Die Wege der
Inkas Teil 2
Author D.SelzerMcKenzie
Videos:
Die goldenen Heerstrassen
der Inka
Der Raum war
ausgemessen. Der Sekretär Francisco de Xer6z hatte mit seinen mathematischen
Kenntnissen, deren er sich rühmte, berechnet, dass der von Atahualpa bestimmte
Raum fünf Meter breit, knapp sieben Meter lang und zweieinhalb Meter hoch war
und ein Fassungsvermögen von etwa 8 5 Kubikmeter hatte. Atahualpa hatte
versprochen, ihn einmal mit Gold und zweimal mit Silber zu füllen. Francisco Pizarro
war über dieses Lösegeldangebot so überrascht, dass er Xerz kommen liess, um
das als «formelle Verpflichtung» zu bezeugen. Es war spät im November 1532.
Pizarro fragte
Atahualpa, wie lange seine Boten brauchten, um die 1500 Kilometer lange Strecke
bis zur Stadt Cuzco zurückzulegen, und wie lange es dauern würde, bis das
Lösegeldversprechen eingelöst wäre. Atahualpa antwortete vermittels der
anwesenden Dolmetscher: «Wenn die Chasqui ausgesandt werden, laufen sie von
Posten zu Posten, von Dorf zu Dorf; fünfzig in rollendem Einsatz, es wird fünf
Tage dauern.» Das war buchstäblich wahr.
So wurde die
Königsstrasse eine goldene Strasse. Lange Kolonnen von Indianern kamen beladen
mit Gold und Silber in den verschiedensten Formen an. Aber da Gold schwerer ist
als Eisen und ein schwerbeladener Mann höchstens fünfundzwanzig Kilometer am
Tag zurücklegen kann, war der Zufluss an Schätzen nach Cajamarca
unvermeidlicherweise langsam. Zwei, drei, sogar vier Monate vergingen, und
immer noch war der Raum nicht gefüllt. Nicht einmal der schöne Ertrag von
Hernando Pizarros goldsammelnder Reise konnte das Loch stopfen, «obwohl ich 8 5
000 Castellano Gold und 3000 Mark Silber gesammelt hatte». Ein Castellano oder
Peso Gold ist gleichbedeutend mit sechzehn Unzen, und eine Mark Silber ist
etwas mehr als eine Unze.
Der Lösegeldraum
füllte sich, aber nicht mit der Schnelligkeit, die sowohl der Sieger als auch
der Besiegte wünschten. Die Zeit wurde nun für beide Parteien zum Feind. Im
Februar traf Diego de Almagro, Pizarros ursprünglicher Partner bei der
Eroberung, mit Verstärkungen ein, wodurch er zwar nicht das Füllen des Raumes
mit Gold und Silber, das weiterhin zuströmte, beschleunigte, statt dessen
jedoch den Abschied des Grossinka Atahualpa von dieser Erde. Der Transport von
Gold über so grosse Entfernungen — von Quito 1300, von Cuzco i5oo, von Chile
4200 Kilometer — war zeitraubend.
Während Humboldt r8or
in Cajamarca war, wurde ihm «der Raum, in dem der unglückliche Atahualpa neun
Monate lang gefangengehalten wurde, gezeigt». Der Verfasser dieses Buches sah
den Raum 1945 und fotografierte ihn. Er erkannte ihn als typisches
spätinkaisches Gebäude aus schön gefügten Quadersteinen mit mehreren Nischen,
dem Kennzeichen der Inkaarchitektur.
Pizarro erklärte
plötzlich, dass das Lösegeldversprechen erfüllt sei, obwohl die 85 Kubikmeter
noch nicht ganz gefüllt waren. Seine Ankündigung entsprang keinem
tiefverwurzelten humanen Instinkt, sondern erfolgte, weil die Soldaten unruhig
wurden, da sie fürchteten, dass gegnerische Streitkräfte zusammengezogen
würden, und nun, nachdem sie zwei Jahre gewartet hatten, ihren Anteil an der
Beute forderten.
Am 3. Mai 1533 fingen
die Goldschmiede an, das Gold zu zuckerhutförmigen Barren einzuschmelzen, und
kurz darauf begann der Prozess, der zu dem Justizmord an Atahualpa führte. Am
18. Juni 1533 war die Verteilung des Lösegelds von Atahualpa beendet. Am
Samstag, dem 26. Juni r 533, «als die Nacht hereinbrach, holte man den Inka aus
seinem Gefängnis hervor und führte ihn mitten auf den Hauptplatz von Cajamarca;
zum Klang von Trompeten wurde ihm vorgeworfen, Verrat und Treuebruch geplant zu
haben, und er wurde an einen Pfahl gebunden». Als er noch im Gefängnis war,
hatte man ihm versprochen, dass kein Tropfen seines Blutes vergossen würde,
wenn er einwillige, Christ zu werden. Die Christen hielten ihr Versprechen:
Atahualpa wurde ein Strick um den Hals gelegt, und er wurde erdrosselt. Mehrere
Konquistadoren protestierten und setzten zu diesem Zweck sogar eine Denkschrift
auf, die sie unterzeichneten; sie widersetzten sich diesem im Namen Gottes und
der Justiz verübten Justizmord. Der missionarische Eifer der Spanier hatte den
Glauben bis an den Rand des Wahnsinns getrieben: Liebe zu Gott und Liebe zu
Gold waren nun so unentwirrbar ineinander verwoben, dass man unmöglich sagen
konnte, wo die eine endete und die andere begann.
Für Michel de
Montaigne, den berühmten Essayisten, Humanisten und Oberbürgermeister von
Bordeaux, war die Unterscheidung jedoch kein Problem: «Sie erdichteten eine
falsche Anklage mit falschen Beweisen gegen Atahualpa. Der Inka hatte sich als
aufrichtiger, grosszügiger und standhafter Charakter erwiesen. Nachdem die
Eroberer 1000325 Unzen Gold und ausserdem Silber als Lösegeld von ihm erpresst
hatten, liessen sie ihn heimtückisch öffentlich erdrosseln, eine furchtbare und
unerhörte Schandtat.»
Aber alle Pferde und
Männer des Königs konnten Atahualpa nicht mehr zum Leben zurückbringen. Er
erhielt ein prächtiges Begräbnis, worauf sein Volk seinen Leichnam an einen
unbekannten Ort brachte; ein Inka, der nicht mehr als eine Marionette war,
wurde gewählt, und die Eroberer machten sich auf den Weg nach Cuzco.
Dank der
detaillierten Information über die Inkastrasse zwischen Cajamarca und Jauja,
die Hernando Pizarro und seine «Zwanzig» mitgebracht hatten, konnte das
Erobererheer im voraus planen, wann es die verschiedenen Stationen unterwegs
erreichen und wieder verlassen würde.
Pedro Sancho de la
Hoz, der königliche Notar, führte das Tagebuch. Obwohl er erst zweiundzwanzig
war, als die Eroberung begann, verfasste er den Bericht über die Verteilung von
Atahualpas Lösegeld, wobei er überaus sorgfältig jeden Anteil, einschliesslich
seines eigenen, aufschrieb, der 94 Mark Silber und 2220 Peso Gold betrug. Nach
eigener Aussage war er ein Edelmann «von untadeliger Geburt» und wurde Zeuge
aller Ereignisse zwischen 1531 und 1534• Er kehrte dann nach Spanien zurück,
heiratete dort und zog vier Jahre später erneut nach Amerika. Bei der Eroberung
von Chile verlor er dann seinen Kopf. Pedro Sancho berichtete alle Vorfälle, die
sich auf der Inkastrasse nach Jauja ereigneten.
Francisco Pizarro
erfasste sogleich die strategische Bedeutung von Jauja und machte es zur ersten
Hauptstadt der neu eroberten Gebiete. 2600 Meter über Meereshöhe in dem Tal
gelegen, das der MantaroFluss, der an der Stadt vorbeifliesst, sich gegraben
hatte, beherrschte sie sowohl das Tal wie auch vier Strassen. Die grünen Täler
ringsum waren intensiv bebaut, und die Berge über ihr waren belebt von zahmen
Lamas und Alpakas, während es überall in der Gegend kreisförmige Lagerhäuser
aus Stein — colca — gab. Von Jauja verlief in westlicher Richtung der nächste
Weg zur Küste — die Strasse, die Hernando Pizarro vom Heiligtum in Pachacamac
her eingeschlagen hatte.
Pedro de Cieza traf
im Dezember 1547 in Jauja ein, dreizehn Jahre, nachdem die Brüder Pizarro auf
ihrem Marsch zur endgültigen Eroberung von Cuzco durch den Ort gekommen waren.
Er war damals, so wie er es 1533 gewesen war, ein Truppensammelplatz, aber
diesmal richtete sich die Aktion gegen Gonzalo Pizarro.
Gonzalo, der jüngste
der vier Pizarros, war in der verarmten Provinz Estremadura, jener
Geburtsstätte der Konquistadoren, geboren worden. Nach Augustin de Zärate war
er — 1545, als er vierzig Jahre alt war — «gross und wohlproportioniert; sein
Teint war dunkel, der Bart schwarz und sehr lang. Er liebte den Kampf und war
sehr ausdauernd in Mühsal. Er war ein guter Reiter und ein sicherer
Arkebusenschütze. Wenn man die Armut seiner Sprache in Betracht zieht, konnte
er sich gut, wenn auch etwas grob, ausdrücken. Er konnte kein Geheimnis bei
sich behalten und war unmässig in seiner Lust auf Frauen, seien es indianische
oder spanische.» Gonzalo gewann die Zuneigung seiner Männer. Man nannte ihn
«die beste Lanze, die je nach Peru gekommen war». «Die Pizarros», schrieb ein
Zeitgenosse, «wuchsen alle in Armut auf, sie waren so stolz wie arm. Ihre Gier
nach finanziellem Gewinn stand in direkter Proportion zu ihrer Armut.» Gonzalo
hatte seinen Anteil an Atahualpas Lösegeld bekommen, nämlich 384 Mark Silber
und 9909 Peso Gold und hatte einen hervorragenden Anteil sowohl an der
Eroberung als auch an den darauffolgenden Bürgerkriegen. Seine quichotteske
Expedition, um die Quelle des Zimts zu finden — eine Expedition, die 50000 Castellano, zumeist geliehen, kostete und zur
Entdeckung des Amazonas führte —, war nicht weniger heroisch als viele der in
der Ilias beschriebenen Heldentaten. Bei seiner Rückkehr im September 1542,
nachdem er 210 Spanier, 4000 Indianer, 5000 Schweine, rooi Hunde und ganze
Herden von lastentragenden Lamas verloren hatte, traf er die Welt in Peru nicht
mehr so an, wie er sie verlassen hatte: Francisco Pizarro war ermordet worden;
sein Bruder Hernando, der nach Spanien gereist war, um die Hinrichtung Diego de
Almagros zu rechtfertigen, war auf Lebenszeit eingekerkert worden; und die
«Neuen Gesetze» wurden landauf, landab verkündet.
