damit viele Jahre
zur Atm incognita".
Unterwegs sein, wo noch niemand zuvor war, etwas Neues
entde¬cken, Berge und Gletscher, die bisher kein menschliches Auge erblickte:
Das ist etwas ganz Besonderes. 2011 erfüllte mir Islama¬bad endlich meinen
Wunsch - ich erhielt die Sondergeneh¬migung, den Karakorum von Nord nach Süd
über den Lupke-La-Pass zu durchqueren.
Shimshal, Juni 2012: Ich sitze in Ghulam Shahs Haus. Shah
kenne ich schon über 20 Jahre, und er begleitete mich bei vielen Touren als
Assistent. Heute findet ein Richtfest statt. Die komplette Ver-wandschaft ist
schon eingetroffen. Eine Ziege wird geschächtet. Viele Tschapattis
(Fladenbrote) werden geröstet und ein großes Essen zubereitet. Die Frauen
sitzen mit ihren bunt bestickten „Feenkappen" in der Küche. Es wird viel
gelacht und gescherzt. Ich bewundere diese Menschen immer wieder dafür, wie sie
trotz aller Härte, die das Leben jedes Einzelnen hier prägt, so eine
Aus-geglichenheit und Fröhlichkeit ausstrahlen.
Shah hat schon einiges vorbereitet. Die Träger für die Tour
stehen bereit. Alle mit Kraxen und Hochgebirgsausrüstung: Sie wissen, worauf
sie sich einlassen. Dabei sind wieder meine alten Freunde Qurban aus Kamaris
und Moha rnm ad Jan, die schon 2006 mit mir den Karakorum durch das Muztagh-Tal
durchquerten.
Zuerst gehen wir zur Alm Put-Put, dann nach Past Furzin
(3670 m). Am nächsten Tag erreichen wir gegen Mittag Parien (3654 m) und am
Nachmittag den Lagerplatz Ar-Bab-Parien (3985 m) mit Blick auf den knapp 6000 m
hohen Mangli Sar, der noch tief ver¬schneit am Ende des Tales steht. Vier
Stunden weiter, und man er¬reicht die Alm Shujerav (4373 m). Es ist noch nicht
Mitte Juni, da¬rum sind Yaks, Ziegen und Schafe noch hier im geschützten Tal.
Erst Mitte Juni ziehen die Tiere weiter über den Shimshal-Pass hinauf nach
Shuwert auf die saftigen Sommerweiden.
Noch heute gibt es im Karakorum
einsame Täler und unbestiegene Berge
Am nächsten Tag ersteigen wir den 4755 m hohen
Shimshal-Pass, eine riesige grüne Hochebene mit zwei glasklaren Seen. Die Sicht
auf die hohen Berge ist ungetrübt, ein Traumtag. Schnell kommen wir voran, am
frühen Nachmittag sehen wir schon ins Braldu-Tal hinunter und zur Yak-Alm Chkor
(3846 m), dort bleiben wir zwei Nächte. Feenkappen" in der Küche. Es wird
viel gelacht und gescherzt. Ich bewundere diese Menschen immer wieder dafür,
wie sie trotz aller Härte, die das Leben jedes Einzelnen hier prägt, so eine
Aus¬geglichenheit und Fröhlichkeit ausstrahlen.
Shah hat schon einiges vorbereitet. Die Träger für die Tour
stehen bereit. Alle mit Kraxen und Hochgebirgsausrüstung: Sie wissen, worauf
sie sich einlassen. Dabei sind wieder meine alten Freunde Qurban aus Kamaris
und Moha rnm ad Jan, die schon 2006 mit mir den Karakorum durch das Muztagh-Tal
durchquerten.
Zuerst gehen wir zur Alm Put-Put, dann nach Past Furzin
(3670 m). Am nächsten Tag erreichen wir gegen Mittag Parien (3654 m) und am
Nachmittag den Lagerplatz Ar-Bab-Parien (3985 m) mit Blick auf den knapp 6000 m
hohen Mangli Sar, der noch tief ver¬schneit am Ende des Tales steht. Vier Stunden
weiter, und man er¬reicht die Alm Shujerav (4373 m). Es ist noch nicht Mitte
Juni, da¬rum sind Yaks, Ziegen und Schafe noch hier im geschützten Tal. Erst
Mitte Juni ziehen die Tiere weiter über den Shimshal-Pass hinauf nach Shuwert
auf die saftigen Sommerweiden.
