Sonntag, 6. März 2016

Miami South Beach – Reisebericht von Selzer-McKenzie


Miami South Beach – Reisebericht von Selzer-McKenzie

https://youtu.be/mK9_UX2Xt1s

Miami hat sich neu erfunden. Das einst heruntergekommene Viertel South Beach ist wieder in: Vor den prächtigen Art-D&o-Gebäuden wird der Strand zum Laufsteg. Heute übernachten Besucher in der ehemaligen Residenz von Versace und entdecken moderne Kunst.           rium des Hauses. Cher traf bei rauschenden Festen auf Elton John und Madonna. Vielleicht schaffen das eines Tages auch die neuen Besitzer. Im Mo-ment schlummert die Casa Casuarina, inzwischen eine noble Herberge mit nur zehn Suiten und ei¬nem Restaurant, eher im Dornröschenschlaf. Was morgen schon wieder vorbei sein kann: Miami bewegt sich bisweilen schneller als New York.

 

 

4         Sein Geist ist da. Man kann ihn spüren, sobald sich der Vorhang der Nacht über die Villa Casa Casuarina senkt, sobald sich die High-Heels mit hellem Klack-Klack aus dem Restaurant auf den Ocean Drive verabschieden. Sein Geist beobach¬tet einen, wenn man unter rauschenden Palmen im mit Millionen von Mosaiksteinen verzierten Swimmingpool ein paar Runden dreht. Auch in der Aviary Suite, dem Zimmer mit den handge¬malten Vögeln auf der Tapete, ist der Meister präsent: Er hatte sie für seine Nichte Allegra ent¬worfen. Das Medusenhaupt, Gianni Versaces Markenzeichen, ist überall - im Pool, auf dem Fußboden, an den Türklinken, selbst auf dem Wasserabflussdeckel. Kurz vor dem Eindäm¬mern kommt einem der Spruch von Donatella Versace in den Sinn, der Schwester des verstorbe¬nen Modeschöpfers: „Jedes Zimmer ist wie ein anderer Traum von Gianni."

Am nächsten Morgen, wenn Miami Beach er-

 

wacht, scheint sanftes Licht durch die bernstein-farbenen und weinroten Fenster. Doch nach dem Frühstück ist der pro Nacht mindestens 750 Dol¬lar teure Traum dann leider vorbei - man muss auschecken, weil die nächsten Gäste kommen. Denn die Villa Casa Casuarina ist ein legendäres Gebäude: 1930 wurde sie vom Ölmagnaten Ad-len Freeman erbaut und bewohnt. Es folgten ei¬nige ziemlich unglamouröse Jahrzehnte, in de¬nen das Anwesen aufgeteilt und in Appartements umgewandelt wurde und schließlich immer mehr verfiel. Dann erwarb und erweiterte der Mode-designer Gianni Versace das Anwesen. Insge¬samt investierte er fast 40 Millionen Dollar.

Villa im Dornröschenschlaf

Viele Prominente waren hier schon zu Gast. Tom Cruise und Katie Holmes verlobten sich nach ei¬nem dreistündigen Dinner im Sterne-Observato-

 

Alles anders als erwartet

Miami ist keine fertige Stadt, sondern eine, die sich immer wieder neu erfindet. Exilhauptstadt Kubas? Das war einmal - in „Linie Havana" trifft sich heute ganz Lateinamerika. Rentnerparadies für Weiße aus dem Norden? 60 Prozent der 2,6 Millionen Einwohner von Miami-Dade County haben Spanisch als Muttersprache, nicht Englisch. Am Strand von South Beach treffen athletische College-Studenten im Spring Break auf Models beim Shooting, Latinos auf aus der Kälte flüchtende „Snowbirds" aus Kanada. Für alle ist Platz, auch und vor allem für den Gla¬mour ä la Miami Vice. Kein Wunder, dass je¬mand wie Gianni Versace hier leben wollte.