Denn im selben Jahr
1542 hatte der Indienrat auf Grund vieler Beschwerden über grausame Behandlung
von Indianern, die der Krone zu Ohren gekommen waren, die «Neuen Gesetze für
eine gute Behandlung und den Schutz der Eingeborenen» erlassen. Diese Gesetze
schafften die Leibeigenschaft der Indianer ab und befreiten sie von der
Zwangsarbeit. Die Kolonisten, die als Teil ihres Besitzes auf Grund des
encomiendaSystems Indianer hatten, wurden für deren Wohlergehen
rechenschaftspflichtig.
Da die
hauptsächlichste Ertragsquelle eines Siedlers die Zwangsarbeit war, stiessen
die «Neuen Gesetze» auf heftige Opposition. In Peru brach eine offene Rebellion
aus, und Gonzalo Pizarro wurde ihr anerkannter Führer mit dem angemassten Titel
eines procuradors. Weil er über die grenzenlosen Einkünfte der jüngst
entdeckten Silberminen von Potosi verfügte, hatte Gonzalo Pizarro «ein grösseres
Einkommen als in Spanien der Erzbischof von Toledo und der Graf von Benavento».
Er führte die Opposition gegen den neuen Vizekönig Blasco Nüilez an, der am 18.
Januar 1546 eingetroffen war, um die «Neuen Gesetze» durchzusetzen.
Als dieser auf
Widerstand stiess, rief der Vizekönig aus: «Ist es denn möglich, dass unserem
Kaiser Karl, den alle in Europa fürchten, hier von diesem Bastard Gonzalo
Pizarro, der sich weigert, die Gesetze zu befolgen, der Gehorsam versagt wird?»
Der Vizekönig erhielt die Antwort auf dem Schlachtfeld: er wurde verfolgt, besiegt
und enthauptet. Danach war Gonzalo Pizarro der unbestrittene Herr von Peru und
besass ausserdem die Silberminen von Potosi und eine grosse Flotte, die den
Pazifik von Peru bis Panama kontrollierte. Er übernahm die Rolle des
Gouverneurs, liess sich die ausgestreckte Hand küssen, umgab sich mit einer
Leibwache und gebrauchte das königliche «Wir».
«Warum ernennen Sie
sich nicht selbst zum König von Peru?» fragte Francisco de Carbajal, sein
Polizeihauptmann. «Denn in Wirklichkeit sind Sie es ja schon. Sie haben die
Waffen gegen den Vizekönig erhoben und ihn in der Schlacht getötet. Sie sind
nun schon zu weit gegangen, um einzuhalten oder gar sich zurückzuziehen. Lassen
Sie sich zum König ausrufen, heiraten Sie eine Inkacoya [Prinzessin], die
direkt von den Inka abstammt, einigen Sie die beiden Rassen, so dass sie sich
in Zukunft des Friedens unter einem gemeinsamen Zepter erfreuen können.»
Carbajal, dieser falstaffsche Achtzigjährige, wusste immer so rasch klugen Rat,
dass das Volk glaubte, er habe einen «Schutzgeist»; auf der anderen Seite
hingegen hatte er sich mit seiner scharfen Zunge, seiner Schlauheit und dem
langen Schwertarm den Beinamen «Dämon der Anden» erworben. Er schien in der
Schlacht unempfindlich gegen Gefahr, war kühl, aufmerksam und vorsichtig. War
er der Sieger, so mass er die Gerechtigkeit so sachte zu, dass es den Menschen
ein Vergnügen zu bereiten schien, von ihm gehenkt zu werden. An den Bäumen von
Peru baumelten die Männer, die sich der Politik Pizarros widersetzt hatten.
«Nie», schrieb Pedro de Cieza, als er sich über Carbajals Untugenden moralische
Gedanken machte, «hat es jemand gegeben, der an Grausamkeit mit ihm zu
vergleichen gewesen wäre, weder Marius noch Sulla, Dionysius oder Phalaris;
denn in jeder Art von Grausamkeit erwies er sich als Altmeister. Die Bäume von
Quito bis zu den Bergen von Potosi, an denen seine Opfer hängen, sind Zeugen
dafür.»
Obwohl eindeutig ein
Mann seiner Zeit — gierig und räuberisch wie so viele — war Carbajal viel
weitsichtiger als die meisten und sah schon, um vier Jahrhunderte seiner Zeit
voraus, wie sich die Sozialstruktur Lateinamerikas entwickeln würde. Er war ein
aussergewöhnlicher Mann in aussergewöhnlicher Zeit.
Ausser der schlichten
Tatsache, dass er um 1460 in Ragama, Arevalo, in Altkastilien geboren wurde,
weiss man nichts über seine Jugend oder Herkunft, obwohl Stil und Qualität
seiner Berichte vermuten lassen, dass er eine gute Erziehung genossen haben muss.
i soo war er Soldat und wurde einer der berühmten spanischen tercios, der
hervorragendsten Infanterie in Europa. Bei der Plünderung von Rom —1527 —
eignete er sich ein Archiv notarieller Akten an, die der Besitzer so dringend
wiederbekommen wollte, dass er ihm i000 Dukaten für die Rückgabe bezahlte. Mit
diesem Geld finanzierte Carbajal, der nun schon über siebzig war, seine Reise
nach Amerika und traf nach einem Aufenthalt in Mexiko in Peru ein. Das war 1536
während einem der Aufstände.
Sein erster Auftritt
in Peru war in der Schlacht von Chupas bei der grossen Inkastadt Vilcashuamän.
Er war da einer der «Männer des Königs», wie schon seit sechzig Jahren. Als
erfahrener Haudegen wurde er zum Hauptfeldwebel ernannt. Später nahm er an
verschiedenen Feldzügen teil und erwarb sich damit Reichtum, aber als er von
den «Neuen Gesetzen» hörte, die seiner Meinung nach einen mörderischen Streit
zur Folge haben mussten, verwandelte er seinen Reichtum in Silberbarren und
stellte beim Rat in Lima den Antrag, ausreisen zu dürfen. Das wurde ihm
abgeschlagen, und da er sich nun also aus den kommenden Wirren nicht
heraushalten konnte, schloss er sich zögernd Pizarros Aufstand an. «Ich
wollte», erklärte er, «meine Hand nicht an den Kettenfaden dieses Gewebes
legen, aber wie die Dinge nun einmal liegen, verspreche ich, der Hauptweber zu
sein.» Was er dann auch wurde, wobei der dominierende Kettenfaden des Gewebes
blutrot war.
Wenn er nicht gerade
gegen die Männer des Königs, die Gonzalo Pizarro nicht akzeptieren wollten,
stritt und sie verfolgte, bearbeitete er die Silberminen, die 1545 bei Potosi
entdeckt worden waren; er sah voraus, dass «die Minen wertvoller sein würden
als ganz Altkastilien in Spanien». Später stellte es sich heraus, dass sie die
reichste Quelle für Silber in der ganzen Welt waren. Eine weitere Beschäftigung
Carbajals war, Menschen Geständnisse zu entlocken: «Ich liess Diego Maldonado
nackt auf den burro [ein Folterinstrument] spannen. ,
schrie er, » Auch als er schon weit über achtzig war,
liess ihn seine Energie nicht im Stich: einmal ritt er über die Inkastrassen
von Chuquisaca nach Quito, eine Entfernung von 3400 Kilometer, kehrte nach Lima
zurück und brach wieder auf zu einer Schlacht, die sich beim Tampu von Huarina
in der Nähe des Titicacasees entwickelte.
1547 bereitete ihm
jedoch hauptsächlich Pedro de La Gasca Kopfzerbrechen.
La Gasca war im Juli
1546 ohne Waffen und Gefolge in Panama eingetroffen. «Majestät», sagte er zu
seinem König, «dieses Unternehmen scheint mir schwierig und gefährlich.» Er bat
deshalb um unbeschränkte Vollmacht, die ihm auch erteilt wurde. Ausserdem
erhielt er auf seinen Wunsch, wie schon gesagt wurde, ein Bündel königlicher
Blankodekrete, die er ganz nach seinem Belieben ausfüllen konnte. La Gasca, der
in Salamanca Recht und Theologie studiert hatte, hatte sich bereits in anderen
Verhandlungen im Auftrag der Krone als sehr geschickt erwiesen. Trotz einer
etwas schwachen körperlichen Konstitution und obwohl er wenig von militärischen
Dingen verstand, besass er doch einiges, was zu seinen Gunsten sprach: er war
sehr reich und infolgedessen unzugänglich für Bestechung. Von Panama aus sandte
er Briefe an alle Kommandanten in Südamerika und forderte sie auf, an die Seite
des Königs zu treten. «Schlaue Briefe», sagte Francisco de Carbajal wütend.
Einer dieser Briefe gewann den bewährten Kämpfer Sebastiän de Belalcäzar für La
Gasca und danach auch den jungen Soldaten und Historiker Pedro de Cieza.
Zum Auftakt ging die
Armada, Gonzalo Pizarros Flotte, zu La Gasca über, der damit die Herrschaft
über das Meer erlangte. Trotzdem lehnte Pizarro ein Gnadenangebot ab. «Wir
wollen keine Gnade für das, was wir getan haben», sagte er, «wir wollen
Anerkennung. Ich werde als Regent sterben.» Er zog sich mit seiner Streitmacht
nach Cuzco zurück, um La Gasca zu erwarten. Während der Wartezeit verfolgte er
eine Politik der verbrannten Erde. Auf der ganzen Länge der Wüstenküste von
Tumbes bis Lima wurden Tampu, Brücken und Lamas vollständig vernichtet und
zerstört. Diese Massnahme löschte die Zuchtbestände von Lamas, die an das heisse
Küstengebiet akklimatisiert waren, aus, so dass das Lama hier nie mehr als
Haustier heimisch wurde. Ausserdem erlitt das Kommunikationssystem der Inka in
dieser Zeit mehr Schaden als in den ganzen vergangenen zehn Jahren. Da Gonzalo
Pizarro die hohen gebirgigen Gebiete beherrschte, teilte Pedro de La Gasca sein
Invasionsheer in verschiedene Abteilungen auf, damit Pizarro nicht erkennen
sollte, wo der Hauptschlag geführt würde.
Am 27. Dezember
schrieb Pedro de La Gasca von Jauja aus einen dreiundzwanzig Seiten langen
Bericht an den König. Er schrieb, wie er seine Truppen in vier Abteilungen
geteilt habe, damit sie nicht gleichzeitig in einen Hinterhalt geraten konnten,
und wie alle über die Haupt und Querstrassen der Inka vorgegangen seien, einige
davon auf «der HuaynaCapacStrasse, die von Huänuco nach Bonbön — Pumpu —
führt». Im Dezember, nachdem sich alle vier Abteilungen wohlbehalten in Jauja
getroffen hatten, bereitete er sich auf den letzten Marsch auf der Inkastrasse
zur Schlacht mit Gonzalo Pizarro vor. Zu diesem Zeitpunkt schrieb Carbajal in
gehässigem Ton an La Gasca, er möchte «die Heilige Schrift sehen, durch die Sie
sich befugt finden, mit Ihrem Fuchsgewissen zu erklären, dass der Kaiser Ihnen
geheime Instruktionen erteilt habe, unseren Gouverneur Gonzalo Pizarro zu bekämpfen».
