Commerzbank Börse Aktien Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
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http://www.youtube.com/watch?v=ovq8GnrVyLI
In schlechten Zeiten muss ein Rück- .1 schlag schon mal als Erfolg herhalten. Vor wenigen Tagen stieg Commerzbank-Chef Martin Blessing auf ein Podium im großen Sitzungssaal der Frankfurter Zent¬rale. Blass, nach Monaten permanenten Krisensitzungen, musste er ein katas¬trophales Minus von 4,5 Milliarden Euro für das Jahr 2009 verkünden. Keine Divi¬dende für Aktionäre. Die Bank lebt nur dank Staatshilfen.
In all dem Jammer hat der Top-Manager ein „ positives " Segment ausgemacht: die Privatkunden. Mit ihnen sei das Geldhaus „ erfolgreich" gewesen, sagt Blessing. 170 Millionen hat die Bank an ihnen verdient - im Vergleich zum Vorjahr jedoch ein Rückgang von satten 79 Prozent. Dennoch erkennt der Chef dort für die nächsten Jahre Wachstumspotenzial. „Kundennähe ist für mich nicht nur ein Lippenbekennt¬nis", proklamiert Blessing. Das soll ein¬ladend und verlässlich klingen.
So wirbt die Bank unter dem sonnen-gelben Logo mit ihrer Beratung für alle Lebenslagen: „Voll im Leben, nah am Kunden." Tatsächlich wirkt das für viele der elf Millionen Kunden der Bank weni-ger vertrauenerweckend als bedrohlich. Die Berater des Großinstituts - fusioniert aus Commerzbank und Dresdner Bank - bekommen wegen der schlechten Zahlen Druck: Sie müssen verkaufen, was das Zeug hält. Die Kunden werden ihren Be¬rater nun häufig am Telefon haben und sich fragwürdiger Produktangebote er¬wehren müssen. Schon in der Vergangen¬heit rieten die Banker zu kruden Anlagen: Angeblich gesicherte Filmfonds waren 2003 und 2004 der Renner - viele gerieten in Schieflage. Dann waren es als zu sicher angepriesene Zertifikate und kürzlich vermeintlich lukrative „Schatzbriefe", die nichts mit den Bundesschatzbriefen des deutschen Staates zu tun hatten, sondern eine Anleihe der kränkelnden Commerz¬bank waren
In Sachen „Kundennähe" will die Bank nun nichts mehr dem Zufall überlassen. Optimiert und kontrolliert soll die gelbe Vertriebsmacht die Kunden erreichen. Je¬den Freitag müssen die Berater in ganz Deutschland ihrem Filialleiter 15 Kunden präsentieren, mit denen sie für die Folge¬woche einen Termin vereinbart haben. Plus die Produkte, die sie dabei verkau¬fen wollen. In Einzelgesprächen - so die Vorgabe aus der Zentrale in Frankfurt. Was bei den Kundenberatungen heraus¬kommt, wird kontrolliert
Für montags terminiert das neue elekt-ronische Vertriebssystem eine Teamsit-zung der gesamten Filiale. Die Berater müssen besprechen, wie viel sie in der Vorwoche verkauft haben und was sie in den nächsten Arbeitstagen erreichen sollen. Auch dort regiert der ständige Er¬folgsdruck. Alle Kollegen begutachten, was jeder einzelne geleistet hat und wie die Filiale in Konkurrenz zu den anderen Geschäftsstellen abgeschnitten hat.
Wer nicht mithält, wird vor versammelter Mannschaft entlarvt
Gerade diese Vorgaben sollen die Kun-denfreundlichkeit heben, verteidigt sich die Commerzbank: „Die regelmäßigen und zeitintensiven Gespräche zwischen Führungskraft und Berater sind Teil unse¬rer Maßnahmen, eine einheitliche, hohe Beratungsqualität sicherzustellen." Das diene einer „stärkeren Ausrichtung der Beratung auf die Kundenbedürfnisse".
In den Banken kommt das so offenbar nicht an: Ambitionierte Filialleiter belas-sen es nicht bei den Terminen. In einer Münchner Niederlassung müssen sich die Mitarbeiter zu einem täglichen „Briefing" bei ihrem Chef versammeln. Ein anderer Vorgesetzter fragt zweimal pro Woche in Einzelsitzungen die „ Ertragsziele" ab. In mehreren Geschäftsstellen müssen sich die Berater morgens unter der Aufsicht
ihres Chefs anfeuern. Von der Commerz-bank heißt es dazu: „Weitere individu¬elle Controllings über die vorgegebenen hinaus sind nicht erwünscht.' Sie finden aber statt.