Noch heute gibt es im Karakorum
einsame Täler und unbestiegene Berge
Am nächsten Tag ersteigen wir den 4755 m hohen
Shimshal-Pass, eine riesige grüne Hochebene mit zwei glasklaren Seen. Die Sicht
auf die hohen Berge ist ungetrübt, ein Traumtag. Schnell kommen wir voran, am
frühen Nachmittag sehen wir schon ins Braldu-Tal hinunter und zur Yak-Alm Chkor
(3846 m), dort bleiben wir zwei Nächte.
Von Chkor gehen wir das Braldu-Tal hinauf, nun heißt es den
Braldu-Fluss zu durchqueren: Eine breite Stelle erscheint be¬sonders günstig,
und es funktioniert. Nach einer Stunde stehen wir mit drei Yaks erleichtert auf
der anderen Uferseite. Das Wetter verschlechtert sich am Nachmittag, und der
Wind nimmt so stark zu, dass keine Chance besteht, ein Zelt aufzustellen, ohne
dass es zerreißt. Unter großer Mühe können wir gegen Abend wenigstens das
Küchenzelt aufstellen. Das ist dann unser gemeinsamer Schlafplatz für die
Nacht.
Nicht weit vom Camp Wesm beginnt der Braldu-Gletscher, ► einer der ganz großen Eisströme im Karakorum. Die Breite
beträgt an manchen Stellen mehr als zwei Kilometer. Es ist schwierig, über den
Gletscherschutt zu klettern. Nie weiß man, wie es weiter¬geht. Die Berge aus
dunklem Eis und Schutt sind wie ein Laby¬rinth. Es gibt keine Wege, nur eine
ungefähre Richtung. Das erfor¬dert Konzentration und Trittsicherheit. Das erste
Braldu-Camp liegt an der rechten Seitenmoräne in einer Höhe von 4220 m. Der
Braldugletscher sieht von hier aus wie der schuppige Rücken einer riesigen
Echse.
Am Shimshal-Pass
erwartet uns
eine grüne
Hochebene mit zwei Seen
Am folgenden
Tag gegen Mittag erreichen wir die ersten schneeweißen Eistürme, die den
Gletscher im oberen Teil durchbrechen. Das Gehen wird etwas leichter, dafür
geht es über lose auf Eis liegende Steine, und der Untergrund wird mit
zunehmender Sonneneinstrahlung immer lehmiger und nasser. Doch zur
Entschädigung tauchen nun links und rechts Seiten¬täler auf, an deren Ende
unbekannte Karakorumgipfel zu sehen sind. Die Nacht wird kalt: Minus 10 Grad
lassen die Schuhe vor dem Zelt am Morgen gefrieren. Doch mit den ersten
Sonnen¬strahlen ist alle Kälte schnell vergessen. Der Gletscher wird nun
endlich flacher, und wir können auf die gefrorene Altschnee¬decke ausweichen.
Bis 9 Uhr kommen wir sehr gut voran, doch dann brechen die ersten Träger mit
ihren 30-Kilo-Lasten in den Schnee ein, erst knietief, dann hüfttief. Es wird
extrem müh¬sam, sodass wir schon am Mittag an unsere physischen Gren¬zen stoßen
und nicht mehr weiterkönnen. Wir errichten ein Camp am oberen Braldu-Gletscher
(4520 m).
Die Nacht ist
sehr kalt und sternenklar. Die Zelte sind vereist und der Atem gefriert am
Innenzelt, bei jeder Bewegung schneit es von der Zeltdecke herab. Mein
Expeditionsschlafsack reicht angeblich
bis minus 40
Grad, und darüber bin ich jetzt glücklich. Bei Däm¬merung brechen wir auf. Die
Schneedecke trägt gut, so geht es zü¬gig voran. Wir gehen ausschließlich am
Seil: Es gibt etliche Spal¬ten. Manchmal überschreiten wir schmale
Gletscherbrücken, und links und rechts sieht man dann weit hinunter in die blau
schim¬mernde, eisige Tiefe. Die Landschaft ist grandios, nur noch Glet¬scher
und Schneegipfel zwischen sechs- und siebentausend Meter Höhe bilden eine
riesige Arena der Einsamkeit. Ab 10 Uhr wird der Schnee erneut weicher, dennoch
kämpfen wir uns langsam, aber stetig höher. Das Wetter wird wieder schlechter,
dichter Nebel zieht auf, und es fängt leicht an zu schneien. Doch mit jedem
Schritt kommt der Lupke La näher. 5480 m zeigt der Höhenmesser, als ich oben
stehe.
