Dienstag, 19. Dezember 2017

Roboter-Trader auf dem Vormarsch Author D. Selzer-McKenzie YoutubeVideo: https://youtu.be/LE9NczHYn6U 2017 ist das Jahr der Roboter, zumindest in der Online-Anlageberatung. Denn kein zweites Jahr bringt hierzulande eine dermaßen große Veränderung in der Branche der Robo-Advisor wie dieses Jahr: Anfang des Jahres waren sie noch kleine Start-up-Unternehmen, deren Existenz nur von wenigen Privatanlegern mit hoher Affinität zu Online-Diensten einerseits und zur Wertpapieranlage andererseits überhaupt wahr-und angenommen wurden. Doch binnen dieses Jahres hat sich das Volumen an Kundengeldern nicht nur auf rund eine Milliarde Euro ungefähr verdoppelt. Es haben sich auch neue große Anbieter der automatisierten Anlageberatung in Stellung gebracht, darunter die Comdirect Bank-Tochter „cominvest" und die Deka-Tochter „bevestor". Im Kampf um Marktanteile öffnen Kooperationen mit etablierten Finanzdienstleistern den Zugang zur breiten Kundenbasis. tliche der frühen Start-ups hat¬ten sich als Herausforderer der etablierten Finanzdienstleister verstanden. Den klassischen Filial¬banken und Finanzvertrieben sollten Marktanteile abgenommen werden. Inzwischen ist das Gros der Robo-Ad-visor vom Konfrontations- auf einen Kooperationskurs umgeschwenkt. Vom Angriff auf die traditionellen Finanz¬häuser ist immer weniger die Rede. Das hängt auch mit dem Angebot der Robo-Advisor zusammen: Als Spezia¬listen bieten sie Online-Finanzdienste nur zu einer vergleichsweise eng ge¬fassten Aufgabenstellung, eben der Ka-pitalanlage in Wertpapieren. Mit dieser Fokussierung können komplette Bank-verbindungen nicht ersetzt werden. Dazu müssten die Plattformen ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen und in personalisierte Kundenberatung investieren, urteilt auch Carmela Me-lone, Senior-Analystin bei MyPrivate-Banking Research. In der Studie „Glo-bal Robo-Advisor Benchmarketing 2017" hat die Schweizer Marktfor-schungsfirma jüngst Robo-Advisor in elf Staaten untersucht und ihre Stär¬ken und Schwächen analysiert. Selbst die führenden Anbieter seien nicht in der Lage, das volle Potenzial automa-tisierter Anlageberatung auszuschöp-fen. Der klassische Rob o-Advis or kon¬zentriere sich ausschließlich auf das Portfoliomanagement. Bei den vor-und nachgelagerten Prozessen der Kundenbeziehung bestehe noch viel Aufholbedarf, so Melone. Persona-lisierte Informationsangebote seien ebenso selten wie weiterreichende Finanzplanungstools. ZWEI PROBLEMFELDER Vor allem zwei Problemfelder lassen die einstigen Herausforderer zuneh-mend die Zusammenarbeit suchen: Zum einen bestehen ernst zu nehmen-de regulatorische Pflichten. Im August wies die Finanzaufsichtsbehörde BaFin ausdrücklich darauf hin, dass der Ser¬vice der Robos aus rechtlicher Sicht in der Regel den Tatbestand der Anla-geberatung erfülle, für die zumindest eine Erlaubnis nach dem Gewerberecht benötigt werde. In vielen Fällen bieten die Online-Dienste gar eine Finanz- portfolioverwaltung an, die eine Er-laubnis nach dem Kreditwesengesetz erfordert. Liegt keine Erlaubnis vor oder werden die damit verbundenen Folgepflichten des Wertpapierhandels-gesetzes (WpHG) beziehungsweise der Gewerbeordnung (GewO) nicht erfüllt, müsse der Anbieter mit erheblichen Problemen rechnen. Aber auch wer die rechtlichen An-forderungen meistert, wird nicht automatisch von potenziellen Kun¬den gefunden. So ist es nicht zuletzt auch der rasche Zugang zu einem attraktiven Kundenstamm, der für die Kooperation mit traditionellen Finanzhäusern spricht. Die Robo-Advisor bieten dabei ihre