Donnerstag, 12. Oktober 2017

Biotechnische künstliche Hand zur Musikproduktion Author D. Selzer-McKenzie YoutubeVideo: https://youtu.be/90GlNvjqcKg Zukunft der Musik liegt in einem Keller in der britischen Provinz. Genauer gesagt in der Ort¬schaft Havering-atte-Bower, deren Name klingt wie ein Schauplatz aus einem Roman von Jane Austen. Eine knappe Autostunde von Londons Innenstadt entfernt, lebt hier Imogen Heap (Foto links), Grammy-Gewinnerin und Kompo¬ nistin des „Harry Potter and the Cursed Child"-Theaterstücks, mit Mann und zwei Kindern in einem Haus aus dem 18. Jahr¬hundert. Um die Ecke ist der Havering Country Park, ein paar Straßen weiter der Hainault Golf Club. Stolz und Vorurteil, Tradition und viktorianisches Ambiente — ist das wirklich der futuristische Ort, an dem Technik, Töne und Klänge revolutio¬niert werden sollen Wer in den Keller der 39-Jährigen hinabsteigt, kommt der Idee schon etwas näher. In ihrem Homestudio stehen meh¬rere Apple-Rechner, ein Dutzend Synthesizer, zwei Klavie¬re und Mischpulte, aus denen unzählige bunte Kabel wie Luftschlangen heraushängen. In den Regalen stapeln sich alte Kassettenrekorder, Radios, Xylophone und Glocken¬spiele. Das bunte Durcheinander erinnert eher an Lewis Carrolls „Alice im Wunderland" als an Jane Austen. „Ich produziere Musik, wie die meisten Leute, an meinem Computer. Und irgendwann dachte ich, ob man nicht alle digitalen Tools, Befehle und Ein¬stellungen auch anders und intuitiver steuern könnte", sagt Heap. Sechs Jahre lang arbeitete sie gemeinsam mit einem Team aus Ingenieuren, Programmie¬rern und Tech-Bastlern zusammen, um die Vorzüge der digitalen Musik mit der haptischen Erfahrung der Gestensteuerung zu kombinieren. Die Idee ist Folgende: Musiker haben via Programme wie Pro Tools oder Logic sowie zahl¬reiche Open-Source-Anbieter im Internet problemlos Zugang zu Millionen von Sounds, aus denen sie Songs zusammenstellen können. Diese müssen al¬lerdings stets fein säuberlich seziert und angeordnet werden, damit daraus ein Song wird. Wer schon mal auf seinem MacBook mit dem vorinstallierten Pro¬gramm GarageBand herumgespielt hat, weiß, wie einfach sich kleinere Stücke produzieren lassen. Der Teufel steckt im Detail, denn bei dem Überangebot kann der kreative Geist schnell mal überfordert sein und erlahmen. erfassen acht Mini-Sensoren sowie ein briefmarkengroßer IMU-Sensor Gesten, die über ein Mini-x-OSC-Board und WLAN an den Computer geschickt wer-den. Hinzu kommt ein Vibrationsmotor, der haptische Signale bestätigt und per 3 ,7-Volt-Lithium-Batterie betrieben wird. Damit die Handschuhe auch optisch or-dentlich Eindruck machen, lassen sich un¬terhalb des Daumens sogar LED-Signale steuern. Kostenpunkt: knapp 5.000 Briti¬sche Pfund (etwa 5.600 Euro). Ein Ver¬kaufsschlager sind die akustischen Finger¬wärmer noch nicht — gerade einmal knapp 40 Personen weltweit besitzen ein Paar. Die gute Nachricht: Das MiMu-Team operiert mit Open Source, das heißt, alle Besitzer arbeiten selbst aktiv daran, dass sie neue Applikationen für die Handschu¬he entwickeln können. Bereits 2010 präsentierte Imogen Heap auf der TEDGlobal-Konferenz ei-nen frühen Prototypen der Handschuhe und konnte auf Anhieb erste Investoren gewinnen. Damals trug sie noch einen rucksackgroßen Hub zwecks Datentrans¬fer und Stromquelle auf dem Rücken, der ihr eine recht spezielle Aura verlieh, irgendwo zwischen „Ghostbusters", „Mi-nority Report" und „Matrix". Ein aktuel¬les Update kann man am besten in ihrem YouTube-Clip zum Song „Me The Ma-chine" sehen, in dem sie aussieht wie eine entrückte Musikbotschafterin aus einem Science-Fiction-Film von Ridley Scott. Sind die MiMu-Gloves nur eine Spielerei für Tech-Nerds oder steckt womöglich doch mehr dahinter? „Die Handschu¬he sind ein gewaltiger Schritt nach vorn für die Musiktechnologie. Viele Künstler werden Kreativität anders und neu er-leben. Wie ist ein Song aufgebaut? Wie kann ich ihn steuern? Das erste Mal, als ich sie trug, habe ich nur ein paar holp-rige Schlagzeugrhythmen gespielt — und allein davon bekam ich schon eine ziem-liche Gänsehaut", sagt die Engländerin heute ein paar Jahre später. Kolleginnen wie Ariana Grande und Chagall (siehe links) haben die Mi-Mu-Gloves bereits für sich entdeckt, auch Superstar Taylor Swift war vor ein paar Jahren in Havering-atte-Bower, um im Wochenendhaus-Ambiente eine frühe Demoversion ihres Hits „Clean" aufzunehmen. Und nicht nur in Musi-kerkreisen erfreuen sich die Handschuhe großer Beliebtheit. In Großbritannien gibt es bereits mehrere medizinisch-the¬rapeutische Projekte, bei denen die Handschuhe von Patienten mit moto¬rischen Störungen, zerebralen Erkran¬kungen und chronischen Lähmungser¬scheinungen ausprobiert werden, um die Bewegungsfreiheit zu vergrößern und musikalisch aktiv zu werden. Anfassen, fühlen, machen — trotz digitaler Vielfalt liegt die Zukunft der Klänge vielleicht doch da, wo sie ursprünglich herkommt: in der handgemachten Musik.