Der Designer war keiner, der sich in seiner Resi¬denz versteckte oder sich, einmal außerhalb der hohen Mauern unterwegs, stets von Bodyguards abschirmen ließ. Das wurde ihm im Jahr 1997

zum Verhängnis, als ihn die Kugeln eines Mör¬ders trafen. Versace schien die Unbeschwertheit Miamis zu lieben, und so sah man ihn am Vor¬mittag oft den Ocean Drive entlang schlendern: Ein kleiner Morgenspaziergang die paar Stra¬ßenblocks von Hausnummer 1116 nach Haus¬nummer 800, dem News Caf& wo er sich gele¬gentlich eine italienische Zeitung kaufte. Das News Caffe gibt es immer noch, der Laden läuft besser denn je und hat rund um die Uhr geöffnet. Nur die Sonnenbrillen der Generation Umhän¬getasche, die hier ausgiebig frühstückt, sind noch größer geworden als zu Zeiten Versaces. Sie errei¬chen nun etwa den Durchmesser der auf den Tischchen platzierten Latte-Macchiato-Gläser.

Früher pfui, heute hui

Doch es ist noch gar nicht so lange her, da gab es hier weder Bars noch Mädels mit knappen Biki¬nis, die ihre Haut dekorativ zur Schau stellten. Schon gar keine Touristen auf der Suche nach international bekanntem Glanz. Früher schloss sich die Laufkundschaft von Haus 800 Ocean Drive in verwahrlosten Zimmern ein und rauchte sich mit Crack um den Verstand. Auf der Straße besorgten sich die Drogen¬abhängigen das Geld für die nächste Pfeife. Deswegen gab es vor drei Jahrzehnten tatsäch¬lich Pläne, das Viertel komplett abzureißen und eine Lagunenstadt mit künstlichen Ka¬nälen anzulegen. Doch dann fanden Investoren Geschmack an den histori¬schen Art-Mco-Gebäuden, mehr als 800 Häuser entlang des weißen Sand¬strands, gebaut zwischen 1923 und 1943. Hier ein Bullaugen-Fenster, dort eine Re¬ling oder ein Fahnenmast - alles archi¬tektonische Anspielungen auf die gro¬ßen Ozeandampfer, die vor dem Zweiten Weltkrieg im Hafen von Miami anlegten. »Früher traute man sich nachts nicht auf die Straße", sagt Paddy Ericson, die viele Jahre lang als Kriminalreporterin für den „Mia- mi Herald" unterwegs war und ihr ganzes Leben in South Beach verbracht hat. Auch Scott Timm von der Miami Design Preservation League, die sich für die Erhaltung der historischen Gebäude einsetzt, hat den Wandel miterlebt: „Erst war hier ein Slum. Dann wurde Miami plötzlich cool."

Jet-Set brachte den Aufschwung

Die Modeindustrie liebte den morbiden Charme von South Beach. Künstler zogen hinterher. In den 90er-Jahren wurde South Beach für den Jet-Set interessant. In 800 Ocean Drive zog eine Mo-delagentur. Und die Straße wurde zur Bühne: Hier mischt sich heute alles, was die multikultu¬relle Stadt ausmacht. Noch immer gibt es vor al¬lem Bars und Restaurants am Ocean Drive - die Läden der großen Ketten finden sich erst in zweiter oder dritter Linie. South Beach lebt da¬von, außergewöhnlich zu sein.

Für viele Kreativeist das Viertel heute aber zu teuer. Sie leben auf dem Festland, denn auch in Downtown Miami tut sich etwas. Abseits der Hochhaus-Skyline, im Design District, siedeln sich Dutzende kleiner Läden an. Im Süden, in Wynwood, verwandelt sich gerade eine Lagerhalle nach der anderen in eine Kunstgalerie. Im Museum der Rubell Fa-mily Collection erinnern sich die Mitarbeiter daran, dass der graue Klotz einst der amerikani¬schen Anti-Drogenbehörde DEA als Waffende¬pot diente. „Als wir herkamen, hing noch eine Zielscheibe in der Form eines Mannes an der Decke, die von Kugeln durchsiebt war."

Für die Ausstellung „30 Americans" griff Künst¬ler Kehinde Wiley dieses Thema auf: Bei seinem Dreifachporträt eines jungen Schwarzen ließ er sich von Fahndungsfotos inspirieren. „In Miami ist moderne Kunst synonym mit Glamour",

sagt dazu die bekannte Mäzenatin Rosa de la Cruz. „Doch es ist besser, ein Glamour-Image zu haben als das Image, eine Hochburg der Kri¬minalität zu sein









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