Donnerstag, 2. Januar 2014

Wege der Inka - Teil 2 von 5 von Selzer-McKenzie SelMcKenzie


Die Wege der Inkas Teil 2

Author D.SelzerMcKenzie

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Die goldenen Heerstrassen der Inka

Der Raum war ausgemessen. Der Sekretär Francisco de Xer6z hatte mit seinen mathematischen Kenntnissen, deren er sich rühmte, berechnet, dass der von Atahualpa bestimmte Raum fünf Meter breit, knapp sieben Meter lang und zweieinhalb Meter hoch war und ein Fassungsvermögen von etwa 8 5 Kubikmeter hatte. Atahualpa hatte versprochen, ihn einmal mit Gold und zweimal mit Silber zu füllen. Francisco Pizarro war über dieses Lösegeldangebot so überrascht, dass er Xerz kommen liess, um das als «formelle Verpflichtung» zu bezeugen. Es war spät im November 1532.

Pizarro fragte Atahualpa, wie lange seine Boten brauchten, um die 1500 Kilometer lange Strecke bis zur Stadt Cuzco zurückzulegen, und wie lange es dauern würde, bis das Lösegeldversprechen eingelöst wäre. Atahualpa antwortete vermittels der anwesenden Dolmetscher: «Wenn die Chasqui ausgesandt werden, laufen sie von Posten zu Posten, von Dorf zu Dorf; fünfzig in rollendem Einsatz, es wird fünf Tage dauern.» Das war buchstäblich wahr.

So wurde die Königsstrasse eine goldene Strasse. Lange Kolonnen von Indianern kamen beladen mit Gold und Silber in den verschiedensten Formen an. Aber da Gold schwerer ist als Eisen und ein schwerbeladener Mann höchstens fünfundzwanzig Kilometer am Tag zurücklegen kann, war der Zufluss an Schätzen nach Cajamarca unvermeidlicherweise langsam. Zwei, drei, sogar vier Monate vergingen, und immer noch war der Raum nicht gefüllt. Nicht einmal der schöne Ertrag von Hernando Pizarros goldsammelnder Reise konnte das Loch stopfen, «obwohl ich 8 5 000 Castellano Gold und 3000 Mark Silber gesammelt hatte». Ein Castellano oder Peso Gold ist gleichbedeutend mit sechzehn Unzen, und eine Mark Silber ist etwas mehr als eine Unze.

Der Lösegeldraum füllte sich, aber nicht mit der Schnelligkeit, die sowohl der Sieger als auch der Besiegte wünschten. Die Zeit wurde nun für beide Parteien zum Feind. Im Februar traf Diego de Almagro, Pizarros ursprünglicher Partner bei der Eroberung, mit Verstärkungen ein, wodurch er zwar nicht das Füllen des Raumes mit Gold und Silber, das weiterhin zuströmte, beschleunigte, statt dessen jedoch den Abschied des Grossinka Atahualpa von dieser Erde. Der Transport von Gold über so grosse Entfernungen — von Quito 1300, von Cuzco i5oo, von Chile 4200 Kilometer — war zeitraubend.

Während Humboldt r8or in Cajamarca war, wurde ihm «der Raum, in dem der unglückliche Atahualpa neun Monate lang gefangengehalten wurde, gezeigt». Der Verfasser dieses Buches sah den Raum 1945 und fotografierte ihn. Er erkannte ihn als typisches spätinkaisches Gebäude aus schön gefügten Quadersteinen mit mehreren Nischen, dem Kennzeichen der Inkaarchitektur.

Pizarro erklärte plötzlich, dass das Lösegeldversprechen erfüllt sei, obwohl die 85 Kubikmeter noch nicht ganz gefüllt waren. Seine Ankündigung entsprang keinem tiefverwurzelten humanen Instinkt, sondern erfolgte, weil die Soldaten unruhig wurden, da sie fürchteten, dass gegnerische Streitkräfte zusammengezogen würden, und nun, nachdem sie zwei Jahre gewartet hatten, ihren Anteil an der Beute forderten.

Am 3. Mai 1533 fingen die Goldschmiede an, das Gold zu zuckerhutförmigen Barren einzuschmelzen, und kurz darauf begann der Prozess, der zu dem Justizmord an Atahualpa führte. Am 18. Juni 1533 war die Verteilung des Lösegelds von Atahualpa beendet. Am Samstag, dem 26. Juni r 533, «als die Nacht hereinbrach, holte man den Inka aus seinem Gefängnis hervor und führte ihn mitten auf den Hauptplatz von Cajamarca; zum Klang von Trompeten wurde ihm vorgeworfen, Verrat und Treuebruch geplant zu haben, und er wurde an einen Pfahl gebunden». Als er noch im Gefängnis war, hatte man ihm versprochen, dass kein Tropfen seines Blutes vergossen würde, wenn er einwillige, Christ zu werden. Die Christen hielten ihr Versprechen: Atahualpa wurde ein Strick um den Hals gelegt, und er wurde erdrosselt. Mehrere Konquistadoren protestierten und setzten zu diesem Zweck sogar eine Denkschrift auf, die sie unterzeichneten; sie widersetzten sich diesem im Namen Gottes und der Justiz verübten Justizmord. Der missionarische Eifer der Spanier hatte den Glauben bis an den Rand des Wahnsinns getrieben: Liebe zu Gott und Liebe zu Gold waren nun so unentwirrbar ineinander verwoben, dass man unmöglich sagen konnte, wo die eine endete und die andere begann.

Für Michel de Montaigne, den berühmten Essayisten, Humanisten und Oberbürgermeister von Bordeaux, war die Unterscheidung jedoch kein Problem: «Sie erdichteten eine falsche Anklage mit falschen Beweisen gegen Atahualpa. Der Inka hatte sich als aufrichtiger, grosszügiger und standhafter Charakter erwiesen. Nachdem die Eroberer 1000325 Unzen Gold und ausserdem Silber als Lösegeld von ihm erpresst hatten, liessen sie ihn heimtückisch öffentlich erdrosseln, eine furchtbare und unerhörte Schandtat.»

Aber alle Pferde und Männer des Königs konnten Atahualpa nicht mehr zum Leben zurückbringen. Er erhielt ein prächtiges Begräbnis, worauf sein Volk seinen Leichnam an einen unbekannten Ort brachte; ein Inka, der nicht mehr als eine Marionette war, wurde gewählt, und die Eroberer machten sich auf den Weg nach Cuzco.

Dank der detaillierten Information über die Inkastrasse zwischen Cajamarca und Jauja, die Hernando Pizarro und seine «Zwanzig» mitgebracht hatten, konnte das Erobererheer im voraus planen, wann es die verschiedenen Stationen unterwegs erreichen und wieder verlassen würde.

Pedro Sancho de la Hoz, der königliche Notar, führte das Tagebuch. Obwohl er erst zweiundzwanzig war, als die Eroberung begann, verfasste er den Bericht über die Verteilung von Atahualpas Lösegeld, wobei er überaus sorgfältig jeden Anteil, einschliesslich seines eigenen, aufschrieb, der 94 Mark Silber und 2220 Peso Gold betrug. Nach eigener Aussage war er ein Edelmann «von untadeliger Geburt» und wurde Zeuge aller Ereignisse zwischen 1531 und 1534• Er kehrte dann nach Spanien zurück, heiratete dort und zog vier Jahre später erneut nach Amerika. Bei der Eroberung von Chile verlor er dann seinen Kopf. Pedro Sancho berichtete alle Vorfälle, die sich auf der Inkastrasse nach Jauja ereigneten.

Francisco Pizarro erfasste sogleich die strategische Bedeutung von Jauja und machte es zur ersten Hauptstadt der neu eroberten Gebiete. 2600 Meter über Meereshöhe in dem Tal gelegen, das der MantaroFluss, der an der Stadt vorbeifliesst, sich gegraben hatte, beherrschte sie sowohl das Tal wie auch vier Strassen. Die grünen Täler ringsum waren intensiv bebaut, und die Berge über ihr waren belebt von zahmen Lamas und Alpakas, während es überall in der Gegend kreisförmige Lagerhäuser aus Stein — colca — gab. Von Jauja verlief in westlicher Richtung der nächste Weg zur Küste — die Strasse, die Hernando Pizarro vom Heiligtum in Pachacamac her eingeschlagen hatte.

Pedro de Cieza traf im Dezember 1547 in Jauja ein, dreizehn Jahre, nachdem die Brüder Pizarro auf ihrem Marsch zur endgültigen Eroberung von Cuzco durch den Ort gekommen waren. Er war damals, so wie er es 1533 gewesen war, ein Truppensammelplatz, aber diesmal richtete sich die Aktion gegen Gonzalo Pizarro.

Gonzalo, der jüngste der vier Pizarros, war in der verarmten Provinz Estremadura, jener Geburtsstätte der Konquistadoren, geboren worden. Nach Augustin de Zärate war er — 1545, als er vierzig Jahre alt war — «gross und wohlproportioniert; sein Teint war dunkel, der Bart schwarz und sehr lang. Er liebte den Kampf und war sehr ausdauernd in Mühsal. Er war ein guter Reiter und ein sicherer Arkebusenschütze. Wenn man die Armut seiner Sprache in Betracht zieht, konnte er sich gut, wenn auch etwas grob, ausdrücken. Er konnte kein Geheimnis bei sich behalten und war unmässig in seiner Lust auf Frauen, seien es indianische oder spanische.» Gonzalo gewann die Zuneigung seiner Männer. Man nannte ihn «die beste Lanze, die je nach Peru gekommen war». «Die Pizarros», schrieb ein Zeitgenosse, «wuchsen alle in Armut auf, sie waren so stolz wie arm. Ihre Gier nach finanziellem Gewinn stand in direkter Proportion zu ihrer Armut.» Gonzalo hatte seinen Anteil an Atahualpas Lösegeld bekommen, nämlich 384 Mark Silber und 9909 Peso Gold und hatte einen hervorragenden Anteil sowohl an der Eroberung als auch an den darauffolgenden Bürgerkriegen. Seine quichotteske Expedition, um die Quelle des Zimts zu finden — eine Expedition, die 50000  Castellano, zumeist geliehen, kostete und zur Entdeckung des Amazonas führte —, war nicht weniger heroisch als viele der in der Ilias beschriebenen Heldentaten. Bei seiner Rückkehr im September 1542, nachdem er 210 Spanier, 4000 Indianer, 5000 Schweine, rooi Hunde und ganze Herden von lastentragenden Lamas verloren hatte, traf er die Welt in Peru nicht mehr so an, wie er sie verlassen hatte: Francisco Pizarro war ermordet worden; sein Bruder Hernando, der nach Spanien gereist war, um die Hinrichtung Diego de Almagros zu rechtfertigen, war auf Lebenszeit eingekerkert worden; und die «Neuen Gesetze» wurden landauf, landab verkündet.

