Mittwoch, 2. September 2009

Infineon Aktie

Infineon
Der Börsenanalyst Selzer-McKenzie empfiehlt die Infineon Aktie zum Kauf, da hier nach Ansicht von Selzer-McKenzie ein erhebliches Kurspontential vorhanden ist, zumal die Infineon Aktie wieder in den Dax aufsteigen dürfte.
Noch vor kurzem galt der Chiphersteller als Pleitekandidat. Der Börsenkurs stürzte ab, die Aktie flog aus dem Dax. Nun feiern die Münchner ein wundersames Comeback - dank eines gnadenlosen Sparkurses. Doch der Kulturwandel beginnt gerade erst

In Marco Schröters Vorstandsbüro stehen zwei Sektflaschen, die ihm ein Mitarbeiter gebracht hat. Der hat eine Wette verloren, die derInfineon-Finanzchef seinem Team im März gegen dessen Katzenjammer anbot. "Ihr werdet sehen", sagte Schröter damals, als er mit seinen Leuten auf seiner vielen Geldsammeltouren unterwegs war. "Im September sind wir wieder im Dax."
Schröter hat recht behalten. Am Donnerstag wird die Deutsche Börsedie Aktie des Münchner Chipherstellers wieder in den deutschen Leitindex aufnehmen. Nur sechs Monate nachdem sie das Infineon-Papier wegen des rapiden Kursverfalls bis auf 34 Cent aus dem DAXgeworfen hat. Am Mittwoch war die Aktie zehnmal so viel wert.
Es ist das erstaunlichste Comeback in der Geschichte des Börsenbarometers. Selbst Infineon-Vorstandschef Bauersagt: "Dass die Rückkehr in den Leitindex so schnell gelingen würde, wenn es denn passiert, hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht.
Zu tief war das Tal der Tränen bei Infineon. Zu alltäglich waren die immer neuen Fehlschläge: Missmanagement, ständige Fehlprognosen, unendliche Machtkämpfe, Korruptionsvorwürfe und Führungswechsel, Führungswechsel, Führungswechsel. Trauriger Tiefpunkt war im Januar der Insolvenzantrag von Qimonda. Mittlerweile ist die Speicherchiptochter zerschlagen, nur wenige Teile haben Käufer gefunden; mehr als 10.000 Arbeitsplätze sind verloren.
Noch vor einem halben Jahr galt auch die Mutter Infineon als Pleitekandidat. "Wann müssen Sie Insolvenz anmelden?", fragte auf der Hauptversammlung im Februar ein Kleinaktionär Vorstandschef Bauer. "Ein Insolvenzverwalter wäre vielleicht in der Lage, die Probleme zu lösen, die Vorstand und Aufsichtsrat nicht lösen können." Bauer hatte wenig Gegenargumente, nur ein paar vage Versprechen. "Wir können kämpfen", sagte er, und: "Wir tun alles, damit Infineon diese Krise überlebt."
Er hat Wort gehalten. "Infineon hat von allen Chipherstellern auf die Krise am schnellsten reagiert", lobt ein Fondsmanager, der die Branche weltweit durchanalysiert hat. Und so steuert das Unternehmen nun wieder durch ruhigeres Fahrwasser, nur 15 Monate nach Bauers
Als der gelernte Elektroingenieur im Juni 2008 Infineon-Chef wird, trauen ihm nur wenige zu, die Trendwende zu schaffen. Bauer ist ein Notnagel, auswärtige Topmanager haben keine Lust, zur maroden Chipfirma und ihrem dominanten Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley zu wechseln. Zum "Vorstandssprecher" muss sich Bauer von Kley degradieren lassen, alle seine Vorgänger waren Vorstandsvorsitzende. Doch der hagere, oft ein wenig hölzern wirkende Bayer lässt sich nicht beirren. Er kämpft und strampelt sich frei.
Der Durchbruch ist Infineons Kapitalerhöhung. Rund 700 Mio. Euro frisches Eigenkapital fließt Anfang August auf die Firmenkonten, schon zuvor hat der Konzern 180 Mio. Euro durch eine Wandelanleihe eingesackt. Es ist ein Sensationserfolg - und doch hart erarbeitet.
Über Monate hinweg verhandeln Bauer und sein Finanzchef Schröter mit Banken, antichambrieren bei Investoren. Immer wieder reisen sie zu dieser Zeit nach Berlin, um die Chancen auf Staatshilfen auszuloten. Parallel ziehen sie bei Infineon das schärfste Kostensparprogramm seit der Abspaltung von Siemens im Jahr 1999 durch. "Wir haben 600 Mio. Euro rausgeschnitten und waren vorbereitet, notfalls noch mehr zu machen", sagt Schröter, der 2008 vom Spediteur Schenker zu Infineon stieß.
Bei ihrer Suche nach frischem Geld brechen Bauer und Schröter ein Tabu nach dem anderen. Wieso nur klassische institutionelle Investoren anhauen? Die Vorstände klappern Private-Equity-Firmen und Hedge-Fonds ab, auch in den USA. Und bringen überraschend den aggressiven US-Fonds Apollo Global Management dazu, die gesamte Kapitalerhöhung zu garantieren.
Dieser massive Vertrauensbeweis eines Profi-Investors überzeugt letztlich Infineons Alteigner: Sie zeichnen die jungen Aktien fast vollständig selbst, Apollo bleibt außen vor. Dabei war der US-Fonds nicht der einzige Bewerber; auch Wettbewerber Oaktree hätte Infineon nach FTD-Informationen Hunderte von Millionen anvertraut.
