Montag, 28. März 2016

Karakorum im Himalaya


Karakorum im Himalaya

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/4qmsacOk_Wc

1937 erreichte der Abenteurer Eric Shipton im Auftrag der Royal Geographical Society von Xinjiang aus das Shaksgam-Tal, um den K2 zu erreichen. 1939 erkundete er dann den Sim-Gang-Glet-scher, den Snow -Lake und den Biafo-Gletscher. Shipton überquer¬te erstmals den Lupke La und damit den Karakorum von Süd nach Nord. Er schrieb ein viel beachtetes Buch über dieses Abenteuer: „Blank an the map". Nach Shipton vvurcle das Grenzgebiet zu Chi¬na zur politischen Sperrzone und der zentrale Karakorum damit viele Jahre zur Atm incognita".

Unterwegs sein, wo noch niemand zuvor war, etwas Neues entde¬cken, Berge und Gletscher, die bisher kein menschliches Auge erblickte: Das ist etwas ganz Besonderes. 2011 erfüllte mir Islama¬bad endlich meinen Wunsch - ich erhielt die Sondergeneh¬migung, den Karakorum von Nord nach Süd über den Lupke-La-Pass zu durchqueren.

Shimshal, Juni 2012: Ich sitze in Ghulam Shahs Haus. Shah kenne ich schon über 20 Jahre, und er begleitete mich bei vielen Touren als Assistent. Heute findet ein Richtfest statt. Die komplette Ver-wandschaft ist schon eingetroffen. Eine Ziege wird geschächtet. Viele Tschapattis (Fladenbrote) werden geröstet und ein großes Essen zubereitet. Die Frauen sitzen mit ihren bunt bestickten „Feenkappen" in der Küche. Es wird viel gelacht und gescherzt. Ich bewundere diese Menschen immer wieder dafür, wie sie trotz aller Härte, die das Leben jedes Einzelnen hier prägt, so eine Aus-geglichenheit und Fröhlichkeit ausstrahlen.

Shah hat schon einiges vorbereitet. Die Träger für die Tour stehen bereit. Alle mit Kraxen und Hochgebirgsausrüstung: Sie wissen, worauf sie sich einlassen. Dabei sind wieder meine alten Freunde Qurban aus Kamaris und Moha rnm ad Jan, die schon 2006 mit mir den Karakorum durch das Muztagh-Tal durchquerten.

 

Zuerst gehen wir zur Alm Put-Put, dann nach Past Furzin (3670 m). Am nächsten Tag erreichen wir gegen Mittag Parien (3654 m) und am Nachmittag den Lagerplatz Ar-Bab-Parien (3985 m) mit Blick auf den knapp 6000 m hohen Mangli Sar, der noch tief ver¬schneit am Ende des Tales steht. Vier Stunden weiter, und man er¬reicht die Alm Shujerav (4373 m). Es ist noch nicht Mitte Juni, da¬rum sind Yaks, Ziegen und Schafe noch hier im geschützten Tal. Erst Mitte Juni ziehen die Tiere weiter über den Shimshal-Pass hinauf nach Shuwert auf die saftigen Sommerweiden.

Noch heute gibt es im Karakorum

einsame Täler und unbestiegene Berge

Am nächsten Tag ersteigen wir den 4755 m hohen Shimshal-Pass, eine riesige grüne Hochebene mit zwei glasklaren Seen. Die Sicht auf die hohen Berge ist ungetrübt, ein Traumtag. Schnell kommen wir voran, am frühen Nachmittag sehen wir schon ins Braldu-Tal hinunter und zur Yak-Alm Chkor (3846 m), dort bleiben wir zwei Nächte. Feenkappen" in der Küche. Es wird viel gelacht und gescherzt. Ich bewundere diese Menschen immer wieder dafür, wie sie trotz aller Härte, die das Leben jedes Einzelnen hier prägt, so eine Aus¬geglichenheit und Fröhlichkeit ausstrahlen.

Shah hat schon einiges vorbereitet. Die Träger für die Tour stehen bereit. Alle mit Kraxen und Hochgebirgsausrüstung: Sie wissen, worauf sie sich einlassen. Dabei sind wieder meine alten Freunde Qurban aus Kamaris und Moha rnm ad Jan, die schon 2006 mit mir den Karakorum durch das Muztagh-Tal durchquerten.

