Alexander der Grosse
(356.BC – 323.BC)
Author D. Selzer-McKenzie
YoutubeVideo: https://youtu.be/J4krx_qCDcA
Alexander der Große (griechisch Ἀλέξανδρος ὁ Μέγας
Aléxandros ho Mégas) bzw. Alexander III. von Makedonien (* 20. Juli 356 v. Chr.
in Pella; † 10. Juni 323 v. Chr. in Babylon) war von 336 v. Chr. bis zu seinem
Tod König von Makedonien und Hegemon des Korinthischen Bundes.
Alexander dehnte die Grenzen des Reiches, das sein Vater
Philipp II. aus dem vormals eher unbedeutenden Kleinstaat Makedonien sowie
mehreren griechischen Poleis errichtet hatte, durch den sogenannten
Alexanderzug und die Eroberung des Achämenidenreichs bis an den indischen
Subkontinent aus. Nach seinem Einmarsch in Ägypten wurde er dort als Pharao
begrüßt. Nicht zuletzt aufgrund seiner großen militärischen Erfolge wurde das
Leben Alexanders ein beliebtes Motiv in Literatur und Kunst, während Alexanders
Beurteilung in der modernen Forschung, wie auch schon in der Antike,
zwiespältig ausfällt.
Mit seinem Regierungsantritt begann das Zeitalter des
Hellenismus, in dem sich die griechische Kultur über weite Teile der damals
bekannten Welt ausbreitete. Die kulturellen Prägungen durch die Hellenisierung
überstanden den politischen Zusammenbruch des Alexanderreichs und seiner
Nachfolgestaaten und wirkten noch jahrhundertelang in Rom und Byzanz fort.
Die Zähmung des Bukephalos in Edinburgh
Alexander wurde im Jahre 356 v. Chr. als Sohn König Philipps
II. von Makedonien und der Königin Olympias geboren. Viele Einzelheiten seiner
Biografie, vor allem aus der Kindheit, wurden später legendenhaft ausgeschmückt
oder frei erfunden. So berichtet der Geschichtsschreiber Plutarch, dass
Alexander ohne Zweifel seinen Stammbaum väterlicherseits auf Herakles und
Karanos, den ersten König der Makedonen, zurückverfolgen konnte, wodurch
Plutarch gleichzeitig auch die Abstammung Alexanders vom Göttervater Zeus
implizit hervorhebt.[1] Ebenso berichtet er, dass Olympias und Philipp Träume gehabt
hätten, die ihnen der Seher Aristander so deutete, dass ihnen die Geburt eines
Löwen bevorstehe.[2] Olympias nahm für sich in Anspruch, in direkter Linie von
dem griechischen Heros Achilleus und Aiakos, einem weiteren Sohn des Zeus
abzustammen.[1] Nach einer (vermutlich ebenfalls legendären) Erzählung
Plutarchs soll Alexander in jungen Jahren sein Pferd Bukephalos, das ihn später
bis nach Indien begleitete, gezähmt haben, nachdem es zuvor niemandem gelungen
war, es zu bändigen. Alexander erkannte, was den Fehlschlägen der anderen
zugrunde lag: Das Pferd schien den eigenen Schatten zu scheuen. Daraufhin habe
Philipp zu ihm gesagt:
Geh, mein Sohn,
suche dir ein eigenes Königreich, das deiner würdig ist. Makedonien ist nicht
groß genug für dich.[3]
Abgesehen von den Legenden ist wenig über Alexanders
Kindheit bekannt. Makedonien war ein Land, das im Norden des Kulturraums des
antiken Griechenlands lag. Es wurde von vielen Griechen als „barbarisch“
(unzivilisiert) angesehen, obwohl das Königsgeschlecht als griechisch anerkannt
wurde. In der Antike gab es ohnehin keinen einheitlichen Staat Griechenland,
sondern eine durch gemeinsame Kultur, Religion und Sprache verbundene
Gemeinschaft der griechischen Klein- und Stadtstaaten. Im frühen 5. Jahrhundert
v. Chr. wurden erstmals Makedonen zu den Olympischen Spielen zugelassen,
nachdem König Alexander I. eine Abstammung aus dem griechischen Argos in
Anspruch genommen hatte.[4] Noch heute birgt die Diskussion um die ethnische
Zugehörigkeit politischen Konfliktstoff.
Aus den verfügbaren Quellen ist ersichtlich, dass das
Makedonische, von dem nur wenige Wörter überliefert sind, für die Griechen wie
eine fremde Sprache klang.[5] Ob das Makedonische ein griechischer Dialekt oder
eine mit dem Griechischen verwandte eigenständige Sprache war, ist immer noch
umstritten.
Kulturell und gesellschaftlich unterschieden sich die
Makedonen recht deutlich von den Griechen: keine städtische Kultur, als
Binnenreich kaum Kontakte zum mediterranen Kulturraum, Königtum, was in Griechenland
nicht die Regel war. Auf viele Griechen wird die makedonische Gesellschaft
archaisch gewirkt haben.[6] Erst im 6. Jahrhundert v. Chr. verstärkte sich der
griechische kulturelle Einfluss in der makedonischen Oberschicht.
Makedonien zum Zeitpunkt von Philipps Tod
Alexanders Vater Philipp II. hatte das bisher eher
unbedeutende Makedonien, das vor ihm Streitobjekt der Adelsfamilien des Hoch-
und des Tieflands gewesen war, zur stärksten Militärmacht der damaligen Zeit
gemacht. Er hatte Thessalien und Thrakien erobert und alle griechischen
Stadtstaaten mit Ausnahme Spartas in ein Bündnis unter seiner Führung gezwungen
(Korinthischer Bund). Schon an diesen Kriegszügen war Alexander beteiligt, etwa
in der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.), in der die griechischen Städte
unter Führung Athens unterworfen wurden. Die makedonische Phalanx erwies sich
dabei als ein wichtiges Element für den militärischen Erfolg, zentral war
jedoch die Rolle der Hetairenreiterei. Alexanders spätere Erfolge gehen
zweifellos zu einem bedeutenden Teil auf die Militärreformen seines Vaters
zurück. Philipp umgab sich außerdem mit sehr fähigen Offizieren, wie etwa
Parmenion, die auch einen großen Anteil an Alexanders späteren Siegen hatten.
Philipp holte den griechischen Philosophen Aristoteles in
die makedonische Hauptstadt Pella und beauftragte ihn, Alexander in
Philosophie, Kunst und Mathematik zu unterrichten. Der Einfluss des Aristoteles
sollte wohl nicht zu hoch veranschlagt werden, doch sicher war Alexander sehr
gebildet; seine Abschrift der Ilias hütete er wie einen Schatz, und er brachte
der griechischen Kultur große Bewunderung entgegen.
Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war keineswegs frei
von Konflikten, gerade in Hinsicht auf die Liebschaften des Vaters. Philipp
hatte 337 v. Chr. Kleopatra, die Nichte seines Generals Attalos, als Nebenfrau
geheiratet. Während eines Banketts soll Attalos Öl ins Feuer gegossen und
gesagt haben, er hoffe, dass Philipp nun einen legitimen Erben erhalten würde.
Alexander sei daraufhin wutentbrannt aufgefahren und habe Attalos angeschrien:
Soll das heißen,
ich sei ein Bastard?
Alexander warf einen Becher nach Attalos und wollte auf ihn
losgehen. Auch Philipp erhob sich und zog sein Schwert, jedoch nicht um Alexander
in Schutz zu nehmen, sondern um Attalos zu helfen. Da aber Philipp bereits
betrunken war, stolperte er und fiel hin. Alexander soll ihn höhnisch
angeblickt haben und sich den versammelten Makedonen zugewandt haben:
Seht ihn euch an,
meine Herren. Dieser Mann will euch von Europa nach Asien führen, aber er
scheitert schon bei dem Versuch, von einem Liegebett zum nächsten zu gehen.
(Plutarch, Alexander, 9)
Alexander befürchtete nun offenbar, von der Thronfolge
ausgeschlossen zu werden. Schließlich floh er mit seiner Mutter über Epeiros
nach Illyrien. Nach einem halben Jahr kehrte er nach Pella zurück, doch seine
Thronfolge blieb weiterhin unsicher.
Philipp wurde im Sommer 336 v. Chr. in der alten Hauptstadt
Aigai (auch bekannt als Vergina) während der Hochzeit seiner Tochter Kleopatra
mit dem König Alexander von Epeiros von dem Leibgardisten Pausanias
ermordet.[7] Das Motiv des Täters scheint offensichtlich: Pausanias war ein
Vertrauter Philipps gewesen und war von Attalos beleidigt worden; dabei fühlte
er sich von Philipp ungerecht behandelt. Es gab aber bald darauf Gerüchte,
wonach Alexander an der Tat beteiligt gewesen war. Die Mutmaßungen über die
Hintergründe des Mordes und über eine Verwicklung von Olympias und Alexander
sind weitgehend spekulativ, auch wenn eine Mitwisserschaft nicht ausgeschlossen
werden kann.[8]
Regierungsübernahme und Sicherung der Macht (336–335 v.
Chr.)
Alexander der Große; hellenistisch, 2. bis 1. Jahrhundert v.
Chr., griechischer Marmor
Im Jahre 336 v. Chr. folgte der zwanzigjährige Alexander
seinem Vater auf den Thron.[9] Dass es keinen nennenswerten Widerstand gab, ist
offenbar Antipater zu verdanken, der das Heer dazu bewog, Alexander als König
anzuerkennen. Schon in den ersten Tagen ließ er Mitglieder des Hofstaats
exekutieren, die das Gerücht gestreut hatten, Alexander habe etwas mit der
Ermordung seines Vaters zu tun gehabt. Als Nächstes wandte er sich seinem
Erzfeind Attalos zu, der sich auf der Flucht befand, jedoch von seinem
Verwandten (Stiefvater) Parmenion getötet wurde. Sowohl Antipater als auch
Parmenion standen deswegen lange in Alexanders besonderer Gunst und
profitierten nicht unerheblich davon: Antipater blieb während des Asienfeldzugs
als Reichsverweser in Makedonien, während Parmenion sich seine Unterstützung
mit großem Einfluss im Heer vergelten ließ.
Noch 336 ließ sich Alexander in Korinth die Gefolgschaft der
griechischen Städte versichern. Die Völker in Thrakien und Illyrien versuchten
jedoch, die Situation zu nutzen und die makedonische Herrschaft abzuwerfen.
Alexander zog im Frühjahr 335 v. Chr. mit 15.000 Mann nach Norden ins heutige
Bulgarien und Rumänien, überquerte die Donau und warf die thrakische Revolte
nieder.[9] Anschließend verfuhr er ebenso mit den Illyrern.[9] Siehe auch
Balkanfeldzug Alexanders des Großen.
Während Alexander im Norden kämpfte, beschlossen die
Griechen im Süden, dass dies der Zeitpunkt sei, sich von Makedonien zu
befreien. Ihr Wortführer war Demosthenes, der die Griechen davon zu überzeugen
versuchte, dass Alexander in Illyrien gefallen und Makedonien herrscherlos sei.
Als erste erhoben sich die Einwohner Thebens und vertrieben die makedonischen
Besatzungssoldaten aus der Stadt.
Alexander reagierte augenblicklich und marschierte direkt
von seinem Illyrienfeldzug südwärts nach Theben. Die Phalanx seines Generals
Perdikkas eroberte die Stadt, wo Alexander zur Bestrafung sämtliche Gebäude mit
Ausnahme der Tempel und des Wohnhauses des Dichters Pindar zerstören ließ.
Sechstausend Einwohner wurden getötet, die übrigen 30.000 wurden in die
Sklaverei verkauft. Die Stadt Theben existierte nicht mehr und sollte erst
zwanzig Jahre später wieder aufgebaut werden, aber nie mehr zur alten Bedeutung
zurückfinden.
Abgeschreckt von Alexanders Strafgericht brachen die anderen
Städte Griechenlands ihre Revolte ab und ergaben sich. Von den Korinthern ließ
sich Alexander von neuem die Gefolgschaft versichern und verschonte sie
daraufhin, da er sie als Verbündete in seinem Persienfeldzug brauchte.
Beginn des Persienfeldzugs (334–333 v. Chr.)
Verlauf des Alexanderzuges durch Persien
Das Perserreich war zu Alexanders Zeit die größte
Territorialmacht der Erde. Die Perserkönige hatten in den zurückliegenden
Jahrhunderten Palästina, Mesopotamien, Ägypten und Kleinasien erobert und
zwischen 492 und 479 v. Chr. mehrere Versuche unternommen, auch Griechenland zu
unterwerfen (siehe Perserkriege). Aus Sicht von Griechen wie Isokrates ebenso
wie der älteren Forschung war das Reich aber um 340 v. Chr. geschwächt und
hatte seinen Zenit überschritten. In der neueren Forschung wird dies allerdings
bestritten; so war den Persern wenige Jahre vor dem Alexanderzug die
Rückeroberung des zwischenzeitlich abgefallenen Ägypten gelungen. Ob Persien
für die Makedonen eine leichte Beute war, ist daher umstritten.
Als sich Alexander 334 v. Chr. dem Perserreich zuwandte,[10]
wurde dies von Dareios III. aus dem Haus der Achämeniden beherrscht. Schon
Alexanders Vater Philipp hatte Pläne für einen Angriff auf die Perser geschmiedet,
angeblich, um Rache für die Invasion Griechenlands rund 150 Jahre zuvor zu
nehmen, wobei es sich dabei eher um Propaganda handelte und machtpolitische
Gründe den Ausschlag gegeben haben dürften.[11] Eine Armee unter Parmenion,
einem der fähigsten makedonischen Generäle, war bereits über den Hellespont
nach Asien gegangen, wurde von den Persern aber zurückgeschlagen. Alexander
überschritt den Hellespont im Mai 334 mit einer Armee aus etwa 35.000 Makedonen
und Griechen, um in die Kämpfe einzugreifen, während rund 12.000 Makedonen
unter Antipater Makedonien und Griechenland sichern sollten.
In der Schlacht am Granikos kam es zur ersten Begegnung mit
den persischen Streitkräften unter der Führung eines Kriegsrates der Satrapen.
Der für die Perser kämpfende Grieche Memnon von Rhodos führte 20.000
griechische Söldner, doch konnte er sich im Kriegsrat mit einer defensiven
Taktik nicht durchsetzen. Alexander errang auch aufgrund einer ungünstigen
Aufstellung der Perser einen deutlichen Sieg. Memnon konnte mit einem Teil der
Söldner entkommen. Dadurch war die Befreiung der Städte Ioniens möglich
geworden, die Alexander als Motiv für seinen Feldzug genannt hatte. Nach dem
Sieg ernannte Alexander eigene Statthalter für die bisherigen Satrapien und
übernahm damit die politischen und wirtschaftlichen Strukturen der persischen
Verwaltung Kleinasiens.
In Lydien zog Alexander kampflos in Sardes ein. Er weihte
den örtlichen Tempel dem Zeus und nutzte die Reichtümer der Stadt, um seine
Männer zu bezahlen. Dann zog er weiter nach Ephesos. Dort war kurz zuvor Memnon
mit den Resten der Söldner vom Granikos hindurchgezogen und hatte Unruhen unter
den städtischen Parteien entfacht. Alexander ließ die alten Institutionen
wiederherstellen und regelte die Befugnisse des Tempels der Artemis. Nach einer
Ruhe- und Planungspause brach der König mit dem Gros des Heeres nach Milet auf,
der größten Stadt an der Westküste Kleinasiens. Der dortige Satrap kapitulierte
als Einziger nicht, da ihm die Ankunft einer persischen Hilfsflotte von 400
Schiffen versprochen worden war. Da auch Alexander von dieser Flotte gehört
hatte, wies er Nikanor, einen Bruder Parmenions, an, mit 160 Schiffen die
Einfahrt zur Bucht von Milet zu versperren. Anschließend gelang ihm die
Einnahme der Stadt (→ Belagerung von Milet).
Die Perser, die immer noch unter dem Befehl Memnons standen
(allerdings hatten Unstimmigkeiten im persischen Oberkommando einen effektiven
Widerstand erschwert), sammelten sich nun in Halikarnassos, der Hauptstadt
Kariens, und bereiteten die Stadt auf eine Belagerung vor. Die Kämpfe waren für
Alexander sehr verlustreich. Zwischenzeitlich handelte er einen
Waffenstillstand aus, um die makedonischen Gefallenen zu bergen – etwas, was er
nie zuvor getan hatte und nie wieder tun sollte. Als er letztlich die Mauern
durchbrach, entkam Memnon mit dem Großteil seiner Soldaten auf Schiffen aus der
fallenden Stadt (→ Belagerung von Halikarnassos). Indem Alexander der karischen
Satrapentochter Ada die Herrschaft über Halikarnassos versprach, sicherte er sich
das Bündnis mit dem Volk Kariens. Manche Quellen sprechen davon, dass Ada
Alexander adoptierte. Hier zeigte Alexander erstmals seine Taktik,
Großzügigkeit gegenüber besiegten Völkern walten zu lassen, um sie nicht gegen
die Makedonen aufzubringen.
Das ursprüngliche Ziel des Persienfeldzugs, die Eroberung
der Westküste Kleinasiens, war hiermit erreicht. Dennoch beschloss Alexander,
die Expedition fortzusetzen. Entlang der Küsten Lykiens und Pamphyliens traf
die makedonisch-griechische Streitmacht auf keinerlei nennenswerten Widerstand.
