Dienstag, 7. Mai 2013

Am Yukon Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Am Yukon Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie


 
 
 


 

Einst war die Region zwischen Skagway und Whitehorse im Norden Kanadas der Inbegriff

des Traums von Glück und Reichtum. Heute lockt das Gold vor allem Touristen an.

Aber auch Industrieunternehmen schürfen noch in größeren Tiefen nach dem Edelmetall.

 

4       Seit gestern hat sie ein paar Schöne in ihrem Safe: Da kam einer in ihren kleinen Laden, vom Yukon, vom Fluss, von irgendwo da draußen.

Goldsucher sind schweigsam. Und darüber, wo sie gerade herkommen, reden sie erst recht nicht. Der Mann jedenfalls hatte ziemliches Glück ge¬habt: Eine ganze Handvoll Nuggets hatte er ge¬funden. Und die schönsten und größten hat er ihr da gelassen, und jetzt sitzt Cheryl Rivest an ih¬rem Tisch und macht sich an die Arbeit.

Gold lockt, verführt, verändert

Es gibt nicht viele Dinge auf dieser Welt, die seit Menschengedenken so wenig von ihrem Mythos und ihrer Anziehungskraft verloren haben wie Gold. Seit Jahrhunderten und Jahrtausenden bringt das Metall die Augen all jener zum Leuch-ten, die es in den Händen halten. Gold lockt, es verführt, es verändert: Menschen, Nationen, Länder, das war schon immer so. Selbst für

 

Goldschmiedin Cheryl Rivest ist der Anblick von Gold noch immer etwas Besonderes: Wenn sie mit diesen kleinen, kaum daumennagelgroßen Nuggets arbeite, spüre sie etwas, sagt sie, ein Kribbeln, eine leichte Unruhe, ein Gefühl, etwas vor sich zu haben, das die Erde nur ganz schwer herausrücke. Rivest lebt in Whitehorse, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Yukon. Und - neben Dawson ein paar hundert Kilo¬meter den Fluss hinunter - jene Stadt, die auch 116 Jahre, nachdem der Lockruf des Goldes erst¬mals erschallte, noch immer mit dem Goldrausch am Klondike in Verbindung gebracht wird. Ei¬nen passenderen Arbeitsplatz für eine Gold¬schmiedin kann man sich kaum vorstellen.

Whitehorse war ein kleines Kaff, als Ende des 19. Jahrhunderts das Rennen um das Gold im Nordwesten des Kontinents begann. Heute leben hier 26.000 Menschen: Es gibt einen Flughafen, eine Einkaufsstraße und mehrere Museen. Und wenn man im Sommer kommt und nicht weit im Voraus reserviert hat, möglicherweise kein einzi¬ges freies Hotelzimmer. Das Gold am Yukon übt noch immer seine Anziehungskraft aus, wenn auch mittlerweile eher auf Touristen. Hat man ein Zimmer, benötigt man für die Rechnung theo¬retisch noch nicht einmal Dollarscheine: Bis heute kann man in den Hotels im Yukon mit Nuggets bezahlen. Jede Rezeption hat eine kleine Waage und den aktuellen Tagespreis zur Hand.

 

Als am 15. Juli 1897 zwei Schiffe mit Goldgräbern vom Klondike im Hafen von San Francisco fest-machten, ahnte noch niemand, dass nur wenige Tage später eine der größten Völkerwanderun¬gen der Geschichte beginnen würde. Dann aber zeigten die Männer ihre Funde, und das Wort von „a ton of gold!" verbreitete sich wie ein Lauffeuer: zuerst in der Stadt, dann an der Küste, dann überall. Im Englischen steht der Begriff „Stampede" für jenen Moment, in dem eine Rinderherde beschließt, einigen wenigen voran-preschenden Tieren blind zu folgen. So war das auch damals: Ein paar brachen augenblicklich auf, Zehntausende folgten ihnen. Die Glücks¬suchenden, die sich in den Tagen, Wochen und Monaten nach jenem 15. Juli auf den langen Weg in den Norden machten, wurden Stampeders ge¬nannt. „Label your luggage for Klondike", sangen die Musiker in den Bars von New York, Chicago und Toronto, „off and away to the Klondike."

Im Boot oder Kanu zum Klondike

Doch zum Klondike war es ein weiter Weg. Wer sich entschied, über Land zu ziehen, benötigte länger als ein Jahr - und kam erst in der unzu¬gänglichen Bergregion am Klondike River an, als die Goldfelder bereits leergeräumt waren. Die

Schiffspassage entlang der Westküste sparte viel Zeit - wer diese Route wählte, musste über den Chilkoot Pass. Auf der anderen Seite der Berge gelangte man über eine Kette Seen an den Yukon. Und in einem zusammengezimmerten Boot oder einem Kanu zum Klondike.

