Dienstag, 8. März 2016

Subkontinent India


Subkontinent India

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/vIAkwkZZbcw

 

Subkontinent in Bewegung

Während das Wirtschaftswachstum in vielen Emerging Markets rückläufig ist, steigt Indien zur neuen Konjunkturlokomotive auf. Ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von mehr als 7 Prozent in diesem und im nächsten Jahr, ein vergleichsweise stabiler Aktienmarkt sowie eine recht robuste indische Rupie sprechen aktuell für das Milliarden-Einwohner-Land. Doch im Zuge des Wachstums vergrößerten sich auch die ohnedies scharfen Unterschiede zwischen Arm und Reich.

 

Lange stand Indien, was das Wirtschaftswachstum angeht, im Schatten Chinas, des anderen Milliarden Einwohner zählenden Landes. Die Steigerungsraten waren zwar hoch, jedoch geringer als im Reich der Mitte. Nun hat sich das Blatt gewendet. Für 2016 geht der Internationale Währungsfonds (IWF) von einem BIP-Wachstum von 7,4 Prozent in Indien aus. Die Prognose für China beläuft sich auf 6,3 Prozent. 2017 soll Indiens Wirtschafts¬leistung nach IWF-Schätzungen auf 7,5 Prozent steigen, während sich das Wachstum in China weiter abschwächen wird.

„Trotz struktureller Mängel zählt Indien damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt", urteilt auch das Auswärtige Amt. Bei weiter wachsender Einwoh¬nerzahl (derzeit sind es 1,25 Milliarden) werde es bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich nicht nur das bevölkerungs¬reichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Brutto¬inlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen, so die Experten.

Unter den größeren Volkswirtschaften zeigt Indien aktuell sogar das höchste Wachstum. Von den 189 Ländern, die der IWF in seiner Datenbank führt, wachsen aktuell nur einige kleinere Volkswirtschaften wie Mozambique, Turkmenistan (allerdings wegen niedriger Rohstoffpreise mit negativem Ausblick) oder Myanmar dynamischer.

Goldman Sachs Global Investment Research (GIR) erwartet, dass sich Indiens Konjunkturaufschwung im Jahr 2016 vor allem auf¬grund der guten Binnennachfrage fortsetzen wird. Bis zum Fiskal¬jahr 2017 könnte das reale BIP-Wachstum sogar auf 7,9 Prozent anziehen. Da die globale Konjunktur wohl als signifikanter Wachstumstreiber ausfallen wird, dürften neben der städtischen Konsumnachfrage vor allem die Staatsausgaben für Wachstum sorgen. Darüber hinaus sollte die Wirtschaft von den jüngsten Zinssenkungen um 125 Basispunkte und von der anhaltenden Schwäche der Rohstoffpreise profitieren.

HOFFNUNG AUF STRUKTURREFORMEN

Eine höhere Gesamtnachfrage würde auch die Inflation etwas anheizen. Aktuell geht der IWF von einer Teuerungsrate von etwa 5,5 Prozent in diesem und im nächsten Jahr aus. Die Schätzung von Goldman Sachs GIR liegt etwas niedriger (4,9 bzw. 5,3 Pro-

 

zent). Die Experten verweisen allerdings auf die Risiken höherer Inflation, wenn es beispielsweise im öffentlichen Dienst zu Lohn-erhöhungen kommen sollte. Mehr Inflation würde den Spielraum der indischen Zentralbank, der Reserve Bank of India (RBI I, be¬grenzen. Aktuell zeigen die Notenbanker eine abwartende Hal¬tung. Die indische Rupie dürfte sich dennoch als recht stabil er¬weisen und sich besser entwickeln als die meisten Emerging-Mar-kets-Devisen. Denn die Wachstumsaussichten sind besser als an¬derswo und die ausländischen Direktinvestitionen scheinen stabil. Dennoch sieht sich die indische Rupie auch Risiken gegenüber, beispielsweise durch eine mögliche weitere Abwertung des chi¬nesischen Yuan oder durch Zinserhöhungen in den USA. Vieles wird davon abhängen, wie die Regierung um Premierminister Narendra Modi an der Reformagenda festhalten und vor allem strukturelle Schritte umsetzen wird.

