Kranich
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=6qE99keC5pI
Die Filmbilder hat der Author Selzer-McKenzie in Polska gedrehjt
Der Kranich (Grus grus), auch Grauer Kranich oder Eurasischer Kranich genannt, ist der einzige Vertreter der Familie der Kraniche (Gruidae) in Nord- und Mitteleuropa. Kraniche bewohnen Sumpf- und Moorlandschaften in weiten Teilen des östlichen und nördlichen Europa, aber auch einige Gebiete im Norden Asiens. Sie nehmen das ganze Jahr über sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung auf. Der Bestand hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen, so dass die Art zur Zeit nicht gefährdet ist.
Die Schönheit der Kraniche und ihre spektakulären Balztänze haben schon in früher Zeit die Menschen fasziniert. In der griechischen Mythologie war der Kranich Apollon, Demeter und Hermes zugeordnet. Er war ein Symbol der Wachsamkeit und Klugheit und galt als „Vogel des Glücks“. In China stand er für ein langes Leben, Weisheit, das Alter sowie die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Auch in Japan ist der Kranich ein Symbol des Glücks und der Langlebigkeit. In der Heraldik ist der Kranich das Symbol der Vorsicht und der schlaflosen Wachsamkeit. In der Dichtung wird der Kranich symbolisch für etwas „Erhabenes“ in der Natur verwendet.
Der Kranich ist wie alle Vertreter der Gattung Grus ein großer Schreitvogel mit langen Beinen und langem Hals. Kennzeichnend sind die schwarz-weiße Kopf- und Halszeichnung und die federlose rote Kopfplatte. Der keilförmige, schlanke Schnabel ist über zehn Zentimeter lang. Das Gefieder hat abgesehen vom Kopf eine hellgraue Färbung in vielen Abstufungen. Sehr selten sind fast weiße und sehr dunkle Vögel. Der Schwanz sowie die Hand- und Armschwingen sind schwarz. Die Humeralfedern variieren farblich von Grau bis Schwarz und hängen bei Altvögeln als „Schleppe“ über den Schwanz hinweg. Zur Brutzeit wird der Schulter- und Rückenbereich mit Moorerde hell- bis dunkelbraun gefärbt. Die Geschlechter sind äußerlich schwer zu unterscheiden. Männchen sind jedoch durchschnittlich etwas größer als Weibchen. Erstere wiegen fünf bis sieben Kilogramm, letztere fünf bis sechs. Der Kranich erreicht eine Höhe von 110 bis 130 cm. Die Flügelspannweite beträgt etwa 220 bis 245 cm.
Flügge Jungvögel zeigen eine gleichmäßige hellgrau-braune Färbung und haben noch keine Schleppe. Der Kopf ist einfarbig rötlich sandfarben ohne Schwarz-Weiß-Zeichnung. Bei einjährigen Jungvögeln bildet sich eine schwache Hell-Dunkel-Zeichnung an Kopf und Hals heraus. Sie haben noch ein geringeres Gewicht als Altvögel. Zweijährige Jungvögel ähneln abgesehen von einer weniger ausgeprägten Schleppe den Altvögeln.
Die Mauser des Kleingefieders findet jährlich vom Frühjahr bis in den Herbst statt. Altvögel mausern im Drei- bis Vierjahreszyklus.
Vor dem Auffliegen werden normalerweise Kopf und Hals bogenförmig zehn bis zwanzig Sekunden in Flugrichtung gestreckt, um durch Stimmsignale untereinander den Abflug zu synchronisieren. Nach einigen schnellen Schritten stoßen sich die Kraniche vom Boden ab und fliegen mit ausgestrecktem Hals. Größere Entfernungen werden im Segelflug zurückgelegt, kurze Distanzen auch im Ruderflug. Kraniche sind ausdauernde Flieger und können bis zu 2.000 Kilometer nonstop zurücklegen, wobei kürzere Tagesetappen von zehn bis 100 km eher die Regel sind. Im Flug erreichen sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 bis 65 km/h, mit Rückenwind können sie teilweise bis zu 130 km/h schnell werden.
Kraniche haben verschiedene Rufe, die für das Sozialverhalten von Bedeutung sind. Der laute trompetenartige Ruf [1] wird durch den Resonanzraum der 100 bis 130 cm langen Luftröhre ermöglicht. Beim „Duettruf“ folgt einer Rufreihe eine darauf abgestimmte Tonfolge. Sowohl Männchen als auch Weibchen können durch ihn die Abfolge der Duette einleiten. Beide richten dabei Kopf und Schnabel aufwärts, neigen den Hals nach hinten und heben die Schwingen an. Sie stehen eng beisammen und bewegen sich während der Rufreihen gemächlich nebeneinander fort. Der Duettruf [2] ertönt bei Erregung an Sammel- und Rastplätzen, am häufigsten zur Brutzeit. Er kann durch Frequenzanalyse (Sonagrafie) zur individuellen Charakterisierung und Wiedererkennung verwendet werden.