Denn im selben Jahr 1542 hatte der Indienrat auf Grund vieler Beschwerden über grausame Behandlung von Indianern, die der Krone zu Ohren gekommen waren, die «Neuen Gesetze für eine gute Behandlung und den Schutz der Eingeborenen» erlassen. Diese Gesetze schafften die Leibeigenschaft der Indianer ab und befreiten sie von der Zwangsarbeit. Die Kolonisten, die als Teil ihres Besitzes auf Grund des encomiendaSystems Indianer hatten, wurden für deren Wohlergehen rechenschaftspflichtig.

Da die hauptsächlichste Ertragsquelle eines Siedlers die Zwangsarbeit war, stiessen die «Neuen Gesetze» auf heftige Opposition. In Peru brach eine offene Rebellion aus, und Gonzalo Pizarro wurde ihr anerkannter Führer mit dem angemassten Titel eines procuradors. Weil er über die grenzenlosen Einkünfte der jüngst entdeckten Silberminen von Potosi verfügte, hatte Gonzalo Pizarro «ein grösseres Einkommen als in Spanien der Erzbischof von Toledo und der Graf von Benavento». Er führte die Opposition gegen den neuen Vizekönig Blasco Nüilez an, der am 18. Januar 1546 eingetroffen war, um die «Neuen Gesetze» durchzusetzen.

Als dieser auf Widerstand stiess, rief der Vizekönig aus: «Ist es denn möglich, dass unserem Kaiser Karl, den alle in Europa fürchten, hier von diesem Bastard Gonzalo Pizarro, der sich weigert, die Gesetze zu befolgen, der Gehorsam versagt wird?» Der Vizekönig erhielt die Antwort auf dem Schlachtfeld: er wurde verfolgt, besiegt und enthauptet. Danach war Gonzalo Pizarro der unbestrittene Herr von Peru und besass ausserdem die Silberminen von Potosi und eine grosse Flotte, die den Pazifik von Peru bis Panama kontrollierte. Er übernahm die Rolle des Gouverneurs, liess sich die ausgestreckte Hand küssen, umgab sich mit einer Leibwache und gebrauchte das königliche «Wir».

«Warum ernennen Sie sich nicht selbst zum König von Peru?» fragte Francisco de Carbajal, sein Polizeihauptmann. «Denn in Wirklichkeit sind Sie es ja schon. Sie haben die Waffen gegen den Vizekönig erhoben und ihn in der Schlacht getötet. Sie sind nun schon zu weit gegangen, um einzuhalten oder gar sich zurückzuziehen. Lassen Sie sich zum König ausrufen, heiraten Sie eine Inkacoya [Prinzessin], die direkt von den Inka abstammt, einigen Sie die beiden Rassen, so dass sie sich in Zukunft des Friedens unter einem gemeinsamen Zepter erfreuen können.» Carbajal, dieser falstaffsche Achtzigjährige, wusste immer so rasch klugen Rat, dass das Volk glaubte, er habe einen «Schutzgeist»; auf der anderen Seite hingegen hatte er sich mit seiner scharfen Zunge, seiner Schlauheit und dem langen Schwertarm den Beinamen «Dämon der Anden» erworben. Er schien in der Schlacht unempfindlich gegen Gefahr, war kühl, aufmerksam und vorsichtig. War er der Sieger, so mass er die Gerechtigkeit so sachte zu, dass es den Menschen ein Vergnügen zu bereiten schien, von ihm gehenkt zu werden. An den Bäumen von Peru baumelten die Männer, die sich der Politik Pizarros widersetzt hatten. «Nie», schrieb Pedro de Cieza, als er sich über Carbajals Untugenden moralische Gedanken machte, «hat es jemand gegeben, der an Grausamkeit mit ihm zu vergleichen gewesen wäre, weder Marius noch Sulla, Dionysius oder Phalaris; denn in jeder Art von Grausamkeit erwies er sich als Altmeister. Die Bäume von Quito bis zu den Bergen von Potosi, an denen seine Opfer hängen, sind Zeugen dafür.»

Obwohl eindeutig ein Mann seiner Zeit — gierig und räuberisch wie so viele — war Carbajal viel weitsichtiger als die meisten und sah schon, um vier Jahrhunderte seiner Zeit voraus, wie sich die Sozialstruktur Lateinamerikas entwickeln würde. Er war ein aussergewöhnlicher Mann in aussergewöhnlicher Zeit.

Ausser der schlichten Tatsache, dass er um 1460 in Ragama, Arevalo, in Altkastilien geboren wurde, weiss man nichts über seine Jugend oder Herkunft, obwohl Stil und Qualität seiner Berichte vermuten lassen, dass er eine gute Erziehung genossen haben muss. i soo war er Soldat und wurde einer der berühmten spanischen tercios, der hervorragendsten Infanterie in Europa. Bei der Plünderung von Rom —1527 — eignete er sich ein Archiv notarieller Akten an, die der Besitzer so dringend wiederbekommen wollte, dass er ihm i000 Dukaten für die Rückgabe bezahlte. Mit diesem Geld finanzierte Carbajal, der nun schon über siebzig war, seine Reise nach Amerika und traf nach einem Aufenthalt in Mexiko in Peru ein. Das war 1536 während einem der Aufstände.

Sein erster Auftritt in Peru war in der Schlacht von Chupas bei der grossen Inkastadt Vilcashuamän. Er war da einer der «Männer des Königs», wie schon seit sechzig Jahren. Als erfahrener Haudegen wurde er zum Hauptfeldwebel ernannt. Später nahm er an verschiedenen Feldzügen teil und erwarb sich damit Reichtum, aber als er von den «Neuen Gesetzen» hörte, die seiner Meinung nach einen mörderischen Streit zur Folge haben mussten, verwandelte er seinen Reichtum in Silberbarren und stellte beim Rat in Lima den Antrag, ausreisen zu dürfen. Das wurde ihm abgeschlagen, und da er sich nun also aus den kommenden Wirren nicht heraushalten konnte, schloss er sich zögernd Pizarros Aufstand an. «Ich wollte», erklärte er, «meine Hand nicht an den Kettenfaden dieses Gewebes legen, aber wie die Dinge nun einmal liegen, verspreche ich, der Hauptweber zu sein.» Was er dann auch wurde, wobei der dominierende Kettenfaden des Gewebes blutrot war.

Wenn er nicht gerade gegen die Männer des Königs, die Gonzalo Pizarro nicht akzeptieren wollten, stritt und sie verfolgte, bearbeitete er die Silberminen, die 1545 bei Potosi entdeckt worden waren; er sah voraus, dass «die Minen wertvoller sein würden als ganz Altkastilien in Spanien». Später stellte es sich heraus, dass sie die reichste Quelle für Silber in der ganzen Welt waren. Eine weitere Beschäftigung Carbajals war, Menschen Geständnisse zu entlocken: «Ich liess Diego Maldonado nackt auf den burro [ein Folterinstrument] spannen. , schrie er, » Auch als er schon weit über achtzig war, liess ihn seine Energie nicht im Stich: einmal ritt er über die Inkastrassen von Chuquisaca nach Quito, eine Entfernung von 3400 Kilometer, kehrte nach Lima zurück und brach wieder auf zu einer Schlacht, die sich beim Tampu von Huarina in der Nähe des Titicacasees entwickelte.

1547 bereitete ihm jedoch hauptsächlich Pedro de La Gasca Kopfzerbrechen.

La Gasca war im Juli 1546 ohne Waffen und Gefolge in Panama eingetroffen. «Majestät», sagte er zu seinem König, «dieses Unternehmen scheint mir schwierig und gefährlich.» Er bat deshalb um unbeschränkte Vollmacht, die ihm auch erteilt wurde. Ausserdem erhielt er auf seinen Wunsch, wie schon gesagt wurde, ein Bündel königlicher Blankodekrete, die er ganz nach seinem Belieben ausfüllen konnte. La Gasca, der in Salamanca Recht und Theologie studiert hatte, hatte sich bereits in anderen Verhandlungen im Auftrag der Krone als sehr geschickt erwiesen. Trotz einer etwas schwachen körperlichen Konstitution und obwohl er wenig von militärischen Dingen verstand, besass er doch einiges, was zu seinen Gunsten sprach: er war sehr reich und infolgedessen unzugänglich für Bestechung. Von Panama aus sandte er Briefe an alle Kommandanten in Südamerika und forderte sie auf, an die Seite des Königs zu treten. «Schlaue Briefe», sagte Francisco de Carbajal wütend. Einer dieser Briefe gewann den bewährten Kämpfer Sebastiän de Belalcäzar für La Gasca und danach auch den jungen Soldaten und Historiker Pedro de Cieza.

Zum Auftakt ging die Armada, Gonzalo Pizarros Flotte, zu La Gasca über, der damit die Herrschaft über das Meer erlangte. Trotzdem lehnte Pizarro ein Gnadenangebot ab. «Wir wollen keine Gnade für das, was wir getan haben», sagte er, «wir wollen Anerkennung. Ich werde als Regent sterben.» Er zog sich mit seiner Streitmacht nach Cuzco zurück, um La Gasca zu erwarten. Während der Wartezeit verfolgte er eine Politik der verbrannten Erde. Auf der ganzen Länge der Wüstenküste von Tumbes bis Lima wurden Tampu, Brücken und Lamas vollständig vernichtet und zerstört. Diese Massnahme löschte die Zuchtbestände von Lamas, die an das heisse Küstengebiet akklimatisiert waren, aus, so dass das Lama hier nie mehr als Haustier heimisch wurde. Ausserdem erlitt das Kommunikationssystem der Inka in dieser Zeit mehr Schaden als in den ganzen vergangenen zehn Jahren. Da Gonzalo Pizarro die hohen gebirgigen Gebiete beherrschte, teilte Pedro de La Gasca sein Invasionsheer in verschiedene Abteilungen auf, damit Pizarro nicht erkennen sollte, wo der Hauptschlag geführt würde.