Eine Stadt nach der anderen ergab sich kampflos. Alexander ernannte seinen
Freund Nearchos zum Statthalter von Lykien und Pamphylien.
Im Winter 334/333 v. Chr. eroberte Alexander das anatolische
Binnenland. Er stieß vom Süden vor, sein General Parmenion von Sardes im
Westen. Die beiden Armeen trafen sich in Gordion, der Hauptstadt der persischen
Satrapie Phrygien. Hier soll Alexander der Große der Legende nach den
Gordischen Knoten mit seinem Schwert durchschlagen haben, über den ein Orakel
prophezeit hatte, nur derjenige, der diesen Knoten löse, könne die Herrschaft
über Asien erringen. Es gibt aber auch die Version, dass Alexander mit der
Breitseite des Schwertes auf die Wagendeichsel schlug, so dass der Druck den
Knoten auseinanderriss.
Die Makedonen blieben einige Zeit in Gordion, um Nachschub
an Männern und die Einfuhr der Ernte abzuwarten. Während dieser Zeit starb
Memnon, der Befehlshaber der persischen Armee, im August 333 v. Chr. an einer
Krankheit. Zu seinem Nachfolger wurde Pharnabazos ernannt, und da sich die
Perser bereits wieder formierten, brach Alexander erneut auf. In Gordion ließ
er seinen General Antigonos als Statthalter Phrygiens zurück und übertrug ihm
die Aufgabe, den Norden Anatoliens zu unterwerfen und die Nachschubwege zu
sichern.
Durch Kappadokien marschierte Alexanders Heer nach Kilikien.
Dort nahm er nach einem kurzen Gefecht die Hauptstadt Tarsos ein, wo er bis zum
Oktober blieb.
Die Schlacht bei Issos (333 v. Chr.)
Alexander kämpft bei Issos Perser nieder, Detail vom
„Alexandersarkophag“
In Tarsos erfuhr Alexander, dass Dareios III. die Bedrohung
endlich ernst genug nahm, um selbst ein Heer aus dem persischen Kernland nach
Westen zu führen. Plutarch zufolge war dieses persische Heer 600.000 Mann stark
– eine Angabe, die sicherlich maßlos übertrieben ist: Der berühmte
Althistoriker Karl Julius Beloch, der den Quellen immer sehr skeptisch
gegenüberstand, schätzte die tatsächliche Zahl der Perser auf höchstens
100.000, die Stärke des makedonischen Heeres dagegen auf ca. 25 – 30.000
Mann.[12]
Dareios gelang es, Alexanders Armee im Norden zu umgehen und
Issos zu besetzen, wodurch er die Nachschubwege blockierte. Auch ließ Dareios
die in Issos zurückgebliebenen Verwundeten töten. In der Schlacht bei Issos
trafen die Armeen im Kampf aufeinander, bis Dareios aufgrund der großen
Verluste der Perser vom Schlachtfeld floh. Die Makedonen beklagten 450 Tote und
4000 Verwundete. Unbekannt sind die persischen Verluste, sie dürften aber weit
höher gewesen sein. Insgesamt hatte die persische Führung während der Schlacht
mehrere Fehler begangen, angefangen bei der Aufstellung – man hatte auf die
Umgruppierungen Alexanders nicht reagiert. Auch als Symbol kam der Schlacht
große Bedeutung zu: Dareios hatte sich seinem Gegner als nicht gewachsen
gezeigt.
Zur Sicherung des Lagers der Perser sandte Alexander seinen
General Parmenion nach Damaskus. Neben dem reichen Kriegsschatz befanden sich
hier auch mehrere Mitglieder der königlichen Familie.[13] Zu den Gefangenen,
die in die Hände der Makedonen fielen, gehörten die Mutter des Dareios, seine
Frau Stateira, ein fünfjähriger Sohn und zwei Töchter. Alexander behandelte sie
mit Respekt. Außerdem wurde Barsine gefangen genommen, die Witwe des Memnon. Es
kam zu einer Liebesaffäre zwischen Alexander und Barsine, aus der später ein
Sohn hervorgehen sollte, der Herakles genannt wurde.
Schon bald bat Dareios Alexander um den Abschluss eines
Freundschaftsvertrags und die Freilassung seiner Familie. Alexander antwortete,
Dareios solle zu ihm kommen und Alexander als „König von Asien“ anerkennen,
dann würde seine Bitte erfüllt; andernfalls solle er sich auf den Kampf
vorbereiten.
Nach der Schlacht gründete Alexander die erste Stadt in
Asien, die er nach sich benannte: Alexandretta, das heutige İskenderun. Hier
siedelte er die 4000 Verwundeten der Schlacht an.
Die Lage nach der Schlacht von Issos
Der Ausgang der Schlacht überraschte die antike Welt. Die
Erwartungen der Herrscher von Karthago, in Italien, Sizilien, von Sparta bis
Zypern, die Kalkulationen der Handelsherren im westlichen Mittelmeerraum, in
Athen, auf Delos und in Phönizien erfüllten sich nicht: „… statt der erwarteten
Siegesnachricht aus Kilikien kam die von der gänzlichen Niederlage des
Großkönigs, von der völligen Vernichtung des Perserheeres.“[14]
Auch die Delegationen aus Athen, Sparta und Theben, die im
Hauptquartier des Großkönigs in Damaskus den Verlauf der Feldzüge verfolgten,
wurden von Alexanders Feldherrn Parmenion gefangen gesetzt. Alexander selbst
widerstand der Versuchung, den Krieg durch einen Marsch nach Babylon rasch zu
entscheiden, doch hatte er es nicht einfach, seine Befehlshaber und Gefährten
von einer Defensivstrategie zu überzeugen.
Nach wie vor beherrschte die persische Flotte das östliche
Mittelmeer – sie verfügte zwar über keine Häfen mehr in Kleinasien, jedoch nach
wie vor in Phönizien: durch die Münzgeldtribute hier waren die finanziellen
Mittel der Perser noch wenig eingeschränkt, und auch Ägypten stand ihnen noch
als logistische und militärische Basis zur Verfügung. Die kommenden
Winterstürme ließen zwar keine Flottenunternehmungen mehr erwarten und damit
auch keine Gefahr einer raschen Erhebung der Griechen gegen Makedonien –
insbesondere des Spartanerkönigs Agis IV. –, doch kam es nun auch auf das
Verhalten der phönizischen Geschwader an, die einen Großteil der persischen
Flotte stellten. Zwar verblieben sie in dieser Jahreszeit noch in der Fremde,
doch nahm Alexander an, dass er diese Kontingente durch eine sofortige
Besetzung ihrer Heimatstädte zumindest neutralisieren könne. „Auch die
kyprischen Könige glaubten, für ihre Insel fürchten zu müssen, sobald die
phönikische Küste in Alexanders Gewalt war.“[15] Nach einer Besetzung
Phöniziens und Ägyptens könne dann ein Feldzug nach Asien von einer gesicherten
Basis aus geführt werden, obwohl die Perser natürlich auch Zeit für neue
Rüstungen gewannen. Die Versammlung stimmte Alexanders Plan zu.
Die Schlacht von Issos hatte noch keine grundsätzliche
Entscheidung gebracht: Entgegen den Erwartungen wurde das makedonische Heer
nicht vernichtet, und Alexander besaß mit der persischen Kriegskasse in
Damaskus die Mittel zur Fortführung des Feldzuges. Eine Entscheidung des
Krieges war dadurch nicht bewirkt worden. Eingezogen wurden in Damaskus „2600
Talente in Münzgeld und 500 Pfund Silber“, die „(ausreichten), alle
Soldschulden der Armee und Sold für etwa sechs weitere Monate zu bezahlen
…“[16]
Die Belagerung von Tyros und das zweite Angebot des Dareios
(332 v. Chr.)
→ Hauptartikel: Belagerung von Tyros (332 v. Chr.)
Während die Städte in der nördlichen Hälfte Phöniziens –
Marathos, Byblos, Arados, Tripolis und Sidon – sich dem Makedonen bereitwillig
ergaben, war die dominierende Handelsmetropole Tyros allenfalls zu einem
Vergleich bereit. Sie baute dabei auf ihre Insellage knapp vor der Küste, auf
ihre vor Ort verfügbare eigene Flotte und die Unterstützung ihrer mächtigen
Tochterstadt Karthago. Nachdem Alexander der Zutritt zur Stadt verwehrt worden
war – sein Prüfstein war das Verlangen nach einem Opfer im Tempel des
Stadtgottes Melkart, des tyrischen Herakles –, brach der König die
Verhandlungen ab. Er beschloss, Tyros um jeden Preis einzunehmen, denn er
plante schon den Vorstoß nach Ägypten und wollte eine feindliche Stadt, die
sowohl mit den Persern als auch mit rebellischen Kräften in Griechenland
kooperieren würde, nicht unbezwungen in seinem Rücken lassen. Eine von Arrian
überlieferte angebliche Rede Alexanders vor seinen Offizieren, in der die
strategischen Überlegungen erläutert werden, ist allerdings eine literarische
Fiktion, die auf der Kenntnis des späteren Verlaufs des Feldzugs beruht.[17]
Vor dem Beginn der Belagerung bot Alexander den Tyrern Schonung an, falls sie
kapitulierten. Sie töteten jedoch seine Unterhändler und warfen die Leichen von
den Stadtmauern. Damit war der Weg zu einer Einigung endgültig versperrt.[18]
Ohne Flotte blieb nur die Möglichkeit eines Dammbaues durch
das zumeist seichte Gewässer, das die vorgelagerte Inselstadt von der Küste
trennte, und der Versuch, mit Belagerungsmaschinen Teile der Mauern zu
zerstören. Die Finanzierung dieser aufwendigen Methode, die eine entwickelte Technik
und die dafür entsprechenden Materialien und Fachkräfte erforderte, konnte
Alexander durch die Beute aus dem persischen Hauptquartier in Damaskus
bewerkstelligen.
Ein erster Dammbau wurde von den Tyrern erfolgreich
bekämpft, es gelang ihnen bei stürmischem Wetter mit einem Brander die zwei
Belagerungstürme an der Spitze des Dammes zu entzünden und durch Begleitschiffe
mit Geschützen jeden Löschversuch zu vereiteln. Der Sturm riss zudem den
vorderen Teil des Dammes weg.
Der Vorfall löste im makedonischen Heer Entmutigung aus,
zumal wieder Gesandte des Dareios eintrafen und ein neues Friedensangebot des
Großkönigs überbrachten, das Alexander „den Besitz des Landes diesseits des
Euphrat“, 10.000 Talente Lösegeld für seine gefangene Gemahlin und die Hand
seiner Tochter anbot. In diese Zeit fiel auch die – vermutlich von Kallisthenes
übermittelte – Reaktion des Befehlshabers Parmenion: Wäre er Alexander, so
würde er akzeptieren. Alexander entgegnete, das würde er auch tun, wenn er
Parmenion wäre. Alexander ließ Dareios mitteilen, er, Alexander, werde sich
nehmen, was er wolle; wenn Dareios etwas von ihm erbitten wolle, solle er zu
ihm kommen.[19]
Der Damm wurde in größerer Breite wiederhergestellt und neue
Türme gebaut.[20] In der Zwischenzeit – nach den Winterstürmen – trafen auch
die phönizischen Flottenkontingente und die Geschwader der Könige von Zypern in
ihren Heimathäfen ein und standen nun Alexander zur Verfügung; insgesamt 250
Schiffe, darunter auch Vier- und Fünfruderer.
Diese Bundesgenossenschaft lag auch in der Feindschaft der
kleineren Städte Phöniziens gegen Tyros begründet: Die Metropole hatte zwanzig
Jahre zuvor zwar einen Aufstand unter Führung von Sidon gegen die Perser
befürwortet und Hilfe zusagt, dann jedoch den Verlauf der Auseinandersetzungen
abgewartet und war von den Persern für diese Haltung belohnt worden. Nach der
Niederschlagung der Erhebung und der Zerstörung von Sidon errang Tyros die
Vorherrschaft unter den phönizischen Handelsstädten.
Während die neu gewonnene Flotte ausgerüstet wurde,
unternahm Alexander eine Expedition durch das küstennahe Gebirge des
Antilibanon, um die Festungen von Gebirgsstämmen zu bezwingen, den Nachschub
(Holz für den Maschinenbau) und die Verbindung nach Damaskus zu sichern.
Die Karthager konnten den Tyrern nicht helfen, da sie sich
im Krieg mit Syrakus befanden.[21] Nach weiteren wechselvollen Kämpfen um die
Stadtmauern und zur See, die die Tyrer immer mehr Schiffe kosteten, war die
Zeit zum Sturmangriff reif. Alexander beschloss einen kombinierten Land- und
Seeangriff. Auf der durch den Damm erreichbaren Seite gelang es, Breschen in
die Mauern zu schlagen und ein Landeunternehmen durchzuführen, die phönizischen
Schiffe sprengten die Sperrketten im Südhafen und bohrten die dort liegenden
Schiffe in den Grund, die zyprische Flotte verfuhr ebenso im Nordhafen – dort
gelang es den Truppen, zusätzlich in die Stadt einzudringen. Die überlieferte
Zahl von 8000 Gefallenen der Stadt soll sich auf die gesamte Belagerungszeit
beziehen.[22] Ob die anschließende angebliche Kreuzigung von 2000 Kämpfern den
Tatsachen entspricht, ist umstritten. Im Vorfeld des letzten Angriffes ließ
Alexander Schiffe der Karthager und seiner verbündeten Phönizier zur
Evakuierung der Bevölkerung passieren.[23] In Heiligtümer oder Tempel
Geflüchtete wurden verschont.
Zahlreiche Einwohner – die überlieferte Zahl von 30.000 gilt
allerdings als stark übertrieben – wurden in die Sklaverei verkauft.[24] Das
war in der Antike eine gängige Praxis, um die Kriegskassen aufzufüllen.
Alexander soll allerdings sehr selten zu diesem Mittel gegriffen haben, da er
die Bevölkerung für sich gewinnen wollte, denn er konnte sich eine ständige
Bedrohung durch Aufständische in seinem kaum durchgängig besetzbaren Hinterland
nicht leisten.
Tyros wurde wieder aufgebaut und neu besiedelt, um unter
makedonischer Hoheit die beherrschende Position in Phönizien zu sichern. Die
Nachricht von diesem mit modernster Kriegstechnik errungenen Sieg – die
Belagerungstürme sollen eine Höhe von 45 Metern erreicht haben – machte in der
antiken Welt weit über die betroffene Region hinaus einen starken Eindruck.[25]
Die Eroberung von Gaza
Alexander, der während der Belagerung auch die Verwaltung
und Logistik in den neu gewonnenen Gebieten ordnete, „brach mit etwa Anfang
September 332 von Tyros auf.“[26] Die Städte und Stämme im südlichen Syrien
ergaben sich bis auf die Hafenstadt Gaza.
Die Stadt war seit Jahrhunderten der Hauptumschlagplatz des
Gewürzhandels. Mit einer Eroberung der Stadt konnte Alexander einen der
lukrativsten Handelsbereiche zwischen Ost und West unter seine Kontrolle
bringen, doch standen den Makedonen damit nicht nur Perser, sondern auch
arabische Söldnertruppen gegenüber. Mit entsprechender Härte wurde der Kampf
geführt.
Griechische Triere um 400 v. Chr.
Einen unmittelbaren Gewinn konnte sich Alexander von einer
Eroberung nicht versprechen, denn die Gewürzhandelsgeschäfte des Jahres waren
abgeschlossen, da „die Route nur einmal im Jahr befahren wurde.“
Wetterverhältnisse und „Orientierungsschwächen beschränkten die Aktivitäten
mediterraner Seefahrt auf das halbe Jahr zwischen Mai und Oktober, in dem das
Wetter in der Regel verläßlich gut war. […] Faktisch lag der Zeitpunkt Mitte
August (Hesiod, 700 v. Chr.), denn es stand auch noch die Rückreise an.“
Organisiert war diese Fahrt bis in die Spätantike als riesiges
„Kauffahrtgeschwader“ zuerst entlang den östlichen Küsten – vor allem
Kornfrachter, Sklaven- und Baumaterial-Transporten sowie Postschiffen und
anderen, die dann übers Meer von Kriegsschiffen begleitet wurden.[27] Durch die
Belagerung von Tyros waren die Handelsunternehmen 332 v. Chr. schon stark
beeinträchtigt worden.
Alexander nahm sofort den Hafen von Gaza zum Antransport der
zerlegten Belagerungsmaschinen in Beschlag. Die Stadt selbst lag nahe dem Meer
auf einem flachen Hügel.[28] Gaza war auch der letzte freie Ankerplatz für die
persische Flotte in Syrien und somit auch an der kompletten östlichen
Mittelmeerküste. Die Flotte war mittlerweile in Auflösung begriffen, da die griechischen
Kontingente nun ebenfalls – klimabedingt – im Herbst in ihre Heimathäfen zurück
segelten.
Mit erneut hohem Aufwand schütteten die Makedonen einen Damm
zur Südseite der Stadt auf, der danach mit weiteren, konzentrisch angelegten
Dämmen ergänzt wurde. Die Kämpfe – vor allem mit den arabischen Söldnern –
wurden als „wild“ bezeichnet, Alexander wurde zweimal verwundet; durch einen
Messerstich und – gefährlicher – mit einem Katapultpfeil, der durch den Panzer
in die Schulter drang. Nach zwei Monaten und dem vierten Ansturm fiel die
Stadt, um die 10.000 Verteidiger sollen umgekommen sein, Frauen und Kinder
wurden als Sklaven verkauft.