innovativen Online-Dienste der vorhandenen Kun¬denbasis an. Beispiele für Zusammen¬arbeit gibt es viele: Elinvar mit M.M. Warburg oder Scalable Capital mit ING-Diba oder Whitebox mit der VW Bank. BlackRock, weltgrößter Fonds¬anbieter, ist zusammen mit zwei deut¬schen Risikokapitalgebern bei Scalable Capital aus München mit 30 Millionen Euro eingestiegen. Volks- und Raiff-eisenbanken nutzen unter dem Namen „Meinlnvest" eine White Label-Lösung des Robo-Advisors VisualVest. Und der Robo-Advisor investify hat mit der Hamburger Sparkasse (Haspa) ei¬nen neuen Gesellschafter gewonnen. Ganze Übernahmen wie von easyfolio durch die Privatbank Hauck & Aufhäu-ser sind vergleichsweise selten. Die großen Finanzkonzerne haben eher die Kraft, eigene Online-Dienste zu entwickeln und am Markt zu po-sitionieren. Das zeigt vor allem der diesjährige Markteintritt von „com-invest" aus dem Commerzbank-Kon-zern. „Es ist nicht zu spät, in den Markt einzutreten", sagt Melone. Qualitativ seien kaum Unterschiede zwischen den hauseigenen Angebo¬ten der Banken und jenen der Start-ups zu erkennen. Statt eines Ver-drängungswettbewerbs dürfte der Branchenwandel in den kommenden Jahren eher von der Kooperation und Koexistenz von Off- und Online-Anbietern geprägt sein. Die wahre Konkurrenz der etablierten Finanz-dienstleister drohe nicht durch die heimischen Robo-Advisor, sondern falls die global agierenden Daten-Plattformen wie Amazon, Google oder Alibaba in den Markt standar-disierter Finanzdienstleistungen ein-dringen würden. „Da unsere Kunden-daten bereits zum Großteil über dem Atlantik gespeichert sind, bedroht dies die bisher überlegene Kunden-beziehung der Bank zum Anleger", prophezeite unlängst ein Beobachter der Branche. Umso weniger können es sich die etablierten Finanzhäuser leisten, an der „Online-Front" nicht gut aufgestellt zu sein. DIGITALE DIENSTE MIT ANALOGEN GESPRÄCHSPARTNERN Eine Beschränkung ausschließlich auf Online-Kanäle gilt allerdings zuneh-mend als problematisch bei der Erobe-rung großer Marktanteile. „Die Kun-den wollen nicht nur unkompliziert investieren, sondern auch Betreuung, wenn Probleme entstehen. Das Fehlen der menschlichen Interaktion müssen reine Robo-Advisor durch die Ent-wicklung innovativer Tools ersetzen", sagt Melone. Wer diese Kundenbin-dung nicht schaffe, sei austauschbar. Die Masse der Kleinanleger beschäf¬tige sich selbst nicht hinreichend mit den Themen Börse und Wertpapiere. Sie benötigten Expertenrat, der sich nicht allein mit Online-Fragebögen abdecken lässt. Chats, Blogs, Videos und Social Media-Kanäle für persona-lisierte Services können das nur teil-weise auffangen. Die Studie misst ihnen aber große Be-deutung als Ergänzung zum eigentli-chen Robo-Advisor zu. Letztendlich wünscht sich ein Großteil der Kunden zumindest die Möglichkeit zum per-sönlichen Gespräch. Beim Berliner Robo-Advisor Liqid nimmt die Hälfte der Kunden das Gesprächsangebot mit dem Finanzteam wahr. Damit verschwimmen die Grenzen zwischen etablierten Finanzdienstleistern und den Robo-Advisorn etwas, die ur-sprünglich genau im Verzicht auf den Einsatz menschlicher Berater ihre Stär-ke sahen. „Wenn man den Anspruch hat, Kunden nicht nur rein digital, sondern optional auch persönlich zu beraten, dann rechnet sich das Ge-schäft nur ab gewissen Größen. Bei 50 Basispunkten für ein 5000 Euro-In-vestment liegt der Bruttoertrag bei 25 Euro", rechnet Christian Schneider-Sickert, Gründer und Geschäftsführer des digitalen Vermögensverwalters Liqid, vor. Diese Marge sei für eine zu-sätzliche Beratung zu gering. Konse-quenterweise