Am 27. Dezember schrieb Pedro de La Gasca von Jauja aus einen dreiundzwanzig Seiten langen Bericht an den König. Er schrieb, wie er seine Truppen in vier Abteilungen geteilt habe, damit sie nicht gleichzeitig in einen Hinterhalt geraten konnten, und wie alle über die Haupt und Querstrassen der Inka vorgegangen seien, einige davon auf «der HuaynaCapacStrasse, die von Huänuco nach Bonbön — Pumpu — führt». Im Dezember, nachdem sich alle vier Abteilungen wohlbehalten in Jauja getroffen hatten, bereitete er sich auf den letzten Marsch auf der Inkastrasse zur Schlacht mit Gonzalo Pizarro vor. Zu diesem Zeitpunkt schrieb Carbajal in gehässigem Ton an La Gasca, er möchte «die Heilige Schrift sehen, durch die Sie sich befugt finden, mit Ihrem Fuchsgewissen zu erklären, dass der Kaiser Ihnen geheime Instruktionen erteilt habe, unseren Gouverneur Gonzalo Pizarro zu bekämpfen». Er betonte, dass es eine Verschwendung von Zeit und Menschenleben sei, weitere Boten mit Gnadenangeboten zu senden, «denn als sie hier ankamen, liess ich zwei aufhängen. Möge Gott Ihre ehrwürdige Person schützen, und mögen Ihre Sünden Sie meinen Händen ausliefern.»

Pedro de Cieza traf im Dezember r 547 als Angehöriger einer der vier Abteilungen in Jauja ein. Bis dahin war er schon über r 600 Kilometer auf Inkastrassen an der Küste und im Hochland gereist und hatte dabei reichlich Zeit, wie er sagte, «überallhin einen Abstecher zu machen, um so viel wie möglich von den einzelnen Gebieten zu sehen und dabei zu erfahren und aufzuschreiben, was an ihnen bemerkenswert war». Seine Aufzeichnungen schwollen an, und es war für den jungen Soldaten im aktiven Dienst keine kleine Aufgabe, sich um seine Manuskripte zu kümmern. Ausserdem war das Schreiben damals ausserordentlich teuer, denn ein einziger Bogen Kanzleipapier kostete so viel wie fünfzig Jahre später ein Pferd. «Oft», sagte er bescheiden, «mühte ich mich mit Schreiben ab, während die anderen Soldaten ausruhten. Aber weder das noch die Schwierigkei ten des Landes, der Berge und der zu überquerenden Flüsse, noch auch der unerträgliche Hunger und die holperigen Strassen behinderten je meine zwei Berufe: den, die Geschichte aufzuschreiben, wie sie sich ereignete, und den, mit unvermindertem Respekt der Fahne meines Hauptmannes zu folgen.»

Kaum hatte Pedro de Cieza Peru betreten, erkannte er, dass die Inka einen Kurierdienst auf den Königsstrassen unterhielten. «Nachrichten wurden von Chasqui von Quito nach Cuzco getragen. Die Inka erfanden ein System von Kurierposten. Alle drei Kilometer stand ein kleines Haus, wo zwei Indianer ständig mit ihren Frauen wohnten.» Jeder Kurier lief seine drei Kilometer, bis er zum nächsten kam, dem er seine Botschaft zurief oder, wenn sie komplizierter war, eine Aufzeichnung auf einer Knotenschnur — Quipu — zusammen mit einer mündlichen Mitteilung übergab. So ging es von Posten zu Posten, so dass die Chasqui im Staffellauf eine Botschaft in fünf Tagen von Quito bis Cuzco auf eine Entfernung von 2200 Kilometer überbringen konnten. Die Existenz dieser Posten wurde durch die VonHagenExpedition — 195260 — bestätigt, die eine Reihe von o'kla — Unterkunftshütten für Chasqui — zwischen Jauja und Bonbön entdeckte. Die Expedition erbrachte den Beweis, dass auch heutige, untrainierte Indianer, die in Höhen zwischen 2500 und 5 000 Meter abgesteckte Entfernungen auf der noch vorhandenen Inkastrasse liefen, etwa drei Kilometer zurücklegen konnten und dass ihre Geschwindigkeit bei entsprechender Organisation ausreichen würde, um 2200 Kilometer in fünf Tagen zurückzulegen.

Sportler trainieren sich dazu, die Anoxämie — Mangel an Sauerstoff im Blut, der zu Kurzatmigkeit führt — zu überwinden, aber die Indianer, die in grossen Höhen leben, akklimatisieren sich an den Mangel an Sauerstoff in der Luft, indem sich ihre Lunge ungewöhnlich stark vergrössert. Eine sportliche Konstitution ist hier eine Lebensnotwendigkeit. Ein Chronist bemerkte, dass die Chasqui, «die die Post bedienten, von Kindheit an im Laufen trainiert werden; bei den Indianern war das Laufen immer eine Gewohnheit». In den Anden ist Sauerstoffmangel ein unabänderliches Faktum, und dementsprechend, schrieb Carlos Monge, «muss sich der menschliche Organismus in der komplizierten Anpassung des physiologischen Mechanismus selbst überbieten».

Die Chasqui wurden alle fünfzehn Tage ausgewechselt, damit das Laufen nicht zu anstrengend wurde. Jede Provinz (Ayllu), die die Strasse berührte, war für die Chasqui in diesem Gebiet verantwortlich. Cieza stellte überdies fest, dass die «Chasqui, die die Botschaften übermittelten, so verschwiegen waren, dass sie weder durch Bitten noch Drohungen zur Preisgabe der Botschaft, die sie trugen, bewegt werden konnten». Das System war so gut organisiert, dass jede Invasion oder jeder Aufstand im Inkareich innerhalb von Stunden bekannt wurde. Die Spanier waren so beeindruckt, dass sie das System übernahmen, das dann in etwas veränderter Form lange Zeit bestehen blieb.

Zusätzlich zu der mündlichen Botschaft überbrachten die Chasqui oft eine Knotenschnur, den Quipu, der als Gedächtnisstütze diente. Der Quipu hat eine Grundschnur mit einer Anzahl von kleineren Schnüren, in die Halbknoten, die Dezimaleinheiten darstellen, geschlungen sind. Mit ihrer Hilfe konnten Zahlen bis zu Tausendern registriert werden. Die Farbe der kleineren Schnüre bedeutete spezielle Dinge — Lamas, Gold, Menschen, Waffen oder was auch immer —, aber jeder Quipu musste von einer mündlichen Botschaft begleitet sein. Damit und mit den Informationen, die der Quipu vermittelte, konnte der quipucamayoc, der offizielle Geschichtsschreiber, seinem Gedächtnis zahllose Statistiken und viel spezielle Information einprägen. Als Pedro de Cieza in Jauja war, bat er den Curaca Huacara Pora, «ihm das System so zu erklären, dass er es verstünde». Auf den Quipu, die er sich verschafft hatte, war, wie er Pedro de Cieza erzählte, alles festgehalten, was den Spaniern seit dem Auftreten von Gouverneur Pizarro von 1531 bis 1533 ausgeliefert worden war. «Alles war ausnahmslos aufgezeichnet. In dieser Aufzählung sah ich Gold, Silber und Tuch, das hergegeben worden war, und sogar die Lamas und andere Dinge — ich war verblüfft.»

Ein Teil 2 entscheidender Teil des Strassennetzes war das Tampu. Da Strassen ohne Herbergen wie ein Jahr ohne Feiertage sind, können Verkehrswege nicht existieren ohne Haltestationen. Diejenigen der Inka gehörten zu den ersten Dingen, die den Spaniern auffielen, als sie über die Strassen zogen, und sie erkannten bald ihren Nutzen. Zuerst nannten die Spanier sie «Wohnungen des Inka», aber mit der Zeit verstanden und benutzten sie das einheimische Wort tampu, das sie zu tambo hispanisierten. Pedro de Cieza war der erste, der Form und Funktion des Tampu beschrieb. «Damit ausreichender Nachschub für die Heere vorhanden war, gab es alle zwanzig Kilometer Unterkünfte und Lagerhäuser, die im Überfluss mit allem gefüllt waren, was es in diesen Gegenden gab. Auch in unbewohnten Gebieten und Wüsten gab es sie.» Ein Curaca — Cieza nannte ihn Verwalter — von jedem Stamm oder jeder Provinz war darauf bedacht, dass die Indianer immer für ausreichende Vorräte in diesem Tampu sorgten, «und er führte mit Quipu Buch darüber, dass nichts veruntreut wurde».

Die Dichte der Tampu hing von zwei Faktoren ab: Entfernung und Gelände. Zwanzig Kilometer war ungefähr die Entfernung, die ein schwerbeladener Mann — denn der Mensch war der Hauptlastträger — an einem Tag zurücklegen konnte. Lamas haben, wenn sie beladen sind, eine langsame Gangart und brauchen daher ungefähr die gleiche Zeit für diese Entfernung. Als neue Gebiete und Stämme besiegt wurden, führte man die Strassen so weit wie möglich durch bestehende Siedlungen, denn diese waren bequem greifbare Quellen für die Hauptnahrungsmittel und die Menschen, die man für den Frondienst brauchte. Wo es keine solche Siedlungen gab, wurden ganze Gemeinschaften umgesiedelt, um das Tampu zu bauen, zu versorgen und zu unterhalten. Dafür gibt es viele Beispiele.

Die Tampu waren verschieden gross. Manche waren nicht geräumiger als ein Haus mit einem Pferch für Lamas; andere waren recht gross, zwischen dreissig und neunzig Meter lang. Von vielen sieht man noch Überreste auf den Routen, denen die Königsstrassen zwischen Quito und Chile folgten.

Entfernungen auf der Strasse wurden mit topo gemessen. «An vielen Stellen» erinnert sich Cieza, «gibt es Markierungen wie die in Spanien [römische Meilensteine]. Sie heissen topo, und jeder markiert eine Entfernung von acht Kilometer nach kastilischem Mass.»

In den frühen Jahren der Eroberung waren die Spanier voll des Lobes für das System der Tampu, aber als die Eroberung beendet und der Bürgerkrieg vorüber war, war ein grosser Teil des Landes entvölkert und verödet; viele Tampu waren zerstört. Zunächst begriffen die Spanier nicht, was sie da zerstörten. «Denn wann auch immer die Spanier als Eroberer und Entdecker vorüberzogen», sagte Pedro de Cieza, «ist es, als sei ein Feuer gekommen, das alles auf seinem Weg zerstörte und verzehrte. Gebäude der Inka und die Lagerhäuser wurden wie alles übrige zerstört und vernichtet.»

Als die Zerstörung des TampuSystems — also des Kommunikationssystems — in Peru seinen Anfang nahm, sobald die Eroberung vorüber war, gab Francisco Pizarro jedem seiner Männer ein Tampu mit dem umliegenden Land und der Bevölkerung in encomienda. In Wirklichkeit war das eine «Zuteilung», obwohl die wahre Bedeutung von encomienda «treuhänderische Verwaltung» ist, eine altüberkommene Formel, die, weit davon entfernt zu meinen, dass der Besitzer des Landes das absolute Eigentumsrecht über das Land und die dort lebenden Menschen innehabe, nur bedeutet, dass diese Menschen ihm einfach gewisse Dienste schuldeten. In Peru jedoch, fern von einer Kontrolle durch Spanien, betrachtete jeder Besitzer einer encomienda diese als sein Eigentum und bewirtschaftete sie oft so schlecht, dass die Indianer ihren normalen, notwendigen Pflichten entzogen wurden und andere Aufgaben zugewiesen bekamen und dass die Vorräte an Nahrungsmitteln in den Lagerhäusern und Haltestationen nicht mehr aufgefüllt werden konnten und weite Strecken der Strasse zerstört wurden und verfielen.