Er betonte, dass es eine Verschwendung von Zeit und Menschenleben sei, weitere
Boten mit Gnadenangeboten zu senden, «denn als sie hier ankamen, liess ich zwei
aufhängen. Möge Gott Ihre ehrwürdige Person schützen, und mögen Ihre Sünden Sie
meinen Händen ausliefern.»
Pedro de Cieza traf
im Dezember r 547 als Angehöriger einer der vier Abteilungen in Jauja ein. Bis
dahin war er schon über r 600 Kilometer auf Inkastrassen an der Küste und im
Hochland gereist und hatte dabei reichlich Zeit, wie er sagte, «überallhin
einen Abstecher zu machen, um so viel wie möglich von den einzelnen Gebieten zu
sehen und dabei zu erfahren und aufzuschreiben, was an ihnen bemerkenswert
war». Seine Aufzeichnungen schwollen an, und es war für den jungen Soldaten im
aktiven Dienst keine kleine Aufgabe, sich um seine Manuskripte zu kümmern. Ausserdem
war das Schreiben damals ausserordentlich teuer, denn ein einziger Bogen
Kanzleipapier kostete so viel wie fünfzig Jahre später ein Pferd. «Oft», sagte
er bescheiden, «mühte ich mich mit Schreiben ab, während die anderen Soldaten
ausruhten. Aber weder das noch die Schwierigkei ten des Landes, der Berge und der zu überquerenden Flüsse, noch auch
der unerträgliche Hunger und die holperigen Strassen behinderten je meine zwei
Berufe: den, die Geschichte aufzuschreiben, wie sie sich ereignete, und den,
mit unvermindertem Respekt der Fahne meines Hauptmannes zu folgen.»
Kaum hatte Pedro de
Cieza Peru betreten, erkannte er, dass die Inka einen Kurierdienst auf den
Königsstrassen unterhielten. «Nachrichten wurden von Chasqui von Quito nach
Cuzco getragen. Die Inka erfanden ein System von Kurierposten. Alle drei
Kilometer stand ein kleines Haus, wo zwei Indianer ständig mit ihren Frauen
wohnten.» Jeder Kurier lief seine drei Kilometer, bis er zum nächsten kam, dem
er seine Botschaft zurief oder, wenn sie komplizierter war, eine Aufzeichnung
auf einer Knotenschnur — Quipu — zusammen mit einer mündlichen Mitteilung
übergab. So ging es von Posten zu Posten, so dass die Chasqui im Staffellauf eine
Botschaft in fünf Tagen von Quito bis Cuzco auf eine Entfernung von 2200
Kilometer überbringen konnten. Die Existenz dieser Posten wurde durch die
VonHagenExpedition — 195260 — bestätigt, die eine Reihe von o'kla —
Unterkunftshütten für Chasqui — zwischen Jauja und Bonbön entdeckte. Die
Expedition erbrachte den Beweis, dass auch heutige, untrainierte Indianer, die
in Höhen zwischen 2500 und 5 000 Meter abgesteckte Entfernungen auf der noch
vorhandenen Inkastrasse liefen, etwa drei Kilometer zurücklegen konnten und dass
ihre Geschwindigkeit bei entsprechender Organisation ausreichen würde, um 2200
Kilometer in fünf Tagen zurückzulegen.
Sportler trainieren
sich dazu, die Anoxämie — Mangel an Sauerstoff im Blut, der zu Kurzatmigkeit
führt — zu überwinden, aber die Indianer, die in grossen Höhen leben,
akklimatisieren sich an den Mangel an Sauerstoff in der Luft, indem sich ihre
Lunge ungewöhnlich stark vergrössert. Eine sportliche Konstitution ist hier
eine Lebensnotwendigkeit. Ein Chronist bemerkte, dass die Chasqui, «die die
Post bedienten, von Kindheit an im Laufen trainiert werden; bei den Indianern
war das Laufen immer eine Gewohnheit». In den Anden ist Sauerstoffmangel ein
unabänderliches Faktum, und dementsprechend, schrieb Carlos Monge, «muss sich
der menschliche Organismus in der komplizierten Anpassung des physiologischen
Mechanismus selbst überbieten».
Die Chasqui wurden
alle fünfzehn Tage ausgewechselt, damit das Laufen nicht zu anstrengend wurde.
Jede Provinz (Ayllu), die die Strasse berührte, war für die Chasqui in diesem
Gebiet verantwortlich. Cieza stellte überdies fest, dass die «Chasqui, die die
Botschaften übermittelten, so verschwiegen waren, dass sie weder durch Bitten
noch Drohungen zur Preisgabe der Botschaft, die sie trugen, bewegt werden
konnten». Das System war so gut organisiert, dass jede Invasion oder jeder
Aufstand im Inkareich innerhalb von Stunden bekannt wurde. Die Spanier waren so
beeindruckt, dass sie das System übernahmen, das dann in etwas veränderter Form
lange Zeit bestehen blieb.
Zusätzlich zu der
mündlichen Botschaft überbrachten die Chasqui oft eine Knotenschnur, den Quipu,
der als Gedächtnisstütze diente. Der Quipu hat eine Grundschnur mit einer
Anzahl von kleineren Schnüren, in die Halbknoten, die Dezimaleinheiten
darstellen, geschlungen sind. Mit ihrer Hilfe konnten Zahlen bis zu Tausendern
registriert werden. Die Farbe der kleineren Schnüre bedeutete spezielle Dinge —
Lamas, Gold, Menschen, Waffen oder was auch immer —, aber jeder Quipu musste
von einer mündlichen Botschaft begleitet sein. Damit und mit den Informationen,
die der Quipu vermittelte, konnte der quipucamayoc, der offizielle
Geschichtsschreiber, seinem Gedächtnis zahllose Statistiken und viel spezielle
Information einprägen. Als Pedro de Cieza in Jauja war, bat er den Curaca
Huacara Pora, «ihm das System so zu erklären, dass er es verstünde». Auf den
Quipu, die er sich verschafft hatte, war, wie er Pedro de Cieza erzählte, alles
festgehalten, was den Spaniern seit dem Auftreten von Gouverneur Pizarro von
1531 bis 1533 ausgeliefert worden war. «Alles war ausnahmslos aufgezeichnet. In
dieser Aufzählung sah ich Gold, Silber und Tuch, das hergegeben worden war, und
sogar die Lamas und andere Dinge — ich war verblüfft.»
Ein Teil 2
entscheidender Teil des Strassennetzes war das Tampu. Da Strassen ohne
Herbergen wie ein Jahr ohne Feiertage sind, können Verkehrswege nicht
existieren ohne Haltestationen. Diejenigen der Inka gehörten zu den ersten
Dingen, die den Spaniern auffielen, als sie über die Strassen zogen, und sie
erkannten bald ihren Nutzen. Zuerst nannten die Spanier sie «Wohnungen des
Inka», aber mit der Zeit verstanden und benutzten sie das einheimische Wort
tampu, das sie zu tambo hispanisierten. Pedro de Cieza war der erste, der Form
und Funktion des Tampu beschrieb. «Damit ausreichender Nachschub für die Heere
vorhanden war, gab es alle zwanzig Kilometer Unterkünfte und Lagerhäuser, die
im Überfluss mit allem gefüllt waren, was es in diesen Gegenden gab. Auch in
unbewohnten Gebieten und Wüsten gab es sie.» Ein Curaca — Cieza nannte ihn
Verwalter — von jedem Stamm oder jeder Provinz war darauf bedacht, dass die
Indianer immer für ausreichende Vorräte in diesem Tampu sorgten, «und er führte
mit Quipu Buch darüber, dass nichts veruntreut wurde».
Die Dichte der Tampu
hing von zwei Faktoren ab: Entfernung und Gelände. Zwanzig Kilometer war
ungefähr die Entfernung, die ein schwerbeladener Mann — denn der Mensch war der
Hauptlastträger — an einem Tag zurücklegen konnte. Lamas haben, wenn sie
beladen sind, eine langsame Gangart und brauchen daher ungefähr die gleiche
Zeit für diese Entfernung. Als neue Gebiete und Stämme besiegt wurden, führte
man die Strassen so weit wie möglich durch bestehende Siedlungen, denn diese
waren bequem greifbare Quellen für die Hauptnahrungsmittel und die Menschen,
die man für den Frondienst brauchte. Wo es keine solche Siedlungen gab, wurden
ganze Gemeinschaften umgesiedelt, um das Tampu zu bauen, zu versorgen und zu
unterhalten. Dafür gibt es viele Beispiele.
Die Tampu waren
verschieden gross. Manche waren nicht geräumiger als ein Haus mit einem Pferch
für Lamas; andere waren recht gross, zwischen dreissig und neunzig Meter lang.
Von vielen sieht man noch Überreste auf den Routen, denen die Königsstrassen
zwischen Quito und Chile folgten.
Entfernungen auf der
Strasse wurden mit topo gemessen. «An vielen Stellen» erinnert sich Cieza,
«gibt es Markierungen wie die in Spanien [römische Meilensteine]. Sie heissen
topo, und jeder markiert eine Entfernung von acht Kilometer nach kastilischem
Mass.»
In den frühen Jahren
der Eroberung waren die Spanier voll des Lobes für das System der Tampu, aber
als die Eroberung beendet und der Bürgerkrieg vorüber war, war ein grosser Teil
des Landes entvölkert und verödet; viele Tampu waren zerstört. Zunächst
begriffen die Spanier nicht, was sie da zerstörten. «Denn wann auch immer die
Spanier als Eroberer und Entdecker vorüberzogen», sagte Pedro de Cieza, «ist
es, als sei ein Feuer gekommen, das alles auf seinem Weg zerstörte und
verzehrte. Gebäude der Inka und die Lagerhäuser wurden wie alles übrige
zerstört und vernichtet.»
Als die Zerstörung
des TampuSystems — also des Kommunikationssystems — in Peru seinen Anfang nahm,
sobald die Eroberung vorüber war, gab Francisco Pizarro jedem seiner Männer ein
Tampu mit dem umliegenden Land und der Bevölkerung in encomienda. In
Wirklichkeit war das eine «Zuteilung», obwohl die wahre Bedeutung von
encomienda «treuhänderische Verwaltung» ist, eine altüberkommene Formel, die,
weit davon entfernt zu meinen, dass der Besitzer des Landes das absolute
Eigentumsrecht über das Land und die dort lebenden Menschen innehabe, nur
bedeutet, dass diese Menschen ihm einfach gewisse Dienste schuldeten. In Peru
jedoch, fern von einer Kontrolle durch Spanien, betrachtete jeder Besitzer
einer encomienda diese als sein Eigentum und bewirtschaftete sie oft so
schlecht, dass die Indianer ihren normalen, notwendigen Pflichten entzogen
wurden und andere Aufgaben zugewiesen bekamen und dass die Vorräte an
Nahrungsmitteln in den Lagerhäusern und Haltestationen nicht mehr aufgefüllt
werden konnten und weite Strecken der Strasse zerstört wurden und verfielen.