Ein anderer lauter Ruf ist der Warnruf, der bei Gefahr von einem Paar oder mehreren Vögeln ausgestoßen wird. Der Doppelruf wird durch das Rufen eines Partners mit vorgestrecktem Hals eingeleitet. Das Männchen folgt darauf mit einem höheren Laut oder das Weibchen mit einem tieferen Ton. Er ist häufig bei Störungen in Brutrevieren über weite Distanzen zu hören. Besonders bei eingeschränktem Sichtkontakt oder bei einer stärkeren Zugstimmung äußert ein suchendes Einzeltier oder die Gruppe den lauten Kontaktruf. Er kündigt auch den bevorstehenden Abzug an.
Der Kontaktruf der Küken äußert sich in einem sanft trillernden Ton. Bei Erregung geben sie ein lautes, pfeifendes Piepsen von sich. Der Bettelruf besteht aus einem klagenden Piepen. Die Familienmitglieder verständigen sich über trillernde Kontaktrufe. Um die Jungen zu warnen, werden sowohl am Boden als auch in der Luft Rufe ausgestoßen, die aus scharfen und vokallosen Tönen bestehen.
Die Brutgebiete des Kranichs liegen im Nordosten Europas und im Norden Asiens. Die Flüsse Weser und Aller markieren die westliche, der 51. Breitengrad die südliche Grenze des Verbreitungsgebietes. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben Biotopverluste bewirkt, dass sich die Südgrenze des europäischen und mittelasiatischen Areals um 300 km bis 400 km nach Norden verschoben hat. Der Verlust isolierter Brutgebiete ist auf Trockenlegung und Kultivierung von Feuchtgebieten, Eiersammeln und Bejagung sowie auf ökologische Bedingungen (Wassermangel, Trockenheit) zurückzuführen. Eine Wiederbesiedlung ist jedoch unter den heutzutage verbesserten Schutzbedingungen möglich.
Der Kranich besiedelt ganz Skandinavien und Finnland. In Mitteleuropa ist er in Polen, Tschechien und im Norden und Osten Deutschlands zu finden. In Osteuropa ist der Kranich in den baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland, in Weißrussland und im Norden der Ukraine verbreitet. Vor Jahrzehnten stellten der Süden Georgiens, Armenien, die südliche Ukraine und das Nordostufer des Aralsees noch Brutgebiete dar. Nach wie vor sind das östliche Sibirien und der Ferne Osten dünn besiedelt. In der Türkei und in Tibet sind stabile, eigenständige Populationen zu finden. Die Verbreitung im Nordosten Chinas nimmt jedoch ab. Sporadisch brütet der Kranich in England, Frankreich, Italien sowie in den Niederlanden. Früher war er auch in Rumänien, Jugoslawien, Albanien, Bulgarien sowie in Griechenland verbreitet.
Seine bevorzugten Lebensräume sind Feuchtgebiete der Niederungen, wie beispielsweise Nieder- und Hochmoore, Bruchwälder, Seeränder, Feuchtwiesen und Sumpfgebiete. Zur Nahrungssuche finden sich die Tiere auf extensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Kulturen wie Wiesen und Feldern, Feldsäumen, Hecken und Seeufern ein. Für die Rast nutzen sie weite und offene Flächen wie Äcker mit Getreidestoppeln. Als Schlafplätze werden vor allem Gewässer mit niedrigem Wasserstand aufgesucht, die Schutz vor Feinden bieten.
n Europa gibt es mehrere Zugwege, die seit dem frühen 19. Jahrhundert erforscht werden. Genaue Erkenntnisse liegen dabei für die westeuropäische Zugroute und den nördlichen Teil der baltisch-ungarischen Strecke vor.
Aus Schweden, Norwegen und vielleicht auch aus Nordfinnland stammende Kraniche ziehen in Nord-Süd-Richtung durch Schweden, wobei sich im westlichen und östlichen Teil des Landes stärkere Zugkonzentrationen herausgebildet haben. Ab Mitte August erreichen größere Rastgruppen der Westzieher das deutsche Festland zwischen der Odermündung und dem Darß. Die Zahl der bevorzugt auf der Insel Rügen und bei Groß Mohrdorf rastenden Vögel erreicht zwischen Mitte und Ende Oktober ihren Höhepunkt. Ostzieher rasten teilweise auf Öland, um dann die Ostsee in Richtung Rügen, Polen und Estland zu überqueren. Der Abzug skandinavischer Kraniche findet zwischen Mitte August und Mitte Oktober statt, gelegentlich auch noch im November.