Endlose
Gletscher und unzählige Eisgipfel
bilden eine
Arena der Einsamkeit
Die Sonne ist
nur noch als diffuse Scheibe im Nebel sichtbar. Die Sicht beträgt weniger als
50 Meter, und das Schneetreiben wird immer stärker. Hinuntergehen ist bei
diesen Verhältnissen ausge¬schlossen. Also bauen wir kurz hinter dem Pass die
Zelte auf. Es schneit ununterbrochen bis 18 Uhr, dann reißt der Himmel
plötz¬lich auf, und ein atemberaubendes Panorama zeigt sich: Im Süden das
riesige Sim-Gang-Gletscherbecken und dahinter ein hoher Karakorumgipfel nach
dem anderen. Bei guter Sicht sollte man ei¬gentlich den K2 sehen. Die Show ist
nur ein kurzes Intermezzo, denn wabernd zieht der Nebel aus dem Tal wieder
herauf, und der Vorhang schließt sich wieder. Zwei Tage hält das schlechte
Wetter an. Tage, an denen man außer Ruhen nur wenig unternehmen kann und hofft,
dass es bald besser wird. Die Temperatur sinkt nachts bis auf minus 25 Grad. In
der zweiten Nacht hört es zu schneien auf, und vereinzelt sehe ich Sterne am
Himmel - wird das Wetter endlich besser?
Am Morgen ist der Himmel fast wolkenlos, und der Abstieg vom
Lupke La hinunter auf den Sim-Gang-Gletscher gestaltet sich doch
anspruchsvoller, als ich dachte, denn eine lawinengefährde¬te und
spaltendurchsetzte 40 Grad steile Flanke ist zu überwinden. Wir gehen einzeln
und gesichert, und alles geht gut. Gegen Mittag rasten wir sicher unten auf dem
Gletscher. Die Sonne brennt auf fast 5000 m Höhe unbarmherzig und taut viel zu
schnell die Neu¬schneedecke auf: Sie wird nach kurzer Zeit erneut weich und
sul-zig. Eine Weile kämpfen wir uns noch voran, doch lange dauert es nicht,
dann geben wir auf und bauen mitten auf dem Sim-Gang-Gletscher die Zelte auf.
Die Landschaft ist atemberaubend schön, im Nordosten sieht man nun den
Nobande-Sobande-Gletscher, der hinauf zum Muztagh-Pass führt. Im Südosten überragt
die schroffe Gipfelkalotte des Baintha Brakk (7285 m), der auch Ogre genannt
wird, ein breites vorgelagertes Schneemassiv, das keinen Namen trägt.
Die Nacht wird wieder sehr kalt. Um halb 5 Uhr krieche ich
aus meinem warmen Schlafsack ins Freie. Der Ogre-Gipfel erscheint prachtvoll im
ersten Sonnenlicht über der eisgepanzerten Land- schaft, nicht der kleinste
Laut ist zu hören, absolute Stille, ein Moment der Meditation.
Frühstück im Küchenzelt, danach heißt es die vereisten Zelte
ver¬packen. Es ist 6.30 Uhr, als wir losgehen. Die Schneedecke ist hart
durchfroren und sehr fest, das Gehen macht nun richtig Freude. Immer am langen
Seil umgehen wir die tiefen Gletscherspalten des Sim-Gang. Am frühen Nachmittag
sehe ich im Süden das breite Becken des Snow Lake, so wird der große Gletscher
ge¬nannt, der sich vom Biafo-Gletscher bis hinauf zum Khurdopin-Gletscher
zieht. Der Höhenmesser zeigt hier immer noch 4750 m.
Wir überqueren das Snow-Lake-Becken und erreichen so den
Bia-fo-Gletscher. Über diesen geht man gut vier Tage bis hinunter ins
Baltoro-Tal und weiter zur ersten Siedlung mit Namen Askole, wo die Jeeps aus
Skardu warten.
Zum zweiten Mal ist es mir gelungen, den Karakorum von
Norden nach Süden zu durchqueren. Erstmals 2006 durch das Muztagh-Tal auf den
Spuren von Francis Younghusband, diesmal auf den Spuren des Abenteurers Eric
Shipton. Ich bin dankbar, als die klei¬ne Gruppe ohne Blessuren in Askole im
Teehaus sitzt. Ein großes Kompliment an meine unermüdlichen Shimshalträger,
ohne die diese Tour nicht möglich gewesen wäre.
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