Zuerst waren die Soldaten blind gegenüber der Tatsache, dass die Leute eines Tampu sich um ihre Feldfrüchte und Lamaherden kümmern und durch die Fronarbeit all das in Gang halten mussten, was in ihre Verantwortung fiel. Wenn die Indianer aus ihrem gewohnten Umkreis, aus ihrem Ayllu, fortgebracht wurden, hörten ihre Funktionen zur Erhaltung der Strasse auf. «Ich möchte die Verwendung von Indianern nicht verurteilen», bemerkte Cieza, «wenn das mit Mass geschähe, aber wenn einer vier Indianer braucht, nimmt er sich zwanzig. Müsste man die Menge von Untaten, Ungerechtigkeiten, Räubereien, Unterdrückung und Misshandlung aufzählen, die während dieser Vorgänge den Eingeborenen zugefügt wurden, dann gäbe es kein Ende.» 1540 sagte der Beamte Cristobal Vaca de Castro, ein Jurist, den Karl V. von Spanien ausgesandt hatte, um Frieden zwischen den Parteien von Pizarro und Almagro — einem Krieg, der mehr zur Zerstörung der Inkakultur beitrug als die Eroberung selbst — zu stiften, und zum Gouverneur von Peru ernannt hatte: «Ich habe bei meinem Ritt von Quito nach Cuzco mit eigenen Augen gesehen, dass die meisten Städte und Siedlungen der Indianer verlassen, verbrannt, zerstört sind.» Eine seiner ersten Massnahmen, nachdem er Peru einen zeitweiligen Frieden gebracht hatte, war daher, eine detaillierte «Ordnung für die Tampu» — deren Original jetzt im Archiv von Sevilla ist — auszuarbeiten.

Das Dekret bestimmte, dass diejenigen Tampu, die noch aus der Zeit von Huayna Capac stammten, wiederhergestellt würden, und spezifizierte dann das Gewicht einer Last, die ein Indianer zu tragen habe — dreissig Pfund —, die Anzahl von Tagen im Jahr, an denen er Dienst tun müsse, und die Fürsorge, die jeder Spanier seinem Tampu angedeihen lassen müsse — Nichtbeachtung dieser Vorschriften zog eine Busse von 30o Peso nach sich. Brücken mussten wiederaufgebaut, Strassen repariert und das System der ChasquiPosten so wiederhergestellt werden, wie es «in den Zeiten der Inkaherren» funktioniert hatte. All das musste innerhalb von vierzig Tagen nach der Unterzeichnung des Dekrets, das vom r. Juni 1543 datiert war, geschehen. Es war die erste Dienstvorschrift dieser Art in der Neuen Welt und ist von grösster Bedeutung für das Studium der Inkastrassen, denn es führt der Reihe nach alle Tampu in Peru und Bolivien auf, dazu die Entfernungen zwischen ihnen und schliesslich für jedes Tampu den Namen des encomendero, das heisst des Herrn des Gebiets, in dem es lag. Es ist ein unschätzbares Dokument.

Dass diese Reform tatsächlich durchgeführt wurde, geht aus der merkwürdigen eigenhändig geschriebenen Chronik (Nueva Cronica Buen Gobierno> von Felipe Huamän Poma de Ayalä hervor. Seine Liste der Tampu füllt zehn Seiten und behandelt die Gebiete von Quito nach Süden über Ecuador und Peru bis Bolivien. Die verschiedenen Typen von Tampu sind durch Symbole bezeichnet: ein Haus stellt ein königliches Tampu dar, das für den Inka und sein Gefolge reserviert war, während kleinere durch ein Kreuz oder einen Kreis bezeichnet waren, welch letzterer die kleinsten Tampu bedeutet, die tambillo hiessen.

Ausserdem führt die Chronik die grösseren und wichtigeren Brükken auf, wobei der Chronist zwischen Inkabrücken — crisjejas —«hängend» — und spanischen Brücken unterscheidet, die aus zementierten Steinen — cal y canto — konstruiert und nach der Eroberung erbaut worden waren.

Felipe Huamän Poma de Ayalä war, wie der Name vermuten lässt, ein inkaischspanisches Mischblut. Er wurde 1535 in der Provinz Lucanas im Westen von Cuzco in der ContisuyuProvinz des Reiches geboren. Er führt seine Geburt mütterlicherseits auf ein hervorragendes Mitglied der Inkakaste zurück, da sein Grossvater Auqui Topa Inka war, der den Inka Pachacutic bei der Eroberung von Quito begleitete und eine Stellung innehatte, die der eines Vizekönigs über die grosse ChinchasuyuProvinz des Reiches entsprach. Francisco Pizarro liess diesen 1534 in Cuzco lebendig verbrennen, weil er nicht verriet, ob er es nun wusste oder nicht, wo die vermissten Schätze waren.

Damals hatte Martin de Ayalä Juana Curi Ocllo geheiratet, und dieser Ehe entsprang 1535 der Chronist Huamän Poma. Er war einer von der «neuen Rasse», eine Mischung von Spanier und Inka von hoher Kaste, wie sie die spanische Krone anfangs als Symbol einer erfolgreichen Kolonisation und der friedlichen Integration von Sieger und Besiegten ermutigt hatte. In Befolgung dieses Prinzips heiratete Martin de Loyola, der Neffe des Gründers des Jesuitenordens Beatris Clara Coya del Inga. Die Zeremonie ist auf einem übergrossen Wandgemälde in der Jesuitenkirche von Cuzco verewigt worden.

Weiter unten innerhalb der sozialen Hierarchie funktionierte diese Integration nicht. Die Indianer niedriger Geburt spürten nur zu stark den barbarischen Druck der spanischen Besetzung, und aus dieser besonderen Situation heraus stammen die schriftlichen Zeugnisse von Huamän Poma. Seine 1615 handgeschriebene und mit naiven, aber historisch instruktiven Zeichnungen illustrierte Chronik umfasst 1179 Seiten in Ketschua und Spanisch. Man kannte sie weder in Spanien noch in Peru, und sie lag bis 1908 unbemerkt und nur als (Codex 2232> bezeichnet in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, wo sie von einem deutschen Wissenschaftler entdeckt wurde. Sie ist vermutlich von einem dänischen Gesandten, der 165o bis 1653 in Spanien residierte, nach Dänemark gebracht worden.

Ihre illustrierte Aufzählung landwirtschaftlicher Verfahrensweisen, ihre Klassifizierung der Menschen unter dem Inkasystem, ihre Tabellierung des Werdegangs dieser Menschen von der Wiege bis zum Grab, ihre Beschreibung des inkaischen Rechtswesens und die illustrierte Liste von herrschenden Inka und, für unseren besonderen Zweck, ihre Liste der Inkastrassen, der Örtlichkeit und des Typs der Tampu, sowie der Namen der Verwalter der Strassen und Brücken sind alle von unschätzbarem Wert. Ausserdem ist das Manuskript einzigartig. Denn im Gegensatz zu Mexiko besass Peru weder eine Bilder noch eine Glyphenschrift. Es gab keine Künstler, die illustratives ethnographisches Material liefern konnten, wie es aus dem Mexiko vor der Eroberung zu uns gekommen ist. Nur Huamän Pomas Werk füllt die Lücke — daher sein grosser Wert.

Im Tal von Jauja, schrieb Pedro de Cieza, gibt es «viele Lagerhäuser, die mit allem, was es gibt, angefüllt sind. Und so viele colca, dass sie aus der Ferne wie die Türme von Spanien aussehen.» La Gasca befahl r 547, dass diese colca mit den Produkten des Landes gefüllt würden, damit die gewaltige Zahl von Soldaten, die nach Jauja kamen, ernährt werden konnten. So kam es, dass Cieza reichlich Zeit hatte, die verschiedenen Arten von Lebensmitteln, die gelagert wurden, zu beschreiben.

Die wichtigsten waren Mais und die Kartoffel — aesu —, «die gekocht einer Trüffel ähnelt und innen weich ist». Die prähistorischen andinen Ackerbauer hatten durch Selektion die wilde Knolle von der Grösse einer Walnuss in grosse Kartoffeln von unendlicher Vielfalt verwandelt. Wenn diese in Säcke aus gewobener Lamawolle gepackt und in den kühlen colca gelagert wurden, konnten sie über ein Jahr aufbewahrt werden. Churio war eine Kartoffel, der das Wasser entzogen worden war. Sie wurde aus einer gegen Frost resistenten Abart hergestellt, die, wenn sie auf die gewöhnliche Weise zubereitet wurde, fade und geschmacklos war, aber als chuiio gut schmeckte. Zuerst wurde sie dem Frost ausgesetzt und dann in der grossen Hitze des Tages aufgetaut; nun wurden die Knollen zertrampelt, bis alles Wasser aus ihnen ausgequetscht war. Daraus wurde ein weisses Kartoffelmehl gewonnen, das der Grundstoff des Brotes war. Damals wie heute wurde kein chupa — Schmorgericht —ohne dieses Mehl bereitet, keine Reise ohne einen Vorrat davon angetreten. Chuiio, «hochgeschätzt», sagt Cieza, «konnte auf unbestimmte Zeit gelagert werden».

Mais — sara —, der in Höhen bis zu 390o Meter angebaut wurde, war das Grundnahrungsmittel der Inka. Getrocknet konnte er jahrelang aufbewahrt werden. Man konnte ihn geröstet essen oder in Löschkalk oder Asche gekocht, wodurch er auf das doppelte Volumen aufquoll und einen milden Geschmack bekam. Entfernte man die Hülsen, so wurde er als mote essbar, eine Art Maisbrei.

Aus Mais wurde auch das alkoholische Getränk accha hergestellt. «Das ist die Chicha, die sie trinken und die sie immer in grossen Gefässen vorrätig haben.» Die Frauen waren die Brauer, wie immer in den frühen neolithischen Kulturen. Man liess den Mais keimen, denn wenn mehlige Körner keimen, verwandelt eine enzymatische Diastase einen Teil der Stärke in Malzzucker. Das Zerkauen eines Teils der gekeimten Körner förderte den Prozess der Diastase. Diese Maische wurde dann gekocht, vier Tage lang beiseite gestellt, damit sie gärte, durchgeseiht und als accha serviert, die einen Alkoholgehalt von sechs bis acht Prozent hatte. Man trank sie übermässig bei rituellen Gelegenheiten. «Es ist verblüffend», bemerkte Cieza, «wieviel von diesem Getränk oder Chicha diese Indianer trinken können, denn sie haben immer das Glas in der Hand.» Dieses Getränk meinte Prescott, als er von ihrem «moussierenden Wein» sprach.