Ab Mitte September wird Deutschland sowohl von Norden als auch aus östlicher Richtung mit Rast zwischen Ostseeküste und Lausitz angeflogen. Seit Mitte der 1980er-Jahre wird eine große Zunahme des Ost-West-Durchzuges im Inland festgestellt, so dass die Höchstzahlen seit 1996 an den großen Rastplätzen in Schlesien, im Torun-Eberswalder Urstromtal, nördlich Berlins und der Lausitz die der Küstenregionen übertreffen. Der Höhepunkt des Ost-West-Durchzugs liegt in der zweiten Oktober- und ersten Novemberhälfte, wobei größere Zuggruppen aus dem Osten noch bis Mitte Dezember und bei ungünstigen Wetterlagen sogar bis in den Januar hinein ziehen können. Der Zug wird in südwestliche Richtungen fortgesetzt, wobei sich die nördlichen und östlichen Zugkontingente sowie die Flüge der verschiedenen Rastplätze westlich des Rheins vereinigen.
Nach dem Abzug von den ostdeutschen Rastplätzen ziehen die Zuggruppen meistens westwärts über das Rhein-Main-Gebiet bis Frankreich. Dort verläuft die Zugroute diagonal durch das Land. Die großen Rastregionen liegen in Orléans und der Champagne Humide sowie in der Region Aquitaine. Gewöhnlich werden die westlichen Pyrenäen in der Provinz Navarra und dem östlichen Baskenland überquert, bevor es zu dämmern beginnt. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird Frankreich auch zur Überwinterung intensiv genutzt.
Im nördlichen Spanien wird nur an wenigen Plätzen gerastet. Zugkonzentrationen bilden sich an der Laguna de Gallocanta in den Provinzen Saragossa und Teruel. Die ersten Vögel erscheinen im Oktober, in dessen zweiter Hälfte stärkerer Zuzug stattfindet, der zwischen Ende November und Mitte Dezember seinen Höhepunkt erreicht. Die Überwinterungsgebiete stellen die Extremadura und Andalusien sowie etwa 58 weitere Plätze dar. Ein kleiner Teil der Population zieht noch weiter bis Nordafrika. Der Abzug beginnt ab Ende Januar und erreicht zwischen Ende Februar und Anfang März seinen Höhepunkt. Der Zug auf der westeuropäischen Route ist von maximal 40.000 Kranichen am Anfang der 1980er-Jahre über 60.000 Vögel um 1990 auf etwa 150.000 Kraniche im Jahr 2001 angestiegen.
Unter Mitnahme der Populationen aus dem Baltikum, Weißrussland sowie des polnischen Ostens und ukrainischen Westens setzt in Finnland und Nordwestrussland im Herbst der Zug ein, um dann südwärts zur Ungarischen Tiefebene mit ihren großen Rastplätzen zu führen. In Finnland sind die stärksten Zugkonzentrationen westlich und östlich von Helsinki zu finden.
Nach Vereinigung mit den großen nordwestrussischen Flügen dominieren über Lettland und Litauen südliche und südwestliche Zugrichtungen. Die Zuggröße steigt in den Rastregionen von Nordost nach Südwest kontinuierlich an. Diese Flüge rasten selten in Finnland, jedoch vor allem zwischen Anfang September und Mitte Oktober an mehr als 40 Schlafplätzen in Estland. Danach überqueren die südwärts ziehenden Vögel die Niederen Beskiden und gelangen durch die Wälder der Waldkarpaten in die Ostslowakei. Während diese Zuggruppen dort höhere Gebirgsketten nach Ostungarn überfliegen, schlagen kleinere Kontingente den Weg durch das östliche Rumänien ein. Besonders von Mitte Oktober bis Anfang November konzentrieren sich die großen Flüge auf den Rastplätzen, vor allem am Salzsee von Kardoskut und im Hortobágy-Nationalpark.
Südlich von Ungarn teilt sich die Zugroute in einen östlichen und einen westlichen Weg (Mittelmeer-Zugweg). Auf der letztgenannten Strecke wird zunächst der westliche Balkan durchquert, um von der albanischen Adriaküste über Sizilien und Kalabrien nach Tunesien zu gelangen. Dabei soll es gelegentlich Überwinterungen auf den Liparischen Inseln und Sardinien gegeben haben. Während aus Tunesien Überwinterungen von 20.000 Vögeln bekannt sind, ist die weitere Route der 50.000 Ostzieher weitgehend unbekannt. Man nimmt jedoch an, dass ein kleiner Teil in Israel überwintert und ein größerer Teil nach einer Rast auf Zypern im östlichen Afrika bleibt. Die Westzieher ziehen über Ägypten entlang des Nils weiter, um dort an Oasen zu rasten oder Richtung Rotes Meer und Israel weiterzuziehen, während die Ostzieher dieser Route und des russisch-pontischen Zugweges die Türkei überfliegen. Die Gesamtzahl der Vögel der baltisch-ungarischen Route wird gegenwärtig auf 80.000 bis 90.000 geschätzt.