Ebenso hart geht das Duo an die Personalkosten. Mit ihrem Sparprogramm IFX 10+ streichen sie binnen einem Dreivierteljahr mehr als 3000 Stellen - jeden zehnten Arbeitsplatz. Sie treten aus dem Arbeitgeberverband aus, um eine Tariferhöhung zu umgehen. Sie streichen den Mitarbeitern Errungenschaften wie Jubiläumsgelder, den Führungskräften garantierte Boni. Und sie verkaufen die kleine, aber profitable Wireline-Sparte, die Chips für die drahtgebundene Kommunikation herstellt, an einen US-Finanzinvestor - zum Entsetzen der 900 Wireline-Mitarbeiter.
"Wir sind nicht zum Kuscheln hier", ruft Bauer den anderen Infineon-Beschäftigten danach auf einer Mitarbeiterversammlung zu. "Glauben Sie nicht, weil Sie bei Infineon bleiben, ist alles cosy."
Selbst dem früheren Topmanagement geht es an den Geldbeutel: Aufsichtsratschef Kley kürzt Bauers Vorgänger Wolfgang Ziebart nachträglich das Gehalt aus dessen im August ausgelaufenen Vorstandsvertrag. Begründung: Die wirtschaftliche Lage von Infineon habe sich unter dessen Ägide verschlechtert. Kritiker sehen darin nicht gerade einen Ausweis guter Unternehmensführung. In der Branche heißt es, der Affront sei auch Folge eines Streits zwischen Ziebart und Chefaufseher Kley.
Auch die aktuelle Führungsriege hilft sparen. Bauer selbst will dieses Geschäftsjahr auf 20 Prozent seines Gehalts verzichten, seine Vorstandskollegen auf zehn Prozent.
So viel Konsequenz entlockt selbst Gewerkschaftern anerkennende Kommentare. "Die Kapitalerhöhung war gut gemacht. Man hat sich mit dem Teufel eingelassen und gesiegt", sagt Infineon-Aufsichtsrat Wigand Cramer von der IG Metall. "Das zeigt auch, dass im Gegensatz zu früher mehr Unternehmertum herrscht und nicht mehr so viel Siemens drin ist."
Noch steckt die alte, behäbige Siemens-Kultur bei Infineon selbst nach zehn Jahren Eigenständigkeit in allen Ecken: Bürokratie, Konsens, Kuschelei. Ihre privaten Krankenzusatzversicherungen können Mitarbeiter zum Siemens-Gruppentarif abschließen. Auf den Kreditkarten der Führungskräfte prangt noch heute das grüne Siemens-Logo und bringt den Managern Sondertarife im Hotel. "Und wenn frühere Siemens-Vorstände etwas sagen, schlagen die Infineon-Leute immer noch die Hacken zusammen", so ein Insider. Und ein Fondsmanager sagt: "Infineon ist ein Friede-Freude-Eierkuchen-ehemaliges-Siemens-Unternehmen. Da tut man sich so wenig wie möglich weh."
Doch die Kultur wandelt sich. "Das Management ist härter geworden, aber auch professioneller", sagt Gewerkschafter Cramer. "Bisher war es so, dass Infineon das Geld der Aktionäre ausgegeben hat, um eine schöne Firma zu bauen - aber nicht, um Geld zu verdienen." Seit dem Börsendebüt vor neun Jahren hat Infineon das nämlich nur zweimal geschafft: 2000 und 2004.
Die größte Gefahr sehen die Manager nun darin, dass der alte Schlendrian wieder einreißt. Die gut gefüllten Kassen wecken bereits Begehrlichkeiten. Schon bald will die IG Metall mit dem Vorstand über die Rückkehr in den Arbeitgeberverband verhandeln. Finanzchef Schröter warnt bereits vor zu viel Entspannung im Konzern.
Er und Bauer wollen den neuen Kurs unter allen Umständen weiterfahren. Das nächste Sparprogramm ist nur eine Frage der Zeit. "Unser Ziel ist, nochmals nachzuschärfen - damit wir bald nachhaltig profitabel werden", sagt Schröter.
Das Duo hat ein ehrgeiziges Ziel: Es will endlich die lang versprochene Gewinnmarge von zehn Prozent vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) schaffen - trotz der andauernden Nachfrageschwäche bei Auto- und Industriekunden. Internen Planungen zufolge will der Konzern das bereits im Sommer 2010 erreichen, im vierten Quartal des nächsten Geschäftsjahrs. Noch im Herbst möchte der Vorstand erstmals Margenziele für die einzelnen Sparten definieren.
Technologisch liegt der zehntgrößte Chiphersteller der Welt in einer guten Startposition für die erwartete Erholung am Weltmarkt. Selbst das ewige Sorgenkind, die Mobilfunkchipsparte, holt inzwischen Aufträge von allen großen Herstellern herein. Infineon beliefert auch das iPhone vonApple, das erfolgreichste Handy des Jahres.
Damit scheint auch die 2008 verhandelte Fusion mit einem Wettbewerber wie Freescale oder NXP mittelfristig wieder möglich. Im Vergleich zu diesen hoch verschuldeten Rivalen sind die Münchner jetzt in der besseren Position. Eine Erfolgsgeschichte ist Infineon noch lange nicht. Aber vielleicht fängt die Story jetzt endlich an.

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