Reise nach Schloss Trauttmansdorff Selzer-Mckenzie SelMcKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=77IwhTAtAHU
Über dem Park kann man buchstäblich schwe¬ben. Auf einer Anhöhe mitten im Wald ragt eine Stahltreppe hinaus ins Nichts. Die tonnenschwere, aber optisch so leicht wie eine Vogelfeder wirkende Treppe bietet einen der schönsten Panoramablicke Südtirols: Berge, Schloss und ein Blumenmeer. Ein luftiges Plätzchen, an dem man eine Staffelei aus¬packen könnte. Die im Frühling noch schneebe¬deckten Gipfel der Texelgruppe, das sonnengelbe Schloss Trauttmansdorff, ein wogendes Meer aus 'WIperl, Zypressen und einem alten Olivenbaum so¬wie dazwischen kleine Wasserbecken, deren Ober¬flächen glänzen wie Perlen an einer Kette.
Ausgezeichnet, schön
Der luftige Ausblickspunkt, entworfen von Star-. architekt Matteo Thun, ist einer der Höhepunkte in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Von hier oben kann man nach einem kurzen Aufstieg durch duftende Wälder den riesigen Park am besten über-blicken. Zwölf Hektar ist er groß und erinnert an ein von der Natur geschaffenes Amphitheater, begrenzt
von den Steilhängen des Passeiertals und auslau¬fend im flachen Talboden des Etschgrunds. Dabei handelt es sich sozusagen um eine natürliche Bühne für 83 verschiedene Gartenlandschaften, in denen über 700.000 verschiedene Pflanzen gedei¬hen. Das Areal zählt zu den schönsten Garten¬landschaften Europas und darf sich mit entspre¬chenden Auszeichnungen schmücken.
24 Millionen Euro hat sich das Land Südtirol vor -neun Jahren den Bau des Landschaftsparks kosten lassen. Jetzt im Frühling blühen mehr als 150.000 Tulpen und wiegen ihre Köpfchen im Wind: rot, gelb, weiß, rosa, orange und lila. Ihre bunten Farb-kaskaden steigen die steilen Hänge hinauf und branden wie Wellen gegen die Fußwege. Auch Ka¬melien und Rhododendren haben jetzt Saison, die japanische Zierkirsche in den Waldgärten ebenso. Im Mai öffnen Päonien und Rosen ihre Knospen, und wenn es das Wetter zulässt, spitzt auch schon der rote Mohn hervor.
25 Gärtner und Landschaftspfleger sind rund ums
Jahr damit beschäftigt, dass sich von Frühling bis
Spätherbst jede Blume, jeder Baum und jeder
Strauch entsprechend prächtig entfalten kann. Der botanische Park ist unterteilt in Wald-, Sonnen-, Wasser- und Terrassengärten. Einen besonderen Platz nimmt die Darstellung der Landschaften in Südtirol ein. Trauttmansdorff ähnelt einem begeh¬baren Lexikon in Sachen Vegetationskunde, Land¬wirtschaft, Gartenbaugeschichte und -gestaltung.
Kurstadt mit günstigem Klima
Wer weiß schon, dass es 385 unterschiedliche Rho¬dodendron-Züchtungen gibt? Der blühende Hang im Waldgartenbereich ist gerade jetzt im Frühling eine der großen Attraktionen. Einer der größten Rhododendren ist sechs Meter hoch und wurde per Sondertransport vom Lago Maggiore nach Meran gebracht. Es ist vor allem das günstige Klima der Kurstadt, das die Verwirklichung des Parks ermög¬lichte: Dadurch können zum Beispiel Lorbeerwälder aus China, Japan und Florida gedeihen, Küsten-mammutbäume wachsen und ein Sumpfzypressen¬wald aus dem Mississippigebiet sich wohlfühlen. Eine der ältesten und zugleich markantesten
Pflanzen im Garten von Trauttmansdorff ist ein 700 Jahre alter Olivenbaum. Er wächst unterhalb des Schlosses, und meistens steht eine Traube von Besuchern staunend davor. Der knorrige Geselle hat einen Stammumfang von drei Metern und wiegt 5,8 Tonnen. Aus diesem Grund musste ein eigener Transportwagen für den Weg nach Südtirol gebaut werden. Ursprünglich stammt der Baum aus Sar¬dinien. Sein Alter wurde mit einer sogenannten den¬drochronologischen Untersuchung festgestellt. Da¬bei wird mit einem Bohrer Kernmaterial aus dem Stamm entnommen, um die Jahresringe zu zählen. „Die Ringe können aufgrund ihrer unterschied¬lichen Breite einer bestimmten Wachstumsbedin¬gung zugewiesen werden", erklärt Park-Mitarbei¬terin Melanie Stainer.