Quinoa, die in den Anden so verwendet wird, wie Hafermehl im schottischen Hochland, gehört zur Familie der Gänsefussgewächse — Chenopodium — und wird mannshoch, wenn sie in grossen Höhen angebaut wird. Ihre roten Schoten liefern ein Getreide, das dem Reis ähnelt. «Ein sehr gutes Nahrungsmittel», bestätigt Cieza, der weiterhin beschreibt, dass sie «ein rötliches Blatt habe wie maurischer Mangold». Reich an Mineralstoffen und Eiweiss, kann sie, wie der Mais, lange Zeit gelagert werden. Dann gab es noch Bohnen: eine unendliche Vielfalt— rote, schwarze, gelbe und weisse —, alle sehr nahrhaft. Auch getrockneter Spanischer Pfeffer konnte gelagert werden; er verlieh dem Essen zusätzlich Würze und Aroma. Von der Küste des Meeres kam getrockneter Seetang, reich an Mineralstoffen und geschätzt wegen seines Geschmacks und des Jodgehalts, der das Auftreten von Kropf eindämmte. Dieselbe Quelle lieferte getrockneten Fisch und Schalentiere. Eiweiss erhielt man durch getrocknetes Lama und Meerschweinchenfleisch. Dünn geschnittenes und an der Sonne getrocknetes Lamafleisch, bis es so hart wie Leder war, nannte man charqui. Ganze Meerschweinchen, die oft in indianischen Häusern gezogen wurden, wurden geräuchert und getrocknet und konnten dann monatelang aufbewahrt werden.

Wenn also Cieza von «Lagerhäusern, voll mit allem, was es nur gab», spricht, meint er die lagerfähigen Grundnahrungsmittel, die eben beschrieben wurden. Aus diesen Bestandteilen konnte die Köchin eine reiche chupa, ein Schmorgericht aus Fleisch, Mais und Kartoffeln bereiten, das mit chutio eingedickt war und eine besondere Würze durch Spanischen Pfeffer erhielt.

Die quipucamayoc— Knotenschnurleser — man würde sie in unserer Gesellschaft Rechnungsführer nennen — wussten genau, was jeweils in jedem Gebiet gelagert war, und «wohin auch immer die Heere des Inka zogen, lebten sie vom Inhalt dieser Lagerhäuser, ohne je die Vorräte der Menschen, die in den Ländern lebten, durch die sie kamen, in Anspruch zu nehmen». Gab es ein mageres Jahr oder, was manchmal passierte, ein Dürrejahr, «wurden die Lagerhäuser für das ganze Volk geöffnet, und in einem Jahr des Oberflusses zahlten sie alles zurück, was sie aus den colca erhalten hatten».

Es ist leicht einzusehen, dass in einem solchen System keine Notwendigkeit für eine umfangreiche Quartiermeisterbehörde bestand, die sich um den Bedarf der Truppen, die auf den Strassen marschierten, kümmern musste. Der notwendige Proviant war stets verfügbar.

Die colca im Hochland waren aus mörtellos gefügten Steinen erbaut; die Zwischenräume wurden mit Lehmzement verstrichen. Die Dächer waren aus Schiefer oder, wenn dieser nicht zur Verfügung stand, aus Grasstroh — eine solche Bauart wurde aber nach Möglichkeit vermieden, da sie Feldmäusen und Ratten Nistplätze bot. An der Küste wurden Lagerhäuser aus Adobe — sonnengetrocknete Lehmziegel — erbaut, wenn es keine Steine gab. Mais, Bohnen und Kartoffeln wurden in den graubraunen Säcken aus gesponnener Lamawolle gelagert, die für die Kleidung zu grob war. Chuiio lagerte man in grossen Tonkrügen, wie auch den Salzfisch, Seetang und Spanischen Pfeffer. Getrocknetes Lamafleisch wurde eingepackt oder auch an den Dachsparren aufgehängt.

Am 8. Januar 1548 setzten sich die königlichen Truppen unter La Gasca in südlicher Richtung auf Cuzco in Marsch, wobei sie dem langen, engen Tal folgten, das im Westen durch den MantaroFluss begrenzt ist. Sie kamen durch Huancayo, das auch damals ein bedeutendes Marktzentrum war, und dann nach Marcavilcas.

Die Schlucht, die sich der MantaroFluss — in alter Zeit hiess er Angoyacomayu — gegraben hatte, bestimmte die Route der Strasse für die nächsten 16o Kilometer, in denen sie das zerklüftete Land zwischen Jauja und Vilcashuamän, dem geographischen Zentrum des Reiches, durchquerte.

Im Gegensatz zu anderen Flüssen, die sich nach und nach aus Bächen und Rinnsalen bilden, entspringt der Mantaro als reissender, rauschender Fluss aus dem von Eis gesäumten See von Junin, an dessen Ufer die Stadt Pumpu — Bonbön — liegt, die sowohl Hernando Pizarro als auch Pedro de Cieza besuchten. Bis der Mantaro Jauja erreicht, hat er eine tiefe und so enge Schlucht ausgewaschen, dass der königliche Schreiber Pedro Sancho sagte, es gäbe eine Stelle, wo man einen Stein über sie hinüberwerfen könnte. Angesichts dieser geographischen Situation legten die Ingenieure der Inka Strassen hoch auf beiden Seiten der Schlucht an.

Einige Kilometer südlich von Jauja, wo das Tal sich verbreitert, kam Marcavilcas, wo «die Häuptlinge schöne Wohnungen mit dikken Holzbalken, die ein gras gedecktes Dach trugen, für den Inka erbaut hatten». Hier teilte sich die Königsstrasse. Ein Zweig, der weniger frequentiert wurde, ging direkt südlich über dem hohen Ostufer des Flusses weiter; der andere überquerte den Mantaro auf einer Hängebrücke und ging in derselben Richtung weiter, wobei er die hohen Berge auf der Westseite überschritt und stellenweise Ausblicke auf die Schlucht bot.

Die Königsstrasse ging über eine «Netzbrücke» bei Ancosyaco (Huamän Poma erwähnt sie als die «puente de Ancoyaca»), «wo es», wie Pedro de Cieza sagt, «weisse Felsen gibt, denen eine Salzwasserquelle entspringt». Dieses geographische Merkmal ist heute noch vorhanden. Von diesem Punkt aus kletterte die Haupttreppenstrasse zum Tampu von Acos hinauf. Kurz vor Acos bog eine Querstrasse nach Westen ab, stieg die Berge von Chongo Alto hinauf, kam durch die heutige Hacienda de Incahuasi (wo es natürliche heisse Bäder gibt) und ging nach Santa Rosa weiter. In ihrem weiteren Verlauf nach Westen zur Wüstenküste stieg sie auf einer Reihe von eindrucksvollen Treppenwegen durch Yuayos, Juniga, Cruz Blanca und Machurango ab, ging dann entlang des oberen Teils des Catietetals weiter, wo die Strasse mit viel Geschick in die Flanken der Schlucht hineingebaut war und mündete dann in die Hauptstrasse an der Küste.

Hinter Acos ging die Hauptstrasse durch die Anden weiter nach Picoy und führte zu den Wohnungen der königlichen Inka, wobei «die Strasse ganz mit Steinstufen von geringer Höhe ausgelegt ist». Als nächstes kam das Tampu von Paucara, und der Weg dorthin war «so gut angelegt und breit, dass man glaubt, auf ebenem Boden zu gehen und nicht im Gebirge». Paucara war auf dem Kamm des Gebirges erbaut, und seine Indianer lebten in den Höhlen der schroffen Berge. Die Inka hatten in den Fels eine Festung gebaut, die in ihrer massiven Stärke aussah wie eine Burg mit Türmchen. «Ich schlief eine Nacht darin», schrieb ein durchreisender Spanier, «sie war i 20 Meter hoch mit so vielen natürlichen Höhlen, dass sie über hundert Männern und Pferden Schutz gewähren konnte.» Diese Beschreibung wurde 1616, also im nächsten Jahrhundert, bestätigt. Als der Karmeliterpater Antonio Väsquez de Espinosa in Ausübung seiner Pflichten die Herde neuer Christen besuchte, kam er auf seinem Maultier hier auf der Inkastrasse vorbei. Sein

Am 27. Oktober 1533 schlug Francisco Pizarro nach einem Aufenthalt von zwei Wochen auf dem letzten Abschnitt seiner Reise nach Cuzco diese Strasse ein. Ohne diese meisterhaft angelegten und ausgebauten Strassen wäre es unmöglich gewesen, dass berittene Männer die Stadt erreicht hätten. «Nach Gott waren es die Inkastrassen, die uns zum Sieg verhalfen.» Die Mantaroschlucht ist nur ungefähr hundert Kilometer lang, aber die Strasse zu bewältigen, war für die berittenen Spanier «wie eine kleine Höllenfahrt».

Das nächste Tampu nach Paucara war fündundzwanzig Kilometer entfernt in Parcos. Um es zu erreichen, musste man noch höher hinaufsteigen. Der junge Sekretär Pedro Sancho, der den Bericht über die Verteilung von Atahualpas Lösegeld schrieb und auch eine Darstellung seines Anteils an den damaligen Vorgängen hinterliess, beschrieb den schrecklichen Aufstieg nach Parcos: «Wir mussten noch einen gewaltigen Berg ersteigen. Wenn man von unten zu ihm hinaufsah, musste man es für unmöglich halten, dass Vögel ihn durch die Luft fliegend erreichten, geschweige denn Männer auf Pferden. Aber die Strasse war dadurch weniger ermüdend, dass sie im Zickzack anstieg, und nicht in gerader Linie. Zum grössten Teil bestand der Weg aus grossen Steinstufen, die die Pferde sehr anstrengten.»

Nach dem Tampu von Parcos, «das auf dem äussersten Rand des Gebirges erbaut ist», ging die Strasse wieder bergab, und Sancho und die anderen mussten mit einer weiteren steilen Strasse fertig werden, die hinunter zum Mantaro führte. Cieza erinnert sich, dass der Fluss von oben wie eine sich windende Schlange aussah. Die Strasse überwand den Höhenunterschied von 600 Meter nach Marcas auf einer langen Reihe von in Stein verlegten Stufen und bediente sich einer Hängebrücke, «die an grossen steinernen Türmen hing». Diese Türme sind heute noch zu sehen. Die Königsstrasse führte dann weiter nach dem Tambo de Yangar, wo heute die Stadt Azängaro mit ihren eindrucksvollen Ruinen steht.