hat der Mitte 2015 ge-gründete Online-Vermögensverwalter seine Einstiegshürde auf 100.000 Euro festgelegt. WACHSTUM VORPROGRAMMIERT Robo-Advice kann vielen Sparern erst-mals die Möglichkeit eröffnen, am Kapi¬talmarkt zu investieren. Entsprechend groß ist das Wachstumspotenzial. Die Branchenvertreter selbst sehen den neu entstehenden Markt erst ganz am Anfang. Bereits im Jahr 2020 werde der Online-Vertrieb für Spar- und An-lageprodukte laut der Beratungsfirma McKinsey von heute 20 auf 35 Prozent steigen. Das internationale Finanzconsultant-Unternehmen Oliver Wyman traut insbesondere Deutschland eine hohe Dynamik zu — nicht zuletzt, weil die Ausgangsbasis beim angelegten Vo-lumen im Vergleich zu den USA noch gering ist. Die Experten schätzen, dass hierzulande bislang rund 800 Millionen Euro von den Anbietern eingesammelt wurden. Bereits Ende des Jahres dürf¬te die Marke von einer Milliarde Euro durchbrochen sein. Und bis zum Jahr 2021 soll das hierzulande verwaltete Vermögen 42 Milliarden Dollar, also gut 35 Milliarden Euro, erreichen. Das entspreche einem Wachstum von 165 Prozent jährlich, was mehr als doppelt so hoch sei wie die Prognose für die in-ternationale Wachstumsrate. Der Anstieg beruhe vor allem auf den zunehmenden Angeboten etablierter Finanzdienstleister, die mit eigenen Robos auf den Markt kommen. Oliver Wyman zählt rund 30 Anbieter am deutschen Markt. Deren Zahl wird al-lerdings eher in dieser Größenordnung bleiben als mit den verwalteten Kun-dengeldern mitwachsen. „Die Branche ist kein Nullsummenspiel, genauso wie im Offline-Markt werden auch im Online-Markt nicht alle überleben", prophezeit auch Schneider-Sickert von Liqid. Die Akzeptanz beim Kun¬den wächst rasch, insbesondere wenn die Kunden eine höhere Affinität zu Online-Medien oder dem Thema Wert-papieranlage haben. Bei anderen Ziel-gruppen tut man sich schwerer. Teil der Herausforderung sei es, sagt Schnei¬der-Sickert, nicht nur spannende neue Dienste anzubieten. . AUCH AKTIV GEMANAGTE FONDS UND EINZELWERTE Tatsächlich beschränkt bislang die Mehrheit der Online-Vermögensver-walter die Wertpapierauswahl von vorneherein auf passive Indexfonds. Kunden können allenfalls zwischen fixen oder variablen ETF-Portfolios wählen und werden nach Anlagehori-zont und Risikoprofil verschiedenen Portfolio-Lösungen zugeordnet, die dann regelbasiert, aber nicht mehr individuell zusammengestellt werden. Der geringe Managementbedarf und die geringen Kosten der eingesetzten Anlageinstrumente sollen den Kos-tenvorteil gewährleisten, der bei der Gewinnung von Kunden ein zentrales Argument darstellt. Dem nicht ganz zu Unrecht drohenden Gefühl der An-leger, „in eine Schublade gesteckt" zu werden und Chancen mit aktiv gema-nagten Fonds oder gar ausgewählten Einzelaktien zu verpassen, begegnen einige Plattformen mit einem erwei-terten Angebot: Robo-Advisor wie In-vestify, Liqid oder Visualvest bieten Anlegern aktiv gemanagte Fonds und alternative Finanzprodukte an. Ein rein passives ETF-Angebot werde langfristig nicht zum Erfolg führen, deshalb wolle man sich weiterentwi-ckeln, erklärte beispielsweise Schnei¬der-Sickert von Liqid. Dazu will sich das Berliner Unternehmen mit einer Mobile App zur laufenden Berichter¬stattung und Information der Anleger positionieren. Und im Private Equity-Geschäft kooperiert Liqid mit der Ver-mögensverwaltung HQ Trust. Aber auch an Einzeltitel trauen sich „Robos" schon heran: Der Vermögensverwal¬ter DJE Kapital AG beispielsweise bietet mit „solidvest" eine digitale Lö¬sung an, die auch in einzelne Aktien und Anleihen investiert.