Zuerst waren die
Soldaten blind gegenüber der Tatsache, dass die Leute eines Tampu sich um ihre
Feldfrüchte und Lamaherden kümmern und durch die Fronarbeit all das in Gang
halten mussten, was in ihre Verantwortung fiel. Wenn die Indianer aus ihrem
gewohnten Umkreis, aus ihrem Ayllu, fortgebracht wurden, hörten ihre Funktionen
zur Erhaltung der Strasse auf. «Ich möchte die Verwendung von Indianern nicht
verurteilen», bemerkte Cieza, «wenn das mit Mass geschähe, aber wenn einer vier
Indianer braucht, nimmt er sich zwanzig. Müsste man die Menge von Untaten,
Ungerechtigkeiten, Räubereien, Unterdrückung und Misshandlung aufzählen, die
während dieser Vorgänge den Eingeborenen zugefügt wurden, dann gäbe es kein
Ende.» 1540 sagte der Beamte Cristobal Vaca de Castro, ein Jurist, den Karl V.
von Spanien ausgesandt hatte, um Frieden zwischen den Parteien von Pizarro und
Almagro — einem Krieg, der mehr zur Zerstörung der Inkakultur beitrug als die
Eroberung selbst — zu stiften, und zum Gouverneur von Peru ernannt hatte: «Ich
habe bei meinem Ritt von Quito nach Cuzco mit eigenen Augen gesehen, dass die
meisten Städte und Siedlungen der Indianer verlassen, verbrannt, zerstört
sind.» Eine seiner ersten Massnahmen, nachdem er Peru einen zeitweiligen
Frieden gebracht hatte, war daher, eine detaillierte «Ordnung für die Tampu» —
deren Original jetzt im Archiv von Sevilla ist — auszuarbeiten.
Das Dekret bestimmte,
dass diejenigen Tampu, die noch aus der Zeit von Huayna Capac stammten,
wiederhergestellt würden, und spezifizierte dann das Gewicht einer Last, die
ein Indianer zu tragen habe — dreissig Pfund —, die Anzahl von Tagen im Jahr,
an denen er Dienst tun müsse, und die Fürsorge, die jeder Spanier seinem Tampu
angedeihen lassen müsse — Nichtbeachtung dieser Vorschriften zog eine Busse von
30o Peso nach sich. Brücken mussten wiederaufgebaut, Strassen repariert und das
System der ChasquiPosten so wiederhergestellt werden, wie es «in den Zeiten der
Inkaherren» funktioniert hatte. All das musste innerhalb von vierzig Tagen nach
der Unterzeichnung des Dekrets, das vom r. Juni 1543 datiert war, geschehen. Es
war die erste Dienstvorschrift dieser Art in der Neuen Welt und ist von grösster
Bedeutung für das Studium der Inkastrassen, denn es führt der Reihe nach alle
Tampu in Peru und Bolivien auf, dazu die Entfernungen zwischen ihnen und schliesslich
für jedes Tampu den Namen des encomendero, das heisst des Herrn des Gebiets, in
dem es lag. Es ist ein unschätzbares Dokument.
Dass diese Reform
tatsächlich durchgeführt wurde, geht aus der merkwürdigen eigenhändig
geschriebenen Chronik (Nueva Cronica Buen Gobierno> von Felipe Huamän Poma
de Ayalä hervor. Seine Liste der Tampu füllt zehn Seiten und behandelt die
Gebiete von Quito nach Süden über Ecuador und Peru bis Bolivien. Die
verschiedenen Typen von Tampu sind durch Symbole bezeichnet: ein Haus stellt
ein königliches Tampu dar, das für den Inka und sein Gefolge reserviert war,
während kleinere durch ein Kreuz oder einen Kreis bezeichnet waren, welch
letzterer die kleinsten Tampu bedeutet, die tambillo hiessen.
Ausserdem führt die
Chronik die grösseren und wichtigeren Brükken auf, wobei der Chronist zwischen
Inkabrücken — crisjejas —«hängend» — und spanischen Brücken unterscheidet, die
aus zementierten Steinen — cal y canto — konstruiert und nach der Eroberung
erbaut worden waren.
Felipe Huamän Poma de
Ayalä war, wie der Name vermuten lässt, ein inkaischspanisches Mischblut. Er
wurde 1535 in der Provinz Lucanas im Westen von Cuzco in der ContisuyuProvinz
des Reiches geboren. Er führt seine Geburt mütterlicherseits auf ein
hervorragendes Mitglied der Inkakaste zurück, da sein Grossvater Auqui Topa
Inka war, der den Inka Pachacutic bei der Eroberung von Quito begleitete und
eine Stellung innehatte, die der eines Vizekönigs über die grosse
ChinchasuyuProvinz des Reiches entsprach. Francisco Pizarro liess diesen 1534
in Cuzco lebendig verbrennen, weil er nicht verriet, ob er es nun wusste oder
nicht, wo die vermissten Schätze waren.
Damals hatte Martin
de Ayalä Juana Curi Ocllo geheiratet, und dieser Ehe entsprang 1535 der
Chronist Huamän Poma. Er war einer von der «neuen Rasse», eine Mischung von
Spanier und Inka von hoher Kaste, wie sie die spanische Krone anfangs als
Symbol einer erfolgreichen Kolonisation und der friedlichen Integration von
Sieger und Besiegten ermutigt hatte. In Befolgung dieses Prinzips heiratete
Martin de Loyola, der Neffe des Gründers des Jesuitenordens Beatris Clara Coya
del Inga. Die Zeremonie ist auf einem übergrossen Wandgemälde in der
Jesuitenkirche von Cuzco verewigt worden.
Weiter unten
innerhalb der sozialen Hierarchie funktionierte diese Integration nicht. Die
Indianer niedriger Geburt spürten nur zu stark den barbarischen Druck der
spanischen Besetzung, und aus dieser besonderen Situation heraus stammen die
schriftlichen Zeugnisse von Huamän Poma. Seine 1615 handgeschriebene und mit
naiven, aber historisch instruktiven Zeichnungen illustrierte Chronik umfasst
1179 Seiten in Ketschua und Spanisch. Man kannte sie weder in Spanien noch in
Peru, und sie lag bis 1908 unbemerkt und nur als (Codex 2232> bezeichnet in
der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, wo sie von einem deutschen
Wissenschaftler entdeckt wurde. Sie ist vermutlich von einem dänischen
Gesandten, der 165o bis 1653 in Spanien residierte, nach Dänemark gebracht
worden.
Ihre illustrierte
Aufzählung landwirtschaftlicher Verfahrensweisen, ihre Klassifizierung der
Menschen unter dem Inkasystem, ihre Tabellierung des Werdegangs dieser Menschen
von der Wiege bis zum Grab, ihre Beschreibung des inkaischen Rechtswesens und
die illustrierte Liste von herrschenden Inka und, für unseren besonderen Zweck,
ihre Liste der Inkastrassen, der Örtlichkeit und des Typs der Tampu, sowie der
Namen der Verwalter der Strassen und Brücken sind alle von unschätzbarem Wert.
Ausserdem ist das Manuskript einzigartig. Denn im Gegensatz zu Mexiko besass
Peru weder eine Bilder noch eine Glyphenschrift. Es gab keine Künstler, die
illustratives ethnographisches Material liefern konnten, wie es aus dem Mexiko
vor der Eroberung zu uns gekommen ist. Nur Huamän Pomas Werk füllt die Lücke —
daher sein grosser Wert.
Im Tal von Jauja,
schrieb Pedro de Cieza, gibt es «viele Lagerhäuser, die mit allem, was es gibt,
angefüllt sind. Und so viele colca, dass sie aus der Ferne wie die Türme von
Spanien aussehen.» La Gasca befahl r 547, dass diese colca mit den Produkten
des Landes gefüllt würden, damit die gewaltige Zahl von Soldaten, die nach
Jauja kamen, ernährt werden konnten. So kam es, dass Cieza reichlich Zeit
hatte, die verschiedenen Arten von Lebensmitteln, die gelagert wurden, zu
beschreiben.
Die wichtigsten waren
Mais und die Kartoffel — aesu —, «die gekocht einer Trüffel ähnelt und innen
weich ist». Die prähistorischen andinen Ackerbauer hatten durch Selektion die
wilde Knolle von der Grösse einer Walnuss in grosse Kartoffeln von unendlicher
Vielfalt verwandelt. Wenn diese in Säcke aus gewobener Lamawolle gepackt und in
den kühlen colca gelagert wurden, konnten sie über ein Jahr aufbewahrt werden.
Churio war eine Kartoffel, der das Wasser entzogen worden war. Sie wurde aus
einer gegen Frost resistenten Abart hergestellt, die, wenn sie auf die
gewöhnliche Weise zubereitet wurde, fade und geschmacklos war, aber als chuiio gut
schmeckte. Zuerst wurde sie dem Frost ausgesetzt und dann in der grossen Hitze
des Tages aufgetaut; nun wurden die Knollen zertrampelt, bis alles Wasser aus
ihnen ausgequetscht war. Daraus wurde ein weisses Kartoffelmehl gewonnen, das
der Grundstoff des Brotes war. Damals wie heute wurde kein chupa —
Schmorgericht —ohne dieses Mehl bereitet, keine Reise ohne einen Vorrat davon
angetreten. Chuiio, «hochgeschätzt», sagt Cieza, «konnte auf unbestimmte Zeit
gelagert werden».
Mais — sara —, der in
Höhen bis zu 390o Meter angebaut wurde, war das Grundnahrungsmittel der Inka.
Getrocknet konnte er jahrelang aufbewahrt werden. Man konnte ihn geröstet essen
oder in Löschkalk oder Asche gekocht, wodurch er auf das doppelte Volumen
aufquoll und einen milden Geschmack bekam. Entfernte man die Hülsen, so wurde
er als mote essbar, eine Art Maisbrei.
Aus Mais wurde auch
das alkoholische Getränk accha hergestellt. «Das ist die Chicha, die sie
trinken und die sie immer in grossen Gefässen vorrätig haben.» Die Frauen waren
die Brauer, wie immer in den frühen neolithischen Kulturen. Man liess den Mais
keimen, denn wenn mehlige Körner keimen, verwandelt eine enzymatische Diastase
einen Teil der Stärke in Malzzucker. Das Zerkauen eines Teils der gekeimten
Körner förderte den Prozess der Diastase. Diese Maische wurde dann gekocht,
vier Tage lang beiseite gestellt, damit sie gärte, durchgeseiht und als accha
serviert, die einen Alkoholgehalt von sechs bis acht Prozent hatte. Man trank
sie übermässig bei rituellen Gelegenheiten. «Es ist verblüffend», bemerkte
Cieza, «wieviel von diesem Getränk oder Chicha diese Indianer trinken können,
denn sie haben immer das Glas in der Hand.» Dieses Getränk meinte Prescott, als
er von ihrem «moussierenden Wein» sprach.