Dass der Kommandant Batis wie Hektor durch Achilles vor
Troja um die Stadt geschleift worden sein soll, wird angezweifelt.[29]
„Alexander zog die Bevölkerung der umliegenden philistäischen und arabischen
Ortschaften in die Stadt; eine dauernde Besatzung machte sie zu einem
Waffenplatz, der für Syrien und für Ägypten gleich wichtig war.“[30]
Es wird davon ausgegangen, dass der Gewürztransport nach
Gaza danach in der „Felsenstadt“ Petra, – der davor liegenden Station der
Weihrauchstrasse – angehalten wurde. Petra war „zentrales Weihrauchlager“, da
die Stadt in einem Talkessel gewaltige Lagerhallen (Höhlen) besaß. „In Petra
saßen die Ökonomen, die kontrollierten, was sie zu welchem Preis an die
mediterranen Küsten bringen wollten.“[31] Für 332 war das Geschäft allerdings
schon gelaufen.
Den jahreszeitlichen Bedingungen zufolge kehrten im Herbst
auch die Kauffahrtsflotten zurück und trafen in Phönizien überall in Häfen ein,
die von den Makedonen kontrolliert wurden. Die Auflösung der persischen
Kriegsflotte im Herbst war ebenfalls eine Routineangelegenheit, doch war es
allen Beteiligten klar, dass die Kontingente auf Grund der makedonischen
Besetzung sämtlicher Festlandshäfen im östlichen Mittelmeer im nächsten
Frühjahr nicht wieder unter persischem Kommando zusammengeführt werden würden.
Der Seekrieg (332 v. Chr.)
Während Alexander mit dem Heer 332 v. Chr. den größten Teil
des Jahres mit Belagerungen zur Vervollständigung seiner Blockade der
persischen Seemacht verbrachte – und dabei die phönizischen Hafenstädte und
ihren Handel unter seine Kontrolle nahm –, war die Flotte der Perser durch den
bereits im Frühjahr erfolgten Abzug der phönikischen und kyprischen Kontingente
geschwächt und verhielt sich defensiv.
Die Admirale Pharnabazos und Autophradates versuchten –
meist mit Hilfe begünstigter oder eingesetzter Machthaber – die wichtigsten
Inseln unter ihrer Kontrolle zu behalten. In Griechenland, das Alexanders
Statthalter Antipater bis auf die Peloponnes fest im Griff hatte, rührte sich
kein Widerstand.
Lediglich der Spartanerkönig Agis III. setzte noch auf die
persische Karte und hatte Kreta durch seinen Bruder und Mitregenten Agesilaos
besetzen lassen.
Doch schon im Vorjahr, noch während des Aufenthalts in
Gordion 333 v. Chr. hatte Alexander „Amphoteros, den Bruder des Orestiden
Krateros“ beauftragt, „‚in Übereinstimmung mit den Abmachungen des Bündnisses‘
eine neue griechische Flotte auszurüsten.“ Dank „der erbeuteten Schätze aus
Sardis“[32] gelangen die Anfänge dazu und nach dem Sieg bei Issos und dem
darauf folgenden Winter, der keine Flottenunternehmungen zuließ, stand
Alexanders neue Flotte im Frühjahr 332 bereit.
Nun konnten die makedonischen Nauarchen Hegelochos und
Amphoteros ihrerseits systematisch die Inseln besetzen – von Tenedos und Chios
(wo der persische Admiral Pharnabazos mit der Besatzung von 15 Trieren in
Gefangenschaft geriet) – bis nach Kos und schließlich Lesbos. Dort handelte der
athenische Söldnerführer Chares mit zweitausend Mann freien Abzug aus und begab
sich nach Tainaron, dem Hafen und Söldnermarkt südlich von Sparta.
Amphoteros unterwarf zuletzt noch die kretischen
Stützpunkte, während Hegelochos bereits nach Ägypten steuerte, „um selbst die
Meldung vom Ausgang des Kampfes gegen die persische Seemacht zu überbringen,
zugleich die Gefangenen abzuliefern […] So war mit dem Ausgang des Jahres 332
der letzte Rest einer persischen Seemacht, die das makedonische Heer im Rücken
zu gefährden und dessen Bewegungen zu hindern vermocht hätte, vernichtet.“[33]
Die Besetzung Ägyptens (332–331 v. Chr.)
Ägyptische Namen Alexanders des Großen
Horusname
G5
G20 V31
I6 O49
Srxtail2.svg
Mek-kemet
Mk-km.t
Beschützer Ägyptens
Thronname
M23
X1 L2
X1
Hiero
Ca1.svg
C12 C1 U21
N35
N36
Hiero
Ca2.svg
Setep-en-Re-merj-Amun
Stp-n-Rˁ-mr.j-Jmn
Auserwählt von Re, geliebt von Amun
Eigenname
Hiero
Ca1.svg
G1 E23
V31
O34 M17 N35
D46 D21
O34
Hiero
Ca2.svg
Alexandros
Alksjndrs
Nach der Eroberung von Gaza machte sich Alexander mit einem
Teil seines Heeres auf den Weg nach Ägypten.
Ägypten war in den vorangegangenen sieben Jahrzehnten
mehrfach von den Persern angegriffen und besetzt worden und ging ihnen
regelmäßig durch Aufstände wieder verloren. Erst seit drei Jahren war es wieder
in der Hand des Großkönigs, doch „Ägypten war von Truppen entblößt, weil der
Satrap Sabakes mit einem großen Aufgebot nach Issos gekommen und selbst dort
gefallen war. […] Mazakes, vom Großkönig [..] zum (neuen) Satrapen ernannt,
konnte nicht an Widerstand denken.“[34] Er übergab unter Auslieferung von 800
Talenten für freies Geleit die Grenzfestung Pelusion.
Ein Teil der makedonischen Flotte segelte nun den Nil
aufwärts zur Hauptstadt Memphis während sich Alexander mit den Truppen auf dem
Landmarsch über Heliopolis dorthin begab. In Memphis opferte Alexander dem
ägyptischen Gott Apis anstatt ihn zu verachten, wie der persische Großkönig
Artaxerxes III., der den heiligen Stier des Gottes töten ließ. „Als Gegengabe
scheint Alexander als Pharao des Oberen und Unteren Ägyptens gekrönt worden zu
sein, wenngleich diese Ehrung nur in dem „frei erfundenen“ Alexander-Roman
erwähnt wird.“[35] „Die Krönung kann nicht auf einen Monat genau datiert
werden, bestätigt wird sie aber durch die Pharaonentitel, die ihm in
ägyptischen Tempelinschriften zugeschrieben sind.“ Der Verlag veröffentlichte
dazu das Foto eines Reliefs im Amun-Tempel von Luxor.[36]
Alexander zog danach dem westlichen Nil entlang nordwärts
und gründete im Januar 331 v. Chr. an der Mittelmeerküste Alexandria,[37] die
bedeutendste all seiner Stadtgründungen.
Im März zog Alexander von Paraetonium[38] aus 400 km
südwestwärts durch die Wüste zum Orakel von Siwa, einem dem Gott Amun geweihten
Tempel.[38] Was er dort an Botschaften empfing, ist unbekannt. Antike Quellen
berichten, Alexander habe dort erfahren, dass er der Sohn des Zeus sei; so soll
ihn der oberste Priester als „Sohn des Zeus“ begrüßt haben. Jedoch hatte
Alexander sich schon vorher als Sohn des Zeus bezeichnet. Von Siwa kehrte
Alexander nach Memphis zurück, verweilte dort einige Wochen und führte seine
Truppen dann zurück nach Palästina.
Die Eroberung des persischen Kernlands (331–330 v. Chr.)
Im Mai 331 kehrte Alexander nach Tyros zurück. Er befahl
hier den Wiederaufbau der Stadt, die er mit befreundeten Phöniziern wieder
besiedeln ließ. 15.000 zusätzliche Soldaten waren im Frühling aus Makedonien
entsandt worden, und bei Tyros trafen sie im Juli mit Alexander zusammen. Seine
Armee bestand nun aus 40.000 Fußsoldaten und 7000 Reitern.
Alexander zog ostwärts durch Syrien und überquerte den
Euphrat. Sein Plan mag gewesen sein, von hier aus südwärts nach Babylon zu
ziehen, doch eine Armee unter dem persischen Satrapen Mazaeus verstellte den
Weg. Alexander vermied die Schlacht, die ihn viele Männer gekostet hätte, und
zog stattdessen nordwärts. Derweil zog Dareios selbst eine neue große
Streitmacht in Assyrien zusammen, und dieses Heer war es, das Alexander treffen
wollte. Im September 331 v. Chr. überquerte das Heer den Tigris.
Am 20. September, unmittelbar vor der Schlacht, kam es zu
einer Mondfinsternis, die die Perser verunsicherte und von ihnen als schlechtes
Omen gedeutet wurde. Das Heer Alexanders lagerte 11 km von der persischen Armee
entfernt bei einem Dorf namens Gaugamela, weshalb die folgende Schlacht als
Schlacht von Gaugamela bekannt wurde. Am 1. Oktober kam es zum Kampf.
Wenngleich das Heer des Dareios auch diesmal den Truppen Alexanders zahlenmäßig
weit überlegen war, siegte abermals Alexander. Er vermochte aber nicht, Dareios
selbst zu töten oder gefangen zu nehmen. Obwohl dieser damit erneut entkommen
war, war seine Armee praktisch vernichtet. Alexander dagegen hatte nun die
Herrschaft über die Satrapie Babylonien gewonnen und konnte ungehindert ins
reiche Babylon einziehen. Mazaeus, der sich nach der Schlacht von Gaugamela
nach Babylon zurückgezogen hatte, übergab die Stadt an Alexander, der sie durch
das Ischtar-Tor betrat und sich zum „König von Asien“ ausrufen ließ.
Während die Griechen die Völker Asiens zuvor als Barbaren
verachtet hatten, sah Alexander sie mit anderen Augen. Fasziniert von der
Pracht Babylons befahl er die Schonung aller Bauwerke. Alexander verzieh dem
persischen Satrapen Mazaeus und ernannte ihn zu seinem Statthalter in Babylon.
Nach fünfwöchigem Aufenthalt zog Alexander weiter ostwärts,
um die großen persischen Städte im Kernland anzugreifen. Susa ergab sich
kampflos. Im Januar 330 v. Chr. erreichten die Makedonen die persische
Hauptstadt Persepolis. Zahlreiche Einwohner begingen vor seinem Einzug
Selbstmord oder flohen. Die ältere Meinung, Alexander habe die Stadt plündern
und den Königspalast niederbrennen lassen, ist inzwischen von der jüngeren
Quellenkritik relativiert worden. Archäologische Funde bestätigen, dass
lediglich die Gebäude, die Xerxes I. errichtet hatte, brannten, was die
Darstellung Arrians wahrscheinlicher macht.
Verfolgung und Tod des Dareios (330 v. Chr.)
Der vom Schlachtfeld fliehende Dareios
(Detail aus dem „Alexanderschlacht-Mosaik“)
Zwar war Persien nun in Alexanders Hand, doch König Dareios
III. war noch immer am Leben und auf der Flucht. Da Alexander mitgeteilt worden
war, dass Dareios sich in Medien aufhalte, folgte er seiner Spur im Juni nach
Nordwesten nach Ekbatana. Doch auch Dareios’ Anhängerschaft hatte jetzt keine
Hoffnung mehr, Persien zurückzugewinnen. Die Vollkommenheit der Niederlage ließ
nur die Möglichkeit zu, sich zu ergeben oder zeitlebens zusammen mit Dareios zu
fliehen. Bisthanes, ein Mitglied der Königsfamilie, entschied sich, in Ekbatana
zu bleiben, wo er Alexander empfing und ihm die Stadt übergab. Alexander zeigte
sich wiederum großzügig und ernannte einen Perser zu seinem Statthalter in
Medien. In Ekbatana entließ Alexander auch die griechischen Verbündeten und die
thessalischen Reiter, was als Zeichen zu verstehen war, dass der vom
Korinthischen Bund beschlossene „Rachefeldzug“ damit beendet war. Teile des
Bundesheeres wurden jedoch von Alexander als Söldner angeworben.
Dareios setzte inzwischen seine Flucht fort. Er hoffte,
Zuflucht in Baktrien zu erhalten, wo ein Verwandter namens Bessos Satrap war.
Bessos aber setzte Dareios gefangen und schickte einen Unterhändler zu
Alexander. Er bot ihm an, Dareios an die Makedonen zu übergeben, wenn im
Gegenzug Baktrien frei bliebe. Alexander ging nicht auf die Verhandlungen ein
und setzte die Verfolgung fort. Bessos tötete seine Geisel im Juli und floh
seinerseits. Die Leiche des Dareios wurde von Alexander nach Persepolis
gebracht und dort feierlich beigesetzt.
Die Verfolgung des Bessos (330–329 v. Chr.)
In der Zwischenzeit hatte Alexander erkannt, dass er zur
Sicherung der Herrschaft über das Perserreich die Unterstützung der persischen
Adligen brauchte. Er nutzte Dareios’ Ermordung daher, die Perser zu einem Rachezug
gegen Bessos aufzurufen, der sich nun den Namen Artaxerxes gegeben hatte und
sich Großkönig von Persien nannte. Die Soldaten waren wenig begeistert davon,
dass sie den Tod ihres Erzfeindes vergelten und zudem gemeinsam mit Persern
kämpfen sollten. Außerdem war ihnen das Land im Nordosten vollkommen unbekannt.
Die dortigen Provinzen Baktrien und Sogdien lagen in etwa auf den Territorien
der heutigen Staaten Afghanistan, Usbekistan und Turkmenistan.
Im August 330 v. Chr. brach Alexander zu einem neuen Feldzug
auf und eroberte zunächst Hyrkanien, die persische Satrapie an der Südküste des
Kaspischen Meeres. Unter jenen, die mit Alexander kämpften, war Oxyartes, ein
Bruder des Dareios. Statt von Hyrkanien den direkten Weg nach Baktrien zu
wählen, ging Alexander über Aria, dessen Satrap Satibarzanes an Dareios’
Gefangennahme beteiligt gewesen war. Alexander eroberte die Hauptstadt
Artacoana, verkaufte die Einwohner in die Sklaverei und benannte die Stadt in
Alexandreia um; der heutige Name der Stadt ist Herat.
Auf seinem weiteren Weg kam es zu einem Zwischenfall, als
Philotas, der Sohn des Parmenion, beschuldigt wurde, einen Anschlag auf
Alexanders Leben unternommen zu haben. Ob dieser Versuch wirklich unternommen
worden war, ist unklar. Vielleicht diente die Affäre Alexander bloß als
Vorwand, sich Parmenions zu entledigen, der zum Wortführer seiner Kritiker
avanciert war. Sie missbilligten Alexanders Neigung, die Perser zu ehren und
ihre Gewänder zu tragen, und sahen dies als Anbiederung an ein barbarisches
Volk an. Philotas wurde an Ort und Stelle mit einem Speer getötet. Ein Kurier
wurde dann zu den Adjutanten des in Ekbatana gebliebenen Parmenion gesandt. Sie
töteten Parmenion auf Alexanders Befehl.
Nach beschwerlicher Reise entlang des Flusses Tarnak erreichte
Alexander im April 329 das Zentrum des heutigen Afghanistan und gründete
Alexandria am Hindukusch (heute Chârikâr). Von hier aus wollte Alexander das
Gebirge überschreiten und auf diesem Wege in Baktrien einfallen. Einer Legende
zufolge fand man hier den Berg, an den der Titan Prometheus gekettet worden
war.
Als die Nachricht nach Baktrien gelangte, dass Alexander
dabei war, den Hindukusch zu übersteigen, fürchteten die Einwohner von Baktra
(heute Balch) die Bestrafung ihrer Stadt und vertrieben Bessos. Die
beschwerliche Überquerung des Gebirges hatte die Soldaten indessen gezwungen,
manche ihrer Lasttiere zu schlachten. Als sie erschöpft in Baktrien ankamen,
wurde das Land ihnen kampflos übergeben. Alexander ernannte seinen persischen
Vertrauten Artabazos, den Vater der Barsine, zum Satrapen.
Alexander hielt sich nicht lange in Baktra auf und folgte
weiterhin Bessos, der nordwärts zum Oxus (Amudarja) geflohen war. Der 75 km
lange Marsch durch wasserlose Wüste wurde vielen zum Verhängnis. Bessos hatte
inzwischen alle Schiffe zerstören lassen, mit denen man den Amudarja hätte
überqueren können. Die Makedonen brauchten fünf Tage, um genügend Flöße für die
Überquerung des Flusses anzufertigen. Dann setzten sie über in die Satrapie
Sogdien im heutigen Turkmenistan.
Die Begleiter des Bessos wollten nun nicht länger fliehen.
Sie meuterten gegen ihn, nahmen ihn gefangen und händigten ihn an Alexander
aus. Dieser zeigte sich gnadenlos und ließ Bessos die Nase und die Ohren
abschneiden. Anschließend übergab Alexander den Verstümmelten an Dareios'
Bruder Oxyartes, damit er ihn nach Medien an den Ort brächte, wo Dareios
ermordet worden war. Dort wurde Bessos gekreuzigt.
Alexander ging indessen weiter nach Norden und erreichte die
sogdische Hauptstadt Marakanda (heute Samarkand). Alle Satrapien des
Perserreichs unterstanden nun Alexander, und niemand außer ihm selbst erhob
mehr Anspruch auf den Königstitel über Persien.