Roboter-Trader auf dem Vormarsch

Author D. Selzer-McKenzie




2017 ist das Jahr der Roboter, zumindest in der Online-Anlageberatung. Denn kein zweites Jahr bringt hierzulande eine dermaßen große Veränderung in der Branche der Robo-Advisor wie dieses Jahr: Anfang des Jahres waren sie noch kleine Start-up-Unternehmen, deren Existenz nur von wenigen Privatanlegern mit hoher Affinität zu Online-Diensten einerseits und zur Wertpapieranlage andererseits überhaupt wahr-und angenommen wurden. Doch binnen dieses Jahres hat sich das Volumen an Kundengeldern nicht nur auf rund eine Milliarde Euro ungefähr verdoppelt. Es haben sich auch neue große Anbieter der automatisierten Anlageberatung in Stellung gebracht, darunter die Comdirect Bank-Tochter „cominvest" und die Deka-Tochter „bevestor". Im Kampf um Marktanteile öffnen Kooperationen mit etablierten Finanzdienstleistern den Zugang zur breiten Kundenbasis.

tliche der frühen Start-ups hat¬ten sich als Herausforderer der etablierten Finanzdienstleister verstanden. Den klassischen Filial¬banken und Finanzvertrieben sollten Marktanteile abgenommen werden. Inzwischen ist das Gros der Robo-Ad-visor vom Konfrontations- auf einen Kooperationskurs umgeschwenkt. Vom Angriff auf die traditionellen Finanz¬häuser ist immer weniger die Rede. Das hängt auch mit dem Angebot der Robo-Advisor zusammen: Als Spezia¬listen bieten sie Online-Finanzdienste nur zu einer vergleichsweise eng ge¬fassten Aufgabenstellung, eben der Ka-pitalanlage in Wertpapieren. Mit dieser Fokussierung können komplette Bank-verbindungen nicht ersetzt werden.



Dazu müssten die Plattformen ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen und in personalisierte Kundenberatung investieren, urteilt auch Carmela Me-lone, Senior-Analystin bei MyPrivate-Banking Research. In der Studie „Glo-bal Robo-Advisor Benchmarketing 2017" hat die Schweizer Marktfor-schungsfirma jüngst Robo-Advisor in elf Staaten untersucht und ihre Stär¬ken und Schwächen analysiert. Selbst die führenden Anbieter seien nicht in der Lage, das volle Potenzial automa-tisierter Anlageberatung auszuschöp-fen. Der klassische Rob o-Advis or kon¬zentriere sich ausschließlich auf das Portfoliomanagement. Bei den vor-und nachgelagerten Prozessen der Kundenbeziehung bestehe noch viel



Aufholbedarf, so Melone. Persona-lisierte Informationsangebote seien ebenso selten wie weiterreichende Finanzplanungstools.

ZWEI PROBLEMFELDER

Vor allem zwei Problemfelder lassen die einstigen Herausforderer zuneh-mend die Zusammenarbeit suchen: Zum einen bestehen ernst zu nehmen-de regulatorische Pflichten. Im August wies die Finanzaufsichtsbehörde BaFin ausdrücklich darauf hin, dass der Ser¬vice der Robos aus rechtlicher Sicht in der Regel den Tatbestand der Anla-geberatung erfülle, für die zumindest eine Erlaubnis nach dem Gewerberecht benötigt werde. In vielen Fällen bieten die Online-Dienste gar eine Finanz-

portfolioverwaltung an, die eine Er-laubnis nach dem Kreditwesengesetz erfordert. Liegt keine Erlaubnis vor oder werden die damit verbundenen Folgepflichten des Wertpapierhandels-gesetzes (WpHG) beziehungsweise der Gewerbeordnung (GewO) nicht erfüllt, müsse der Anbieter mit erheblichen Problemen rechnen.