Das alles geht von der Zeit ab, die ein Banker braucht, um solide beraten zu können. Das Auf und Ab von Kursen einzelner Wertpapiere beobachten, ist weitgehend gestrichen. Die Depots von Kunden vor Ausfällen zu schützen, dafür gibt es kaum Kapazität. Der Berater wird gemessen an verkauften Produkten, alles andere gerät zur Nebensächlichkeit. Ein Commerzbanker klagt: „Die Beratungs¬qualität wird weiter zu Gunsten eines kurzfristigen (auf Wochenbasis) ausge¬richteten Ertragsdenkens abnehmen."
Ein anderer Mitarbeiter der Bank ver-rät: „Bei dem Druck geht man den Weg des geringsten Widerstands." Man rufe vor allem die „ LEOs " an - die „leicht zu erreichenden Opfer". Gemeint sind Seni¬ oren, die sich ein Vermögen zusammen-gespart haben und in Geldanlagen noch
ihrem Bankberater vertrauen.
Mit Sorge beobachtet die Gewerk¬schaft Ver.di die Situation. Mark Roach, Ver.di-Experte für Banken, sagt: „Stän¬dig bei der Arbeit überwacht zu werden, ist schlimmer als hohe Verkaufsvorga¬ben. " Das Ganze sei aber nicht zuerst ein Vorstandsproblem, sondern vielmehr der zweiten und dritten Führungsebene. Mit Verkaufserfolgen will dort mancher Karriere machen - ganz gleich auf wessen Kosten. Für die Bank eine schwierige Ge¬mengelage. Sie wurde gerade mit Steuer¬geldern gerettet, da kann sie sich unlau¬teres Gebaren an sich nicht leisten.
Für die Kunden lässt die Vertriebs-struktur wenig Gutes erwarten. Schon in den vergangenen Jahren fiel das Institut durch unglückliche Beratung auf. In ei¬nem Jahrhundertwende-Haus im edlen Münchner Stadtteil Lehel sitzt die Kanzlei
Mattil, Fohrer & Kollegen. Die auf An-lagerecht spezialisierten Anwälte haben einen guten Überblick, bei welcher Bank die Beratung schiefläuft. Partner Peter Mattil sagt: „Ganz eindeutig kommen die meisten Beschwerden bei uns von Kun-den der Commerzbank."
600 Kilometer weiter nördlich, in einem modernen Bürohaus mit Glasfassade, lässt sich das Gleiche beobachten. Nur we¬nige Schritte von Berlins Einkaufsmeile Ku'damm arbeiten die Juristen der Sozie-tät Kälberer & Tittel. Auch sie vertreten hauptsächlich Bankkunden. Kanzlei-Mit-begründer Andre Tittel sagt: „Unser Geg-ner in den meisten Streitfällen? Unein-holbar die Commerzbank." Mittlerweile stapelten sich bei deutschen Gerichten Tausende Klagen gegen die Bank.
Dabei ist die Bank noch nicht einmal das Institut mit den meisten Kunden (s. S. 146). Zwar streiten sich Anleger auch mit der Deutschen Bank, der dazu ge-hörigen Postbank oder der HypoVereins-bank. Ebenso mit den Sparkassen. Aber die Commerzbank ist Anwalts Liebling.
Über die Bank klagen nicht nur Top-Ver-diener. Alleinerziehende Mütter, Hand-werker, Ärzte, bis hin zu Bankmanagern - viele haben Verluste erlitten. Aber am häufigsten sind es Rentner, die „ LEOs ", in deren Depots riskante Anlagen liegen
Verkauft wird, was der Berater unter die Leute bringen muss - auch wenn das nicht immer zum Kunden passt. Am liebs¬ten sogenannte geschlossene Fonds. Das Geld fließt in Gesellschaften, die Güter wie Schiffe, Filme oder Immobilien finan¬zieren. Die Investments laufen bis zu 15 Jahre - aussteigen lässt sich zuvor kaum. Die Bank erhält bis zu acht Prozent - ohne dass der Kunde das ahnt. Vor ihm wur¬den die exakten Kosten gern verschleiert, stellte der Bundesgerichtshof fest.
Tausende Commerzbank-Kunden sitzen nun auf Anteilen der Medienfonds von Anbieter VIP. Mit Sicherheit und Steuer¬vorteilen wurde gelockt. Tatsächlich droh¬ten hohe Verluste, weil das Konzept alles andere als sicher sei, wie gerade das Ober¬landesgericht München urteilte. Nach jahrelanger Blockadehaltung der Bank hat sie ihren Kunden Ende vergangenen Jahres ein Vergleichsangebot für den
Fonds VIP4 unterbreitet - nachdem im-mer mehr Anleger vor Gericht gewannen. Die Betroffenen sollen mindestens 95 Pro¬zent ihre Einzahlung zurückbekommen. Auf Forderungen des Finanzamts und der fünfprozentigen Verkaufsgebühr bleiben viele Anleger aber sitzen.