Eine botanische Sensation
Aber dem ist noch nicht genug: Botanische Sensation ist die Wollemia nobilis, ein Nadelbaum aus der Urzeit. Bis vor rund 65 Millionen Jahren war er weltweit verbreitet. 1994 entdeckte ein austra¬lischer Wildhüter in einer Schlucht eine kleine An-sammlung der Bäume, die man längst für ausge¬storben hielt. Bis heute ist der Fundort geheim, un¬ter anderem, um die Bäume vor Krankheiten zu schützen. Ein internationales Forschungsteam untersucht nun Vermehrung und Aufzucht. Die Ver¬waltung von Trauttmansdorff bemühte sich 2005 um ein Exemplar — mit Erfolg. Der Baum ist das erste frei stehende Exemplar in den Alpen. Die Wollemia nobilis wird bis zu 40 Meter hoch und wächst rund 50 bis 80 Zentimeter im Jahr. „Das Besondere an diesem Baum sind nicht die Nadeln, sondern, dass sie einhäusig, also getrennt ge
Zwölf Hektar Gärten umgeben das Schloss und machen es zum Besuchermagneten.
schlechtlich sind. Es wachsen also männliche und weibliche Zapfen auf einem Baum." Außerdem be¬sitzt die Wollemia nobilis zwei verschiedene Blatt¬typen, die sich sehr von den europäischen Nadel¬bäumen unterscheiden: Die jungen Blätter sind hell zitronengrün, die älteren dunkel blaugrün.
Schloss Trauttmansdorff nimmt seine Besucher frei¬lich nicht nur im Frühling gefangen. Im Sommer, zum Beispiel im Sonnengarten, verströmt das blau leuchtende Lavendelmeer einen intensiven warmen Duft. Wer die Augen schließt und den Geruch tief einatmet, fühlt sich versetzt in den lichtdurchflute¬ten Süden der Cöte d'Azur. Auf der botanischen Weltreise ist es dann nicht weit zu den blühenden Rosen im Englischen Garten, die sich an kunstvoll geschmiedeten Spalieren nach oben ziehen und die Fußwege einrahmen. Exotisch• Kühle verströmt der Teich, in dem zwischen
Lotusblumen bunte
japanische Zierfische ihre Kreise ziehen. Die Atmosphäre in Schloss Trauttmansdorff wusste schon Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sisi) zu schätzen. Zweimal kurte die reisefreudige Mo¬narchin auf der Anhöhe über Meran. Der kaiserliche Arzt hatte wegen des schlechten Gesundheits¬zustands ihrer kleinen Tochter Marie Valerie zu einer Winterkur im Süden geraten. So entfloh Sisi „in strengstem Inkognito", wie es heißt, aber immerhin mit „einem schmalen Hofstaat von 102 Dienern", dem grauen und trüben Wien und er¬reichte am 16. Oktober 1870 das prunkvoll einge¬richtete Schloss bei Meran.
Sisi blieb acht Monate und lebte sehr zurückgezo¬gen. Um sich in den großen Flaumeichenwäldern rund um das Schloss zu erholen, ließ die Kaiserin „anmutige Pfade, mit feinem Kies bestreut" anle¬gen, um „fern und ungestört vom Geräusch der Welt" zu promenieren. 1889 kam sie wieder, musste allerdings nach sechs Wochen wieder abreisen: Durch ein heftiges Unwetter drohte ein Bach das Schloss zu überfluten.
Zwei Millionen Besucher
Durch Sisis Aufenthalte wurde Trauttmansdorff zu einer begehrten und stets ausgebuchten Unterkunft für Adelige und Betuchte. Fürstlich fühlt man sich in dem Park noch immer — auch wenn er zu Sisis Zeiten freilich ganz anders aussah. 1988 entstand die Idee, in dem Areal einen botanischen Garten zu errichten, im Juni 2001 wurde er eröffnet. Über zwei Millionen Besucher haben sich mittlerweile an der Pracht der Blüten berauscht.
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