Aber auch wer die rechtlichen An-forderungen meistert, wird nicht automatisch von potenziellen Kun¬den gefunden. So ist es nicht zuletzt auch der rasche Zugang zu einem attraktiven Kundenstamm, der für die Kooperation mit traditionellen Finanzhäusern spricht. Die Robo-Advisor bieten dabei ihre innovativen



Online-Dienste der vorhandenen Kun¬denbasis an. Beispiele für Zusammen¬arbeit gibt es viele: Elinvar mit M.M. Warburg oder Scalable Capital mit ING-Diba oder Whitebox mit der VW Bank. BlackRock, weltgrößter Fonds¬anbieter, ist zusammen mit zwei deut¬schen Risikokapitalgebern bei Scalable Capital aus München mit 30 Millionen Euro eingestiegen. Volks- und Raiff-eisenbanken nutzen unter dem Namen „Meinlnvest" eine White Label-Lösung des Robo-Advisors VisualVest. Und der Robo-Advisor investify hat mit der Hamburger Sparkasse (Haspa) ei¬nen neuen Gesellschafter gewonnen. Ganze Übernahmen wie von easyfolio durch die Privatbank Hauck & Aufhäu-ser sind vergleichsweise selten.

Die großen Finanzkonzerne haben eher die Kraft, eigene Online-Dienste zu entwickeln und am Markt zu po-sitionieren. Das zeigt vor allem der diesjährige Markteintritt von „com-invest" aus dem Commerzbank-Kon-zern. „Es ist nicht zu spät, in den Markt einzutreten", sagt Melone. Qualitativ seien kaum Unterschiede zwischen den hauseigenen Angebo¬ten der Banken und jenen der Start-ups zu erkennen. Statt eines Ver-drängungswettbewerbs dürfte der Branchenwandel in den kommenden Jahren eher von der Kooperation und Koexistenz von Off- und Online-Anbietern geprägt sein. Die wahre Konkurrenz der etablierten Finanz-dienstleister drohe nicht durch die heimischen Robo-Advisor, sondern falls die global agierenden Daten-Plattformen wie Amazon, Google oder Alibaba in den Markt standar-disierter Finanzdienstleistungen ein-dringen würden. „Da unsere Kunden-daten bereits zum Großteil über dem Atlantik gespeichert sind, bedroht dies die bisher überlegene Kunden-beziehung der Bank zum Anleger", prophezeite unlängst ein Beobachter der Branche. Umso weniger können es sich die etablierten Finanzhäuser leisten, an der „Online-Front" nicht gut aufgestellt zu sein.



DIGITALE DIENSTE MIT ANALOGEN GESPRÄCHSPARTNERN

Eine Beschränkung ausschließlich auf Online-Kanäle gilt allerdings zuneh-mend als problematisch bei der Erobe-rung großer Marktanteile. „Die Kun-den wollen nicht nur unkompliziert investieren, sondern auch Betreuung, wenn Probleme entstehen. Das Fehlen der menschlichen Interaktion müssen reine Robo-Advisor durch die Ent-wicklung innovativer Tools ersetzen", sagt Melone. Wer diese Kundenbin-dung nicht schaffe, sei austauschbar. Die Masse der Kleinanleger beschäf¬tige sich selbst nicht hinreichend mit den Themen Börse und Wertpapiere. Sie benötigten Expertenrat, der sich nicht allein mit Online-Fragebögen abdecken lässt. Chats, Blogs, Videos und Social Media-Kanäle für persona-lisierte Services können das nur teil-weise auffangen.

Die Studie misst ihnen aber große Be-deutung als Ergänzung zum eigentli-chen Robo-Advisor zu. Letztendlich wünscht sich ein Großteil der Kunden zumindest die Möglichkeit zum per-sönlichen Gespräch. Beim Berliner Robo-Advisor Liqid nimmt die Hälfte der Kunden das Gesprächsangebot mit dem Finanzteam wahr. Damit verschwimmen die Grenzen zwischen etablierten Finanzdienstleistern und den Robo-Advisorn etwas, die ur-sprünglich genau im Verzicht auf den Einsatz menschlicher Berater ihre Stär-ke sahen. „Wenn man den Anspruch hat, Kunden nicht nur rein digital, sondern optional auch persönlich zu beraten, dann rechnet sich das Ge-schäft nur ab gewissen Größen. Bei 50 Basispunkten für ein 5000 Euro-In-vestment liegt der Bruttoertrag bei 25 Euro", rechnet Christian Schneider-Sickert, Gründer und Geschäftsführer des digitalen Vermögensverwalters Liqid, vor. Diese Marge sei für eine zu-sätzliche Beratung zu gering. Konse-quenterweise hat der Mitte 2015 ge-gründete Online-Vermögensverwalter seine Einstiegshürde auf 100.000 Euro festgelegt.