Quinoa, die in den
Anden so verwendet wird, wie Hafermehl im schottischen Hochland, gehört zur
Familie der Gänsefussgewächse — Chenopodium — und wird mannshoch, wenn sie in
grossen Höhen angebaut wird. Ihre roten Schoten liefern ein Getreide, das dem
Reis ähnelt. «Ein sehr gutes Nahrungsmittel», bestätigt Cieza, der weiterhin
beschreibt, dass sie «ein rötliches Blatt habe wie maurischer Mangold». Reich
an Mineralstoffen und Eiweiss, kann sie, wie der Mais, lange Zeit gelagert
werden. Dann gab es noch Bohnen: eine unendliche Vielfalt— rote, schwarze,
gelbe und weisse —, alle sehr nahrhaft. Auch getrockneter Spanischer Pfeffer
konnte gelagert werden; er verlieh dem Essen zusätzlich Würze und Aroma. Von
der Küste des Meeres kam getrockneter Seetang, reich an Mineralstoffen und
geschätzt wegen seines Geschmacks und des Jodgehalts, der das Auftreten von
Kropf eindämmte. Dieselbe Quelle lieferte getrockneten Fisch und Schalentiere.
Eiweiss erhielt man durch getrocknetes Lama und Meerschweinchenfleisch. Dünn
geschnittenes und an der Sonne getrocknetes Lamafleisch, bis es so hart wie
Leder war, nannte man charqui. Ganze Meerschweinchen, die oft in indianischen
Häusern gezogen wurden, wurden geräuchert und getrocknet und konnten dann
monatelang aufbewahrt werden.
Wenn also Cieza von
«Lagerhäusern, voll mit allem, was es nur gab», spricht, meint er die
lagerfähigen Grundnahrungsmittel, die eben beschrieben wurden. Aus diesen
Bestandteilen konnte die Köchin eine reiche chupa, ein Schmorgericht aus
Fleisch, Mais und Kartoffeln bereiten, das mit chutio eingedickt war und eine
besondere Würze durch Spanischen Pfeffer erhielt.
Die quipucamayoc—
Knotenschnurleser — man würde sie in unserer Gesellschaft Rechnungsführer
nennen — wussten genau, was jeweils in jedem Gebiet gelagert war, und «wohin
auch immer die Heere des Inka zogen, lebten sie vom Inhalt dieser Lagerhäuser,
ohne je die Vorräte der Menschen, die in den Ländern lebten, durch die sie
kamen, in Anspruch zu nehmen». Gab es ein mageres Jahr oder, was manchmal
passierte, ein Dürrejahr, «wurden die Lagerhäuser für das ganze Volk geöffnet,
und in einem Jahr des Oberflusses zahlten sie alles zurück, was sie aus den
colca erhalten hatten».
Es ist leicht
einzusehen, dass in einem solchen System keine Notwendigkeit für eine
umfangreiche Quartiermeisterbehörde bestand, die sich um den Bedarf der
Truppen, die auf den Strassen marschierten, kümmern musste. Der notwendige
Proviant war stets verfügbar.
Die colca im Hochland
waren aus mörtellos gefügten Steinen erbaut; die Zwischenräume wurden mit
Lehmzement verstrichen. Die Dächer waren aus Schiefer oder, wenn dieser nicht
zur Verfügung stand, aus Grasstroh — eine solche Bauart wurde aber nach Möglichkeit
vermieden, da sie Feldmäusen und Ratten Nistplätze bot. An der Küste wurden
Lagerhäuser aus Adobe — sonnengetrocknete Lehmziegel — erbaut, wenn es keine
Steine gab. Mais, Bohnen und Kartoffeln wurden in den graubraunen Säcken aus
gesponnener Lamawolle gelagert, die für die Kleidung zu grob war. Chuiio
lagerte man in grossen Tonkrügen, wie auch den Salzfisch, Seetang und
Spanischen Pfeffer. Getrocknetes Lamafleisch wurde eingepackt oder auch an den
Dachsparren aufgehängt.
Am 8. Januar 1548
setzten sich die königlichen Truppen unter La Gasca in südlicher Richtung auf
Cuzco in Marsch, wobei sie dem langen, engen Tal folgten, das im Westen durch
den MantaroFluss begrenzt ist. Sie kamen durch Huancayo, das auch damals ein
bedeutendes Marktzentrum war, und dann nach Marcavilcas.
Die Schlucht, die
sich der MantaroFluss — in alter Zeit hiess er Angoyacomayu — gegraben hatte,
bestimmte die Route der Strasse für die nächsten 16o Kilometer, in denen sie
das zerklüftete Land zwischen Jauja und Vilcashuamän, dem geographischen
Zentrum des Reiches, durchquerte.
Im Gegensatz zu
anderen Flüssen, die sich nach und nach aus Bächen und Rinnsalen bilden,
entspringt der Mantaro als reissender, rauschender Fluss aus dem von Eis
gesäumten See von Junin, an dessen Ufer die Stadt Pumpu — Bonbön — liegt, die
sowohl Hernando Pizarro als auch Pedro de Cieza besuchten. Bis der Mantaro
Jauja erreicht, hat er eine tiefe und so enge Schlucht ausgewaschen, dass der
königliche Schreiber Pedro Sancho sagte, es gäbe eine Stelle, wo man einen
Stein über sie hinüberwerfen könnte. Angesichts dieser geographischen Situation
legten die Ingenieure der Inka Strassen hoch auf beiden Seiten der Schlucht an.
Einige Kilometer
südlich von Jauja, wo das Tal sich verbreitert, kam Marcavilcas, wo «die
Häuptlinge schöne Wohnungen mit dikken Holzbalken, die ein gras gedecktes Dach
trugen, für den Inka erbaut hatten». Hier teilte sich die Königsstrasse. Ein
Zweig, der weniger frequentiert wurde, ging direkt südlich über dem hohen
Ostufer des Flusses weiter; der andere überquerte den Mantaro auf einer
Hängebrücke und ging in derselben Richtung weiter, wobei er die hohen Berge auf
der Westseite überschritt und stellenweise Ausblicke auf die Schlucht bot.
Die Königsstrasse
ging über eine «Netzbrücke» bei Ancosyaco (Huamän Poma erwähnt sie als die
«puente de Ancoyaca»), «wo es», wie Pedro de Cieza sagt, «weisse Felsen gibt,
denen eine Salzwasserquelle entspringt». Dieses geographische Merkmal ist heute
noch vorhanden. Von diesem Punkt aus kletterte die Haupttreppenstrasse zum
Tampu von Acos hinauf. Kurz vor Acos bog eine Querstrasse nach Westen ab, stieg
die Berge von Chongo Alto hinauf, kam durch die heutige Hacienda de Incahuasi
(wo es natürliche heisse Bäder gibt) und ging nach Santa Rosa weiter. In ihrem
weiteren Verlauf nach Westen zur Wüstenküste stieg sie auf einer Reihe von
eindrucksvollen Treppenwegen durch Yuayos, Juniga, Cruz Blanca und Machurango
ab, ging dann entlang des oberen Teils des Catietetals weiter, wo die Strasse
mit viel Geschick in die Flanken der Schlucht hineingebaut war und mündete dann
in die Hauptstrasse an der Küste.
Hinter Acos ging die
Hauptstrasse durch die Anden weiter nach Picoy und führte zu den Wohnungen der
königlichen Inka, wobei «die Strasse ganz mit Steinstufen von geringer Höhe
ausgelegt ist». Als nächstes kam das Tampu von Paucara, und der Weg dorthin war
«so gut angelegt und breit, dass man glaubt, auf ebenem Boden zu gehen und
nicht im Gebirge». Paucara war auf dem Kamm des Gebirges erbaut, und seine Indianer
lebten in den Höhlen der schroffen Berge. Die Inka hatten in den Fels eine
Festung gebaut, die in ihrer massiven Stärke aussah wie eine Burg mit Türmchen.
«Ich schlief eine Nacht darin», schrieb ein durchreisender Spanier, «sie war i
20 Meter hoch mit so vielen natürlichen Höhlen, dass sie über hundert Männern
und Pferden Schutz gewähren konnte.» Diese Beschreibung wurde 1616, also im
nächsten Jahrhundert, bestätigt. Als der Karmeliterpater Antonio Väsquez de
Espinosa in Ausübung seiner Pflichten die Herde neuer Christen besuchte, kam er
auf seinem Maultier hier auf der Inkastrasse vorbei. Sein
Am 27. Oktober 1533
schlug Francisco Pizarro nach einem Aufenthalt von zwei Wochen auf dem letzten
Abschnitt seiner Reise nach Cuzco diese Strasse ein. Ohne diese meisterhaft
angelegten und ausgebauten Strassen wäre es unmöglich gewesen, dass berittene
Männer die Stadt erreicht hätten. «Nach Gott waren es die Inkastrassen, die uns
zum Sieg verhalfen.» Die Mantaroschlucht ist nur ungefähr hundert Kilometer
lang, aber die Strasse zu bewältigen, war für die berittenen Spanier «wie eine
kleine Höllenfahrt».
Das nächste Tampu
nach Paucara war fündundzwanzig Kilometer entfernt in Parcos. Um es zu
erreichen, musste man noch höher hinaufsteigen. Der junge Sekretär Pedro
Sancho, der den Bericht über die Verteilung von Atahualpas Lösegeld schrieb und
auch eine Darstellung seines Anteils an den damaligen Vorgängen hinterliess,
beschrieb den schrecklichen Aufstieg nach Parcos: «Wir mussten noch einen
gewaltigen Berg ersteigen. Wenn man von unten zu ihm hinaufsah, musste man es
für unmöglich halten, dass Vögel ihn durch die Luft fliegend erreichten,
geschweige denn Männer auf Pferden. Aber die Strasse war dadurch weniger
ermüdend, dass sie im Zickzack anstieg, und nicht in gerader Linie. Zum grössten
Teil bestand der Weg aus grossen Steinstufen, die die Pferde sehr anstrengten.»
Nach dem Tampu von
Parcos, «das auf dem äussersten Rand des Gebirges erbaut ist», ging die Strasse
wieder bergab, und Sancho und die anderen mussten mit einer weiteren steilen
Strasse fertig werden, die hinunter zum Mantaro führte. Cieza erinnert sich, dass
der Fluss von oben wie eine sich windende Schlange aussah. Die Strasse überwand
den Höhenunterschied von 600 Meter nach Marcas auf einer langen Reihe von in
Stein verlegten Stufen und bediente sich einer Hängebrücke, «die an grossen
steinernen Türmen hing». Diese Türme sind heute noch zu sehen. Die Königsstrasse
führte dann weiter nach dem Tambo de Yangar, wo heute die Stadt Azängaro mit
ihren eindrucksvollen Ruinen steht.