Alexander in Sogdien (329–327 v. Chr.)
Alexander-Büste des Lysipp, römische Kopie eines Originals
von etwa 330 v. Chr.
Nach der Einnahme von Marakanda zog Alexander noch weiter
bis zum Syrdarja und gründete dort im Mai 329 v. Chr. die Stadt Alexandria
Eschatê („das entfernteste Alexandria“), das heutige Chudschand in
Tadschikistan. Etwa gleichzeitig erhob sich die Bevölkerung Sogdiens gegen ihn.
Anführer der Rebellion, die Alexander erhebliche Schwierigkeiten bereite, war
ein Mann namens Spitamenes, der zuvor Bessos verraten und an Alexander
übergeben hatte. Die Sogdier, die Alexander zunächst begrüßt hatten, nun jedoch
sahen, dass eine Fremdherrschaft durch eine andere ersetzt wurde, machten die
makedonischen Besatzungen nieder. Alexander zog Truppen zusammen und
marschierte von einer rebellischen Stadt zur anderen, belagerte sieben von
ihnen und tötete anschließend sämtliche männlichen Einwohner, wohl um ein
abschreckendes Exempel zu statuieren. In der Zwischenzeit eroberte Spitamenes
Marakanda zurück, doch Alexander gewann die Stadt erneut, Spitamenes allerdings
entkam. Da das Heer geschwächt und stark reduziert war, musste Alexander von
der Verfolgung ablassen. Im Zorn brannte er Dörfer und Felder jener Bauern
nieder, die die sogdische Revolte unterstützt hatten. Für den Winter 329/328 v.
Chr. zog er sich nach Baktra zurück und erwartete neue Truppen, die bald darauf
aus dem Westen eintrafen und bitter benötigt wurden.[39]
Im Frühling 328 v. Chr. kehrte Alexander nach Sogdien
zurück. Den Quellen zufolge gründete er am Amudarja ein weiteres Alexandria,
das vielleicht mit der heutigen Siedlung Ai Khanoum identisch ist. Der Kampf
gegen die sogdischen Rebellen dauerte das ganze Jahr. Erst Monate später zeigte
sich, dass die Anhänger des Spitamenes ihren Befehlshaber zu verlassen
begannen. Das Haupt des Rebellenführers wurde Alexander schließlich im Dezember
328 überbracht.
Während der Sieg gefeiert wurde, kam es zu einem Streit
zwischen Alexander und seinem General Kleitos. Kleitos, der altmakedonisch
gesinnt war, sollte demnächst nach Baktrien aufbrechen. Grund war vermutlich
sein Alter, aber Kleitos sah dies als Herabsetzung an. Es ist auch möglich,
dass Kleitos bei dieser Gelegenheit Kritik an der Proskynese, einem von
Alexander übernommenen persischen Hofritual, geübt hat. Die Streitenden waren
zu diesem Zeitpunkt betrunken, und Kleitos hatte Alexanders Vater Philipp zu loben
begonnen. Hierdurch fühlte sich Alexander so beleidigt, dass es zum Streit kam,
in dessen Verlauf Alexander vergeblich nach seinen Waffen suchte, da sie
vorsichtshalber von einem Leibwächter beiseitegelegt worden waren. Alexander,
der möglicherweise Verrat befürchtete, rief in höchster Erregung auf
Makedonisch nach einer Lanze, entriss einer Wache eine und tötete mit ihr
Kleitos, seinen Lebensretter am Granikos. Als Alexander wieder bei Besinnung
war, bereute er diese Tat zutiefst: Es heißt, er solle geklagt und geweint und
versucht haben, sich das Leben zu nehmen. Er sah diese Tat jedenfalls als einen
seiner schwersten Fehler an. Alexanders Neigung zu übermäßigem Alkoholgenuss –
er trank allerdings fast ausschließlich in Gesellschaft – blieb eine Schwäche,
bei der er häufig die Selbstkontrolle verlor. Das gemeinsame Trinken der Männer
selbst gehörte fest zum gesellschaftlichen Leben in der griechischen Welt
(siehe Symposion).
Im folgenden Jahr 327 v. Chr. eroberte Alexander noch zwei
sogdische Bergfestungen. Dann war niemand mehr übrig, der ihm Widerstand hätte
leisten können. Zwei Jahre hatten die Sogdier sich gegen Alexander erhoben und
ihn in immer neue Scharmützel verwickelt. Nach dieser Zeit waren die meisten
von ihnen tot oder versklavt. Bevor Alexander nach Baktrien zurückkehrte, ließ
er 11.000 Mann Besatzung in den eroberten Gebieten Sogdiens zurück.
Alexander in Baktrien (327 v. Chr.)
Zurück in Baktra gab Alexander eine Reihe von Befehlen, die
seine makedonische Generalität weiter von ihm entfremdete. Da sich baktrische
Reiter bei den Feldzügen in Sogdien als hilfreich erwiesen hatten, befahl
Alexander seinen Generälen, 30.000 junge Perser und Baktrier zu
Phalanx-Soldaten auszubilden. Auch in die Kavallerie wurden Einheimische
integriert. Die Soldaten akzeptierten die Auflagen widerstrebend, denn noch
immer trauten sie den Persern nicht.
Alexander heiratete in Baktra die sogdische Prinzessin
Roxane, Tochter eines Mannes namens Oxyartes (nicht identisch mit dem
gleichnamigen Bruder des Dareios). Durch diese politische Heirat gedachte er
zur Befriedung Sogdiens beizutragen. Dafür schickte Alexander seine langjährige
Geliebte Barsine und den gemeinsamen unehelichen Sohn Herakles fort. Die Heirat
war auch eine Beleidigung für Alexanders Verbündeten Artabazos, den Vater der
Barsine, seinen Statthalter in Baktrien.
Außerdem versuchte Alexander, das persische Hofritual der
Proskynese einzuführen: Jeder, der vor den König treten wollte, musste sich vor
ihm verbeugen und das Gesicht auf den Boden pressen. Freie Makedonen und
Griechen unterzogen sich einer solchen Unterwerfungsgeste allerdings nur vor
den Göttern. Es heißt, dass mehrere von Alexanders Generälen sich weigerten,
sich derart vor ihm zu erniedrigen. Fortan galt sie nur noch für Perser.
Alexanders Anordnungen wurden als so befremdlich empfunden,
dass es diesmal zur offenen Revolte unter den griechischen Soldaten zu kommen
drohte. Im Rahmen der sogenannten Pagenverschwörung ließ Alexander auch eine
Reihe von einstigen Gefolgsleuten hinrichten, darunter seinen Hofbiografen
Kallisthenes.
Der Indienfeldzug (326 v. Chr.)
Alexander mit Elefantenskalp, Symbol seiner indischen
Eroberungen
Nach der Eroberung des gesamten Perserreichs fasste
Alexander den Beschluss, sein Imperium weiter nach Osten auszudehnen. Indien
war für die Griechen ein halblegendäres Land, über das sie kaum etwas wussten.
Das Land, das damals Indien genannt wurde, ist nicht identisch mit dem heutigen
Staat Indien. Es begann dort, wo Persien endete, im Osten Afghanistans, und
umfasste Pakistan und das heutige Indien. Eine definierte Ostgrenze gab es
nicht, da kein Reisender jemals weit nach Indien vorgedrungen war. Die
westlichsten Teile jenes Indiens hatten zu Zeiten Dareios’ I. zu Persien
gehört, wobei Indien selbst kein geeinter Staat war, sondern aus einer Vielzahl
wenig bekannter Kleinstaaten bestand. Für den Indienfeldzug gab es keinerlei
militärische Notwendigkeit. Die Gründe werden auch heute noch in der Forschung
diskutiert, ohne dass bisher eine Einigung erzielt worden wäre. Möglicherweise
waren es Alexanders Neugier und Kriegslust, eine Art irrationales Streben und
Sehnsucht nach Erfolgen (pothos); aber auch Thesen wie die von dem Bestreben,
seine Autorität durch immer neue militärische Siege zu festigen, werden
angeführt. Jedenfalls sollte sich der Indienfeldzug als schwere Belastungsprobe
erweisen.[40]
Anfang des Jahres 326 v. Chr. stieß Alexander mit zwei
Heeren ins Tal des Flusses Kabul vor, das damals ein Teil Indiens war. Der
Vorstoß war von besonderer Grausamkeit gekennzeichnet. Immer seltener ließ
Alexander gegenüber eroberten Regionen Großmut walten. Städte und Dörfer wurden
zerstört und ihre Bevölkerung ermordet. Die zwei Armeen trafen einander am
Indus. Alexander machte das Land zwischen Kabul und Indus zur Provinz Gandhara
und ernannte seinen Gefolgsmann Nikanor zu deren Statthalter.
Am anderen Ufer des Indus wurden Alexanders Truppen von
Omphis empfangen, dem König von Taxila, das etwa 30 km vom heutigen Islamabad
entfernt lag. Hier traf Alexander einen Mann namens Kalanos, den er
aufforderte, ihn auf seinen weiteren Feldzügen zu begleiten. Kalanos stimmte zu
und wurde Alexanders Ratgeber; offensichtlich war er bei den kommenden
Verhandlungen mit indischen Führern sehr von Nutzen.
Vom Hof des Omphis aus rief Alexander die anderen Staaten
des Punjab auf, sich ihm zu unterwerfen und ihn als Gott anzuerkennen. Dies
verweigerte Poros, der König von Pauravas, das von Taxila durch den Fluss
Hydaspes (heute Jhelam) getrennt war. Im Mai überquerte Alexander während eines
Platzregens den Hydaspes und besiegte eine berittene Einheit unter dem Sohn des
Poros. Die Griechen und Perser zogen weiter ostwärts. Zahlenmäßig waren sie dem
kleinen Heer des Poros, das sie erwartete, überlegen, doch kamen sie in dem
üppig bewaldeten Land mit seinen ständigen Regenfällen schwer zurecht. Außerdem
waren Berichte zu ihnen gedrungen, dass Poros eine Einheit von Kriegselefanten
unterhielt, mit denen sich die Griechen nie zuvor gemessen hatten. In der
Schlacht am Hydaspes wurden die Inder besiegt. In dieser Schlacht soll
Alexanders Pferd Bukephalos im Hydaspes zu Tode gekommen sein, obwohl andere
Quellen sagen, es sei schon vor der Schlacht an Altersschwäche eingegangen.
Seinem langjährigen Reittier zu Ehren gründete Alexander die Stadt Bukephala (heute
wahrscheinlich Jhelam in Pakistan). Poros wurde begnadigt und zu Alexanders
Statthalter in Pauravas ernannt.
Weiter im Osten am Ganges lag das Königreich Magadha, das
selbst den Menschen des Punjab kaum bekannt war. Alexander wollte auch dieses
Land erobern. Bei heftigem Monsunregen quälte sich die weitgehend
demoralisierte Armee ostwärts und hatte einen Hochwasser führenden Fluss nach
dem anderen zu überqueren. Ende Juli stand die Überquerung des Hyphasis (heute
Beas) an, und von Magadha waren die Soldaten noch weit entfernt. Hier meuterten
die Männer und weigerten sich weiterzugehen; ihr einziges Bestreben war die
Heimkehr. Alexander war außer sich, wurde aber letztlich zur Umkehr gezwungen.
Am Ufer des Hyphasis gründete er ein weiteres Alexandreia und siedelte hier
viele Veteranen an, die damit wenig Hoffnung hegen durften, jemals wieder nach
Griechenland zurückzukehren.
Rückkehr nach Persien (326–325 v. Chr.)
Der beschwerliche Rückweg zum Hydaspes dauerte bis zum
September. In Bukephala war mit dem Bau von 800 Schiffen begonnen worden, die
den Fluss abwärts zum Indischen Ozean segeln sollten. Dies waren jedoch nicht
genug, um Alexanders gesamte Armee zu transportieren, so dass Fußsoldaten die
Schiffe am Ufer begleiten mussten. Im November brachen sie von Bukephala auf,
doch nach zehn Tagen trafen sie am Zusammenfluss des Hydaspes mit dem Acesines
(heute Chanab) auf Stromschnellen, in denen mehrere Schiffe kenterten und viele
Griechen ihr Leben verloren.
Der weitere Weg führte durch indische Staaten, die Alexander
nicht unterworfen hatte. Immer wieder wurde das Heer angegriffen, und die
Perser und Griechen zerstörten Städte und Dörfer, wo sie ihnen in den Weg kamen.
Im Kampf gegen die Maller wurde Alexander bei der Erstürmung einer Stadt
(vielleicht Multan[41]) durch einen Pfeil schwer verletzt. Das Geschoss drang
in seine Lunge; obwohl Alexander überlebte, sollte er den Rest seines Lebens
unter den Folgen dieser Verwundung leiden. Vom Krankenlager aus befahl er, dass
am Zusammenfluss von Acesines und Indus ein weiteres Alexandreia (nahe dem
heutigen Uch) gegründet und Roxanes Vater Oxyartes zum Statthalter der neuen
Provinz ernannt werden solle.
Als Nächstes griff Alexander die Staaten von Sindh an, um
seiner Armee den Weg nach Süden freizukämpfen. Die Könige Musicanos, Oxicanos
und Sambos wurden unterworfen. Musicanos, der später eine Rebellion anzettelte,
wurde letztlich gekreuzigt. Erst als der Monsun wieder einsetzte, erreichte das
Heer 325 v. Chr. die Indusmündung und den Indischen Ozean. Alexander gründete
hier die Stadt Xylinepolis (heute Bahmanabad) und machte die Flotte
gefechtsbereit. Während etwa ein Viertel der Armee so auf dem Seeweg die
Rückkehr antreten sollte, musste der Großteil über den Landweg nach Persien
zurückkehren. Im August 325 v. Chr. machte sich das Landheer unter Alexanders
Führung auf den Weg. Die Flotte unter dem Befehl des Nearchos brach einen Monat
später überstürzt auf, da sich die Einheimischen zu erheben begonnen hatten.
Praktisch unmittelbar nach dem Abzug des Heeres fielen die gerade eroberten
Kleinstaaten Indiens ab und erhoben sich gegen die in den neuen Städten
zurückgebliebenen Veteranen, über deren weiteres Schicksal in den wenigsten
Fällen etwas bekannt ist.
Das heutige Belutschistan war damals als Gedrosien bekannt.
Obwohl die Perser vor der Durchquerung der gedrosischen Wüste warnten, ging
Alexander dieses Risiko ein, wahrscheinlich weil dieser Weg der kürzeste war.
Die Hintergründe sind in der Forschung jedoch umstritten. Ob er wirklich die
sagenhafte Königin Semiramis übertreffen wollte, ist wenigstens fraglich; wenn,
dann ging es Alexander wohl darum, die Rückschläge des Indienfeldzugs durch
dieses Unternehmen zu relativieren. Auch die Stärke seines Heeres zu diesem
Zeitpunkt ist ungewiss, von wohl sicher übertriebenen 100.000 Mann bis zu
wahrscheinlich realistischeren 30.000. Die sechzigtägigen Strapazen ließen
zahllose Soldaten durch Erschöpfung, Hitzschlag oder Verdursten ums Leben
kommen; dabei spielte auch der Umstand eine Rolle, dass Alexanders Führer
offenbar recht unfähig waren. Im Dezember erreichten die Soldaten Pura (heute
Bampur), einen der östlichsten Vorposten Persiens, und waren damit in
Sicherheit.
Die Massenhochzeit von Susa, die Revolte in Opis und der Tod
Hephaistions (324 v. Chr.)
Hephaistion bei Issos, Detail vom sogenannten
„Alexandersarkophag“
Alexander gründete im Januar 324 v. Chr. ein weiteres
Alexandreia; heute Golashkerd. Auf dem Weg westwärts stieß er in Susa auf
Nearchos und seine Männer, die den Seeweg weitgehend unversehrt überstanden
hatten. Neue Feiern wurden genutzt, um 10.000 persische Frauen mit Soldaten zu
verheiraten – die Massenhochzeit von Susa.
Die Ehen wurden von Alexander als Notwendigkeit gesehen, um
das Zusammenwachsen von Persern und Makedonen/Griechen weiter voranzutreiben.
Er selbst heiratete zwei Frauen, nämlich Stateira, eine Tochter des Dareios,
und Parysatis. Er war somit nun mit drei Frauen verheiratet. Die Hochzeiten wurden
nach persischem Ritual begangen. Schon Alexanders Vater hatte die Ehe mit
mehreren Frauen als diplomatisches Mittel zur Stabilisierung und Ausweitung
seines Machtbereiches eingesetzt.
In der Forschung wurde dies als Versuch interpretiert, eine
Art „Verschmelzungspolitik“ zu betreiben (Johann Gustav Droysen). Der britische
Historiker Tarn sah darin gar den Versuch einer „Vereinigung der Menschheit“;
viele andere moderne Historiker wie Badian oder Bosworth lehnen dies jedoch
ab.[42]
Um weitere Attribute eines persischen Staates zu übernehmen,
ernannte Alexander seinen langjährigen Freund Hephaistion (und nach dessen Tod
Perdikkas) zum Chiliarchen (Wesir) und seinen General Ptolemaios zum Vorkoster.