Große Zuggruppen ziehen aus den russischen, weißrussischen, nordukrainischen sowie aus den sibirischen und kasachischen Brutgebieten auf mehreren Zugrouten in südliche, südwestliche und südöstliche Richtungen. In der osteuropäischen Region werden ein russisch-pontischer und ein Wolga-iranischer Zugweg unterschieden. Weiter ostwärts folgt eine westsibirisch-kasachisch-indische Route, die die Kraniche aus Westsibirien und Zentralkasachstan über Mittelasien unter Umgehung der großen Gebirge Zentralasiens nach Pakistan und Indien bringt. Außerdem gibt es einen ostsibirisch-chinesischen Zugweg von Zentralsibirien und dem Transbaikal über die Mongolei nach Zentral- und Südostchina. Schließlich verläuft ein fernöstlich-chinesischer Zugweg der fernöstlichen Populationen Russlands und Chinas über das Tiefland Nordostchinas zu den Überwinterungsgebieten in Südostchina. Kleine Gruppen überwintern aber auch in Korea und Vietnam.
Kraniche nehmen das ganze Jahr über sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung auf. Die Nahrung besteht aus Kleinsäugern, Reptilien, kleinen Fischen, Fröschen, Schnecken, Würmern, Insekten und deren Larven. Sie beinhaltet auch Mais-, Gersten-, Weizen- und Haferkörner, Sonnenblumenkerne, Erbsen, Bohnen, Erdnüsse, Oliven, Beeren, Eicheln, Gemüse, Kartoffeln, Pflanzenwurzeln, -sprossen und Halme.
Während der Frühjahrsrast ernährt sich der Kranich überwiegend von Saaten. Um die Energiereserven wieder aufzufüllen, benötigt er für die Nahrungsaufnahme von bis zu 300 Gramm täglich über 80 Prozent der Aktivitätsdauer. Im Frühsommer besteht die Nahrung auch aus Insekten und kleinen Wirbeltieren. Haben die Jungvögel das Alter von mehreren Wochen erreicht, bereichern auch größere Tiere wie Mäuse das Angebot. Im Spätsommer und im Herbst beansprucht die Nahrungssuche etwa 40 bis 60 Prozent der Aktivitätsdauer. Nun bilden Ernterückstände und Neusaaten sowie Insekten den Hauptbestandteil der Ernährung. Im Überwinterungsgebiet ernähren sich Kraniche von den Früchten der Stein- und Korkeiche sowie von Sonnenblumenkernen.
Auf Wiesen und Weiden konzentriert sich die Nahrungssuche auf Insekten, Würmer und Nagetiere. Hier laufen Kraniche mit weitgreifenden Schritten große Bereiche ab. Sie lesen auf Gräsern und Kräutern sitzende Insekten gezielt und ruckartig mit dem Schnabel ab und legen Würmer und Larven durch Wühlbewegungen frei. Dazu stechen sie mit fast geschlossenem Schnabel in pflanzenfreie Stellen des Erdreichs. Im Boden öffnen sie den Schnabel leicht und bewegen ihn seitlich. Ist das Erdreich dichter, lockern sie es zuvor durch wiederholtes Einstechen. Auf Saatflächen lesen Kraniche zuerst an der Oberfläche liegende Getreidekörner ab. Durch Wühlen wird zusätzlich weiteres Saatgut freigelegt. Maiskörner werden auch vom Kolben gefressen. Durch das Hochziehen des Kopfes können die Körner hinuntergeschluckt werden. Wirbeltiere werden mit dem Schnabel erdolcht.
Der Kranich lebt normalerweise lebenslang monogam, jedoch zeigen neueste Untersuchungen [3], dass ein Partnerwechsel möglich ist. Der Kranich pflanzt sich das erste Mal im Alter von drei bis fünf Jahren fort, kann sich jedoch schon im Alter von zwei Jahren auf der Frühjahrsrast an einen Partner binden. Es ist jedoch noch nicht geklärt, ob diese Paare später zusammen Brutreviere besetzen.
