Dienstag, 6. Oktober 2009

Strassenbahn Tram in Melbourne Australia von SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Historische Holz Strassenbahn in Melbourne Australia
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=q3iP9QfeTPw
Author D.Selzer-McKenzie
Die historische Holz
Straßenbahn ist bei Touristen
wie Einheimischen beliebt.
Ihre Tour führt an allen
interessanten Sehenswür
digkeiten der Hauptstadt
des Bundesstaates Victoria
in Australien vorbei. Und die
Fahrt ist völlig kostenlos

Die alte Lady ist keine Schönheit mehr, aber sie hat Charme. In einem zerschlissenen Mantel flaniert sie täglich durch die Straßen von Mel¬bourne. Sie ist nicht wählerisch und lädt jeden zu sich ein. Auch die Eiligen bedient sie, denn trotz ih¬res Alters ist sie fix und gar nicht zimperlich. Man sagt ihr nach, sie komme alle zwölf Minuten. An diesem Tag sitzt ein schnurrbärtiger Inder auf ihrem Schoß. Die linke Hand hält er am Gas und die rechte an der Bremse. Souverän manövriert er sie um die Ecke. „Der Unterschied ist so wie zwischen Traktor und Mercedes", sagt Raji aus Bangalore und lacht, „aber es macht Spaß mit ihr."

Jeden Tag von 10 bis 18 Uhr düst die historische
Holz-Straßenb r 1956 in der Innen
stadt von Melbourne unermüdlich im Kreis, saugt hier Touristen ein, spuckt dort Einheimische aus. Jeder kann kostenlos mitfahren. Besonders Austra¬lien-Urlauber, die auf der Durchreise in Melbourne sind und nicht viel Zeit haben, schätzen das. Sie stei¬gen zwischendurch aus, schauen sich die St. Paul's Cathedral an, gehen ins Aquarium, ins Museum oder besuchen das ehemalige Gefängnis an der Russell Street. Dann zuckelt die nächste Free City Circle Tram heran und die Besichtigungstour geht weiter. Eine

Lautsprecherstimme informiert über die Sehenswürdigkeiten. Es knackt und rauscht in der Leitung wie in einem alten Radiogerät

Die Schminke blättert
Für einen Melbourne-Neuling ist eine Kreisfahrt mit der Lady ungefähr so, als würde er mit einem Ge-fährt aus dem 19. Jahrhundert durch die Moderne Pinakothek in München reisen. Drinnen rutscht er auf einer harten Holzbank in den Kurven hin und her. An den Haltestangen blättert die weiße Schmin-ke. Und an der Decke baumelt noch eine Leder¬schnur, an der früher die Passagiere ziehen muss¬ten, wenn sie aussteigen wollten. Da kann man sich gut vorstellen, dass an der nächsten





Röcken und gestärkten Rüschenblusen einsteigen und Platz nehmen. Stattdessen fliegt draußen ultra-moderne Kunst vorbei: Am Federation Square mi¬schen sich Dreiecke aus Zink, Glas und Sandstein zu bunkerähnlichen Kultur-Würfeln. In den Docklands steckt ein Riesen-Emu aus Aluminium den Kopf in den Bürgersteig. Gegenüber schlingern die Schatten gebogener Metallarme wie Haare im Wind und da¬neben hängt eine quadratische Kuh im Baum. Zur Mittagszeit wird es voll in der Bahn, dann steigen auch viele Einheimische zu, denn für sie ist die Fahrt ebenfalls kostenfrei. Und viele steigen ein paar Stationen später — in der Nähe des Eureka Turms — wieder aus. Das zweithöchste Wohngebäu-de Australiens hat eine Aussichtsplattform wie ein Fernsehturm. Ein Fahrstuhl befördert schwindel¬freie Touristen in 40 Sekunden in die 88. Etage. Von hier oben sehen die Straßenbahnen aus wie Spiel-zeugzüge. Vom Meer bläst ein kräftiger Wind herü¬ber und rüttelt gehörig am Maschendrahtzaun. Wer mutig ist, kann sich nebenan auf einer Glasplatte über der Skyline schwebend fotografieren lassen.

Wieder unten, kommt schon die nächste Cousine um die Ecke. Irgendwer hat ihr Herzen auf die Stirn gemalt, sodass sie viel hübscher aussieht. Kein Wunder, dass sie im vergangenen Jahr Werbung für ein Modefestival machen durfte. Aber schön sein ist auch gefährlich. Vor einigen Jahren drang ein Teenager ins Depot ein und entführte ihre Kollegin. Er war so vernarrt in sie, dass er mit ihr quer durch Melbourne fuhr — bis die Polizei ihn stoppte.
Ganz bahn-närrisch
John ist ebenfalls bahn-närrisch. Er ist einer der 1150 Straßenbahnfahrer und darf alle alten wie auch die jungen Loks fahren. Seit 20 Jahren kreist er durch die Stadt. Sein Arbeitgeber, die Yarra Trams, bedient das weltweit größte Straßenbahnnetz mit ei¬ner Streckenlänge von 249 Doppelgleis-Kilometern, 500 Straßenbahnen und 27 Linien.
Draußen dämmert es schon. Ein Windspiel aus
bunten Kugeln gleitet vorbei. „Die ganze Kunst da
draußen verstehe ich nicht", meint John und winkt
ab. Wie ihm geht es einigen. Fast könnte man meinen, je moderner die Stadt wird, desto beliebter wird die alte Straßenbahn — als letztes nostalgisches Relikt — wie eine bedrohte Tierart. Inzwischen fah¬ren jährlich drei Millionen Passagiere mit der Circle Tram, die schon zahlreiche Preise gewann.
An der nächsten Kreuzung steigen die meisten Fahr¬gäste aus. Dann das Unerwartete: Da ist sie — die First Lady! Sie steht auf der anderen Straßenseite. Ihre Augen leuchten und sie trägt ein burgunderro-tes Abendkleid. Was sie besonders attraktiv macht, erkennt der Besucher erst, wenn er ihr ganz nahe kommt und seine Nase fast auf ihr gläsernes Dekollet6 presst: Sie befriedigt nicht nur Mobilitäts¬Bedürfnisse, sie hat viel mehr zu bieten: In ihrem heimeligen Innern sitzen die Gäste auf Samtpols¬tern und prosten sich mit Rotwein zu. Der Kellner serviert „Hühnchen kolonial" und „Känguru in Pfeffersauce". Die Waggons des Tramcar Restau¬rants gondeln seit 26 Jahren durch Melbourne City und waren 1983 die ersten mobilen Straßenbahn-Restaurants der Welt

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