Beide Titel waren im Westen unbekannt. Außerdem wurden gegen mehrere
Statthalter, die sich bereichert hatten oder ihren Aufgaben nicht sachgerecht
nachgekommen waren, Prozesse eröffnet. Harpalos, ein Jugendfreund Alexanders
und sein Schatzmeister, befürchtete aufgrund seines Verhaltens einen solchen
Prozess. Er setzte sich mit 6000 Söldnern und 5000 Talenten Silber nach
Griechenland ab, wurde jedoch bald darauf auf Kreta ermordet.
Die Neuerungen Alexanders vergrößerten die Kluft zwischen
ihm und seiner makedonischen Generalität. Da die Zahl der Soldaten iranischer
Herkunft im Heer die der Makedonen zu übertreffen begann, fürchteten sie, bald
gänzlich bedeutungslos zu sein. Perser durften nun auch höhere Ränge in der
Armee bekleiden, was die Makedonen als unerhört ansahen. Als die Armee die
Stadt Opis am Tigris erreichte, erlaubte Alexander vielen Makedonen die
Rückkehr nach Hause. Was sie vorher ersehnt hatten, sahen sie nun als Affront,
da dies das erste Zeichen ihrer Ersetzung durch Orientalen zu sein schien.
Quellen berichten, dass manche der Soldaten Alexander wüste Beleidigungen
entgegen geschrien hätten. Alexander reagierte, indem er sie ihrer Stellungen
enthob und drohte, die persischen Soldaten gegen sie zu schicken. Die Soldaten
entschuldigten sich, und ihnen wurde verziehen. 11.500 griechische Soldaten wurden
in den Folgetagen nach Hause geschickt.
Im Herbst des Jahres 324 v. Chr. ging Alexander nach
Ekbatana, wo Hephaistion nach einem von vielen Trinkgelagen erkrankte und
starb. Alexander, der wohl lange Jahre Hephaistions Geliebter gewesen war
(zumindest bis zum Feldzug im Iran), war außer sich vor Trauer. Er ließ laut
Plutarch den Arzt seines Freundes kreuzigen, die Haare von Pferden und
Maultieren abrasieren und opfern, fastete mehrere Tage und richtete dann ein
monumentales Begräbnis aus. Danach ließ er sämtliche Kossaier umbringen. Die
Beziehung zwischen Alexander und Hephaistion wird oft mit der zwischen
Achilleus und Patroklos gleichgesetzt. Denn da sich das Geschlecht von
Alexanders Mutter Olympias auf den Helden aus dem Trojanischen Krieg zurückführte,
verglich Alexander selbst sich mit Achilles und seinen Freund mit Patroklos.
Die Behauptung, Alexander sei homosexuell gewesen, ist nach
wie vor sehr umstritten: Sicher ist, dass Alexander, so wie auch sein Vater
Philipp und viele andere Makedonen bzw. Griechen seiner Zeit, Beziehungen
sowohl zu Frauen – er hatte mehrere, deren bekannteste und wohl ernsthafteste
die zu Roxane war – als auch zu Männern hatte, wobei diese teils auch sexueller
Natur waren. Gleichgeschlechtliche Beziehungen wurden zu jener Zeit nicht
geächtet, es kam aber sehr wohl auf den sozialen Status der Partner an.[43]
Alexanders letztes Jahr und sein Tod in Babylon (323 v.
Chr.)
Der Leichenzug gemäß der Beschreibung bei Diodor
(Rekonstruktionsversuch des 19. Jahrhunderts)
Alexander ließ den persischen königlichen Schatz ausmünzen
und warf damit das Vermögen der Achämeniden in das Austauschsystem des Nahen
Ostens, womit ein steiler Anstieg im Volumen der Markttransaktionen im
Mittelmeergebiet finanziert wurde. Dass der attische Münzfuß nunmehr bis auf
das ptolemäischen Ägypten, allgemein in der hellenistischen Welt galt,
erleichterte den internationalen Handel und die Schifffahrt.[44]
Bei den Olympischen Spielen des Jahres 324 v. Chr. ließ
Alexander das so genannte Verbanntendekret verkünden, mit dem er den
griechischen Poleis befahl, die jeweils aus politischen Gründen ins Exil
getriebenen Bürger wieder aufzunehmen. Dies stellte einen massiven Eingriff in
die Autonomie der Städte dar, führte zu heftigen Konflikten in den Gemeinwesen
und war letztlich der Anlass dafür, dass sich Athen und mehrere andere Städte
nach dem Tod des Königs im Lamischen Krieg gegen die makedonische Herrschaft
erhoben.
Im Februar 323 v. Chr. kehrte Alexander nach Babylon zurück.
Hier bereitete er neue Feldzüge vor, die zur Einnahme der Arabischen Halbinsel
führen sollten. Ob er überdies, wie Diodor berichtet,[45] auch plante,
anschließend den westlichen Mittelmeerraum mit Karthago zu erobern, ist seit
langer Zeit umstritten. In der neueren Forschung geht man zumeist davon aus,
dass Alexander in der Tat eine solche Expedition vorbereiten ließ, da den
Makedonen im Jahr 322 während des Lamischen Krieges eine sehr große Flotte zur
Verfügung stand, die mutmaßlich ursprünglich für das Unternehmen gegen Karthago
gebaut worden war.[46] Im Mai, kurz vor dem geplanten Aufbruch des Heeres gen
Arabien, verkündete Alexander, dass sein toter Freund Hephaistion fortan als
Halbgott zu verehren sei, nachdem ein Bote aus der Oase Siwa eingetroffen war,
wo Alexander wegen einer Vergöttlichung Hephaistions angefragt hatte. Aus
diesem Anlass veranstaltete er Feiern, bei denen er sich wieder dem unmäßigen
Trunk hingab. Am nächsten Tag erkrankte er an einem Fieber, und am 10. Juni
starb er schließlich.[47]
Hinsichtlich der Todesursache wurden seither mehrere Thesen
diskutiert, darunter eine, nach der Alexander am West-Nil-Fieber erkrankte.
Auch eine Alkoholvergiftung wird immer wieder in Erwägung gezogen. Nach einer
in der Antike verbreiteten Überlieferung ist er hingegen vergiftet worden
(angeblich mit dem giftigen Wasser des Styx). Wahrscheinlicher ist, dass seine
körperliche Schwächung durch zahlreiche Kampfverletzungen und übermäßigen
Weinkonsum zu einer Krankheit geführt hat. Da die Ärzte damals auf die
reinigende Wirkung von herbeigeführtem Erbrechen und Durchfall vertrauten, war
es üblich, Weißen Germer in geringen Dosen zu verabreichen. Die überlieferten
Symptome Alexanders sind typisch für eine Vergiftung durch Weißen Germer.
Möglicherweise verschlechterten die Ärzte seinen Zustand daher durch
wiederholte Gaben des Mittels.
Der Leichnam Alexanders soll zur Konservierung in Honig
gelegt worden sein. Entgegen dem Wunsch des Verstorbenen, im Ammonium von Siwa
begraben zu werden, wurde er in Alexandria beigesetzt.
Alexanders letzte Worte auf die Frage, wem er sein Reich
hinterlassen werde, sollen gelautet haben: Dem Besten. Des Weiteren äußerte
Alexander eine dunkle Prophezeiung: Er glaube, dass seine Freunde große
Begräbnisspiele für ihn veranstalten werden.[48] Seinen Siegelring übergab er
Perdikkas, der nach Hephaistions Tod sein engster Vertrauter gewesen war.[49]
Das Alexandergrab
Der ägyptische König Ptolemaios I. und seine Gemahlin
Berenike I.
Alexander hatte eine Beisetzung im Ammonheiligtum der Oase
Siwa gewünscht. Erst nach zweijährigen Vorbereitungen setzte sich der
Leichenzug in Babylon in Bewegung. Er wurde in Syrien von Ptolemaios, dem
künftigen König Ptolemaios I., in Empfang genommen und nach Ägypten geleitet.
Dort wurde der Leichnam aber nicht in die Oase gebracht, sondern zunächst in
Memphis bestattet.[50] Später (wohl noch in der Regierungszeit Ptolemaios’ I.,
spätestens einige Jahre nach seinem Tod) wurde er nach Alexandria verlegt,
nachdem dort eine prächtige Grabstätte für ihn errichtet worden war. Sie wurde
unter König Ptolemaios IV. durch ein neues Mausoleum ersetzt, das dann auch als
Grabstätte der Ptolemäer diente, die sich wie alle Diadochen auf Alexanders
Vorbild beriefen. Die mumifizierte Leiche befand sich in einem goldenen
Sarkophag, der aber im 1. Jahrhundert v. Chr. von König Ptolemaios X. durch
einen gläsernen ersetzt wurde, der den Blick auf den einbalsamierten Leichnam
freigab. Dieser Schritt Ptolemaios' X., der später irrtümlich als Grabschändung
gedeutet wurde, sollte den Alexanderkult fördern.[51]
Für Caesar, Augustus, Septimius Severus und Caracalla sind
Besuche am Grab bezeugt. Möglicherweise wurde es während der Stadtunruhen in
der Spätantike oder bei einer Naturkatastrophe zerstört. In den Wirren der
Spätantike ging die Kenntnis über den Ort der Grabstätte verloren (zumindest
die Leiche soll laut Libanios noch Ende des 4. Jahrhunderts zu sehen gewesen
sein). Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos († 407) stellte in einer Predigt
die rhetorische Frage nach dem Ort des Alexandergrabs, um die Vergänglichkeit
des Irdischen zu illustrieren; er konnte also mit Sicherheit davon ausgehen,
dass keiner seiner Hörer wusste, wo sich das berühmte Bauwerk befunden
hatte.[52] Die Erinnerung daran blieb aber noch in islamischer Zeit erhalten;
im 10. Jahrhundert wurde eine angebliche Grabstätte gezeigt. Im 15. und 16.
Jahrhundert berichteten europäische Reisende von einem kleinen Gebäude in
Alexandria, das als Alexandergrab ausgegeben wurde. Seit dem 18. Jahrhundert
sind viele Lokalisierungsversuche unternommen worden, die bisher alle
fehlgeschlagen sind.[53]
Geschichtlicher Ausblick
Die Diadochenreiche nach der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr.
Nach Alexanders Tod erwies sich die Loyalität zu seiner
Familie, die keinen herrschaftsfähigen Nachfolger stellen konnte, als sehr
begrenzt. Zwar wurde zunächst der Erbanspruch seines geistesschwachen
Halbbruders und auch der seines postum geborenen Sohnes anerkannt, doch hatte
diese Regelung keinen Bestand. Seine Mutter Olympias von Epirus, seine Frau
Roxane, sein Sohn Alexander IV., sein illegitimer Sohn Herakles, seine
Schwester Kleopatra, seine Halbschwester Kynane, deren Tochter Eurydike und
sein Halbbruder Philipp III. Arrhidaios fanden einen gewaltsamen Tod. Statt der
Angehörigen des bisherigen makedonischen Königsgeschlechts übernahmen
Alexanders Feldherren als seine Nachfolger (Diadochen) die Macht. Da keiner von
ihnen stark genug war, sich als Alleinherrscher durchzusetzen, kam es zu einer
langen Reihe von Bürgerkriegen, in denen man in wechselnden Koalitionen um die
Macht rang. Im Verlauf der Diadochenkriege wurde das riesige Reich in
Diadochenreiche aufgeteilt. Drei dieser Reiche erwiesen sich als dauerhaft: das
der Antigoniden in Makedonien (bis 148 v. Chr.), das der Seleukiden in
Vorderasien (bis 64 v. Chr.) und das der Ptolemäer in Ägypten (bis 30 v. Chr.).
Alexander hinterließ zahlreiche neu gegründete Städte, von denen viele seinen
Namen trugen; die bedeutendste war Alexandreia in Ägypten.[54]
Rezeption
Antike
Quellen
Siehe auch: Alexanderhistoriker
Alexander wurde schon zu Lebzeiten eine mythische Gestalt,
wozu sein Anspruch auf Gottessohnschaft beitrug. Die zeitgenössischen
erzählenden Quellen sind nicht oder nur in Fragmenten erhalten. Dabei handelte
es sich, neben den Fragmenten der angeblichen Kanzleidokumente Alexanders
(Ephemeriden), größtenteils um Berichte von Teilnehmern des Alexanderzugs. Der
Hofhistoriker Kallisthenes begleitete Alexander, um die Taten des Königs
aufzuzeichnen und zu verherrlichen. Sein Werk „Die Taten Alexanders“ reichte
vielleicht nur bis 331 v. Chr., hatte jedoch einen enormen Einfluss auf die
späteren Alexanderhistoriker. Weitere Verfasser von Alexandergeschichten waren
König Ptolemaios I. von Ägypten, der als Offizier und Hofbeamter in der Nähe
Alexanders gelebt hatte, Aristobulos, der für Alexander Unvorteilhaftes
leugnete oder abschwächte, sowie Alexanders Flottenbefehlshaber Nearchos und
dessen Steuermann Onesikritos. Die stärkste Nachwirkung unter diesen frühen
Alexanderhistorikern erzielte Kleitarchos, der zwar ein Zeitgenosse, aber
selbst kein Feldzugsteilnehmer war, sondern in Babylon Informationen von
Offizieren und Soldaten Alexanders zusammentrug und zu einer rhetorisch
ausgeschmückten Darstellung verband, wobei er auch sagenhafte Elemente
einbezog.[55] Zu diesen frühen Legenden gehörte beispielsweise die falsche
Behauptung, Alexander und Dareios seien einander wiederholt im Nahkampf
begegnet.
Im 2. Jahrhundert n. Chr. schrieb der römische Senator
Arrian auf der Grundlage der älteren Quellen, unter denen er Ptolemaios und
Aristobulos bevorzugte, seine Anabasis, die verlässlichste antike
Alexanderquelle. Wahrscheinlich behandelte auch Strabon in seinen nicht
erhaltenen Historika Hypomnemata („Historische Denkwürdigkeiten“) das Leben
Alexanders; seine erhaltene Geographie enthält Informationen aus verlorenen
Werken der frühen Alexanderhistoriker.
Weitere Nachrichten finden sich im 17. Buch der
Universalgeschichte Diodors, der sich auf Kleitarchos stützte. Plutarch
verfasste eine Lebensbeschreibung Alexanders, wobei es ihm mehr auf das
Verständnis des Charakters unter moralischem Gesichtspunkt als auf den
historischen Ablauf ankam. Quintus Curtius Rufus schrieb eine in der Antike
wenig beachtete Alexandergeschichte. Justin wählte für seine Darstellung aus
seiner (verlorenen) Vorlage, der Universalgeschichte des Pompeius Trogus, vor
allem Begebenheiten aus, die geeignet waren, seine Leserschaft zu unterhalten.
Die Berichte von Curtius, Diodor und Pompeius Trogus hängen
von einer gemeinsamen Quelle ab; das Nachrichtenmaterial, das sie
übereinstimmend überliefern, stammt wohl von Kleitarchos. Diese Tradition
(Vulgata) bietet teils wertvolle Informationen; Curtius wird in der
französischen Forschung leicht gegenüber Arrian favorisiert. Zusätzliches
Material ist bei Athenaios sowie in der Metzer Epitome und dem Itinerarium
Alexandri überliefert. Nur wenige Fragmente sind von den Werken des Chares von
Mytilene und des Ephippos von Olynth erhalten.
Legende
Antikes Alexander-Medaillon
Als Quelle für den historischen Alexander von relativ
geringem Wert, aber literarisch von außerordentlicher Bedeutung ist der „Alexanderroman“.
Mit diesem Begriff bezeichnet man eine Vielzahl von antiken und
mittelalterlichen Biografien Alexanders, welche seine Taten roman- und
märchenhaft schildern und verherrlichen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der
Stoff fortlaufend literarisch bearbeitet und ausgeschmückt. Die griechische
Urfassung in drei Büchern, die den Ausgangspunkt für alle späteren Versionen
und Übersetzungen in viele Sprachen bildet, ist wahrscheinlich im späten 3.
Jahrhundert in Ägypten entstanden. Ihr unbekannter Autor, der wohl ein Bürger
von Alexandria war, wird als Pseudo-Kallisthenes bezeichnet, weil ein Teil der
handschriftlichen Überlieferung das Werk irrtümlich dem Alexanderhistoriker
Kallisthenes von Olynth zuschreibt. Diesem Werk lagen ältere, nicht erhaltene
romanhafte Quellen, fiktive Briefe Alexanders und kleinere Erzählungen
zugrunde. Der bekannteste unter den Briefen ist ein angeblich von Alexander an
Aristoteles gerichtetes Schreiben über die Wunder Indiens, das in verkürzter
Fassung in den Roman eingebaut wurde und auch separat überliefert ist.
Die gängige Bezeichnung „Roman“ ist irreführend, da der
Verfasser und seine antike und mittelalterliche Leserschaft an dem Anspruch
festhielten, der Inhalt sei Geschichtsschreibung und nicht literarische
Erfindung.[56]
Die Idee des historischen Alexander, er sei ein Sohn des
ägyptischen Gottes Ammon (Amun), verfremdet der Romanautor, indem er aus
Alexander ein uneheliches Kind macht. Alexanders Vater ist im Roman der aus
Ägypten nach Makedonien geflohene König und Zauberer Nektanebos, der als Ammon
auftritt (gemeint ist der Pharao Nektanebos II.). Nektanebos verführt die
Königin Olympias während der Abwesenheit ihres Gemahls Philipp. Später tötet
Alexander, der als Sohn Philipps aufwächst, seinen leiblichen Vater; erst dann
erfährt er seine wahre Abstammung. So macht der ägyptische Autor Alexander zum
Ägypter.[57] Eine weitere wesentliche Neuerung des Pseudo-Kallisthenes ist die
Einführung eines nicht historischen Italienzugs Alexanders, auf dem der
Makedone nach Rom kommt. Rom unterstellt sich ihm ebenso wie alle anderen
Reiche des Westens kampflos. Dann unterwirft er in schweren Kämpfen die Völker
des Nordens, bevor er gegen das Perserreich zieht. Hier zeigt sich das
literarische Bedürfnis, den Helden auch den Westen und Norden erobern zu
lassen, damit seine Weltherrschaft vollendet wird. Roxane ist im Roman eine
Tochter des Perserkönigs Dareios, die dieser sterbend Alexander zur Frau gibt.