Die ursprüngliche Route der Strasse verlief nun nahe bei Viaque — heute Hauri —, «wo es», wie Cieza feststellte, «einige grosse und bedeutende alte Gebäude gibt, die, nach ihrem verfallenen Zustand zu urteilen, hier schon seit Menschengedenken stehen müssen». Cieza fand ganz richtig, dass die Ruinen Ähnlichkeit mit denen der berühmten Stätte von Tiahuanacu in Bolivien haben.

Hinter Hauri, das in einer Höhe von 2400 Meter liegt, erreichte die Strasse ein warmes, von Kakteen übersätes Tal; dieses führte nach Quinoa. Die heutige Volkskunst von Quinoa ist weithin bekannt, da sie, wenn auch nur noch in Andeutung, etwas von der alten Töpfertechnik bewahrt hat.

In ihrem weiteren Verlauf kam die Strasse durch Chupas und ging nun nach Südosten, wobei sie sich mehr als 3000 Meter über den Meeresspiegel erhob. Hier überquerte sie die hohe Puna von Sachabamba, eine weite Steppe mit goldfarbenem Gras, wo man auch heute noch die über sechs Meter breite und von niedrigen Mauern eingefasste Strasse auf ihrem Weg über die Ebene deutlich sehen kann. Von hier aus führte die Strasse wieder zu dem kleinen See von Pomacocha hinab, der in einer Mulde liegt und eine Oase in dieser unfruchtbaren, dürren Gegend darstellt.

Der See, von dem ein Konquistador schreibt, dass er an der breitesten Stelle nicht einmal vier Armbrustschüsse — 120 Meter — breit sei, war und ist es heute noch, mit regelmässig angelegten Stützmauern terrassiert. An seiner schmalsten Stelle hat er einen Damm. Der so regulierte Oberlauf entleerte sich in den VischongoFluss.

Die Ruinen von Pomacocha sind ein gutes Beispiel der hervorragenden technischen Präzision der inkaischen Baumethoden, denn alle Quadersteine sind, wie in der ganzen Inkaarchitektur, unzementiert und erhalten ihre Statik nur durch ihr Eigengewicht. Auf dem festen Boden am See steht ein sechs Meter hoher freistehender Felsblock. Seine Seitenflächen sind abgerundet, und Quadersteine sind so sorgfältig und kunstvoll in die Felsmasse hineingearbeitet, dass man nur schwer unterscheiden kann, was vom Menschen bearbeitet und eingefügt und was gewachsener Fels ist. Oben in der Mitte dieser gewaltigen gerundeten und abgeflachten Felsoberfläche ist ein steinerner Sonnenuhrzeiger von einem Meter Höhe, der, wie «der Inka» Garcilaso de la Vega sagte, von den Priestern dazu benutzt wurde, zu bestimmen, «welche Tage lang und welche kurz wären und wann die Sonne unterginge und wann sie wiederkäme». Diese Stätte hatte nur eine kurze Berührung mit der Geschichte, als sie während der Bürgerkriege als «ein Platz in starker Position» erwähnt wurde.

Von hier erreicht man in einem einstündigen Ritt Vilcashuamänt.

 

 

 

 

 

 


Vorinkaischer Wandteppich aus dem elften Jahrhundert. Detail eines grossen Altarbehanges aus dem achtzehnten Jahrhundert. In dieser Arbeit, die von indianischen Künstlern für die Kolonialherren hergestellt wurde, zeigt sich, wie trotz aller Christianisierungsversuche der herrschenden europäischen Mächte der indianische Einfluss immer wieder zum Vorschein kommt. Hier zeigt er sich in der stark stilisierten Gestalt und den manierierten Händen.


Auf der Halbinsel Paracäs im Süden Perus befinden sich die 2000 Jahre alten Grabstätten eines Volkes, das seine Toten sitzend begrub, eingehüllt in schön gewebte Stoffe. Vier Beispiele zeigen, warum man heute diese Arbeiten als Spitzenleistungen textiler Kunst einstuft.


Handgewebte Mütze, wie sie die Männer der ChuquisacaIndianer trugen. Charles d'Orbignys 183o entstandene Zeichnung von ChuquisacaIndianern in farbiger, handgewebter Tracht.

 

 

 

 

Vilcashuamän, die Stadt des Erderschütterers

Vilcashuamän liegt auf einem hufeisenförmigen Plateau. Der VischongoFluss, weit unterhalb und nur durch ein dumpfes Brausen bemerkbar, hat sich seinen Lauf um die Stadt herum gegraben und umkreist das hohe Massiv auf drei Seiten. Damals wie heute hat die Stadt einen weiten Hauptplatz, der gross genug ist, um so 000 Menschen Raum zu gewähren. Auf der östlichen Peripherie befindet sich ein bis heute erhaltener Sonnentempel, der der einzige im ganzen Inkareich ist, bei dem noch Teile seiner ursprünglichen architektonischen Gestalt bewahrt geblieben sind — wenn es auch möglich ist, dass das fragliche Gebäude ein königlicher usno, ein «Inspektionsplatz», ist. Erhalten geblieben sind eine Treppe, die nach Ciezas Zählung dreissig Stufen hatte, und oben auf dem abgestumpften Gebäude liegt ein einzelner Stein von drei Meter Länge und zwei Meter Breite, aus dem zwei Sitze ausgehauen sind.

Im Süden war der Tempel der Sonnenjungfrauen, der schon vor langem in die dortige Kirche eingefügt wurde, während in einem anderen Teil der Stätte genügend von dem ursprünglichen Bau übriggeblieben ist, um den Grundriss der einstigen königlichen Inkawohnungen erkennen zu lassen. Die Strassen von Vilcashuamän waren eng, mit Steinen gepflastert und von Häusern gesäumt. Das Gebäude ist eine Masse von Quadersteinen, die mit grosser Kunstfertigkeit aufeinandergeschichtet sind.

 


Die ChinchasuyuStrasse von Vilcashuamän nach Cuzco

Pedro de Ciezas Gewährsmann sagte, mit dem Bau der Stadt sei vom neunten Inka Pachacutic — «Erderschütterer» — begonnen worden, und sein Sohn Topa Inka habe sie erweitert und ihr den Status einer Provinz mit einem eigenen tukrikuk — Gouverneur — verliehen, der zuständig für über 200 000 steuerzahlende Indianer war. Die ursprünglichen Bewohner, die Tanquiha, waren dem Reich eingegliedert worden, und um diesen Prozess zu beschleunigen, wurden ketschuasprechende Leute, die grossohrigen Anta, in grosser Zahl hierher umgesiedelt. Hinter der Stadt erhebt sich der gibraltarähnliche Fels von Pillucho, auf dem noch Hunderte von colca zu sehen sind. Cieza schätzte, dass da 700 von diesen Lagerbehältern waren, die das ganze Gebiet versorgten. Wegen eines gefährlichen Übergangs über den Fluss wurde im späten siebzehnten Jahrhundert die ursprünglich aus Vilcashuamän herausführende Strasse aufgegeben, nachdem eine neue Trasse gelegt worden war, und die alte Strasse verfiel. 1845 fertigte Uonce Angrand, der französische Konsul in Lima, die erste Abbildung davon an, aber erst 1953, als die VonHagenExpedition die Stätte erforschte, wurde ein genauer Lageplan der Ruinen aufgezeichnet.

Da Vilcashuamän das geographische Zentrum des Reiches war, war es auch ein wichtiger Strassenknotenpunkt. «Als ich», schrieb Pedro de Cieza, «nahe bei Vilcashuamän war, traf ich auf drei oder vier Strassen. Einmal verirrte ich mich sogar auf einer, die InkaYupanquiStrasse hiess.»

Jede Strasse trug den Namen des Grossinka, der sie erbaut oder geplant hatte. Das erinnert an die Praxis der Römer, ihre Strassen nach Konsuln oder Kaisern zu benennen. Die erste Strasse war, nach Cieza, diejenige, die Inka Yupanqui — also der grosse Pachacutic —erbaut hatte; die zweite war nach seinem Sohn Topa Inka benannt, der von 1471 bis 1493 herrschte und die Königsstrasse von Cuzco bis hinunter nach Chile erweiterte; die dritte und letzte war die von Huayna Capac, der 1527 starb und die Strasse über Quito hinaus nach Norden bis Ancasmayu und nach Süden weiter nach Chile hinein verlängerte. Vom einen Ende bis zum anderen war die Entfernung ungeheuer — 61 oo Kilometer.

Die erste der drei Strassen war eine überaus wichtige Querstrasse, die in der heissen Wüste des Piscotales endete. Sie verliess Vilcashuamän in westlicher Richtung, stieg die steilen Abhänge von Quicapata in die Schlucht von LambrasHuaycco hinab, ging weiter zum Tampu von Totas und Paras und kreuzte dann die Puna in einer Höhe von über 5 000 Meter bis zur grossen Inkafestung Huaytara am Anfang des Flusses und Tales von Pisco.

Alonso Enrfquez de Guzmän, einer der frühen Konquistadoren, «ein Diener des Königs und eine bedeutende Persönlichkeit», wie er von sich selbst schrieb, kam nach Peru, um sein Glück zu machen, und war einer der wenigen, die diese Strasse einschlugen und über sie schrieben. Er stürzte mit seinem Pferd, «das 2000 Dukaten wert war; wir fielen beide einen Abhang hinunter; das Pferd wurde zerschmettert, und ich brach den linken Arm, quetschte mir das Bein und zog mir eine Kopfwunde zu. Oh, die Mühsale, die man in diesen Ländern zu erdulden hat, sind so furchtbar, dass die Männer, die kommen, ausdauernd und kräftig sein müssen, nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Eisen und Stahl. Bin ich hierher gekommen, um meinen Verstand zu verlieren, meine Zeit zu vertrödeln und meine Zähne einzubüssen?»

Wenige Kilometer vor Huaytara ist ein Tampu, das man heute unter dem Namen Incahuasi — das «Haus des Inka», das ist nicht der ursprüngliche Name — kennt. Max Uhle, der es 1901 sah, beschrieb, dass es «in einer kleinen, talähnlichen Mulde liegt. Zwei oder drei Gebäude stehen direkt an der Strasse [nach Vilcashuamän].» Von dort ging die Strasse weiter nach Huaytara, wo noch die Reste eines steinernen Inkabades zu sehen sind und wo ein Tampu ist, in diesem Fall ein königlicher Ruheplatz, und eine Festung, auf deren schön verlegten vieleckigen Mauern eine Kirche erbaut wurde.