Ein solches Angebot gibt es für andere Problem-Anlagen nicht: Filmfonds der Commerzbank-Tochter CFB foppten. Auch die hauptsächlich von der Bank vertriebenen Academy-Fonds haben nun Schwierigkeiten. Die Kanzlei Kälberer & Tittel bereitet über hundert Klagen vor.
Immer wieder ist es die angebliche Sicherheit, die die Berater als Verkaufs-argument bemühen. Gepaart mit gleich-zeitig attraktiven Renditen - und immer wieder glauben ihnen Kunden allzu gern. So verkauft die Bank heute wieder Zertifi¬kate - die Anlage, die nach der Lehman
24,7.0
gesamt
Pleite vor eineinhalb Jahren wegen ihrer Undurchsichtigkeit in Verruf geraten ist.
Oder hochkomplexe „Nachrangige An-leihen" wie die „Capital Funding Trust III": Ein Wertpapier ohne sichere Zinsen, aus dem man bei schlechter Entwick¬lung nur mit großen Verlusten wieder rauskommt. Ein Produkt für Anleger mit „einer gewissen Risikoaffinität", erklärt die Bank gegenüber FOCUS - einer ihrer Mitarbeiter hat sie jedoch vor wenigen Monaten einem Kunden empfohlen, der zuvor fast sein ganzes Geld in Sparkonten und Festgelder gesteckt hatte.
Harter Kurs gegenüber Kunden: Wer was will muss klagen
Dabei hat die Commerzbank ihre Alt-lasten noch nicht mal abgetragen. Anle-ger mit heute wertlosen Lehman-Zertifi
katen wollen ihr Geld zurück. Vor allem die mittlerweile mit der Commerzbank verschmolzene Dresdner Bank hatte An-fang 2007 die Papiere en gros verkauft. Auch hier fährt die Bank - bis auf seltene Einzelfälle - ihre harte Haltung: Wer Geld zurück will, soll's vor Gericht versuchen.
Die Juristen in den Bankentürmen wis¬sen: Nur die wenigsten Kunden klagen, die meisten besitzen keine Rechtsschutz¬versicherung, die den Prozess finanzie¬ren würde. Anwalt Mattil sagt: „Außerge¬richtlich ist die Bank kaum zu bewegen." Die Commerzbank gibt sich dagegen geschäftig: „Wir prüfen jede Kundenbe¬schwerde einzeln. Das ist aufwendig, aber auch aus Kundensicht das Richtige."
Wer vor Gericht zieht, muss meist durch alle Instanzen klagen. Dabei fährt die Bank immer wieder eine effektive Stra¬tegie: mal sehen, wie lange die Anleger durchhalten. Zeichnet sich vor dem Bun¬desgerichtshof oder auch bei Oberlan¬desgerichten eine solide Erfolgschance des Kunden ab - legt die Bank einen Ver¬gleich auf den Tisch. Häufig erhält der Kunde plötzlich alle Forderungen bezahlt. Bedingung: Kein höchstrichterliches Ur¬teil mit Breitenwirkung und der Kunde darf nicht über den Vergleich sprechen.
Mit diesen Details haben die Berater in den Filialen wenig zu tun. Dort geht es ums Verkaufen. Um die Nähe zum Kunden. Der Absatzschlager zurzeit: die Vermögensver¬waltung „Premium Management". „Eine Geldanlage, so individuell wie Sie" ver¬spricht die Werbebroschüre. Tatsächlich er¬hält der Kunde keine Einzelbehandlung. Er kann nur wählen, in welchem Risiko¬rahmen die Geldprofis sich bewegen dür¬fen. Fünf Klassen stehen zur Wahl - aber selbst bei der konservativsten können 15 Prozent Aktien im Portfolio liegen. Ein Verlustrisiko ist immer dabei.
Die Bank erhält bei Verkauf des Pro-dukts bis zu fünf Prozent und jedes Jahr bis zu 2,16 Prozent der Kundengeldes. Die Anleger zahlen zusätzlich Transaktions-kosten und Gebühren für die Investments der Vermögensverwaltung. Diese Kos¬ten müssen die Finanzprofis erst einmal wieder reinholen. Erst ab steten Fonds¬einnahmen von etwa vier oder fünf Prozent können viele Anleger mit einer Miniren¬dite von 1,5 bis drei Prozent rechnen. Aber das verrät der Berater natürlich nicht.
Samstag, 20. März 2010
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