Mittwoch, 20. Mai 2015

Ein Liebesbrief an Pop-Ikone Kylie Minoke


Ein Liebesbrief an Pop-Ikone Kylie Minoke

Author D.Selzer-McKenzie

Liebe Kylie,

 

ich bin nicht gut darin, über meine Gefühle zu sprechen. Genau genommen spreche ich nie über meine Gefühle, schon gar nicht öffentlich. Meine Eltern haben immer gesagt: Über Geld und Politik spricht man nicht! Und weil ich schon immer ein Rebell war, spreche ich seitdem ständig über Geld und Politik, jedoch nie über meine Gefühle. Damit soll nun endlich Schluss sein, und der Grund dafür bist Du.

 

Im Internet war zu lesen, dass Du eine neue Liebe suchst. Schon lange, es will nicht so recht klappen mit den Männern. Als Grund für Deine gescheiterten Beziehungen hast Du rasiermesserscharf analysiert: Deine bisherigen Männer seien zu schön gewesen. Und zu jung. Ich habe im Internet Deine ehemaligen Liebhaber gesehen und gebe Dir recht: allesamt zu schön. Ab sofort kommen für Dich, so sagst Du, auch ältere Männer infrage, die graues Haar haben oder sich morgens im Bad die Glatze polieren. Sogar ein Bauchansatz ist für Dich neuerdings akzeptabel.

 

Und genau da komme ich ins Spiel, Kylie. Deine Suche hat ein Ende. Ich habe zwar volles Haar, das ich zu einem trügerischen Scheitel frisiere, auch bin ich sieben verflixte Jahre jünger als Du. Aber es heißt ja, dass man nur so alt ist, wie man sich fühlt – und ich fühle mich steinalt. Vor meinem Bauchansatz kapitulieren Sakkoknöpfe und Anzugshosen, ich habe nicht nur Rücken, sondern auch Magenprobleme, weshalb ich, wenn mir jemand fetthaltige Speisen oder den neunten Absacker anbietet, Sätze sage wie: Nein danke, das vertrage ich in meinem Alter nicht mehr.

 

Liebe Kylie, Du sagst, Du seist nicht konventionell. Ich bin es auch nicht. Ich habe trotz meines fortgeschrittenen Alters keine Kinder, keine Eigentumswohnung, nicht mal einen Bausparvertrag. Sexy, oder? Überhaupt habe ich keinerlei finanzielle Sicherheiten, weil die Jobs, in denen ich bislang gearbeitet habe, nicht besonders gut entlohnt wurden und ich meine Freizeit zu gerne in teuren Herrenboutiquen verbracht habe. Wenn wir das "Herren" vor Boutiquen streichen, haben wir übrigens noch mehr gemeinsam. Und was die finanziellen Sicherheiten angeht, zähle ich ohnehin eher auf Dich als auf mich. Modern bin ich nämlich auch noch.

 

Jetzt fragst Du Dich sicher, warum es trotz dieser perfekten Voraussetzungen nicht schon längst mit uns beiden geklappt hat. Das will ich Dir gerne erklären. Als Du in den 1980er Jahren in Latzhosen Jason Donovan geküsst hast, bin ich mit dem Skateboard aus der Halfpipe gestürzt. Als Du 1995 von Nick Cave zur ernstzunehmenden Musikerin geschmachtet wurdest, war ich Frontmann einer Crossover-Metal Band, und meine Mutter ein wenig verzweifelt. Als Du Anfang der 2000er Jahre im Video zu Can’t Get You Out Of My Head so elastisch die Hüften geschwungen hast und endgültig zur Discoqueen wurdest, saß ich als mittelloser melancholischer Poet in einer Souterrainwohnung und habe auf den Tod gewartet. Aber nicht mal der Tod fand das spannend.

 

All das ist nun Vergangenheit. Die Zeit ist reif: Wir passen endlich zusammen. Jetzt müssen sich nur noch unsere Wege kreuzen. Liebe ist Verzicht, Kylie, und wie romantisch ist es von Dir, für die wahre Liebe zukünftig Verzicht üben zu wollen. Deine Art von Verzicht ist genau das, was Männer wie ich brauchen, dieser Abgesang auf Waschbrettbäuche und das Willkommenheißen von Altersgebrechen. Einer Deiner größten Hits hieß Your Disco Needs You. Aber die Disco needs you gar nicht mehr, Kylie, I need you. Also call me bitte ganz bald.

 

Sehr herzlich und schon ein klein bisschen verliebt, 

Dein Sternen- und Sonnengott aus dem Jahre 1969, als ich im Flinders am Yarra-River in Melbourne,Australia Dich im Kinderwagen und Deine Mutter öfters traf.

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