 

Zuerst gehen wir zur Alm Put-Put, dann nach Past Furzin (3670 m). Am nächsten Tag erreichen wir gegen Mittag Parien (3654 m) und am Nachmittag den Lagerplatz Ar-Bab-Parien (3985 m) mit Blick auf den knapp 6000 m hohen Mangli Sar, der noch tief ver¬schneit am Ende des Tales steht. Vier Stunden weiter, und man er¬reicht die Alm Shujerav (4373 m). Es ist noch nicht Mitte Juni, da¬rum sind Yaks, Ziegen und Schafe noch hier im geschützten Tal. Erst Mitte Juni ziehen die Tiere weiter über den Shimshal-Pass hinauf nach Shuwert auf die saftigen Sommerweiden.

Noch heute gibt es im Karakorum

einsame Täler und unbestiegene Berge

Am nächsten Tag ersteigen wir den 4755 m hohen Shimshal-Pass, eine riesige grüne Hochebene mit zwei glasklaren Seen. Die Sicht auf die hohen Berge ist ungetrübt, ein Traumtag. Schnell kommen wir voran, am frühen Nachmittag sehen wir schon ins Braldu-Tal hinunter und zur Yak-Alm Chkor (3846 m), dort bleiben wir zwei Nächte.

Von Chkor gehen wir das Braldu-Tal hinauf, nun heißt es den Braldu-Fluss zu durchqueren: Eine breite Stelle erscheint be¬sonders günstig, und es funktioniert. Nach einer Stunde stehen wir mit drei Yaks erleichtert auf der anderen Uferseite. Das Wetter verschlechtert sich am Nachmittag, und der Wind nimmt so stark zu, dass keine Chance besteht, ein Zelt aufzustellen, ohne dass es zerreißt. Unter großer Mühe können wir gegen Abend wenigstens das Küchenzelt aufstellen. Das ist dann unser gemeinsamer Schlafplatz für die Nacht.

Nicht weit vom Camp Wesm beginnt der Braldu-Gletscher, einer der ganz großen Eisströme im Karakorum. Die Breite beträgt an manchen Stellen mehr als zwei Kilometer. Es ist schwierig, über den Gletscherschutt zu klettern. Nie weiß man, wie es weiter¬geht. Die Berge aus dunklem Eis und Schutt sind wie ein Laby¬rinth. Es gibt keine Wege, nur eine ungefähre Richtung. Das erfor¬dert Konzentration und Trittsicherheit. Das erste Braldu-Camp liegt an der rechten Seitenmoräne in einer Höhe von 4220 m. Der Braldugletscher sieht von hier aus wie der schuppige Rücken einer riesigen Echse.

Am Shimshal-Pass erwartet uns

eine grüne Hochebene mit zwei Seen

Am folgenden Tag gegen Mittag erreichen wir die ersten schneeweißen Eistürme, die den Gletscher im oberen Teil durchbrechen. Das Gehen wird etwas leichter, dafür geht es über lose auf Eis liegende Steine, und der Untergrund wird mit zunehmender Sonneneinstrahlung immer lehmiger und nasser. Doch zur Entschädigung tauchen nun links und rechts Seiten¬täler auf, an deren Ende unbekannte Karakorumgipfel zu sehen sind. Die Nacht wird kalt: Minus 10 Grad lassen die Schuhe vor dem Zelt am Morgen gefrieren. Doch mit den ersten Sonnen¬strahlen ist alle Kälte schnell vergessen. Der Gletscher wird nun endlich flacher, und wir können auf die gefrorene Altschnee¬decke ausweichen. Bis 9 Uhr kommen wir sehr gut voran, doch dann brechen die ersten Träger mit ihren 30-Kilo-Lasten in den Schnee ein, erst knietief, dann hüfttief. Es wird extrem müh¬sam, sodass wir schon am Mittag an unsere physischen Gren¬zen stoßen und nicht mehr weiterkönnen. Wir errichten ein Camp am oberen Braldu-Gletscher (4520 m).

Die Nacht ist sehr kalt und sternenklar. Die Zelte sind vereist und der Atem gefriert am Innenzelt, bei jeder Bewegung schneit es von der Zeltdecke herab. Mein Expeditionsschlafsack reicht angeblich

 

bis minus 40 Grad, und darüber bin ich jetzt glücklich. Bei Däm¬merung brechen wir auf. Die Schneedecke trägt gut, so geht es zü¬gig voran. Wir gehen ausschließlich am Seil: Es gibt etliche Spal¬ten. Manchmal überschreiten wir schmale Gletscherbrücken, und links und rechts sieht man dann weit hinunter in die blau schim¬mernde, eisige Tiefe. Die Landschaft ist grandios, nur noch Glet¬scher und Schneegipfel zwischen sechs- und siebentausend Meter Höhe bilden eine riesige Arena der Einsamkeit. Ab 10 Uhr wird der Schnee erneut weicher, dennoch kämpfen wir uns langsam, aber stetig höher. Das Wetter wird wieder schlechter, dichter Nebel zieht auf, und es fängt leicht an zu schneien. Doch mit jedem Schritt kommt der Lupke La näher. 5480 m zeigt der Höhenmesser, als ich oben stehe.