Angestammte Brutpaare nehmen regional etwa zur gleichen Zeit, Reviere in Besitz. Das Revier muss eine ausreichende Versorgung mit Nahrung sowie Ruhe und Sicherheit bieten. So nutzen in Deutschland 60 bis 70 Prozent der Vögel bevorzugt Wälder beziehungsweise Waldränder. Stark zunehmend wird die offene Feldflur zur Brut genutzt (20 bis 30 Prozent), außerdem spielen auch noch Seeufer eine Rolle (10 bis 20 Prozent). Bei einem geringeren Nahrungsangebot sind die Reviere größer. Durch Untersuchungen an mit Sendern versehenen Jungvögeln wurde festgestellt, dass Kraniche bis zum Flüggewerden der Jungen ein Revier von teilweise über 135 Hektar nutzen.
Kraniche sind Bodenbrüter. Der Brutplatz bildet das Zentrum des Reviers und befindet sich am Boden in feuchtem, oft sumpfigem Gelände. Bei recht kleinen Brutplätzen ist es den Vögeln meistens nicht möglich, die Nester hinter einer Deckung anzulegen. Das genutzte Gewässer kann kleiner als ein Hektar bis größer als zehn Hektar sein, entscheidend ist jedoch eine Wassertiefe von 30 bis 60 cm Tiefe. Sollte das Waten zum Nest nicht möglich sein, sind Kraniche bereit, ausnahmsweise zu schwimmen oder zu fliegen. Dem brütenden Vogel ist grundsätzlich eine gute Sicht auf die Umgebung wichtig. Bei zu niedrigem Wasserstand oder Trockenheit werden keine Nester gebaut, aber dennoch die Reviere besetzt.
Zum Nestbau werden Schilf, Röhricht, Binsen, Riedgräser und andere Pflanzen im Umkreis von zehn Metern mit dem Schnabel abgerissen. Beide Partner werfen die Nistmaterialien seitwärts oder über den Rücken in Richtung Nest, um sie dann schrittweise an das Nest zu bringen. Das Nest kann einen Durchmesser von über einem Meter haben, die Plattform liegt meist 10 bis 20 cm über der Wasseroberfläche. Da das Nest während der Brutzeit zusammenfällt, wird während des Brütens ständig weitergebaut.
Der „Kranichtanz“ findet das ganze Jahr über statt, ist jedoch als Balzritual im Frühling am intensivsten. Er findet in der frühen Morgendämmerung auf nahe gelegenen, freien Flächen statt. Im Laufe des März nimmt die Häufigkeit und Heftigkeit dieses Verhaltens zu und findet in der Paarung seinen Höhepunkt. Es endet in der Regel mit dem Nestbau und der Eiablage.
Beim Tanzen springen Männchen und Weibchen mit ausgebreiteten Flügeln laufend umher und lassen ihr lautes Trompeten hören. Aber auch Prahlhandlungen, Laufen in Geraden und Kurven, Einknicken der Beine, Springen und Hochschleudern von Pflanzenteilen sind Bestandteile dieses Rituals. Durch Aufrichten des Oberkörpers, Abwinkeln der Flügel und durch gurrende Laute fordert das Weibchen das Männchen schließlich zum Aufspringen und damit zur Paarung auf. Ist der Tretakt vollzogen, springt das Männchen meist über den Kopf des Weibchens vorwärts ab. Nun folgen Duettrufe der Partner und danach normalerweise eine Putzphase. Das Duett ist die ganze Brutzeit und später als Zeichen des Zusammenhalts zu hören.
In Mitteleuropa beginnen die Weibchen drei bis sechs Wochen nach ihrer Ankunft mit der Brut. In der Regel legen sie von März bis Mitte April meist zwei Eier im Abstand von zwei bis drei Tagen. Diese haben eine längsovale Form mit einem runden und einem spitzovalen Pol. In Gestalt, Größe und Färbung variieren sie beträchtlich. Die Grundfarbe ist Hellbraun mit einem Hang zum Grünlichen, Rötlichen und Rötlichbraunen. Grobe braune Flecken sind meist unregelmäßig verteilt und häufig am stumpfen Pol verdichtet. Die Größe schwankt zwischen 57 und 66 mm in der Breite und zwischen 88 mm und 110 mm in der Länge. Das Gewicht liegt im Durchschnitt bei 185 g. Das Gelege wird über 29 bis 31 Tage abwechselnd von beiden Partnern bebrütet, so dass je einer auf Nahrungssuche gehen kann. Die Brut wird mit dem ersten Ei begonnen, so dass die Jungen im Abstand von ein bis zwei Tagen schlüpfen.