Die ursprüngliche
Route der Strasse verlief nun nahe bei Viaque — heute Hauri —, «wo es», wie
Cieza feststellte, «einige grosse und bedeutende alte Gebäude gibt, die, nach
ihrem verfallenen Zustand zu urteilen, hier schon seit Menschengedenken stehen
müssen». Cieza fand ganz richtig, dass die Ruinen Ähnlichkeit mit denen der
berühmten Stätte von Tiahuanacu in Bolivien haben.
Hinter Hauri, das in
einer Höhe von 2400 Meter liegt, erreichte die Strasse ein warmes, von Kakteen
übersätes Tal; dieses führte nach Quinoa. Die heutige Volkskunst von Quinoa ist
weithin bekannt, da sie, wenn auch nur noch in Andeutung, etwas von der alten
Töpfertechnik bewahrt hat.
In ihrem weiteren
Verlauf kam die Strasse durch Chupas und ging nun nach Südosten, wobei sie sich
mehr als 3000 Meter über den Meeresspiegel erhob. Hier überquerte sie die hohe
Puna von Sachabamba, eine weite Steppe mit goldfarbenem Gras, wo man auch heute
noch die über sechs Meter breite und von niedrigen Mauern eingefasste Strasse
auf ihrem Weg über die Ebene deutlich sehen kann. Von hier aus führte die Strasse
wieder zu dem kleinen See von Pomacocha hinab, der in einer Mulde liegt und
eine Oase in dieser unfruchtbaren, dürren Gegend darstellt.
Der See, von dem ein
Konquistador schreibt, dass er an der breitesten Stelle nicht einmal vier
Armbrustschüsse — 120 Meter — breit sei, war und ist es heute noch, mit regelmässig
angelegten Stützmauern terrassiert. An seiner schmalsten Stelle hat er einen
Damm. Der so regulierte Oberlauf entleerte sich in den VischongoFluss.
Die Ruinen von
Pomacocha sind ein gutes Beispiel der hervorragenden technischen Präzision der
inkaischen Baumethoden, denn alle Quadersteine sind, wie in der ganzen
Inkaarchitektur, unzementiert und erhalten ihre Statik nur durch ihr
Eigengewicht. Auf dem festen Boden am See steht ein sechs Meter hoher
freistehender Felsblock. Seine Seitenflächen sind abgerundet, und Quadersteine
sind so sorgfältig und kunstvoll in die Felsmasse hineingearbeitet, dass man
nur schwer unterscheiden kann, was vom Menschen bearbeitet und eingefügt und
was gewachsener Fels ist. Oben in der Mitte dieser gewaltigen gerundeten und
abgeflachten Felsoberfläche ist ein steinerner Sonnenuhrzeiger von einem Meter
Höhe, der, wie «der Inka» Garcilaso de la Vega sagte, von den Priestern dazu
benutzt wurde, zu bestimmen, «welche Tage lang und welche kurz wären und wann
die Sonne unterginge und wann sie wiederkäme». Diese Stätte hatte nur eine
kurze Berührung mit der Geschichte, als sie während der Bürgerkriege als «ein
Platz in starker Position» erwähnt wurde.
Von hier erreicht man
in einem einstündigen Ritt Vilcashuamänt.
Vorinkaischer
Wandteppich aus dem elften Jahrhundert. Detail eines grossen Altarbehanges aus
dem achtzehnten Jahrhundert. In dieser Arbeit, die von indianischen Künstlern
für die Kolonialherren hergestellt wurde, zeigt sich, wie trotz aller
Christianisierungsversuche der herrschenden europäischen Mächte der indianische
Einfluss immer wieder zum Vorschein kommt. Hier zeigt er sich in der stark
stilisierten Gestalt und den manierierten Händen.
Auf der
Halbinsel Paracäs im Süden Perus befinden sich die 2000 Jahre alten Grabstätten
eines Volkes, das seine Toten sitzend begrub, eingehüllt in schön gewebte
Stoffe. Vier Beispiele zeigen, warum man heute diese Arbeiten als Spitzenleistungen
textiler Kunst einstuft.
Handgewebte
Mütze, wie sie die Männer der ChuquisacaIndianer trugen. Charles d'Orbignys
183o entstandene Zeichnung von ChuquisacaIndianern in farbiger, handgewebter
Tracht.
Vilcashuamän, die Stadt des Erderschütterers
Vilcashuamän liegt
auf einem hufeisenförmigen Plateau. Der VischongoFluss, weit unterhalb und nur
durch ein dumpfes Brausen bemerkbar, hat sich seinen Lauf um die Stadt herum
gegraben und umkreist das hohe Massiv auf drei Seiten. Damals wie heute hat die
Stadt einen weiten Hauptplatz, der gross genug ist, um so 000 Menschen Raum zu
gewähren. Auf der östlichen Peripherie befindet sich ein bis heute erhaltener
Sonnentempel, der der einzige im ganzen Inkareich ist, bei dem noch Teile
seiner ursprünglichen architektonischen Gestalt bewahrt geblieben sind — wenn
es auch möglich ist, dass das fragliche Gebäude ein königlicher usno, ein
«Inspektionsplatz», ist. Erhalten geblieben sind eine Treppe, die nach Ciezas
Zählung dreissig Stufen hatte, und oben auf dem abgestumpften Gebäude liegt ein
einzelner Stein von drei Meter Länge und zwei Meter Breite, aus dem zwei Sitze
ausgehauen sind.
Im Süden war der
Tempel der Sonnenjungfrauen, der schon vor langem in die dortige Kirche
eingefügt wurde, während in einem anderen Teil der Stätte genügend von dem
ursprünglichen Bau übriggeblieben ist, um den Grundriss der einstigen
königlichen Inkawohnungen erkennen zu lassen. Die Strassen von Vilcashuamän
waren eng, mit Steinen gepflastert und von Häusern gesäumt. Das Gebäude ist
eine Masse von Quadersteinen, die mit grosser Kunstfertigkeit
aufeinandergeschichtet sind.
Die
ChinchasuyuStrasse von Vilcashuamän nach Cuzco
Pedro de Ciezas
Gewährsmann sagte, mit dem Bau der Stadt sei vom neunten Inka Pachacutic —
«Erderschütterer» — begonnen worden, und sein Sohn Topa Inka habe sie erweitert
und ihr den Status einer Provinz mit einem eigenen tukrikuk — Gouverneur —
verliehen, der zuständig für über 200 000 steuerzahlende Indianer war. Die
ursprünglichen Bewohner, die Tanquiha, waren dem Reich eingegliedert worden,
und um diesen Prozess zu beschleunigen, wurden ketschuasprechende Leute, die
grossohrigen Anta, in grosser Zahl hierher umgesiedelt. Hinter der Stadt erhebt
sich der gibraltarähnliche Fels von Pillucho, auf dem noch Hunderte von colca
zu sehen sind. Cieza schätzte, dass da 700 von diesen Lagerbehältern waren, die
das ganze Gebiet versorgten. Wegen eines gefährlichen Übergangs über den Fluss
wurde im späten siebzehnten Jahrhundert die ursprünglich aus Vilcashuamän herausführende
Strasse aufgegeben, nachdem eine neue Trasse gelegt worden war, und die alte
Strasse verfiel. 1845 fertigte Uonce Angrand, der französische Konsul in Lima,
die erste Abbildung davon an, aber erst 1953, als die VonHagenExpedition die
Stätte erforschte, wurde ein genauer Lageplan der Ruinen aufgezeichnet.
Da Vilcashuamän das
geographische Zentrum des Reiches war, war es auch ein wichtiger Strassenknotenpunkt.
«Als ich», schrieb Pedro de Cieza, «nahe bei Vilcashuamän war, traf ich auf
drei oder vier Strassen. Einmal verirrte ich mich sogar auf einer, die
InkaYupanquiStrasse hiess.»
Jede Strasse trug den
Namen des Grossinka, der sie erbaut oder geplant hatte. Das erinnert an die
Praxis der Römer, ihre Strassen nach Konsuln oder Kaisern zu benennen. Die
erste Strasse war, nach Cieza, diejenige, die Inka Yupanqui — also der grosse
Pachacutic —erbaut hatte; die zweite war nach seinem Sohn Topa Inka benannt,
der von 1471 bis 1493 herrschte und die Königsstrasse von Cuzco bis hinunter
nach Chile erweiterte; die dritte und letzte war die von Huayna Capac, der 1527
starb und die Strasse über Quito hinaus nach Norden bis Ancasmayu und nach
Süden weiter nach Chile hinein verlängerte. Vom einen Ende bis zum anderen war
die Entfernung ungeheuer — 61 oo Kilometer.
Die erste der drei
Strassen war eine überaus wichtige Querstrasse, die in der heissen Wüste des
Piscotales endete. Sie verliess Vilcashuamän in westlicher Richtung, stieg die
steilen Abhänge von Quicapata in die Schlucht von LambrasHuaycco hinab, ging
weiter zum Tampu von Totas und Paras und kreuzte dann die Puna in einer Höhe
von über 5 000 Meter bis zur grossen Inkafestung Huaytara am Anfang des Flusses
und Tales von Pisco.
Alonso Enrfquez de
Guzmän, einer der frühen Konquistadoren, «ein Diener des Königs und eine
bedeutende Persönlichkeit», wie er von sich selbst schrieb, kam nach Peru, um
sein Glück zu machen, und war einer der wenigen, die diese Strasse einschlugen
und über sie schrieben. Er stürzte mit seinem Pferd, «das 2000 Dukaten wert war;
wir fielen beide einen Abhang hinunter; das Pferd wurde zerschmettert, und ich
brach den linken Arm, quetschte mir das Bein und zog mir eine Kopfwunde zu. Oh,
die Mühsale, die man in diesen Ländern zu erdulden hat, sind so furchtbar, dass
die Männer, die kommen, ausdauernd und kräftig sein müssen, nicht aus Fleisch
und Blut, sondern aus Eisen und Stahl. Bin ich hierher gekommen, um meinen
Verstand zu verlieren, meine Zeit zu vertrödeln und meine Zähne einzubüssen?»
Wenige Kilometer vor
Huaytara ist ein Tampu, das man heute unter dem Namen Incahuasi — das «Haus des
Inka», das ist nicht der ursprüngliche Name — kennt. Max Uhle, der es 1901 sah,
beschrieb, dass es «in einer kleinen, talähnlichen Mulde liegt. Zwei oder drei
Gebäude stehen direkt an der Strasse [nach Vilcashuamän].» Von dort ging die
Strasse weiter nach Huaytara, wo noch die Reste eines steinernen Inkabades zu
sehen sind und wo ein Tampu ist, in diesem Fall ein königlicher Ruheplatz, und
eine Festung, auf deren schön verlegten vieleckigen Mauern eine Kirche erbaut
wurde.
Eine der ersten Massnahmen
von Diego de Almagro bei seinem Feldzug, um Francisco Pizarro daran zu hindern,
Cuzco einzunehmen, das seiner Meinung nach zu seinem Lehnsgebiet gehörte, war,
im Dezember 1537 eine Kompanie seiner Leute zur Verteidigung von Huaytara und
insbesondere der starken Inkafestung, die den Pass beherrschte, auszusenden.