Endlose Gletscher und unzählige Eisgipfel

bilden eine Arena der Einsamkeit

Die Sonne ist nur noch als diffuse Scheibe im Nebel sichtbar. Die Sicht beträgt weniger als 50 Meter, und das Schneetreiben wird immer stärker. Hinuntergehen ist bei diesen Verhältnissen ausge¬schlossen. Also bauen wir kurz hinter dem Pass die Zelte auf. Es schneit ununterbrochen bis 18 Uhr, dann reißt der Himmel plötz¬lich auf, und ein atemberaubendes Panorama zeigt sich: Im Süden das riesige Sim-Gang-Gletscherbecken und dahinter ein hoher Karakorumgipfel nach dem anderen. Bei guter Sicht sollte man ei¬gentlich den K2 sehen. Die Show ist nur ein kurzes Intermezzo, denn wabernd zieht der Nebel aus dem Tal wieder herauf, und der Vorhang schließt sich wieder. Zwei Tage hält das schlechte Wetter an. Tage, an denen man außer Ruhen nur wenig unternehmen kann und hofft, dass es bald besser wird. Die Temperatur sinkt nachts bis auf minus 25 Grad. In der zweiten Nacht hört es zu schneien auf, und vereinzelt sehe ich Sterne am Himmel - wird das Wetter endlich besser?

Am Morgen ist der Himmel fast wolkenlos, und der Abstieg vom Lupke La hinunter auf den Sim-Gang-Gletscher gestaltet sich doch anspruchsvoller, als ich dachte, denn eine lawinengefährde¬te und spaltendurchsetzte 40 Grad steile Flanke ist zu überwinden. Wir gehen einzeln und gesichert, und alles geht gut. Gegen Mittag rasten wir sicher unten auf dem Gletscher. Die Sonne brennt auf fast 5000 m Höhe unbarmherzig und taut viel zu schnell die Neu¬schneedecke auf: Sie wird nach kurzer Zeit erneut weich und sul-zig. Eine Weile kämpfen wir uns noch voran, doch lange dauert es nicht, dann geben wir auf und bauen mitten auf dem Sim-Gang-Gletscher die Zelte auf. Die Landschaft ist atemberaubend schön, im Nordosten sieht man nun den Nobande-Sobande-Gletscher, der hinauf zum Muztagh-Pass führt. Im Südosten überragt die schroffe Gipfelkalotte des Baintha Brakk (7285 m), der auch Ogre genannt wird, ein breites vorgelagertes Schneemassiv, das keinen Namen trägt.

Die Nacht wird wieder sehr kalt. Um halb 5 Uhr krieche ich aus meinem warmen Schlafsack ins Freie. Der Ogre-Gipfel erscheint prachtvoll im ersten Sonnenlicht über der eisgepanzerten Land- schaft, nicht der kleinste Laut ist zu hören, absolute Stille, ein Moment der Meditation.

Frühstück im Küchenzelt, danach heißt es die vereisten Zelte ver¬packen. Es ist 6.30 Uhr, als wir losgehen. Die Schneedecke ist hart durchfroren und sehr fest, das Gehen macht nun richtig Freude. Immer am langen Seil umgehen wir die tiefen Gletscherspalten des Sim-Gang. Am frühen Nachmittag sehe ich im Süden das breite Becken des Snow Lake, so wird der große Gletscher ge¬nannt, der sich vom Biafo-Gletscher bis hinauf zum Khurdopin-Gletscher zieht. Der Höhenmesser zeigt hier immer noch 4750 m.

 

Wir überqueren das Snow-Lake-Becken und erreichen so den Bia-fo-Gletscher. Über diesen geht man gut vier Tage bis hinunter ins Baltoro-Tal und weiter zur ersten Siedlung mit Namen Askole, wo die Jeeps aus Skardu warten.

Zum zweiten Mal ist es mir gelungen, den Karakorum von Norden nach Süden zu durchqueren. Erstmals 2006 durch das Muztagh-Tal auf den Spuren von Francis Younghusband, diesmal auf den Spuren des Abenteurers Eric Shipton. Ich bin dankbar, als die klei¬ne Gruppe ohne Blessuren in Askole im Teehaus sitzt. Ein großes Kompliment an meine unermüdlichen Shimshalträger, ohne die diese Tour nicht möglich gewesen wäre.




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