Das letzte der drei Bücher, das den Indienfeldzug und den Tod des Helden behandelt,
ist besonders stark von Wundern und phantastischen Elementen geprägt. Es
schildert auch Alexanders angeblichen Besuch bei der Königin Kandake von Meroe,
wobei der König in Verkleidung auftritt, aber enttarnt wird (eine Episode, der
spätere Bearbeiter des Stoffs eine ursprünglich völlig fehlende erotische
Komponente verleihen). Schließlich wird Alexander vergiftet.
Im frühen 4. Jahrhundert fertigte Iulius Valerius eine freie
lateinische Übersetzung des Alexanderromans an (Res gestae Alexandri Magni).
Dabei nahm er Hunderte von Erweiterungen, Änderungen und Auslassungen vor. Er
beseitigte Ungereimtheiten und Formulierungen, die den Makedonenkönig in ein
ungünstiges Licht rücken konnten, und fügte für Alexander vorteilhafte Details
ein. Sein Alexander ist eine mit allen Herrschertugenden ausgestattete
Idealgestalt; er begeht zwar Fehler, lernt aber daraus.[58]
Ein weiterer Bestandteil der antiken Alexandersage sind
fiktive Dialoge des Königs mit den indischen Brahmanen sowie Briefe, die
angeblich zwischen ihnen ausgetauscht wurden. Dabei versuchen die Inder, die
Überlegenheit östlicher Weisheit und einer einfachen, naturnahen Lebensweise
gegenüber der griechischen Zivilisation und dem Machtstreben Alexanders
aufzuzeigen. Auch dieses Schrifttum war sowohl griechisch als auch lateinisch
verbreitet. Da es um grundsätzliche Fragen der Lebensführung und um Askese
ging, war die Wirkung in christlicher Zeit beträchtlich.[59]
Kult und Vorbildfunktion
Die Herrscher, die nach Alexanders Tod in den verschiedenen Teilen
seines Reichs an die Macht kamen, waren nicht mit ihm blutsverwandt, und soweit
in Makedonien Loyalität zur herkömmlichen Ordnung vorhanden war, galt sie dem
Herrscherhaus insgesamt, wobei es nicht speziell auf die verwandtschaftliche
Nähe zu Alexander ankam. Daher gab es in den Diadochenreichen wenig Anlass für
einen offiziellen staatlichen Alexanderkult; dieser blieb den einzelnen Städten
überlassen. Erst in hoch- und späthellenistischer Zeit wurde der politische
Rückgriff auf Alexander zu einem wichtigen propagandistischen Mittel. Einen
Sonderfall bildete jedoch Ägypten, dessen neue Hauptstadt Alexandria eine
Gründung Alexanders und der Ort seines Grabes war. Die dort regierenden
Ptolemäer förderten von Anfang an den Alexanderkult im Rahmen ihrer Propaganda.
Er bildete aber zunächst keinen zentralen Bestandteil ihrer
Herrschaftslegitimation und wurde erst von Ptolemaios X., der den Doppelnamen
„Ptolemaios Alexandros“ führte, intensiv politisch instrumentalisiert.[60]
Ein prominenter Gegner der Römer, König Mithridates VI. von
Pontos († 63 v. Chr.), fiel durch seine mit Nachdruck betriebene
Alexander-Imitation auf. Er bekleidete sich mit dem Mantel Alexanders, den er
von den Ptolemäern erbeutet hatte, und illustrierte so seinen Anspruch,
Vorkämpfer des Griechentums und Retter der hellenistischen Monarchie vor den
Römern zu sein. Später erbeutete der römische Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus,
der Mithridates besiegte, diesen Mantel und trug ihn bei seinem Triumphzug.[61]
Mit Pompeius, dessen Beiname „der Große“ an Alexander erinnerte, begann die
offenkundige römische Alexander-Imitation, zunächst als Reaktion auf die
Propaganda des Mithridates. Mehrere römische Feldherren und Kaiser stellten
sich propagandistisch in Alexanders Nachfolge; sie verglichen sich mit ihm und
versuchten, seine Erfolge im Osten zu wiederholen. Dabei steigerte sich die
Verehrung Alexanders in manchen Fällen zu einer demonstrativen Nachahmung von
Äußerlichkeiten. Zu den Verehrern und Nachahmern Alexanders zählten unter den
Kaisern insbesondere Trajan, Caracalla und (mit Vorbehalten) Julian.[62]
Augustus trug zeitweilig auf seinem Siegelring ein Bildnis Alexanders, Caligula
legte sich den aus Alexandria geholten angeblichen Panzer Alexanders an, Nero
stellte für einen geplanten Kaukasusfeldzug eine neue Legion auf, die er
„Phalanx Alexanders des Großen“ nannte, Trajan setzte sich einen Helm auf, den
Alexander getragen haben soll. Kaiser Severus Alexander, der ursprünglich
Alexianus hieß, änderte seinen Namen in Anknüpfung an den Makedonen.
Urteile
Einen sehr tiefen und dauerhaften Eindruck hinterließ in
Griechenland die Zerstörung Thebens. Sie wurde nicht nur von den Zeitgenossen,
sondern jahrhundertelang (noch in der römischen Kaiserzeit) als unerhörte
Grausamkeit empfunden, die man Alexander zur Last legte, und als historisches
Musterbeispiel einer entsetzlichen Katastrophe zitiert. Besonders die antiken
Redner kamen mit Vorliebe darauf zu sprechen und nutzten diese Gelegenheit, bei
ihrem Publikum starke Emotionen zu wecken. Es hieß, Alexander habe wie ein
wildes Tier und als Unmensch (apánthrōpos) gehandelt. Noch in byzantinischer
Zeit wurde diese Deutungstradition rezipiert.[63]
Aus philosophischer Sicht wurde Alexander meist negativ
beurteilt, da seine Lebensweise einen Kontrast zu den philosophischen Idealen
der Mäßigung, Selbstbeherrschung und Seelenruhe bildete. Insbesondere die
Stoiker kritisierten ihn heftig und warfen ihm Hochmut vor; ihre Kritik
richtete sich auch gegen Aristoteles (den Gründer einer rivalisierenden Philosophenschule),
der als Erzieher Alexanders versagt habe. Auch die Kyniker pflegten Alexander
abschätzig zu beurteilen, wobei die Anekdote von der Begegnung des Königs mit
dem berühmten kynischen Philosophen Diogenes von Sinope den Ansatzpunkt
bildete. Ihr zufolge hatte Diogenes Alexander, der ihm einen Wunsch
freistellte, nur gebeten: „Geh mir aus der Sonne“, und Alexander soll gesagt
haben: „Wenn ich nicht Alexander wäre, wollte ich Diogenes sein.“ In der von
Aristoteles gegründeten Philosophenschule der Peripatetiker war die Ablehnung
Alexanders ebenfalls ausgeprägt, wenn auch nicht durchgängig. Ihr Anlass waren
anscheinend ursprünglich Spannungen zwischen Aristoteles und Alexander, die
noch in der römischen Kaiserzeit ein spätes Echo in einem haltlosen Gerücht
fanden, wonach Aristoteles ein Gift zubereitet hatte, mit dem Alexander
ermordet wurde.[64] Das negative Alexander-Bild der Philosophen teilte auch
Cicero. Er überliefert die berühmte Anekdote von dem gefangenen Seeräuber, der
von Alexander wegen seiner Übeltaten zur Rede gestellt wurde, worauf der Pirat
erwiderte, er handle in kleinem Maßstab aus demselben Antrieb, aus dem der
König weltweit dasselbe tue.
Besonders drastisch drückte Seneca die stoische Sichtweise
aus. Er bezeichnete Alexander als wahnsinnigen Burschen, zum Bersten
aufgeblasenes Tier, Räuber und Plage der Völker.[65] Ähnlich äußerte sich
Senecas Neffe, der Dichter Lucan.[66] Der philosophisch orientierte Kaiser
Julian, der Alexander als Feldherrn bewunderte, kritisierte ihn zugleich scharf
wegen Maßlosigkeit und unphilosophischer Lebensführung.[67]
Unter den philosophisch orientierten Autoren gab es auch
eine kleine Minderheit, die Alexander Lob spendete. Dazu gehörte Plutarch, der
in seinen zwei Deklamationen „Über das Glück oder die Tugend Alexanders des
Großen“ aus dem König einen Philosophenherrscher machte, dessen Eroberungen
barbarischen Völkern Recht und Frieden brachten und die Unterworfenen so
humanisierten.[68] Bei diesen Jugendwerken Plutarchs handelte es sich
allerdings um rhetorische Stilübungen, die nicht notwendigerweise seine wirkliche
Auffassung spiegeln. In seiner Lebensbeschreibung Alexanders äußerte sich
Plutarch weit kritischer, bemühte sich aber auch um eine Rechtfertigung
Alexanders. Dion von Prusa, der den an Alexander anknüpfenden Kaiser Trajan
bewunderte, würdigte die heldenhafte Gesinnung des Makedonenkönigs.
Bei den Römern war ein beliebtes Thema die hypothetische
Frage, wie ein militärischer Konflikt zwischen dem Römischen Reich und
Alexander verlaufen wäre. Der Historiker Livius befasste sich eingehend damit
und kam zum Ergebnis, dass die römischen Heerführer dem Makedonenkönig
überlegen waren. Alexander habe seine Siege der militärischen Untüchtigkeit
seiner Gegner verdankt. Diese Einschätzung verband Livius mit einem
vernichtenden Urteil über Alexanders Charakter, der durch die Erfolge des
Königs verdorben worden sei. Ähnlich urteilte Curtius Rufus, der die Siege des
Makedonen mehr auf Glück als auf Tüchtigkeit zurückführte und meinte, die
Herausbildung tyrannischer Züge in Alexanders Charakter sei ein Ergebnis
übermäßigen Erfolgs gewesen.
Aus jüdischer Sicht fiel das Urteil über Alexander sehr
vorteilhaft aus. Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus beschreibt
Gunstbezeugungen des Makedonen für die Juden und behauptet, Alexander habe
sich, als er nach Jerusalem kam, vor dem Gott, den die Juden verehrten,
niedergeworfen. Dabei handelt es sich um eine jüdische Abwandlung einer
griechischen Erzählung.[69]
Im 4. Jahrhundert wurden im Osten des Reichs Bronzemünzen
Alexanders wie Amulette getragen.[70]
Unter den Kirchenvätern hebt sich Orosius als radikalster
Kritiker Alexanders ab. In seiner auf Justin fußenden Historia adversus paganos
(„Geschichte gegen die Heiden“) schildert er ihn als blutdürstigen, grausamen
Unmenschen und großen Zerstörer.[71]
Mittelalter
Christlich-mittelalterlich interpretierte Darstellung der
Krönung Alexanders aus dem 15. Jahrhundert.
Die mittelalterliche Alexander-Rezeption war außerordentlich
intensiv und vielfältig.[72] Dabei stand das Sagengut im Vordergrund. Die
antike Gestalt wurde mittelalterlichen Vorstellungen angepasst; beispielsweise
erhält der König eine Ritterpromotion (Schwertleite). Besonders Dichter regte
der Stoff im Westen ebenso wie im Orient zur Bearbeitung an; es entstanden über
80 Dichtungen in 35 Sprachen.[73]
Quellen
Die grundlegenden antiken Quellen, die im Mittelalter in
West- und Mitteleuropa zur Verfügung standen, waren neben Pseudo-Kallisthenes
der eifrig rezipierte Curtius Rufus, der nur als Nebenquelle dienende Justin
und der viel beachtete Orosius, dessen negative Bewertung Alexanders allerdings
wenig Beachtung fand. Besonders die märchenhaften Elemente des Alexanderromans
machten Eindruck und regten die Phantasie der Bearbeiter zu weiteren
Ausformungen an. Der Roman wurde in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt,
wobei lateinische Fassungen die Grundlage bildeten; hinzu kamen die teils stark
abweichenden Versionen in orientalischen Sprachen (Armenisch, Altsyrisch,
Hebräisch, Arabisch, Persisch, Türkisch, Äthiopisch, Koptisch).[74]
Eine wesentliche Rolle spielte ferner die Prophetie im
biblischen Buch Daniel[75] über den Untergang der aufeinanderfolgenden
Weltreiche; in diesem Licht erschien Alexander, der nach mittelalterlicher
Deutung das zweite der vier Weltreiche vernichtete und das dritte gründete, als
Werkzeug Gottes.[76] Auch dem ersten Kapitel des ersten Makkabäerbuchs war eine
knappe Zusammenfassung von Alexanders Lebensgeschichte zu entnehmen; dort las
man, dass er bis ans Ende der Welt gelangte und „die Welt vor ihm verstummte“.
Dieser biblische Hintergrund verlieh ihm zusätzliche Bedeutung.
Heldenkatalog
Im Spätmittelalter zählte man Alexander zum Kreis der Neun
Guten Helden, einem in der volkssprachlichen Literatur beliebten Heldenkatalog,
der für die Zeit des Alten Testaments, die griechisch-römische Antike und die
christliche Zeit jeweils die drei größten Helden benannte; für die Antike waren
es Hektor, Alexander und Caesar. Noch breiter als in der Literatur wurde diese
Heldenreihe in der Bildenden Kunst (Skulptur, Malerei, Textilkunst) rezipiert.
Mittellateinische Literatur
Das Alexanderbild in der lateinischsprachigen Welt des
Mittelalters war großenteils vom lateinischen Alexanderroman geprägt. Im
Frühmittelalter ging die Hauptwirkung nicht von der ursprünglichen Fassung der
von Iulius Valerius stammenden Übersetzung aus, von der nur drei vollständige
Handschriften überliefert waren; weit bekannter war ein in mehr als 60
Handschriften erhaltener, spätestens im 9. Jahrhundert entstandener Auszug
(Epitome) aus diesem Werk. Um 968/969 fertigte der Archipresbyter Leo von
Neapel eine neue lateinische Übersetzung des Pseudo-Kallisthenes aus dem
Griechischen an, die Nativitas et victoria Alexandri Magni („Geburt und Sieg
Alexanders des Großen“), die mehrfach – zuletzt noch im 13. Jahrhundert – überarbeitet
und erweitert wurde; die überarbeiteten Fassungen sind unter dem Titel Historia
de preliis Alexandri Magni („Geschichte von den Schlachten Alexanders des
Großen“) bekannt. Der Dichter Quilichinus von Spoleto schrieb 1237/1238 eine
Versfassung der Historia de preliis in elegischen Distichen, die im
Spätmittelalter populär wurde. Noch weit einflussreicher war aber die schon
zwischen 1178 und 1182 verfasste Alexandreis Walters von Châtillon, ein Epos in
zehn Büchern auf der Grundlage der Darstellung des Curtius Rufus, das zur
Schullektüre wurde und im 13. Jahrhundert als Schulbuch Vergils Aeneis an
Beliebtheit übertraf. Walter verzichtete fast gänzlich auf die Auswertung des
im Alexanderroman vorliegenden Materials. Für ihn war Alexander der stets siegreiche
Held, der sich selbst ebenso wie alle Feinde überwand und so unsterblichen Ruhm
erlangte.
Das Verhältnis dieser Autoren und ihres Publikums zu
Alexander war vor allem von Bewunderung für außerordentliche Heldentaten und
von Staunen über das Märchenhafte und Exotische geprägt. Besondere Beachtung
fand Alexanders Tod; er bot Anlass zu unzähligen religiös-erbaulichen
Betrachtungen, die auf die Endlichkeit und Nichtigkeit aller menschlichen Größe
angesichts des Todes abzielten. Auf diesen Aspekt wiesen unter anderem viele
Kleindichtungen hin, darunter insbesondere fingierte Grabschriften Alexanders.
Besonders fasziniert waren mittelalterliche Leser von einer
Erzählung von Alexanders Himmelsflug und Tauchexpedition, die Leo von Neapel
nach dem griechischen Roman wiedergab. Dieser Sage zufolge wollte der König
nicht nur auf der Erdoberfläche die äußersten Grenzen erreichen, sondern auch
den Himmel und die Tiefe des Ozeans erkunden. Zu diesem Zweck ersann und baute
er mit seinen Freunden ein von Greifen gezogenes Luftfahrzeug und ein von
Ketten gehaltenes gläsernes Tauchfahrzeug. Der Himmelsflug wurde von
mittelalterlichen Künstlern häufig abgebildet.[77]
Aus dem 12. Jahrhundert stammt das Iter ad Paradisum
(„Paradiesfahrt“), die lateinische Version einer jüdischen Sage über Alexanders
Versuch, das irdische Paradies zu finden, den in der Genesis beschriebenen
Garten Eden.
Neben der Heldenverehrung kamen vereinzelt auch extrem
negative Deutungen der Persönlichkeit Alexanders vor. So setzten ihn im 12.