Eine der ersten Massnahmen von Diego de Almagro bei seinem Feldzug, um Francisco Pizarro daran zu hindern, Cuzco einzunehmen, das seiner Meinung nach zu seinem Lehnsgebiet gehörte, war, im Dezember 1537 eine Kompanie seiner Leute zur Verteidigung von Huaytara und insbesondere der starken Inkafestung, die den Pass beherrschte, auszusenden. Später verfolgte Francisco Pizarro Almagros Truppen auf dieser Strasse, und als seine Soldaten die schneebedeckten Höhen beim Tampu von Incahuasi erreichten, «wurden sie von Schwindel befallen und litten so an Qual, dass sie sich erbrachen, taumelten und die Waffen wegwarfen». Das war eine Strasse, die von den Heeren der Inka ständig begangen wurde und eine derjenigen, die ihnen dazu dienten, die Eroberung der Küstengebiete durchzuführen.

Bei Huaytara begann der Abstieg, der einer im Zickzack verlaufenden Stufenstrasse zehn Kilometer weit folgte und von Pedro de Cieza als holperig bezeichnet wurde. Unterhalb von Huaytara teilte sich die Strasse; ein Zweig ging das Piscotal hinunter, der andere über schwieriges Gelände nach Ica, ebenfalls an der Küste. Eine andere Strasse zur Küste, die in Vilcashuamän begann, überschritt den PampasFluss auf einer Hängebrücke, durchquerte die von den Stämmen der Sora und Rucana bewohnten Höhen und folgte dann einem Flusstal bis zur Vereinigung mit der vom Gebirge herabführenden Strasse. Die Strasse ging dann weiter zu den Nazca, einer Reihe grosser Dörfer entlang der heissen Wüstenküste, und vereinigte sich mit der Küstenstrasse der Inka.

Pizarros Heer, das mit all seinen berühmten Hauptleuten — Hernando de Soto, Almagro, Juan Pizarro — der jüngste Bruder von Francisco — und anderen — auf der Strasse nach Cuzco vorrückte, ritt am 29. Oktober 1533 bei Tagesanbruch in Vilcashuamän ein. Die Geschwindigkeit des Vormarsches hatte die Truppen der Inka überrumpelt. «Sie liessen ihre Zelte, Frauen und auch einige Männer in Vilcas zurück. Wir nahmen diese gefangen und nahmen alles in Besitz. Am nächsten Tag griffen die Indianer an und töteten ein weisses Pferd, das Alonso Tabuyo gehörte. Wir mussten uns auf den Hauptplatz von Vilcashuamän zurückziehen.»

Weder der grosse Platz noch die Stadt selbst hatten sich fünfzehn Jahre später merklich verändert, als am 15. Januar 1547 ein neues Heer eintraf, nämlich das von Präsident La Gasca, das nun im Namen des Königs gegen so manche derjenigen, die damals den ersten Einmarsch in Vilcashuamän gemacht hatten, kämpfte. La Gasca hatte sich der Stadt mit grosser Vorsicht genähert, denn es war ihm berichtet worden, dass Francisco de Carbajal mit rasch zusammengezogenen Männern heranrückte, um den loyalen Truppen den Übergang über die grosse Hängebrücke vor ihnen am PampasFluss zu verwehren. Er bedrohte sie schon bei Andahuaylas, dem nächsten grösseren Halteplatz, so dass La Gasca, wie er in seinem langen Bericht nach Spanien vom 7. März 1548 darlegte, befahl, dass «seine Hauptleute die Brücke bei Vilcas einnehmen und halten sollten».

Die Capac Nan, die Königsstrasse nach Cuzco, begann am südöstlichen Rand des Hauptplatzes. «Von hier», sagte Cieza, «geht die Strasse weiter zum nächsten Tampu in Uranmarca.»

Um die «Brücke von Vilcas» zu erreichen, muss der Reisende 1600 Meter in weniger als fünf Kilometern absteigen, indem er einen Zickzackweg über eine Strasse aus steinernen Treppen macht. Sogar schon 1533, als die Strasse noch in ihrem ursprünglichen Zustand war, beklagte sich Pedro Sancho, dass «die Reise [von Vilcas nach Uranmarca] zwar kurz war, aber mühsam, weil man den ganzen Weg absteigen musste, und zwar auf einer Strasse, die fast ganz aus Steinstufen bestand». Hinter Vilcashuamän kam Pillaiccasi, eine jetzt in Ruinen liegende Zollstation. Von dort aus zählte die VonHagenExpedition über dreitausend Stufen, wobei die Strasse fast zwei Meter breit war. Die meisten Stufen befinden sich noch in ihrer ursprünglichen Position.

Nach dem Hochland, 1300 Meter weiter oben, erscheint das Tal wie ein Backofen. Es ist von gewaltigen Kakteen, die ihre stacheligen Arme emporhalten, und einer grossen Vielfalt von xerophytischen Pflanzen begrünt. Diese heissen Gegenden werden yungas genannt, «und hier an diesem Fluss von Vilcas», sagte Cieza, war Diego de • Almagro, als er sich von den Höhen von Huaytara zurückzog, «so krank, dass er vier Tage in der Hitze verbrachte, um sich zu kurieren».

Bei der Liegenschaft de Pariabamba, wo zwei Flüsse in den Pampas einmünden, flacht sich das Tal zu einem breiten Cafion ab. Da es hier keine überhängenden Felsen gibt, erbauten die Ingenieure der Inka zwei massive Steintürme zum Aufhängen der Taue der zweitlängsten Brücke im Inkareich. Pedro Sancho gibt zu, dass er Furcht hatte, die Brücke zu überschreiten: «Jemand, der nicht daran gewöhnt ist, muss den Übergang für gefährlich halten, weil die Hängebrücke bei ihrer langen Spannweite durchhängt, so dass man bis zur Mitte ständig hinuntergeht und von dort bis zum anderen Ufer wieder ansteigen muss. Ausserdem schwankt die Brücke und schaukelt stark, wenn jemand darüber geht, was einem in den Kopf steigt, wenn man es nicht gewöhnt ist.» Der zuverlässige Pedro de Cieza stellt fest, dass, «als ich über die Brücke ging, zwei gewaltige Steintürme mit tiefen Fundamenten vorhanden waren [die zum Teil noch zu sehen sind], an denen die Hängebrücke aufgehängt war. Sie war sechsundsiebzig Schritte lang und so stark, dass Pferde darüber galoppieren konnten, als ob sie über die Brücke von Alcäntara [von Kaiser Trajan über den Tajo erbaut] oder die von Cördoba gingen.» Pedro Sancho de la Hoz, der sie 1533 mit Francisco Pizarros Kavallerie überquerte, meinte, «sie sei 361 spanische Fuss lang und breit genug für zwei Pferde nebeneinander». Als jedoch La Gasca 1547 sie mit Pferden und Artillerie einen ganzen Tag lang überschritt, fand er, «dass die Brücke nicht sehr stark war und periodisch während der Nacht mit neuen Seiltrossen repariert werden musste».

Die Brücke mit ihren dicken Seiltrossen aus cabuyaFasern musste ständig erneuert werden — mindestens alle zwei Jahre. Sie war noch im siebzehnten Jahrhundert in Gebrauch, da Huamän Poma, der Historiker der inkaischen Welt, berichtete, wo die Leute wohnten, die die Brücke unterhielten.

Auf der anderen Seite des PampasFlusses war wieder eine Steintreppenstrasse. Sie stieg fast auf dieselbe Höhe hinauf, von der die Strasse vorher abgestiegen war. Auf halbem Weg hinauf war das Dorf Uranmarca, «wo sich», wie Cieza sagt, «die Wohnungen von Uranmarca, das eine MitimaeSiedlung ist, befinden». Diese Kolonie von loyalen ketschuasprechenden Menschen war in dieses Gebiet verschickt und mit einer Starthilfe ausgestattet worden, wo es vorher keine Siedlungen gegeben hatte, und es war ihre Aufgabe, Unterkünfte für diejenigen bereitzustellen, die die Strasse benutzten, und die Vilcasbrücke instand zu halten.

Andahuaylas, das im weiteren Verlauf der Strasse auf einem weiten, fruchtbaren Plateau in einer Höhe von 3000 Meter lag, war, wie Huamän Poma berichtete, «eine Stadt und ein königliches Tampu». «Als ich 1548 nach dem langen, schwierigen Anstieg aus dem Tal des Pampas hierher kam», schrieb Pedro de Cieza, «war der Herr der Stadt ein Curaca namens Huasco. Die ursprünglichen Einwohner waren Chanca. Sie kleideten sich in Decken. In früheren Zeiten waren die Chanca überaus tapfer. Sie eroberten grosse Ländereien und waren so stark, dass sie sogar Cuzco besiegten. Hanco Huallu, der ChancaHäuptling, der sich den Inka ergab, war in dieser Provinz Andahuaylas bekannt dafür, dass er die Herrschaft der Inka nicht anerkennen wollte und daher mit seinen Anhängern in die entfernteren Berge floh und sich am Ufer eines Sees unterhalb des MoyabambaFlusses niederliess.» Moyabamba liegt in der Montafia des oberen Amazonas, über i5oo Kilometer von Andahuaylas entfernt. Es zeugt für die Entschlossenheit der Chanca, sich der Inkaherrschaft zu entziehen, dass sie eine so grosse Strecke des von den Inka beherrschten Gebiets durchwanderten und dennoch einen so bedeutenden Teil des Stammes unversehrt in die Freiheit brachten; und es beweist, wie gross die Furcht der Inka vor den Chanca war, dass sie, um sie einzuholen und wieder zu unterwerfen, sich daranmachten, eine der berühmtesten Strassen der Geschichte von Jauja nach Chachapoyas entlang des Oberlaufs des MarafiönFlusses zu bauen, um sie zu finden.

Die Chanca waren nur eine der vielen andinen Stammeseinheiten, aber sie waren, wie die Inka, unruhig und unbezähmbar. Sie machten eine totemistische Abstammung vom Puma geltend, und an ihren grossen Festen kleideten sich die Curaca zu ihren Tänzen in Pumafelle. Andahuaylas war lange ein Pufferstaat zwischen den Chanca und den Inka, aber im Jahr 1400 rückten die Chanca weiter nach Süden vor, um die strategisch wichtigen Gebiete von Abancay und Curahuasi, die zwei Brücken von entscheidender Bedeutung beherrschten, unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Chanca warteten mit ihrem Angriff auf Cuzco, bis der achte Inka Viracocha ein alter Mann geworden war. 1437 überschritten sie den ApurimacFluss, unterwarfen das ganze umliegende Gebiet und belagerten Cuzco. Der alte Inka floh, aber sein Sohn Pachacutic sammelte die Truppen wieder, schlug die Chanca in einer entscheidenden Schlacht, so dass sie in Vergessenheit gerieten, bis Hanco Huallu mit 8000 Stammesmitgliedern seinen Fluchtzug unternahm.