WACHSTUM VORPROGRAMMIERT

Robo-Advice kann vielen Sparern erst-mals die Möglichkeit eröffnen, am Kapi¬talmarkt zu investieren. Entsprechend groß ist das Wachstumspotenzial. Die Branchenvertreter selbst sehen den neu entstehenden Markt erst ganz am Anfang. Bereits im Jahr 2020 werde der Online-Vertrieb für Spar- und An-lageprodukte laut der Beratungsfirma McKinsey von heute 20 auf 35 Prozent steigen.

Das internationale Finanzconsultant-Unternehmen Oliver Wyman traut insbesondere Deutschland eine hohe Dynamik zu — nicht zuletzt, weil die Ausgangsbasis beim angelegten Vo-lumen im Vergleich zu den USA noch gering ist. Die Experten schätzen, dass hierzulande bislang rund 800 Millionen Euro von den Anbietern eingesammelt wurden. Bereits Ende des Jahres dürf¬te die Marke von einer Milliarde Euro durchbrochen sein. Und bis zum Jahr 2021 soll das hierzulande verwaltete Vermögen 42 Milliarden Dollar, also gut 35 Milliarden Euro, erreichen. Das entspreche einem Wachstum von 165 Prozent jährlich, was mehr als doppelt so hoch sei wie die Prognose für die in-ternationale Wachstumsrate.

Der Anstieg beruhe vor allem auf den zunehmenden Angeboten etablierter Finanzdienstleister, die mit eigenen Robos auf den Markt kommen. Oliver Wyman zählt rund 30 Anbieter am deutschen Markt. Deren Zahl wird al-lerdings eher in dieser Größenordnung bleiben als mit den verwalteten Kun-dengeldern mitwachsen. „Die Branche ist kein Nullsummenspiel, genauso wie im Offline-Markt werden auch im Online-Markt nicht alle überleben", prophezeit auch Schneider-Sickert von Liqid. Die Akzeptanz beim Kun¬den wächst rasch, insbesondere wenn die Kunden eine höhere Affinität zu Online-Medien oder dem Thema Wert-papieranlage haben. Bei anderen Ziel-gruppen tut man sich schwerer. Teil der Herausforderung sei es, sagt Schnei¬der-Sickert, nicht nur spannende neue Dienste anzubieten.



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AUCH AKTIV GEMANAGTE FONDS UND EINZELWERTE

Tatsächlich beschränkt bislang die Mehrheit der Online-Vermögensver-walter die Wertpapierauswahl von vorneherein auf passive Indexfonds. Kunden können allenfalls zwischen fixen oder variablen ETF-Portfolios wählen und werden nach Anlagehori-zont und Risikoprofil verschiedenen Portfolio-Lösungen zugeordnet, die dann regelbasiert, aber nicht mehr individuell zusammengestellt werden. Der geringe Managementbedarf und



die geringen Kosten der eingesetzten Anlageinstrumente sollen den Kos-tenvorteil gewährleisten, der bei der Gewinnung von Kunden ein zentrales Argument darstellt. Dem nicht ganz zu Unrecht drohenden Gefühl der An-leger, „in eine Schublade gesteckt" zu werden und Chancen mit aktiv gema-nagten Fonds oder gar ausgewählten Einzelaktien zu verpassen, begegnen einige Plattformen mit einem erwei-terten Angebot: Robo-Advisor wie In-vestify, Liqid oder Visualvest bieten Anlegern aktiv gemanagte Fonds und alternative Finanzprodukte an.

Ein rein passives ETF-Angebot werde langfristig nicht zum Erfolg führen, deshalb wolle man sich weiterentwi-ckeln, erklärte beispielsweise Schnei¬der-Sickert von Liqid. Dazu will sich das Berliner Unternehmen mit einer Mobile App zur laufenden Berichter¬stattung und Information der Anleger positionieren. Und im Private Equity-Geschäft kooperiert Liqid mit der Ver-mögensverwaltung HQ Trust. Aber auch an Einzeltitel trauen sich „Robos" schon heran: Der Vermögensverwal¬ter DJE Kapital AG beispielsweise bietet mit „solidvest" eine digitale Lö¬sung an, die auch in einzelne Aktien und Anleihen investiert.



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