SCHERE ZWISCHEN ARM UND REICH WEIT GEÖFFNET

Vor allem mit dem Thema der Armutsbekämpfung muss sich Modi befassen. Das BIP pro Kopf liegt nach IWF-Angaben bei rund 1.800 Dollar. In China ist es fast fünfmal so hoch. Rund 30 Prozent der indischen Bevölkerung müssen mit weniger als einem Dollar täglich auskommen, etwa 70 Prozent stehen weniger als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung. „Auf dem Human Develop-ment Index der UNDP steht Indien auf Platz 135 unter 187 er¬fassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika", bestätigt das Auswärtige Amt.

Durch das hohe Wirtschaftswachstum der zurückliegenden De¬kade ist das durchschnittliche Einkommen zwar gestiegen, doch die Unterschiede zwischen Metropolen wie Mumbai oder Ban-galore einerseits und ländlichen Regionen andererseits wurden eher größer. Nach dem Regierungswechsel 2014 sind die Erwar¬tungen nun groß. Wird es gelingen, bessere Bildung für die breite Masse der Bevölkerung zu ermöglichen und die Korruption ein¬zudämmen?

Der Großteil der Inder lebt auf dem Land, wo die Einkommen wesentlich geringer sind. Die Landwirtschaft beschäftigt zwar fast die Hälfte der Arbeitskräfte, trägt aber nur rund ein Sechstel zur Wirtschaftsleistung bei. Viele Landwirtschaftsarbeiter sind

ohne Arbeitsvertrag tätig, haben weder Krankenversicherung noch Rentenansprüche.

Der Wachstums- und Wohlstandsmotor in Indien ist der Dienst-leistungssektor, der fast zwei Drittel zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert — allerdings profitierte bisher nur knapp ein Drittel der Bevölkerung von diesem positiven Trend. Durch Reformen im Bildungssektor will die Regierung an diesem Missverhältnis an-setzen. Dabei soll auch das verarbeitende Gewerbe gestärkt werden.

Langfristig sollte Indien von seiner Größe und seiner günstigen Demographie profitieren. Der Anteil der arbeitsfähigen Bevölke¬rung zwischen 15 und 59 Jahren wird nach Angaben des Aus¬wärtigen Amtes bis 2026 auf knapp 70 Prozent steigen. „Dieses äußerst günstige Generationenverhältnis soll Stütze für ein nach¬haltiges Wachstum sein", so die Experten, die aber auch anmer¬ken: „Die nötigen Arbeitsplätze müssen größtenteils allerdings erst noch geschaffen werden. Ebenso sind massive öffentliche Investitionen in Bildung, Ausbildung und Gesundheitswesen notwendig."

 

ABB. 2: WECHSELKURS EUR/INR

in INR

Der Regierungswechsel in Indien spiegelte sich auch in einer etwas stabileren Währung (fallender EUR/I NR-Kurs) wider. Start 23.02,2006; Stand 23.02.2016. Quelle: Bloomberg

AKTIENMARKT UND WÄHRUNG

Im Zuge der jüngsten Kurskorrekturen an den globalen Aktien-märkten gaben auch die Kurse an der Börse in Mumbai nach. Der BSE Sensex umfasst die 30 bedeutendsten indischen Aktien, darunter Dr. Reddy's Laboratories, Infosys, Reliance Industries, State Bank of India, Tata Motors und Wipro. Der Index markierte sein Allzeithoch Ende Januar 2015 bei rund 29.700 Punkten, nachdem er infolge des Regierungswechsels rapide gestiegen war. Zuletzt fiel der BSE Sensex Index auf gut 23.000 Punkte, ein Minus von rund 22 Prozent. Zum Vergleich: Der MSCI Emerging Markets brach seit seinem Zwischenhoch vom April 2015 um etwa ein Drittel ein.

Wesentlich stabiler als andere Devisen aus den Schwellenländern hat sich auch die indische Rupie (INR) gehalten. Seit Mitte 2013 hat sie gegenüber dem Euro sogar zugelegt. Auf Sicht von zehn Jahren hat indes die europäische Gemeinschaftswährung aufge¬wertet. Aktuell kostet ein Euro etwa 75 Rupien, vor zehn Jahren waren es 52 Rupien. Gegenüber dem Dollar hat die Rupie spür¬bar verloren — ein Trend, der seit Anfang 2008 anhält.

 

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