Im Mittel wird zwischen 1,6 Stunden und 4,5 Stunden gebrütet, so dass unter Einbeziehung der Nacht die jeweilige Brutdauer insgesamt über zwölf Stunden oder mehr beträgt. Die Brutablösungen finden in unregelmäßigen Abständen statt, erhöhen sich jedoch vom Schlupfbeginn bis zum Wegführen der Jungen. In der Zeit des Schlüpfens bringt der Ablösende oft Pflanzenmaterial ans Nest. In regelmäßigen Abständen wird durch Aufstehen oder gelegentlich auch Verlassen des Nestes eine Brutpause eingeleitet, deren Häufigkeit von Faktoren wie Bebrütungsstand, Außentemperaturen, Niederschlägen und Tageszeit abhängt. Bevor sich der Kranich zum Brüten erneut in das Gelege setzt, wendet er die Eier mit dem Schnabel.
Beim Kranich gibt es Gelegeverluste von 20 bis 30 Prozent. Besonders hoch fallen diese aus, wenn der Nistplatz während der Brutphase oder nach dem Schlupf trocken fällt, da das Gelege so leicht von Raubtieren erreicht werden kann. Neben dem Wasserstand sind besonders kalte Witterung, Störungen, mangelnde Nahrung und Räuber für Verluste verantwortlich.
Die ersten Laute der Küken vor dem Schlüpfen, spätestens aber die Öffnung des ersten Eies verändern das Verhalten der Altvögel. Diese sind nun nervöser und halten sich häufiger in der Nähe des Nestes auf.
Ungefähr 24 Stunden nach dem Schlüpfen können die Jungen sicher stehen und gehen. Die Nestflüchter werden nach spätestens 30 Stunden vom Nest weggeführt. Beide Altvögel kümmern sich gleichermaßen um das Füttern und Führen der Jungen. Diese tragen anfangs ein zimtbraunes Dunengefieder. Ihr Schlupfgewicht liegt bei 120 g bis 150 g. Die Altvögel reichen den Küken in den ersten Lebenswochen Insekten, Larven, Würmer und Schnecken mit dem Schnabel, bis diese selbständig nach Futter suchen können.
Der Dottervorrat der geschlüpften Jungvögel reicht für zwei Tage. Dennoch nehmen sie trotz der Zufütterung von kleiner Nahrung und Eischalenresten zunächst ab. Die Jungen werden in den ersten Tagen auf kleine Strecken in der näheren Umgebung geführt. In den ersten zwei Wochen greifen sich im Nest allein gelassene Jungvögel häufig mit Schnabelhieben an, wobei das ältere Küken gelegentlich versucht, das jüngere aus dem Nest zu drängen. Nachdem sich die Aggressionen gelegt haben, hält sich die Familie im Wald oder auf Feldern und Wiesen auf, auch wenn weiterhin im beziehungsweise am Nest übernachtet wird. Sollte der Wasserstand zu stark gesunken sein, wird an einem geeigneten Ort ein Schlafnest errichtet. Nach etwa zehn Wochen sind die Jungen flugfähig und fast so groß wie die Altvögel.
In den meisten Fällen findet die Verständigung über ein leises Kontaktgurren statt. Nur bei starken Störungen werden in der Nähe des Nestes laute Rufe verwendet, um die Jungen auch über größere Entfernungen zu warnen. Bei Gefahr werden unterlegene Angreifer mit Schnabelhieben und Flügelschlägen angegriffen und vertrieben. Überlegene Gegner wie Menschen werden durch „Verleiten“ abgelenkt. Dabei stellt sich ein Altvogel krank, indem er sich mit vorgestecktem Hals und hängenden, abgespreizten Flügeln oft hinkend von der Familie fortbewegt, während der andere die Jungen wegführt und durch einen Warnruf zum Ducken bewegt.
Vor allem im September, aber auch ab Anfang August oder Anfang Oktober, schließen sich die Familien den Nichtbrütern an den Sammelplätzen an. Nur wenige Brutpaare, die meist an den dünn besiedelten Randgebieten leben, bleiben bis zum Wegzug in ihren Brutrevieren.
Die Lebenserwartung beträgt in Gefangenschaft bis zu 40 Jahre, sie ist bei wildlebenden Tieren weitaus geringer.
Der Aktivitätsbeginn der Art liegt in der Regel in der ersten Dämmerung. Viele Stunden am Tag dienen der Nahrungssuche, wobei die Aktivitätsmaxima am späten Vormittag und frühen Nachmittag liegen. Zwischendurch gibt es Putz- und Ruhephasen.
Der Kranich lebt in drei verschiedenen Sozialformen. In der Sommerzeit leben Brutpaare allein in ihren Revieren, während sich Nichtbrüter zu Gruppen zusammenschließen. Den überwiegenden Teil des Jahres verbringen Kraniche in einer Gemeinschaft von Artgenossen unterschiedlichen Alters an Sammel- und Rastplätzen. Im Frühling und Herbst bilden sie Zugschwärme bis zu einigen Tausend Vögeln.