Jahrhundert die prominenten Theologen Hugo von St. Viktor und Gottfried von
Admont mit dem Teufel gleich.[78]
Erzählungen aus dem Alexanderroman wurden in Weltchroniken
und Enzyklopädien aufgenommen, was ihre Rezeption zusätzlich erweiterte.
Die lateinische Überlieferung bildete die Grundlage für die
volkssprachliche Rezeption. In den volkssprachlichen Literaturen entstanden
zahlreiche Prosawerke und Dichtungen über Stoffe der Alexandersage, wobei vor
allem die verschiedenen lateinischen Fassungen des Pseudo-Kallisthenes, die
Historia Alexandri des Curtius Rufus und die Alexandreis Walters von Châtillon
verarbeitet wurden.
Romanische Literaturen
„Alexanders Krönung“ von Jean Fouquet (15. Jahrhundert)
Alberich von Bisinzo (Albéric de Pisançon), der im frühen
12. Jahrhundert die älteste volkssprachliche Alexander-Biografie verfasste, ein
nur teilweise erhaltenes Gedicht in frankoprovenzalischem Dialekt, verwarf nachdrücklich
die Legende von Alexanders unehelicher Geburt und hob seine hochadlige
Abstammung von väterlicher und mütterlicher Seite hervor. Er betonte auch die
hervorragende Bildung des Herrschers, die – einem mittelalterlichen
Bildungsideal entsprechend – neben dem Griechischen (das der Makedone wie eine
Fremdsprache lernen musste) auch Latein- und Hebräischkenntnisse umfasst
habe.[79] Nach der Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden weitere französische
Gedichte, die einzelne Episoden aus Alexanders Leben (Belagerung von Tyros,
Indienfeldzug, Lebensende) behandelten. Sie wurden im späten 12. Jahrhundert
zur „Standardversion“ des altfranzösischen Roman d’Alexandre (auch: Roman
d’Alixandre) zusammengefügt, die von allen im romanischen Sprachraum verbreiteten
volkssprachlichen Bearbeitungen des Stoffs die stärkste Wirkung erzielte.
Dieses Epos besteht aus über 20 000 Versen, Zwölf- und Dreizehnsilbern; vom
Roman d’Alexandre erhielt dieses Versmaß später die Bezeichnung Alexandriner.
Der Roman schildert Alexanders Leben durch Verknüpfung von vier Gedichten
unterschiedlichen Ursprungs. Dabei kommt zum Altbestand der Alexanderlegende
noch eine Reihe von frei erfundenen Personen und Begebenheiten hinzu. Der Autor
stellt Alexander im Stil der Chanson de geste wie einen sehr standesbewussten,
ritterlichen Lehnsherrn des Mittelalters dar. Er hebt dabei besonders die
Großzügigkeit seines Helden hervor und präsentiert das Ideal eines harmonischen
Verhältnisses zwischen König und Vasallen. Neben epischen Partien, besonders in
den Kampfschilderungen, finden sich auch stärker romanhafte und vom
Phantastischen geprägte. Mehrere Dichter fügten später Ergänzungen hinzu,
insbesondere die einem Publikumsbedürfnis entsprechende Darstellung der Rache
für den Giftmord an Alexander.[80] In England schrieb Thomas von Kent im späten
12. Jahrhundert einen Alexanderroman in Alexandrinern in anglonormannischer
Sprache mit dem Titel Le roman de toute chevalerie. Er akzeptierte im Gegensatz
zu allen älteren romanhaften Bearbeitungen des Stoffs problemlos die
Vorstellung, dass Alexander aus einem Ehebruch seiner Mutter hervorging, was
für die früheren Autoren ein nicht akzeptabler Makel gewesen war.
Im 15. Jahrhundert entstanden Prosafassungen des Roman
d’Alexandre. Der altfranzösische Prosa-Alexanderroman fand weite Verbreitung.
Einen Höhepunkt erreichte die Alexander-Bewunderung im Herzogtum Burgund am Hof
Herzog Philipps des Guten († 1467) und seines Nachfolgers, Karls des Kühnen.
Die bedeutendste spanische Bearbeitung des Stoffs ist El libro
de Alexandre. Dieses Epos umfasst über 10 000 Verse (Alexandriner) und ist
damit die umfangreichste epische Dichtung Spaniens aus dem 13. Jahrhundert. Der
unbekannte Verfasser, ein vorzüglich gebildeter Geistlicher, verfolgt ein
moralisches Ziel; er will dem Leser anhand der erzählten Begebenheiten die
vorbildliche Tugendhaftigkeit des Helden vor Augen stellen.
In Italien entstand eine Reihe von volkssprachlichen Werken
über Alexanders Lebens in Prosa und in Versen, deren Grundlage meist die
lateinische Historia de preliis war. Die älteste vollständig erhaltene
italienische Alexanderdichtung ist die Istoria Alexandri regis von Domenico
Scolari aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Scolari christianisiert
seinen Helden weitgehend; Alexander ist ein frommer, geradezu heiliger
Wundertäter. Als Universalmonarch beglückt er die Welt durch Recht und Frieden.
Im 15. Jahrhundert erreichte das Interesse an der Alexandersage in Italien
seinen Höhepunkt.[81]
Deutsche Literatur
Die deutschsprachige Alexandersage und Alexanderdichtung
setzte um die Mitte des 12. Jahrhunderts mit dem Alexanderlied des Pfaffen
Lamprecht ein, der sich eng an Alberichs Versroman hielt. Die drei erhaltenen,
später bearbeiteten Fassungen von Lamprechts Gedicht, der „Vorauer Alexander“,
der „Straßburger Alexander“ und der „Basler Alexander“, setzten jedoch in der
Bewertung Alexanders unterschiedliche Akzente. Im „Vorauer Alexander“ wird
deutliche Kritik am König geübt. Alexander handelt zwar nach dem Willen Gottes,
wird aber als hochmütig und herrschsüchtig dargestellt; die Zerstörung von
Tyros wird als schweres Unrecht verurteilt, da die Tyrer als treue Untertanen
des Perserkönigs nur ihre Pflicht erfüllten. Überdies erscheint er als
mitleidlos, da er nicht über den Tod der vielen Gefallenen trauert.
Andererseits verfügt er aber über Umsicht, die ihn seine Neigung zu jähzorniger
Unbeherrschtheit überwinden lässt, womit er ein Beispiel gibt und sich von dem
sehr negativ gezeichneten Dareios abhebt. Alexander wird bewusst als zwiespältige
Persönlichkeit gezeichnet.[82] Ein einfacheres Alexanderbild entwirft ein aus
ritterlich-aristokratischer Sicht wertender Autor im „Straßburger Alexander“;
hier wird der König als vorbildlicher Kämpfer, Feldherr und Herrscher
idealisiert. Als solcher handelt er nicht eigenmächtig, sondern sucht den Rat
seiner Vasallen. Er ist klug, gerecht und gütig, und seine schon in der Antike
negativ bewertete Neigung zum Jähzorn wird als einigermaßen berechtigt
dargestellt.[83] Allerdings ist er nicht frei von Hochmut; zum vollkommenen
Herrscher fehlt ihm die Mäßigung, die er aber in seiner letzten Lebensphase
doch noch erlangt, womit er das Ideal restlos verwirklicht. Im „Basler
Alexander“ dominiert ein anderes, in der mittelalterlichen Alexander-Rezeption
ebenfalls zentrales Element, die Freude am Wunderbaren, Seltsamen und
Exotischen. Diese Behandlung des Stoffs zielt auf das Unterhaltungsbedürfnis
eines breiten, nicht mehr primär an ritterlichen Idealen orientierten
spätmittelalterlichen Publikums.
Im 13. Jahrhundert verfasst der Dichter Rudolf von Ems das
(allerdings unfertig gebliebene) Epos Alexander. Er schildert den König als
vorbildlich tugendhaften Helden und ritterlichen Fürsten, der sich durch seine
moralischen Qualitäten als Herrscher legitimiert. Alexander vollzieht als
Werkzeug Gottes dessen Willen. Durch ihn werden die Perser, die mit ihrem
Verhalten den Zorn des Allmächtigen hervorgerufen haben, gezüchtigt. Sein
Handeln ist Teil der Heilsgeschichte, er kann christlichen Herrschern als
Vorbild dienen. Ulrich von Etzenbach beschreibt in seinem zwischen 1271 und
1282 entstandenen Gedicht Alexander (28.000 Verse) den König nicht nur als
edlen Ritter, sondern auch als überaus frommen Mann Gottes, der seine Siege
seinem gottgefälligen Verhalten und Gottvertrauen verdankt; die ihm
zugeschriebenen Tugenden stammen aus der Heiligendarstellung. Ulrich
missbilligt allerdings einzelne Taten wie die Ermordung Parmenions; darin
unterscheidet er sich von Rudolf, bei dem Alexander makellos ist und Parmenion
sein Schicksal selbst verschuldet. 1352 vollendet der nur aus seinem einzigen
Werk bekannte Dichter Seifrit seine Alexanderdichtung, in der er besonders die
Rolle Alexanders als Weltherrscher betont und sich bemüht, von seinem Helden
den gängigen Vorwurf des Hochmuts fernzuhalten.
Im 14. und im 15. Jahrhundert war der Alexanderstoff in
neuen Prosabearbeitungen weit verbreitet; die eine befindet sich im Großen
Seelentrost (Mitte des 14. Jahrhunderts), die andere ist Johann Hartliebs
Histori von dem grossen Alexander, die nach der Mitte des 15. Jahrhunderts
entstand. Beide dienten einem moralischen Zweck, doch ihre Verfasser gingen
dabei auf völlig entgegengesetzte Weise bewertend vor. Im Großen Seelentrost
bietet Alexander das abschreckende Lehrbeispiel eines durch und durch gierigen
Menschen, den seine Neugier, Besitzgier und Machtgier letztlich ins Verderben
führt, denn er versucht die dem Menschen gesetzten Grenzen zu überschreiten.
Bei Hartlieb hingegen ist er ein Vorbild an Mannes- und Fürstentugend und
überdies von einem wissenschaftlichen Erkenntnisstreben beseelt. Für
mittelalterliche Verhältnisse auffallend ist die positive Wertung der
Wissbegierde, eines auf die Natur gerichteten Forscherdrangs, der Alexander
zugeschrieben wird.
Im 15. Jahrhundert wurden auch Alexanderdramen geschaffen
und aufgeführt, doch sind ihre Texte nicht erhalten.
Während die mit literarischem Anspruch gestalteten Werke
Alexander in der Regel verherrlichen oder zumindest in überwiegend positivem
Licht erscheinen lassen, werden im religiös-erbaulichen und moralisch
belehrenden Prosaschrifttum oft negative Züge des Makedonenkönigs betont; dort
wird er als abschreckendes Beispiel für Maßlosigkeit und Grausamkeit angeführt.
Sein Himmelsflug dient Geistlichen wie Berthold von Regensburg als Symbol für
frevelhaften Übermut. Andererseits heben bedeutende Dichter wie Walther von der
Vogelweide und Hartmann von Aue Alexanders vorbildliche milte (Freigebigkeit)
hervor.
Englische Literatur
Trotz des traditionell großen Interesses am Alexanderstoff
in England gab es erst im Spätmittelalter einen Alexanderroman in englischer
Sprache, die mittelenglische Dichtung Kyng Alisaunder, die wohl aus dem frühen
14. Jahrhundert stammt. Sie schildert den König als Helden und hebt seine
Großmut hervor, verschweigt aber auch nicht seine Maßlosigkeit und
Unbesonnenheit.[84] Eine Reihe von weiteren Schilderungen von Alexanders Leben
fußte auf der Historia de preliis Alexandri Magni, die im mittelalterlichen England
beliebt war.
Byzanz und slawische Länder
Auch für die volkstümliche byzantinische Alexander-Rezeption
bildete der Roman des Pseudo-Kallisthenes den Ausgangspunkt. Er lag zunächst in
einer mittelgriechischen Prosabearbeitung aus dem 7. Jahrhundert vor. In
spätbyzantinischer Zeit entstanden mehrere Neufassungen. Hier hat Alexander die
Gestalt eines byzantinischen Kaisers angenommen; er ist von Gott gesandt und
mit allen Ritter- und Herrschertugenden ausgestattet, wird aber nicht zum
Christen gemacht, sondern dem Bereich des Alten Testaments zugeordnet. Er ist
mit dem Propheten Jeremia befreundet und wird von ihm beschützt.[85] 1388
entstand das byzantinische Alexandergedicht.[86]
Die beliebteste Szene aus der Alexandersage war in Byzanz
der Himmelsflug, der in der Bildenden Kunst oft dargestellt wurde.
In den süd- und ostslawischen Literaturen wurde der
Alexanderstoff stark rezipiert, wobei der Weg des Überlieferungsguts vom
griechischen Alexanderroman über kirchenslawische Bearbeitungen in die Volkssprachen
führte. Eine altbulgarische Fassung des Romans (Aleksandria) wurde zum
Ausgangspunkt der Rezeption in russischen Chroniken. In Russland war der
Alexanderroman im Hochmittelalter in mehreren Versionen verbreitet. Im 14.
Jahrhundert begann eine neue Version zu dominieren, die vom byzantinischen
Volksroman ausging und sich durch stark ausgeprägte Merkmale des
mittelalterlichen Ritterromans auszeichnete. Besonders beliebt war die
serbische Fassung („serbischer Alexander“ oder „serbische Alexandreis“), die
auch in Russland Verbreitung fand und Vorlage für die spätmittelalterliche
georgische Prosaübersetzung war. In Russland, der Ukraine, Bulgarien und
Rumänien setzte sich dieser Typus der Alexanderlegende durch.
Arabische Literatur
In der mittelalterlichen arabischsprachigen Literatur war
Alexander unter dem Namen „al-Iskandar“ bekannt, da der Anfang seines Namens
mit dem arabischen Artikel al verwechselt wurde. Er wurde schon in der
vorislamischen Dichtung erwähnt. Folgenreich war seine Identifizierung mit der
koranischen Figur des Dhū l-Qarnain („der Zweihörnige“), von dem in Sure 18
erwähnt wird, dass er einen Damm gegen Gog und Magog errichtete (Verse 83–98).
Diese Identifizierung wurde von den muslimischen Gelehrten mehrheitlich, aber
nicht einhellig akzeptiert. Nach heutigem Forschungsstand ist die Ableitung der
Figur Dhū l-Qarnains von Alexander sowie die Herkunft des Motivs aus der
altsyrischen christlichen Alexanderlegende eine gesicherte Tatsache.[87] Die im
Orient verbreitete Bezeichnung Alexanders als „zweihörnig“ taucht schon in
einer spätantiken Alexanderlegende in altsyrischer Sprache auf, wo Alexander
ein christlicher Herrscher ist, dem Gott zwei Hörner auf dem Kopf wachsen ließ,
womit er ihm die Macht verlieh, die Königreiche der Welt zu erobern.[88] Den
ursprünglichen Anlass zur Bezeichnung „der Zweihörnige“ bot die antike
bildliche Darstellung Alexanders mit Widderhörnern, die auf seine
Vergöttlichung deutete.[89] Der Gott Zeus Ammon (Amun), als dessen Sohn
Alexander sich betrachtete, wurde als Widder oder widderköpfig dargestellt.
Im Koran wird die Geschichte des Zweihörnigen dem Propheten
geoffenbart, denn er soll sie mitteilen, wenn er danach gefragt wird. Alexander
erscheint darin als frommer Diener Gottes, dem die Macht auf der Erde gegeben
war und „ein Weg zu allem“. Er gelangte bis zum äußersten Westen der Welt, wo
die Sonne „in einer verschlammten Quelle untergeht“, und erlangte die
Herrschaft über das dort lebende Volk (hier ist ein Nachhall von
Pseudo-Kallisthenes zu erkennen, der Alexander nach Italien kommen und den
gesamten Westen einnehmen ließ). Dann schlug der Zweihörnige den Weg zum
äußersten Osten ein und gelangte an den Ort, wo die Sonne aufgeht (daher
deuteten die mittelalterlichen Koranausleger die Zweihörnigkeit meist als
Zeichen für die Herrschaft über Westen und Osten). Schließlich begab er sich in
eine andere Richtung und kam in eine Gegend, wo Menschen lebten, die von
Angriffen zweier Völker, der Yāǧūǧ und Māǧūǧ (biblisch Gog und Magog), bedroht
waren und ihn um Hilfe baten. Zum Schutz der Bedrohten baute er, ohne einen
Lohn zu verlangen, zwischen zwei Berghängen einen gigantischen Wall aus Eisen,
den die Angreifer nicht übersteigen oder durchbrechen konnten.[90] Dieser
Schutzwall wird bis zum Ende der Welt bestehen. – Eine altsyrische Version der
Sage von Alexanders Aussperrung von Gog und Magog (in den Revelationes des
Pseudo-Methodius) wurde ins Griechische und ins Lateinische übersetzt und fand
in Europa viel Beachtung.