Später verfolgte Francisco Pizarro Almagros Truppen auf dieser Strasse, und als
seine Soldaten die schneebedeckten Höhen beim Tampu von Incahuasi erreichten,
«wurden sie von Schwindel befallen und litten so an Qual, dass sie sich
erbrachen, taumelten und die Waffen wegwarfen». Das war eine Strasse, die von
den Heeren der Inka ständig begangen wurde und eine derjenigen, die ihnen dazu
dienten, die Eroberung der Küstengebiete durchzuführen.
Bei Huaytara begann
der Abstieg, der einer im Zickzack verlaufenden Stufenstrasse zehn Kilometer
weit folgte und von Pedro de Cieza als holperig bezeichnet wurde. Unterhalb von
Huaytara teilte sich die Strasse; ein Zweig ging das Piscotal hinunter, der
andere über schwieriges Gelände nach Ica, ebenfalls an der Küste. Eine andere
Strasse zur Küste, die in Vilcashuamän begann, überschritt den PampasFluss auf
einer Hängebrücke, durchquerte die von den Stämmen der Sora und Rucana
bewohnten Höhen und folgte dann einem Flusstal bis zur Vereinigung mit der vom
Gebirge herabführenden Strasse. Die Strasse ging dann weiter zu den Nazca,
einer Reihe grosser Dörfer entlang der heissen Wüstenküste, und vereinigte sich
mit der Küstenstrasse der Inka.
Pizarros Heer, das
mit all seinen berühmten Hauptleuten — Hernando de Soto, Almagro, Juan Pizarro
— der jüngste Bruder von Francisco — und anderen — auf der Strasse nach Cuzco
vorrückte, ritt am 29. Oktober 1533 bei Tagesanbruch in Vilcashuamän ein. Die
Geschwindigkeit des Vormarsches hatte die Truppen der Inka überrumpelt. «Sie
liessen ihre Zelte, Frauen und auch einige Männer in Vilcas zurück. Wir nahmen
diese gefangen und nahmen alles in Besitz. Am nächsten Tag griffen die Indianer
an und töteten ein weisses Pferd, das Alonso Tabuyo gehörte. Wir mussten uns
auf den Hauptplatz von Vilcashuamän zurückziehen.»
Weder der grosse
Platz noch die Stadt selbst hatten sich fünfzehn Jahre später merklich
verändert, als am 15. Januar 1547 ein neues Heer eintraf, nämlich das von
Präsident La Gasca, das nun im Namen des Königs gegen so manche derjenigen, die
damals den ersten Einmarsch in Vilcashuamän gemacht hatten, kämpfte. La Gasca
hatte sich der Stadt mit grosser Vorsicht genähert, denn es war ihm berichtet
worden, dass Francisco de Carbajal mit rasch zusammengezogenen Männern
heranrückte, um den loyalen Truppen den Übergang über die grosse Hängebrücke
vor ihnen am PampasFluss zu verwehren. Er bedrohte sie schon bei Andahuaylas,
dem nächsten grösseren Halteplatz, so dass La Gasca, wie er in seinem langen
Bericht nach Spanien vom 7. März 1548 darlegte, befahl, dass «seine Hauptleute
die Brücke bei Vilcas einnehmen und halten sollten».
Die Capac Nan, die
Königsstrasse nach Cuzco, begann am südöstlichen Rand des Hauptplatzes. «Von
hier», sagte Cieza, «geht die Strasse weiter zum nächsten Tampu in Uranmarca.»
Um die «Brücke von
Vilcas» zu erreichen, muss der Reisende 1600 Meter in weniger als fünf
Kilometern absteigen, indem er einen Zickzackweg über eine Strasse aus
steinernen Treppen macht. Sogar schon 1533, als die Strasse noch in ihrem
ursprünglichen Zustand war, beklagte sich Pedro Sancho, dass «die Reise [von
Vilcas nach Uranmarca] zwar kurz war, aber mühsam, weil man den ganzen Weg
absteigen musste, und zwar auf einer Strasse, die fast ganz aus Steinstufen
bestand». Hinter Vilcashuamän kam Pillaiccasi, eine jetzt in Ruinen liegende
Zollstation. Von dort aus zählte die VonHagenExpedition über dreitausend
Stufen, wobei die Strasse fast zwei Meter breit war. Die meisten Stufen
befinden sich noch in ihrer ursprünglichen Position.
Nach dem Hochland,
1300 Meter weiter oben, erscheint das Tal wie ein Backofen. Es ist von
gewaltigen Kakteen, die ihre stacheligen Arme emporhalten, und einer grossen
Vielfalt von xerophytischen Pflanzen begrünt. Diese heissen Gegenden werden
yungas genannt, «und hier an diesem Fluss von Vilcas», sagte Cieza, war Diego
de • Almagro, als er sich von den Höhen von Huaytara zurückzog, «so krank, dass
er vier Tage in der Hitze verbrachte, um sich zu kurieren».
Bei der Liegenschaft
de Pariabamba, wo zwei Flüsse in den Pampas einmünden, flacht sich das Tal zu
einem breiten Cafion ab. Da es hier keine überhängenden Felsen gibt, erbauten
die Ingenieure der Inka zwei massive Steintürme zum Aufhängen der Taue der
zweitlängsten Brücke im Inkareich. Pedro Sancho gibt zu, dass er Furcht hatte,
die Brücke zu überschreiten: «Jemand, der nicht daran gewöhnt ist, muss den
Übergang für gefährlich halten, weil die Hängebrücke bei ihrer langen
Spannweite durchhängt, so dass man bis zur Mitte ständig hinuntergeht und von
dort bis zum anderen Ufer wieder ansteigen muss. Ausserdem schwankt die Brücke
und schaukelt stark, wenn jemand darüber geht, was einem in den Kopf steigt,
wenn man es nicht gewöhnt ist.» Der zuverlässige Pedro de Cieza stellt fest, dass,
«als ich über die Brücke ging, zwei gewaltige Steintürme mit tiefen Fundamenten
vorhanden waren [die zum Teil noch zu sehen sind], an denen die Hängebrücke
aufgehängt war. Sie war sechsundsiebzig Schritte lang und so stark, dass Pferde
darüber galoppieren konnten, als ob sie über die Brücke von Alcäntara [von
Kaiser Trajan über den Tajo erbaut] oder die von Cördoba gingen.» Pedro Sancho
de la Hoz, der sie 1533 mit Francisco Pizarros Kavallerie überquerte, meinte,
«sie sei 361 spanische Fuss lang und breit genug für zwei Pferde
nebeneinander». Als jedoch La Gasca 1547 sie mit Pferden und Artillerie einen
ganzen Tag lang überschritt, fand er, «dass die Brücke nicht sehr stark war und
periodisch während der Nacht mit neuen Seiltrossen repariert werden musste».
Die Brücke mit ihren
dicken Seiltrossen aus cabuyaFasern musste ständig erneuert werden — mindestens
alle zwei Jahre. Sie war noch im siebzehnten Jahrhundert in Gebrauch, da Huamän
Poma, der Historiker der inkaischen Welt, berichtete, wo die Leute wohnten, die
die Brücke unterhielten.
Auf der anderen Seite
des PampasFlusses war wieder eine Steintreppenstrasse. Sie stieg fast auf dieselbe
Höhe hinauf, von der die Strasse vorher abgestiegen war. Auf halbem Weg hinauf
war das Dorf Uranmarca, «wo sich», wie Cieza sagt, «die Wohnungen von
Uranmarca, das eine MitimaeSiedlung ist, befinden». Diese Kolonie von loyalen
ketschuasprechenden Menschen war in dieses Gebiet verschickt und mit einer
Starthilfe ausgestattet worden, wo es vorher keine Siedlungen gegeben hatte,
und es war ihre Aufgabe, Unterkünfte für diejenigen bereitzustellen, die die
Strasse benutzten, und die Vilcasbrücke instand zu halten.
Andahuaylas, das im
weiteren Verlauf der Strasse auf einem weiten, fruchtbaren Plateau in einer
Höhe von 3000 Meter lag, war, wie Huamän Poma berichtete, «eine Stadt und ein
königliches Tampu». «Als ich 1548 nach dem langen, schwierigen Anstieg aus dem
Tal des Pampas hierher kam», schrieb Pedro de Cieza, «war der Herr der Stadt
ein Curaca namens Huasco. Die ursprünglichen Einwohner waren Chanca. Sie
kleideten sich in Decken. In früheren Zeiten waren die Chanca überaus tapfer.
Sie eroberten grosse Ländereien und waren so stark, dass sie sogar Cuzco
besiegten. Hanco Huallu, der ChancaHäuptling, der sich den Inka ergab, war in
dieser Provinz Andahuaylas bekannt dafür, dass er die Herrschaft der Inka nicht
anerkennen wollte und daher mit seinen Anhängern in die entfernteren Berge floh
und sich am Ufer eines Sees unterhalb des MoyabambaFlusses niederliess.»
Moyabamba liegt in der Montafia des oberen Amazonas, über i5oo Kilometer von
Andahuaylas entfernt. Es zeugt für die Entschlossenheit der Chanca, sich der
Inkaherrschaft zu entziehen, dass sie eine so grosse Strecke des von den Inka
beherrschten Gebiets durchwanderten und dennoch einen so bedeutenden Teil des
Stammes unversehrt in die Freiheit brachten; und es beweist, wie gross die
Furcht der Inka vor den Chanca war, dass sie, um sie einzuholen und wieder zu
unterwerfen, sich daranmachten, eine der berühmtesten Strassen der Geschichte
von Jauja nach Chachapoyas entlang des Oberlaufs des MarafiönFlusses zu bauen,
um sie zu finden.
Die Chanca waren nur
eine der vielen andinen Stammeseinheiten, aber sie waren, wie die Inka, unruhig
und unbezähmbar. Sie machten eine totemistische Abstammung vom Puma geltend,
und an ihren grossen Festen kleideten sich die Curaca zu ihren Tänzen in
Pumafelle. Andahuaylas war lange ein Pufferstaat zwischen den Chanca und den
Inka, aber im Jahr 1400 rückten die Chanca weiter nach Süden vor, um die
strategisch wichtigen Gebiete von Abancay und Curahuasi, die zwei Brücken von
entscheidender Bedeutung beherrschten, unter ihre Kontrolle zu bringen. Die
Chanca warteten mit ihrem Angriff auf Cuzco, bis der achte Inka Viracocha ein
alter Mann geworden war. 1437 überschritten sie den ApurimacFluss, unterwarfen
das ganze umliegende Gebiet und belagerten Cuzco. Der alte Inka floh, aber sein
Sohn Pachacutic sammelte die Truppen wieder, schlug die Chanca in einer
entscheidenden Schlacht, so dass sie in Vergessenheit gerieten, bis Hanco
Huallu mit 8000 Stammesmitgliedern seinen Fluchtzug unternahm.