Das innerartliche Verhalten regelt die komplexen Beziehungen zwischen den Individuen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der roten, federlosen Platte am Oberkopf zu, die bei unterschiedlichster Erregung anschwillt. Auch der Tanz außerhalb der Brutperiode hat in bestimmten Situationen diese Funktion. Im Herbst und besonders im Frühjahr kommt es während des Sammelns und Rastens auch zum Tanzen einzelner Vögel oder größerer Gruppen.
Um ihr Revier gegen Eindringlinge zu verteidigen, droht der Kranich dem Gegner zunächst und attackiert ihn dann, falls er sich nicht einschüchtern lässt. Dies ist meist zunächst Aufgabe des Männchens, kann aber auch durch die ganze Familie geschehen.
Gleichrangige Vögel drohen sich, indem sie sich mit angelegtem Gefieder und ausgestreckten Hälsen so gegenüberstehen, dass sich die Schnäbel fast berühren. Nach kurzem Verharren hacken sie vor- oder aufwärts, bis der Unterlegene zurückweicht. Dieser wird laufend und fliegend verfolgt, bis er die Reviergrenze überschritten hat. Bei härteren Konflikten können die Vögel hochspringen und die Beine nach vorne werfen, um den Gegner zu treten. Durch die Ritualisierung weiterer einschüchternder Verhaltensweisen wird die Verletzungsgefahr herabgesetzt und Energie gespart. Steht ein Kranich in einem inneren Konflikt zwischen Angriff und Rückzug, kann es zu Übersprunghandlungen wie dem scheinbaren Putzen oder Picken kommen. In seltenen Fällen knickt einer der Rivalen in den Intertarsalgelenken ein, wobei er sich mit ausgestrecktem Hals auf die Erde legt und die Flügel ausbreitet. Diese Verhaltensweise tritt auch bei brütenden Vögeln im Konflikt zwischen Brutpflege und Fluchtreflex auf.
Ein- bis vierjährige Nichtbrüter kehren in der Regel mindestens im ersten Jahr in ihre Brutheimat zurück. Sie treffen in zwei- bis vierwöchigem Abstand nach den Brutpaaren ein. Dort halten sie sich in kleinen und großen Gruppen auf, die oft gemeinsam mit Durchzüglern auf dem Weg nach Norden und Osten sind. Nachdem diese weitergezogen sind, befinden sich junge und ältere nicht brütende Kraniche meist im näheren und weiteren Umfeld ihrer Brutheimat. Teilweise bleiben sie bis zum Sammeln im Herbst auf den Rastregionen des Zugweges, so dass sie über das gesamte Verbreitungsgebiet verteilt sind.
Nichtbrüter leben in variablen gemeinschaftlichen Gruppen ohne Hierarchie. Sie sind wenig ruffreudig und verhalten sich gewöhnlich unauffällig, teilweise heimlich. Dies äußert sich im häufigen Wechsel der Tageseinstände und Schlafplätze. Untersuchungen zeigen, dass bei einzelnen Individuen keine Gebundenheit an einen Ort festzustellen ist. Zum Mausern ziehen sich Übersommerer in Kleingruppen zurück.
Kleine Gruppen von Nichtbrütern erkunden bisher unbesetzte Gebiete und können die erste Vorhut für Neuansiedlungen sein. Daher tragen sowohl Brutorttreue als auch die Besiedlung neuer Gebiete zur Stabilisierung und Ausbreitung der Population sowie zur genetischen Vermischung bei.
Nachdem sie von April bis Juli auf Wiesen und Weiden nach Nahrung gesucht haben, treffen sie von Ende Juli bis Anfang August an Sammelplätzen – noch vor der Ankunft erfolgloser Brutpaare – ein.
Eine lokale Kranichpopulation sammelt sich wahrscheinlich jedes Jahr an denselben Sammelplätzen, welche sich in allen Brutgebieten mit hoher Siedlungsdichte befinden. Die Rastplätze bestehen aus den Schlafstellen und dem bis zu 20 km langen Einzugsgebiet mit den Nahrungsflächen. Die Schlafstellen bilden die Grundlage des Sammelplatzes. Zwei Drittel aller Rastplätze weisen daher zwei bis vier Schlafstellen auf, welche teilweise gleichzeitig, häufig aber auch nacheinander angeflogen werden.