Auch die voranstehende Passage der 18. Sure (Verse 59–81)
scheint von der Alexanderlegende beeinflusst zu sein, obwohl in der Version des
Korans Mose statt Alexander der Protagonist ist. Ein dort erzähltes Wunder
(Wiederbelebung eines getrockneten Fisches) stammt anscheinend aus dem
Alexanderroman; es kommt auch in einer spätantiken altsyrischen Version der
Legende vor.[91] Es ist davon auszugehen, dass der Stoff des Alexanderromans
zur Entstehungszeit des Korans bereits in arabischer Übersetzung verbreitet
war.[92]
Die islamische Wertschätzung für Alexander, die sich aus
seiner Schilderung im Koran ergab, führte dazu, dass einige Autoren ihn zu den
Propheten zählten.[93]
Die mittelalterlichen arabischsprachigen Historiker
behandelten die Regierung Alexanders eher knapp. Im Gegensatz zu den europäischen
christlichen Chronisten gingen bedeutende muslimische Geschichtsschreiber wie Ṭabarī,
Masʿūdī, Ibn al-Aṯīr und Ibn Chaldūn auf die Alexandersage nicht oder nur
nebenbei ein; sie hielten sich primär an die Überlieferung über den
historischen Alexander. Ṭabarī betrachtete seine Quellen kritisch; er stützte
sich insbesondere auf die Darstellung des bedeutenden Gelehrten Ibn al-Kalbī (†
819/821) und stellte die Vernichtung des Perserreichs als notwendig und
berechtigt dar, da Dareios tyrannisch regiert habe. Die Auseinandersetzung mit
dem Legendenstoff war kein Thema der Geschichtsschreiber, sondern ein Anliegen
der Theologen, die sich mit der Koranauslegung befassten.[94] Reichhaltiges
Legendenmaterial über Alexander war im muslimischen Spanien (Al-Andalus)
verbreitet; dort hieß es, er habe die Iberische Halbinsel als König beherrscht
und in Mérida residiert.[95]
Außerdem kommt Alexander auch in der arabischen
Weisheitsliteratur vor, wo er als Gelehrter und Musikliebhaber beschrieben
wird. Sehr oft taucht sein Name in Spruchsammlungen auf, wobei die Sprüche
teils ihm zugeschrieben werden, teils von ihm handeln.[96]
Persische und türkische Literatur
Alexander in einer persischen Handschrift des 14.
Jahrhunderts
Im Persischen wurde Alexander Iskandar, Sikandar oder
Eskandar genannt. In der Spätantike war im persischen Sassanidenreich eine
Legende verbreitet, wonach er der persischen Religion, dem Zoroastrismus, einen
schweren Schlag versetzte, indem er religiöse Schriften vernichten ließ. Daher
war Alexander bei den Anhängern dieser Religion verhasst und wurde als
teuflisches Wesen betrachtet.[97] Nach der Islamisierung wirkte sich diese Sage
aber im gegenteiligen Sinne aus, denn nun machte man aus Alexander einen
Vorkämpfer des Monotheismus gegen heidnische Götzendiener.
Der berühmte persische Dichter Firdausī († 1020) baute eine
Version der Alexanderlegende in das iranische Nationalepos Šāhnāmeh ein, wobei
er in manchen Einzelheiten von Pseudo-Kallisthenes abwich. Für ihn war
Alexander ein „römischer Kaiser“ und Christ, der unter dem Kreuzeszeichen
kämpfte; offenbar dachte er dabei an die byzantinischen Kaiser.[98] Außerdem
machte er – wie schon Ṭabarī, der persischer Abstammung war – Alexander zu
einem Halbbruder des Dareios, womit er ihn für das Persertum vereinnahmte; aus
der Vernichtung des Perserreichs wurde ein Bruderzwist innerhalb der iranischen
Herrscherfamilie.
1191 schuf der persische Dichter Nezāmi das Eskandar-Nāme
(„Alexander-Buch“). Sein Alexander ist völlig islamisiert; er ist ein
monotheistischer Held, der den Zoroastrismus der Perser mit Feuer und Schwert
ausrottet und dafür den Beifall des Dichters erhält. Er unterwirft nicht nur
Indien, sondern auch China[99] und gelangt im Westen bis nach Spanien. Wie
schon bei Firdausī sucht Alexander auch Mekka auf und reinigt dort die Kaaba.
Außerdem ist er auch Philosoph und ein großer Förderer der Wissenschaft; er befiehlt
den Gelehrten, das Wissen aller Völker zusammenzutragen. Das Eskandar-Nāme
wurde zum Vorbild für einige spätere Dichtungen ähnlicher Art.[100]
Die Handschriften der persischen Alexander-Bücher wurden
trotz des islamischen Bilderverbots ab dem 14. Jahrhundert mit Buchmalerei
geschmückt. In Nordindien sorgten die Mogul-Kaiser des 16. Jahrhunderts für die
Bebilderung solcher Bücher.
Im Jahr 1390 verfasste der türkische Dichter Tāǧ ed-Dīn
Ibrāhīm Aḥmedī das türkische Alexanderepos Iskendernāme, die erste türkische
Bearbeitung des Alexanderstoffs. Dafür bildete Nezāmis „Alexanderbuch“ die
Grundlage, doch verfügte Aḥmedī auch über andere Quellen, aus denen er
zusätzliches Sagenmaterial bezog. Sein Werk war im Osmanischen Reich lange
berühmt und gelangte auch nach Iran und Afghanistan.
Hebräische Literatur
Die jüdische Alexanderrezeption war von dem Umstand geprägt,
dass der Makedone schon in der Antike als Freund des jüdischen Volkes und
Diener Gottes betrachtet wurde. In der mittelalterlichen hebräischen
Alexanderliteratur floss Material aus unterschiedlichen Traditionen zusammen.
Einerseits handelte es sich um Stoff aus dem griechischen Alexanderroman bzw.
der Historia de preliis, andererseits um einzelne Sagen jüdischer Herkunft
(Verhalten Alexanders in Jerusalem, seine Schutzmaßnahme gegen Gog und Magog,
sein Aufenthalt im irdischen Paradies und weitere Geschichten).[101]
Die hebräische Überlieferung wurde nicht nur von der
griechischen und lateinischen beeinflusst, sondern wirkte auch ihrerseits auf
die westeuropäische Alexandersage ein. Weit verbreitet war in der
lateinischsprachigen Welt eine von Petrus Comestor eingeführte Variante der
Erzählung von Gog und Magog, wonach Alexander nicht die wilden Völker Gog und
Magog, sondern die zehn jüdischen Stämme aussperrte, um sie für ihre Abwendung
vom wahren Gott zu bestrafen.[102]
Äthiopische Alexanderlegende
Ins christliche Äthiopien gelangte der Alexanderroman auf
dem Umweg über eine arabische Fassung. Der Stoff wurde für die Bedürfnisse
eines geistlich orientierten Publikums stark umgestaltet. Alexander wird zu
einem christlichen König, der den christlichen Glauben predigt. Er lebt keusch
und ist ein Vorbild der Tugendhaftigkeit. Er stirbt wie ein Einsiedler, nachdem
er sein Vermögen an die Armen verteilt hat. Durch diese besonders weitreichende
Umarbeitung des Romans wird er zu einem Erbauungsbuch.
Humanismus und Frühe Neuzeit
„Alexanders Einzug in Babylon“ von Charles Le Brun,
1661–1665
Petrarca behandelte in seinem Werk „Über berühmte Männer“
auch Alexander, wobei er sich an Curtius Rufus hielt, dessen negative
Äußerungen er herausgriff; Positives verschwieg er.
Die außerordentliche Bekanntheit der Legendengestalt
Alexander hielt auch in der Frühen Neuzeit an. So schrieb der Chronist Johannes
Aventinus († 1534), es sei „kein Herr, kein Fürst unseren Leuten, auch dem
gemeinen ungelehrten Mann, so bekannt“ wie Alexander.[103] Andererseits drangen
aber in der Renaissance die Humanisten zum historischen Alexander vor und taten
die Alexandersage als Märchen ab. Die Wiederentdeckung griechischer Quellen
(insbesondere Arrians), die im Mittelalter unbekannt waren, ermöglichte einen
neuen Zugang zur Epoche Alexanders. Schon der Portugiese Vasco da Lucena, der
1468 am Hof Karls des Kühnen von Burgund die erste französische Übersetzung der
Alexanderbiografie des Curtius Rufus anfertigte, übte scharfe Kritik an der
Legende, in deren Übertreibungen und Wunderglauben er eine Verdunkelung der
wahren historischen Leistung Alexanders sah.[104]
1528/29 schuf der Maler Albrecht Altdorfer sein berühmtes
Gemälde Die Alexanderschlacht. Charles Le Brun malte ab den frühen sechziger
Jahren des 17. Jahrhunderts eine Reihe von Szenen aus Alexanders Leben für
König Ludwig XIV.
Auf Dichter und Romanautoren übte die Gestalt Alexanders
weiterhin eine starke Faszination aus. Ab dem 17. Jahrhundert handelt es sich
allerdings großenteils um Werke, deren Handlung sich – ganz im Gegensatz zur
traditionellen Alexandersage – um frei erfundene erotische Verwicklungen dreht
und nur noch geringe Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Legendenstoff aufweist.
Hans Sachs schrieb 1558 eine Tragedia von Alexandro Magno,
die in sieben Akten die ganze Geschichte Alexanders darstellt. In Frankreich
verfasste Jacques de la Taille 1562 die Tragödien La Mort de Daire und La Mort
d'Alexandre, und Alexandre Hardy wählte dieselben Titel für zwei seiner
Tragödien (La Mort d'Alexandre, 1621, und La Mort de Daire, 1626). Im weiteren
Verlauf des 17. Jahrhunderts folgten zahlreiche Tragödien und Tragikomödien, darunter
Racines Alexandre le Grand (Uraufführung 1665). Noch intensiver war die
Rezeption in italienischer Sprache. Antonio Cesti komponierte die Oper
Alessandro vincitor di se stesso (Uraufführung Venedig 1651), Francesco Lucio
ein „dramma musicale“ Gl'amori di Alessandro Magno e di Rossane (Libretto von
Giacinto Andrea Cicognini, 1651); zahlreiche Dramen, Melodramen, Opern und
Ballette folgten. Unter den Opern waren besonders erfolgreich Alessandro Magno
in Sidone von Marc’Antonio Ziani (1679, Libretto von Aurelio Aureli), die
„tragicommedia per musica“ Alessandro in Sidone von Francesco Bartolomeo Conti
(1721, Libretto: Apostolo Zeno) und Alessandro nell’Indie von Leonardo Vinci
(1729, Libretto: Pietro Metastasio) sowie vor allem Alessandro von Händel (Uraufführung
in London 1726, Libretto von Paolo Antonio Rolli). Gluck verwertete Elemente
des Alexanderstoffs sowohl in seiner Oper Poro (Alessandro nell’India)
(Uraufführung: Turin 1744, Libretto von Metastasio) als auch in dem Ballett
Alessandro.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts schrieb in Spanien der
Dichter Lope de Vega die Tragikomödie Las grandezas de Alejandro.
Der englische Schriftsteller John Lyly schrieb die Komödie
Campaspe (Uraufführung 1584), die auch unter dem Titel Alexander and Campaspe
bekannt ist und von einem Aufenthalt Alexanders in Athen handelt. John Dryden
dichtete 1692 die Ode Alexander’s Feast, welche die Basis für das Libretto des
1736 vollendeten und uraufgeführten gleichnamigen Oratoriums von Georg
Friedrich Händel (HWV 75) bildete.
In Griechenland wurde von 1529 bis ins frühe 20. Jahrhundert
die Alexanderlegende in gedruckten Volksbüchern verbreitet, zunächst vorwiegend
in Versform (Rimada, 14 Drucke von 1529 bis 1805), ab dem 18. Jahrhundert meist
in Prosa (Phyllada). Von insgesamt 43 Drucken der Phyllada aus dem Zeitraum von
ca. 1680 bis 1926 erschienen 20 in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts.[105]
Rezeption in der Republik Mazedonien
Das 2011 errichtete Alexander-Denkmal in Skopje, Republik
Mazedonien
Seit der Unabhängigkeitserklärung der früheren
jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien, der heutigen Republik Mazedonien, im
Jahr 1991 knüpft der neue souveräne Staat demonstrativ an die Tradition des
antiken Reichs Makedonien an und betrachtet dies als einen wesentlichen Aspekt seiner
nationalen Identität. Von offizieller mazedonischer Seite wird behauptet, es
gebe eine ethnische und kulturelle Kontinuität vom antiken Makedonien zum
heutigen Mazedonien.[106] Im Rahmen solcher Traditionspflege fördern
mazedonische Behörden auch auf kommunaler Ebene die Verehrung Alexanders des
Großen, was sich unter anderem in der Errichtung von Alexander-Denkmälern und
in der Benennung von Straßen äußert. Im Dezember 2006 wurde der Flughafen von
Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, nach Alexander benannt (Aerodrom Skopje
"Aleksandar Veliki"); dort wurde eine große Alexander-Büste
aufgestellt. 2009 wurde die Errichtung einer zwölf Meter hohen Reiterstatue
Alexanders auf einem zehn Meter hohen Sockel im Zentrum von Skopje
beschlossen.[107] Im Juni 2011 wurde dieser Beschluss, der in Griechenland
Irritation auslöste, umgesetzt.[108]
In dem seit 1991 ausgetragenen Streit um den Namen
Mazedonien zwischen Griechenland und der Republik Mazedonien spielt auch die
mazedonische Alexander-Rezeption eine Rolle. Von griechischer Seite wird die
Behauptung einer kulturellen Kontinuität zwischen den antiken Makedonen und den
heutigen Staatsbürgern der Republik Mazedonien nachdrücklich zurückgewiesen.
Daher erscheint auch die mazedonische Alexander-Rezeption aus griechischer
Sicht als Provokation, da die gesamte Alexander-Tradition ausschließlich ein
Teil des griechischen kulturellen Erbes sei.[109]
Moderne Belletristik
In der Moderne hat sich die Belletristik stärker als früher
um Nähe zum historischen Alexander bemüht. Zu den bekannteren historischen
Romanen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören Alexander in Babylon
von Jakob Wassermann (1905), Alexander. Roman der Utopie von Klaus Mann (1929),
der Alexander als gescheiterten Utopisten darstellt, und Iskander von Paul Gurk
(1944). Weitere belletristische Darstellungen von Alexanders Leben stammen von
Mary Renault, Roger Peyrefitte, Gisbert Haefs[110] und Valerio Massimo
Manfredi.[111]
Arno Schmidt lässt in seiner Erzählung Alexander oder Was
ist Wahrheit (2005) den Ich-Erzähler Lampon eine Wandlung vom Verehrer zum
Gegner Alexanders durchmachen.
Beurteilung in der modernen Forschung
Den Ausgangspunkt der modernen wissenschaftlichen
Auseinandersetzung mit Alexander bildete die 1833 erschienene „Geschichte
Alexanders des Großen“ von Johann Gustav Droysen. Droysen betonte die aus
seiner Sicht positiven kulturellen Folgen von Alexanders Politik einer
„Völkervermischung“ statt einer bloßen makedonischen Herrschaft über
unterworfene Barbaren. Er lobte die Wirtschaftspolitik, die Städtegründungen
und die Förderung der Infrastruktur und meinte, auf religiösem Gebiet habe
Alexanders Politik die Entstehung einer Weltreligion vorbereitet. Dieser
Sichtweise war eine starke Nachwirkung beschieden. Im englischen Sprachraum war
ihr Hauptvertreter im 20. Jahrhundert William W. Tarn, dessen 1948 erschienene
Alexander-Biografie den Eroberer als Idealisten beschreibt, der eine
zivilisatorische Mission erfüllen wollte.
Dieser Einschätzung, deren Grundidee schon bei Plutarch auftaucht,
steht eine dezidiert negative Wertung gegenüber, welche Kernpunkte der antiken
Alexanderkritik aufgreift. Die Vertreter dieser Richtung (siehe bereits die
negative Charakterisierung durch Karl Julius Beloch sowie später Ernst Badian
und ähnlich Fritz Schachermeyr, daran anschließend Albert B. Bosworth, Ian
Worthington, Wolfgang Will) unterscheiden sich hinsichtlich der Gewichtung
verschiedener Einzelaspekte. Grundsätzlich aber sehen sie in dem Eroberer
Alexander primär einen Zerstörer, dessen Fähigkeiten sich auf Militärisches
beschränkten. Politisch sei er an seinen Fehlern gescheitert. Er habe
impulsive, irrationale Entscheidungen getroffen und sich mit den Säuberungen
unter seinen Vertrauten und Offizieren schließlich in die Isolation manövriert,
da er niemandem mehr vertrauen konnte.[112]
Die militärischen Leistungen Alexanders, die früher
einhellige Anerkennung fanden, werden von den modernen Kritikern relativiert;
so charakterisiert Badian den Rückmarsch aus Indien als eine von Alexander verschuldete
militärische Katastrophe. Waldemar Heckel hingegen hob in jüngerer Zeit
Alexanders strategische Fähigkeiten hervor und wandte sich gleichzeitig gegen
ein romantisierendes Alexanderbild.[113] Vor einer überzogenen Kritik, wodurch
sozusagen das Pendel von der Heldenverehrung Alexanders in das andere Extrem
umzuschlagen droht, warnte etwa Frank L. Holt, der diesen Trend als „new
orthodoxy“ bezeichnete.[114]
Neben diesen stark wertenden Darstellungen stehen
Untersuchungen vor allem aus neuerer und neuester Zeit, deren Autoren von
vornherein darauf verzichten, die Persönlichkeit Alexanders zu erfassen, ein
Werturteil über sie abzugeben und seine verborgenen Motive zu erkunden (was
aufgrund der Quellenlage sehr schwierig ist, worauf u. a. Gerhard Wirth hingewiesen
hat). Diese Forscher untersuchen vielmehr Alexanders Selbstdarstellung, deren
Wandel und die sich daraus ergebenden politischen Folgen.
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