Suche nach dem Glück

Das war ein bunter Haufen, der da in Dyea an der Küste Alaskas einfiel, um von hier über den Chilkoot Trail Richtung Klondike zu ziehen: Veteranen vom 49er-Goldrausch in Kalifornien. immer noch mit der Gier nach Gold im Herzen, mit der Sehnsucht nach Glück, nach Reichtum, nach El Dorado. Familienväter auf der Suche nach einem Auskommen. Tagelöhner, Herum¬treiber, Halunken. Angestellte, die keine Arbeit mehr hatten in einem von einer schreckli¬chen Wirtschaftskrise geplagten Amerika. Junge Männer, die frisch von den Colleges im Osten kamen und keinen Schreibtischjob wollten.

 

Und angehende Schriftsteller wie Jack London. Von Dyea ist 110 Jahre später nicht mehr viel zu sehen. Ein paar morsche Balken im Gras, ein paar rostige Konservendosen. Jetzt ist hier nichts mehr außer Wind, der vom Meer heranweht und an Bäumen und Büschen zerrt. Und ein junger Grizzly, der sich Butterblumen schmecken lässt. Auch ein gutes Jahrhundert nach dem Gold¬rausch ist die Region zwischen Skagway an der Küste und Whitehorse wildes, leeres Land geblie¬ben. Natürlich ist auch in den Coastal Mountains und den tiefen Wäldern in ihrem Rücken jeder Quadratkilometer Land vermessen und kartogra¬fiert. Es gibt hier längst keinen weißen Flecken mehr auf der Landkarte. Dennoch fühlt man sich wie der erste menschliche Besucher überhaupt, wenn man irgendwo entlang des Klondike High¬way das Auto parkt und ein paar hundert Meter in die Wildnis hinein läuft. Da steht man dann, dreht sich nach allen Seiten und sieht nichts als Wald, Fels, Schnee und Eis. Der Wind pfeift ei¬nem um die Ohren, und nichts ist sonst zu hören in dieser menschlichen Leere, gar nichts.

Auf der anderen Seite des Chilkoot Trail herrscht im Spätfrühling noch tiefster Winter. Crater Lake, Morrow Lake und Deep Lake sind unter einer weißen Decke verschwunden, auf dem

Fein rausgeputzt präsentiert sich die ehemalige Goldgräberstadt Skagway heute.

 

Lindeman Lake schwimmen gewaltige Eisplatten. Erst der deutlich tiefer liegende Bennett Lake ist soweit eisfrei, dass ein Wasserflugzeug landen kann. Überhaupt sieht es auf dieser Seite des Passes komplett anders aus. Hier stehen aus¬schließlich junge Fichten - sämtliche alten Bäu¬me sind von den Goldsuchern zu Booten verar¬beitet worden. Auch die übrige Vegetation ist im Regenschatten der Berge spärlicher. Stattdessen liegen überall Gegenstände herum, die die Stampeder zurückgelassen haben. Auf der ameri¬kanischen Seite hat der Wald die Spuren der Goldrausch-Ära längst überwuchert, hier aber sieht man sie überall: verrostete Konservendosen, Glasflaschen, zerbrochenes Werkzeug - sogar ein alter Kachelofen steht am Wegesrand.

Die Glücksritter von einst haben Nachfolger

Was ist geblieben aus jenen Jahren, in denen ein ganzer Kontinent wie elektrisiert zu sein schien? Das Gold, erstaunlicherweise. Rund um Dawson wühlen sich etwa 100 Industrieunternehmen durch Erde und Gestein, um in Tiefen zu suchen, die für die Stampeders von 1898 unerreichbar waren. Aber auch die Glücksritter von damals haben Nachfolger: Für 180 Dollar Pacht im Jahr können sich Jack-London-Fans einen kleinen Claim abstecken und mit der Goldpfanne anrei¬sen. Neulich hat ein Hobbygoldsucher eine Ader entdeckt und seinen Claim anschließend für 25 Millionen Dollar an einen Bergbaukonzern verkauft - was dem Traum vom Glück für die nächsten Jahre genug Nährstoff geben dürfte. Und Cheryl Rivest genügend Kunden. Der Goldsucher, der ihr am Tag zuvor die Nuggets vorbeigebracht hat, möchte übrigens bald heira¬ten. Aus dem Gold soll Cheryl ihm zwei Ringe schmieden

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