An Sammel- und Rastplätzen herrscht ein fester Tagesrhythmus. Nachdem die Kraniche nachts im flachem Wasser geschlafen haben, suchen sie mit der ersten Dämmerung rufend Kontakt und schütteln das Gefieder frei. Etwa bei Sonnenaufgang fliegen sie ab oder ernten in Rastperioden Äsungsflächen wie Stoppelfelder ab. Die Dauer des Abflugs ist normalerweise kürzer als die des abendlichen Einflugs. Neblige Tage oder Gefahren verzögern den Aufbruch. Zwischen dem späten Nachmittag und der einsetzenden Dunkelheit treffen sie an Vorsammel- oder Zwischenlandeplätzen ein, die sich auf Acker- und kurzgrasigen Grünlandflächen im näheren Umkreis der Schlafstellen befinden und einen Teil des Schlafplatzes ausmachen. Die Zahl der Vögel nimmt im Laufe des Nachmittags zu und kann Größen von 100 bis 40.000 Kranichen erreichen. Unter lautem Rufen fliegen oder schreiten diese nach und nach meist erst mit der Dämmerung grüppchenweise zum Schlafplatz.
Das Zusammensein in Gruppen minimiert den für das Sichern nötigen Aufwand und erlaubt weniger erfahrenen Jungvögeln die optimale Ausnutzung der für die Nahrungsaufnahme verfügbaren Zeit.
In den Überwinterungsgebieten sondert sich ein Teil der Familien ab und zeigt eine deutliche Bindung an ein bestimmtes Territorium, das jedes Jahr aufgesucht und gegenüber Artgenossen verteidigt wird. Der Tagesrhythmus entspricht dem der Sammel- und Rastplätze. Im Januar und Dezember werden die Tage zur Gänze genutzt, so dass die letzten Flüge erst bei Vollmond mit klarem Himmel stattfinden können. Im Februar ist der Einflug normalerweise mit der Abenddämmerung beendet. Der Aufbruch findet noch nach Sonnenaufgang statt.
Ein bis zwei Tage vor dem Beginn des Massenabzugs oder eines Weiterzugs zeigen die Vögel ein unruhiges Verhalten. Sie rufen und tanzen sehr viel, haben einen gestörten Rhythmus beim abendlichen Überflug an den Schlafplätzen und sind nachts in Aufregung. Voraussetzungen für den Zugbeginn stellen Rücken- und Seitenwinde, Nahrungssituation und Temperaturänderungen dar.
Der Kranichzug setzt sich aus Gruppen von Paaren oder kleinen Familien zusammen, die sich an bekannten Überwinterungs- und Rastplätzen zu Tausenden sammeln. Kraniche fliegen in Keilen, ungleichschenkligen Winkeln oder schrägen Reihen, so dass der Luftwiderstand reduziert und der Kontakt innerhalb der Gruppe gesichert wird. Während des Ziehens verständigen sie sich durch Laute, die nachts oder bei ungünstigen Sichtverhältnissen besonders häufig werden. In der Regel wird der Zug in Etappen absolviert, da sich die Vögel den Witterungsbedingungen anpassen und unterwegs unterschiedlich lange Zwischenaufenthalte einlegen.
Während vor wenigen Jahrzehnten die Kraniche erst im März in den Brutgebieten Mitteleuropas eintrafen, kehren sie heutzutage schon im Februar zurück. Seitdem werden auch sowohl ein später Abzug im Herbst als auch echte Überwinterungen sowie Überwinterungsversuche festgestellt. Durch dieses veränderte Zugverhalten können verlorene Gelege eher durch Nachgelege ersetzt werden.
Das Verhalten gegenüber artfremden Tieren ist äußerst variantenreich. Rehe und Rotwild beunruhigen die Vögel in der Regel nicht. Die Fluchtdistanz bei Störungen beträgt 250 m bis 300 m und ist grundsätzlich in unbekannter Umgebung größer.
Während Fressfeinde im Brutrevier eine größere Gefahr darstellen, werden sie meist in der Gruppe wenig beachtet. Manchmal schließt sich eine kleine Gruppe zu einem Scheinangriff oder Tanz gegenüber Säugetieren zusammen. Als besondere Gefahr werden Greifvögel grundsätzlich genauer beobachtet und wenn möglich verjagt. Brutpaare greifen Füchse und Wildschweine grundsätzlich an und schlagen sie häufig in die Flucht. Gleiches gilt für Nesträuber wie den Kolkraben und andere Rabenvögel, die dennoch Eier rauben, wenn Kraniche auf Grund von Störungen das Nest verlassen.
Bei einem Angriff eines Seeadlers am Schlafplatz oder auf Äsungsflächen fliegt die Gruppe auf oder rückt rasch zu einer burgähnlichen Formation zusammen und gibt gleichzeitig Warnrufe ab. Stößt der Adler hinab, richten die Kraniche ihm die Schnäbel wie Speerspitzen entgegen, häufig werfen sich angegriffene Vögel in der Luft auf den Rücken und schlagen mit den Füßen nach dem Angreifer. Während Seeadler meist nur kranke und schwache Tiere erbeuten, sind Steinadler auch bei gesunden Kranichen sehr erfolgreich.
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Sonntag, 1. November 2009
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