Da das Stammesgedächtnis lange anhält, kamen die Chanca den Streitkräften der Inka nicht zu Hilfe, als sie von den Spaniern verfolgt wurden. So wurden sie ohne Mühe unterworfen, und Andahuaylas wurde Diego Maldonado, mit dem Spitznamen «der Reiche», als encomienda gegeben. Aus Salamanca stammend, hatte er an der Ergreifung von Atahualpa teilgenommen und wurde dafür mit 362 Mark Silber und 776o Peso Gold belohnt. 1548 war er auf der Seite von Pizarro, wartete aber auf eine Möglichkeit, um zu den Streitkräften von La Gasca überzulaufen.

Pedro de Cieza fand, «dass Andahuaylas gut versorgt mit Lebensmitteln war. Wir verbrachten dort mit Präsident La Gasca viele Tage, während er das Heer rüstete, um die Rebellion von Gonzalo Pizarro niederzuschlagen.»

La Gasca sagte, er sei Ende Januar hier angekommen und «habe die Leute, die das Land kennen, ausgefragt und einen Schlachtplan gemacht», denn es gab viele Orte, wo durch einen entschlossenen Hinterhalt seine ganze Armee vernichtend hätte geschlagen werden können. «Am 2. Februar», so fährt der offizielle Bericht fort, «traf Sebastiän Belalcäzar mit zwanzig Reitern in Andahuaylas ein, worüber grosse Freude herrschte, denn er wird hochgeschätzt.» Pedro de Cieza gehörte zu diesen Reitern.

Das Heer setzte nun seinen Marsch über die Königsstrasse fort und bewegte sich in südlicher Richtung auf Cuzco zu. Die Strasse passierte den Engpass von Cumu Huillca und stieg dann in das Tal von Pincos ab, wo ein Spanier trotz des Bürgerkriegs eine Zuckermühle errichtet hatte, um das im Tal angebaute Zuckerrohr zu verarbeiten. Nach einem kurzen Anstieg hinter Pincos war die hier wegen des Regens gepflasterte Strasse nur noch wenige Kilometer von der Festung Curambä entfernt.

Die Stätte von Curambä, neben der Inkastrasse auf einem Plateau gelegen, war seit 1534 bekannt. Man erinnert sich mit gutem Grund an sie, denn hier fanden die Spanier zwei sechs Meter lange Silberbarren. Die Strasse führt von Norden her auf den rechteckigen Hauptplatz, nachdem sie einen Pass überquert hatte. Der Hauptplatz hatte vier mit Stein ausgelegte Gehsteige, an denen drei halbmondförmige Reihen von Gebäuden standen; diese könnten — wie Pedro Pizarro, der junge Page seines Onkels, des Eroberers, meinte — ein Dorf der Sonnenjungfrauen beherbergt haben. In der Mitte des Platzes war eine abgestumpfte Pyramide, die man, wie bei der Pyramide von Vilcashuamän, auf Steintreppen erstieg. Curambä war nicht nur ein Tampu, eine Tempelstadt und eine Festung auf halbem Weg zwischen Andahuaylas und der nächsten Brücke, sondern hatte auch Bedeutung als Zentrum für das Schmelzen von Gold, Kupfer und Silber. Die Schmelzöfen, von denen manche noch zu sehen sind, waren über die Huayrapampa — die «Ebene der Windöfen» verstreut. Von Hand bediente Blasebälge konnten nicht immer genug Hitze für das Schmelzen des Erzes erzeugen; daher machten sich die Inka den ständig von den Bergen von Vilcabamba herunterwehenden Wind zunutze, um die gewünschten hohen Temperaturen zu erzielen. Da es in der ganzen Gegend von Vilcabamba viele von den Inka benutzte Goldwaschplätze gab, war eine Strasse gebaut worden, die diese mit Curambä verband.

Die östliche Strasse führte nach Wiriaysunu und hatte eine Verbindung zu der bedeutenden Festungsstadt Choqquequirau über dem Nordostufer des ApurimacFlusses.

Curambä war ein strategisch sehr wichtiger Platz, da es die Königsstrasse nachhaltig blockieren und den Zugang zur Brücke sperren konnte. Hinter der Stadt stieg die Strasse ab. Sie führte über den Pass von Bajada de Huancarama zu dem Dorf gleichen Namens, wo die gepflasterte Strasse noch heute zu sehen ist. Weiter unten kam die Strasse zu einem kleinen Süsswassersee und zu dem Dorf und Tampu Cochacajas. Dieser Platz hatte, wie alle derartigen strategisch gelegenen Stätten, die Aufgabe, eine Brücke zu beschützen, auszubessern und zu bewachen — in diesem Fall die Brücke über den PachachacaFluss. Cochacajas war auch eine bedeutende Strassenkreuzung.

Bevor die Hauptstrasse die Brücke erreichte, traf sie sich mit einer Querstrasse, die nach Westen zur pazifischen Küste führte. Die Ingenieure der Inka planten die Strasse so, dass sie entlang des nördlichen (linken) Ufers verlief und daher keine weitere Brücke über diesen ungebärdigen, zum Amazonas fliessenden Fluss erforderte. Die Querstrasse verlief in der Nähe, mehr oder weniger parallel zu der modernen Strasse durch dieses Gebiet und führte dann durch Pichichua, Tintay und Toraya über die hohe Puna, auf der es hauptsächlich riesige Herden von wilden Vicurias und Viscachas — der Chinchilla verwandt — gab, zu dem eiskalten Parcosee. Dieser liegt im Einzugsgebiet des Pazifik. Von dort aus verlief die Strasse den ganzen Weg bergab zu den Wüstentälern der Nazca, wo sie sich mit der Küstenstrasse vereinigte.

Eine Stunde Marsch entfernt von Cochacajas, wenn man auf der Hauptroute der Königsstrasse reiste, waren Fluss und Brücke von Pachachaca — chaca ist das Ketschuawort für Brücke. Der Pachachaca ist ein enger, schnellströmender Fluss, der in den AimaraesBergen in den westlichen Anden entspringt. An dem Punkt, wo die Strasse ihn überquert, fliesst er durch eine Schlucht mit senkrechten Wänden und ist nicht zu durchwaten. Die Inka überbrückten ihn, indem sie Hängetaue verwendeten, die durch starke Pfeiler getragen wurden.

Während der Eroberung und der Bürgerkriege wurde die Brücke mehrmals niedergebrannt. Am 12. Juli i 5 3 7 standen sich hier Truppen gegenüber und schossen aufeinander, um die Brücke zu besetzen. Nachher wurde sie der Ort für Waffenstillstandsverhandlungen der beiden Parteien. «Ich wurde dazu ausersehen», schrieb Alonso Enriquez de Guzmän, der den Vorfall in seiner Autobiographie beschreibt.

Gesäumt von weissen abancayLilien — «wie die unsrigen in Spanien, aber ohne deren Duft», stieg dann die Inkastrasse aus dem Tal hinauf und kam, nachdem sie das Tampu von Abancay passiert hatte, auf die hohe, baumlose Puna, die über Mittag unmässig heiss und bitter kalt in der Nacht ist. Hier, wo kein Hindernis im Wege war, wurde die Strasse breiter und bekam ihre offizielle Standardbreite von ungefähr sieben Meter. So breit blieb sie auch, als sie über den Pass von Abancay, auf dem höchsten Punkt der Puna, führte.

Dank einer ungewöhnlichen Kette von günstigen Umständen gibt es hier einen guterhaltenen Strassenabschnitt mit Überresten eines nahegelegenen kleinen Rasthauses und ganz oben einer apacheta.

Die apacheta ist ein Sühnesteinhaufen, eine Pyramide aus kleinen, meist an den höchsten Punkten der Strasse gefundenen Steinen. Die Übersetzung des Wortes apacheta erläutert ihre Funktion: apa = Last, cheta = Einleger. Jeder Passant fügte dem Steinhaufen einen Stein hinzu, der das Symbol der Last war, die er trug. «Die Indianer», sagte der Jesuit Jose de Acosta, «bringen einen kleinen Stein, den sie kurz vor Erreichen der apacheta von der Strasse aufgelesen haben. Sie glauben, dass sie, wenn sie ihn auf die apacheta werfen, ihre Müdigkeit hinter sich lassen und dass die Götter ihnen neue Kraft verleihen werden.»

Nach dem Pass stieg die Strasse wieder ab und trat in ein langes Tal ein. Hier sind die Steine von Conchaca oder Sayhuite gelegen —mehrere freistehende Kalksteinfelsblöcke, von denen einer, oval und sechs Meter lang, vier Meter breit und dreieinhalb Meter hoch, mit den phantastischsten Figuren und Formen skulptiert ist. Die Bildhauer, die zumeist mit Steinkeilen arbeiteten, gingen mit diesem gewaltigen Felsblock ebenso mühelos um wie etwa ein orientalischer Künstler mit einem Stück Elfenbein und meisselten Eidechsen, Pumas, Viscachas, Schlangen, Meerschweinchen und Stufen ein — ein kompliziertes Labyrinth von Symbolen, deren genaue Bedeutung nicht mehr festzustellen ist.

Der früheste Bericht über diese Steine stammt aus dem Jahr 1847, als der französische Konsul Leonce Angrand sie besuchte und eine Reihe von Zeichnungen des grossen ovalen Steins hinterliess. Diese Zeichnungen werden in der Nationalbibliothek von Paris aufbewahrt. E. G. Squier machte eine Fotografie von einem anderen der Steine. Er glaubte, dass dieser, den man auf einer aus dem Stein gehauenen Treppe ersteigen kann und der einen Behälter für knapp fünf Liter Flüssigkeit enthielt, die in Leitungen auf allen Seiten floss, Trankopfern diente, die die Priester — amantua — tranken, weil sie glaubten, dass sie dadurch an dem Gott des Orakels teilhatten, der in dem Felsen lebte. Auf der anderen Seite waren eine Tür und eine Höhle, die gross genug für einen Menschen war, aus dem Felsen ausgehauen. Aber der genaue Zweck des Steins bleibt ein Rätsel.

Von hier aus braucht man eine Stunde bis zum nächsten Tampu in Curahuasi, das Huamän Poma als «königliches Tampu, Dorf, Brükke von Apurimac» aufführt. Die Funktion, die die Einwohner von Curahuasi zu erfüllen hatten, steht daher ausser Zweifel: Sie mussten die Strasse, die zur Brücke führte, reparieren und unterhalten und alle zwei Jahre die gewaltigen Taue, an denen die Brücke aufgehängt war, erneuern. Es gibt noch umfangreiche Reste der Siedlung Curahuasi, einschliesslich einiger drei Stock hoher Gebäude, was für Inkabauwerke ungewöhnlich ist. Man sieht noch, wo die Königsstrasse auf den Hauptplatz mündete und ihn wieder verliess.

 

 

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