Da das
Stammesgedächtnis lange anhält, kamen die Chanca den Streitkräften der Inka
nicht zu Hilfe, als sie von den Spaniern verfolgt wurden. So wurden sie ohne
Mühe unterworfen, und Andahuaylas wurde Diego Maldonado, mit dem Spitznamen
«der Reiche», als encomienda gegeben. Aus Salamanca stammend, hatte er an der
Ergreifung von Atahualpa teilgenommen und wurde dafür mit 362 Mark Silber und
776o Peso Gold belohnt. 1548 war er auf der Seite von Pizarro, wartete aber auf
eine Möglichkeit, um zu den Streitkräften von La Gasca überzulaufen.
Pedro de Cieza fand,
«dass Andahuaylas gut versorgt mit Lebensmitteln war. Wir verbrachten dort mit
Präsident La Gasca viele Tage, während er das Heer rüstete, um die Rebellion
von Gonzalo Pizarro niederzuschlagen.»
La Gasca sagte, er
sei Ende Januar hier angekommen und «habe die Leute, die das Land kennen,
ausgefragt und einen Schlachtplan gemacht», denn es gab viele Orte, wo durch
einen entschlossenen Hinterhalt seine ganze Armee vernichtend hätte geschlagen
werden können. «Am 2. Februar», so fährt der offizielle Bericht fort, «traf
Sebastiän Belalcäzar mit zwanzig Reitern in Andahuaylas ein, worüber grosse
Freude herrschte, denn er wird hochgeschätzt.» Pedro de Cieza gehörte zu diesen
Reitern.
Das Heer setzte nun
seinen Marsch über die Königsstrasse fort und bewegte sich in südlicher
Richtung auf Cuzco zu. Die Strasse passierte den Engpass von Cumu Huillca und
stieg dann in das Tal von Pincos ab, wo ein Spanier trotz des Bürgerkriegs eine
Zuckermühle errichtet hatte, um das im Tal angebaute Zuckerrohr zu verarbeiten.
Nach einem kurzen Anstieg hinter Pincos war die hier wegen des Regens
gepflasterte Strasse nur noch wenige Kilometer von der Festung Curambä
entfernt.
Die Stätte von
Curambä, neben der Inkastrasse auf einem Plateau gelegen, war seit 1534
bekannt. Man erinnert sich mit gutem Grund an sie, denn hier fanden die Spanier
zwei sechs Meter lange Silberbarren. Die Strasse führt von Norden her auf den
rechteckigen Hauptplatz, nachdem sie einen Pass überquert hatte. Der Hauptplatz
hatte vier mit Stein ausgelegte Gehsteige, an denen drei halbmondförmige Reihen
von Gebäuden standen; diese könnten — wie Pedro Pizarro, der junge Page seines
Onkels, des Eroberers, meinte — ein Dorf der Sonnenjungfrauen beherbergt haben.
In der Mitte des Platzes war eine abgestumpfte Pyramide, die man, wie bei der
Pyramide von Vilcashuamän, auf Steintreppen erstieg. Curambä war nicht nur ein Tampu,
eine Tempelstadt und eine Festung auf halbem Weg zwischen Andahuaylas und der
nächsten Brücke, sondern hatte auch Bedeutung als Zentrum für das Schmelzen von
Gold, Kupfer und Silber. Die Schmelzöfen, von denen manche noch zu sehen sind,
waren über die Huayrapampa — die «Ebene der Windöfen» verstreut. Von Hand
bediente Blasebälge konnten nicht immer genug Hitze für das Schmelzen des Erzes
erzeugen; daher machten sich die Inka den ständig von den Bergen von Vilcabamba
herunterwehenden Wind zunutze, um die gewünschten hohen Temperaturen zu
erzielen. Da es in der ganzen Gegend von Vilcabamba viele von den Inka benutzte
Goldwaschplätze gab, war eine Strasse gebaut worden, die diese mit Curambä
verband.
Die östliche Strasse
führte nach Wiriaysunu und hatte eine Verbindung zu der bedeutenden
Festungsstadt Choqquequirau über dem Nordostufer des ApurimacFlusses.
Curambä war ein
strategisch sehr wichtiger Platz, da es die Königsstrasse nachhaltig blockieren
und den Zugang zur Brücke sperren konnte. Hinter der Stadt stieg die Strasse
ab. Sie führte über den Pass von Bajada de Huancarama zu dem Dorf gleichen
Namens, wo die gepflasterte Strasse noch heute zu sehen ist. Weiter unten kam
die Strasse zu einem kleinen Süsswassersee und zu dem Dorf und Tampu
Cochacajas. Dieser Platz hatte, wie alle derartigen strategisch gelegenen
Stätten, die Aufgabe, eine Brücke zu beschützen, auszubessern und zu bewachen —
in diesem Fall die Brücke über den PachachacaFluss. Cochacajas war auch eine
bedeutende Strassenkreuzung.
Bevor die Hauptstrasse
die Brücke erreichte, traf sie sich mit einer Querstrasse, die nach Westen zur
pazifischen Küste führte. Die Ingenieure der Inka planten die Strasse so, dass
sie entlang des nördlichen (linken) Ufers verlief und daher keine weitere
Brücke über diesen ungebärdigen, zum Amazonas fliessenden Fluss erforderte. Die
Querstrasse verlief in der Nähe, mehr oder weniger parallel zu der modernen
Strasse durch dieses Gebiet und führte dann durch Pichichua, Tintay und Toraya
über die hohe Puna, auf der es hauptsächlich riesige Herden von wilden Vicurias
und Viscachas — der Chinchilla verwandt — gab, zu dem eiskalten Parcosee.
Dieser liegt im Einzugsgebiet des Pazifik. Von dort aus verlief die Strasse den
ganzen Weg bergab zu den Wüstentälern der Nazca, wo sie sich mit der Küstenstrasse
vereinigte.
Eine Stunde Marsch
entfernt von Cochacajas, wenn man auf der Hauptroute der Königsstrasse reiste,
waren Fluss und Brücke von Pachachaca — chaca ist das Ketschuawort für Brücke.
Der Pachachaca ist ein enger, schnellströmender Fluss, der in den
AimaraesBergen in den westlichen Anden entspringt. An dem Punkt, wo die Strasse
ihn überquert, fliesst er durch eine Schlucht mit senkrechten Wänden und ist
nicht zu durchwaten. Die Inka überbrückten ihn, indem sie Hängetaue
verwendeten, die durch starke Pfeiler getragen wurden.
Während der Eroberung
und der Bürgerkriege wurde die Brücke mehrmals niedergebrannt. Am 12. Juli i 5
3 7 standen sich hier Truppen gegenüber und schossen aufeinander, um die Brücke
zu besetzen. Nachher wurde sie der Ort für Waffenstillstandsverhandlungen der
beiden Parteien. «Ich wurde dazu ausersehen», schrieb Alonso Enriquez de
Guzmän, der den Vorfall in seiner Autobiographie beschreibt.
Gesäumt von weissen
abancayLilien — «wie die unsrigen in Spanien, aber ohne deren Duft», stieg dann
die Inkastrasse aus dem Tal hinauf und kam, nachdem sie das Tampu von Abancay
passiert hatte, auf die hohe, baumlose Puna, die über Mittag unmässig heiss und
bitter kalt in der Nacht ist. Hier, wo kein Hindernis im Wege war, wurde die
Strasse breiter und bekam ihre offizielle Standardbreite von ungefähr sieben
Meter. So breit blieb sie auch, als sie über den Pass von Abancay, auf dem
höchsten Punkt der Puna, führte.
Dank einer
ungewöhnlichen Kette von günstigen Umständen gibt es hier einen guterhaltenen
Strassenabschnitt mit Überresten eines nahegelegenen kleinen Rasthauses und
ganz oben einer apacheta.
Die apacheta ist ein
Sühnesteinhaufen, eine Pyramide aus kleinen, meist an den höchsten Punkten der
Strasse gefundenen Steinen. Die Übersetzung des Wortes apacheta erläutert ihre
Funktion: apa = Last, cheta = Einleger. Jeder Passant fügte dem Steinhaufen
einen Stein hinzu, der das Symbol der Last war, die er trug. «Die Indianer»,
sagte der Jesuit Jose de Acosta, «bringen einen kleinen Stein, den sie kurz vor
Erreichen der apacheta von der Strasse aufgelesen haben. Sie glauben, dass sie,
wenn sie ihn auf die apacheta werfen, ihre Müdigkeit hinter sich lassen und dass
die Götter ihnen neue Kraft verleihen werden.»
Nach dem Pass stieg
die Strasse wieder ab und trat in ein langes Tal ein. Hier sind die Steine von
Conchaca oder Sayhuite gelegen —mehrere freistehende Kalksteinfelsblöcke, von
denen einer, oval und sechs Meter lang, vier Meter breit und dreieinhalb Meter
hoch, mit den phantastischsten Figuren und Formen skulptiert ist. Die
Bildhauer, die zumeist mit Steinkeilen arbeiteten, gingen mit diesem gewaltigen
Felsblock ebenso mühelos um wie etwa ein orientalischer Künstler mit einem
Stück Elfenbein und meisselten Eidechsen, Pumas, Viscachas, Schlangen,
Meerschweinchen und Stufen ein — ein kompliziertes Labyrinth von Symbolen,
deren genaue Bedeutung nicht mehr festzustellen ist.
Der früheste Bericht
über diese Steine stammt aus dem Jahr 1847, als der französische Konsul Leonce
Angrand sie besuchte und eine Reihe von Zeichnungen des grossen ovalen Steins
hinterliess. Diese Zeichnungen werden in der Nationalbibliothek von Paris
aufbewahrt. E. G. Squier machte eine Fotografie von einem anderen der Steine.
Er glaubte, dass dieser, den man auf einer aus dem Stein gehauenen Treppe
ersteigen kann und der einen Behälter für knapp fünf Liter Flüssigkeit
enthielt, die in Leitungen auf allen Seiten floss, Trankopfern diente, die die
Priester — amantua — tranken, weil sie glaubten, dass sie dadurch an dem Gott
des Orakels teilhatten, der in dem Felsen lebte. Auf der anderen Seite waren
eine Tür und eine Höhle, die gross genug für einen Menschen war, aus dem Felsen
ausgehauen. Aber der genaue Zweck des Steins bleibt ein Rätsel.
Von hier aus braucht
man eine Stunde bis zum nächsten Tampu in Curahuasi, das Huamän Poma als
«königliches Tampu, Dorf, Brükke von Apurimac» aufführt. Die Funktion, die die
Einwohner von Curahuasi zu erfüllen hatten, steht daher ausser Zweifel: Sie mussten
die Strasse, die zur Brücke führte, reparieren und unterhalten und alle zwei
Jahre die gewaltigen Taue, an denen die Brücke aufgehängt war, erneuern. Es
gibt noch umfangreiche Reste der Siedlung Curahuasi, einschliesslich einiger
drei Stock hoher Gebäude, was für Inkabauwerke ungewöhnlich ist. Man sieht
noch, wo die Königsstrasse auf den Hauptplatz mündete und ihn wieder verliess.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.