Biotechnische künstliche Hand zur Musikproduktion

Author D. Selzer-McKenzie

YoutubeVideo: https://youtu.be/90GlNvjqcKg

Zukunft der Musik liegt in einem Keller in der britischen Provinz. Genauer gesagt in der Ort¬schaft Havering-atte-Bower, deren Name klingt wie ein Schauplatz aus einem Roman von Jane Austen. Eine knappe Autostunde von Londons Innenstadt entfernt, lebt hier Imogen Heap (Foto links), Grammy-Gewinnerin und Kompo¬ nistin des „Harry Potter and the Cursed Child"-Theaterstücks, mit Mann und zwei Kindern in einem Haus aus dem 18. Jahr¬hundert. Um die Ecke ist der Havering Country Park, ein paar Straßen weiter der Hainault Golf Club. Stolz und Vorurteil, Tradition und viktorianisches Ambiente — ist das wirklich der futuristische Ort, an dem Technik, Töne und Klänge revolutio¬niert werden sollen





Wer in den Keller der 39-Jährigen hinabsteigt, kommt der Idee schon etwas näher. In ihrem Homestudio stehen meh¬rere Apple-Rechner, ein Dutzend Synthesizer, zwei Klavie¬re und Mischpulte, aus denen unzählige bunte Kabel wie Luftschlangen heraushängen. In den Regalen stapeln sich alte Kassettenrekorder, Radios, Xylophone und Glocken¬spiele. Das bunte Durcheinander erinnert eher an Lewis Carrolls „Alice im Wunderland" als an Jane Austen.

„Ich produziere Musik, wie die meisten Leute, an meinem Computer. Und irgendwann dachte ich, ob man nicht alle digitalen Tools, Befehle und Ein¬stellungen auch anders und intuitiver steuern könnte", sagt Heap. Sechs Jahre

lang arbeitete sie gemeinsam mit einem Team aus Ingenieuren, Programmie¬rern und Tech-Bastlern zusammen, um die Vorzüge der digitalen Musik mit der haptischen Erfahrung der Gestensteuerung zu kombinieren. Die Idee ist Folgende: Musiker haben via Programme wie Pro Tools oder Logic sowie zahl¬reiche Open-Source-Anbieter im Internet problemlos Zugang zu Millionen von Sounds, aus denen sie Songs zusammenstellen können. Diese müssen al¬lerdings stets fein säuberlich seziert und angeordnet werden, damit daraus ein Song wird. Wer schon mal auf seinem MacBook mit dem vorinstallierten Pro¬gramm GarageBand herumgespielt hat, weiß, wie einfach sich kleinere Stücke produzieren lassen. Der Teufel steckt im Detail, denn bei dem Überangebot kann der kreative Geist schnell mal überfordert sein und erlahmen.

erfassen acht Mini-Sensoren sowie ein briefmarkengroßer IMU-Sensor Gesten, die über ein Mini-x-OSC-Board und WLAN an den Computer geschickt wer-den. Hinzu kommt ein Vibrationsmotor, der haptische Signale bestätigt und per 3 ,7-Volt-Lithium-Batterie betrieben wird. Damit die Handschuhe auch optisch or-dentlich Eindruck machen, lassen sich un¬terhalb des Daumens sogar LED-Signale steuern. Kostenpunkt: knapp 5.000 Briti¬sche Pfund (etwa 5.600 Euro). Ein Ver¬kaufsschlager sind die akustischen Finger¬wärmer noch nicht — gerade einmal knapp 40 Personen weltweit besitzen ein Paar. Die gute Nachricht: Das MiMu-Team operiert mit Open Source, das heißt, alle Besitzer arbeiten selbst aktiv daran, dass sie neue Applikationen für die Handschu¬he entwickeln können.

Bereits 2010 präsentierte Imogen Heap auf der TEDGlobal-Konferenz ei-nen frühen Prototypen der Handschuhe und konnte auf Anhieb erste Investoren gewinnen. Damals trug sie noch einen rucksackgroßen Hub zwecks Datentrans¬fer und Stromquelle auf dem Rücken, der ihr eine recht spezielle Aura verlieh, irgendwo zwischen „Ghostbusters", „Mi-nority Report" und „Matrix". Ein aktuel¬les Update kann man am besten in ihrem YouTube-Clip zum Song „Me The Ma-chine" sehen, in dem sie aussieht wie eine entrückte Musikbotschafterin aus einem Science-Fiction-Film von Ridley Scott.



Sind die MiMu-Gloves nur eine Spielerei für Tech-Nerds oder steckt womöglich doch mehr dahinter? „Die Handschu¬he sind ein gewaltiger Schritt nach vorn für die Musiktechnologie. Viele Künstler werden Kreativität anders und neu er-leben. Wie ist ein Song aufgebaut? Wie kann ich ihn steuern? Das erste Mal, als ich sie trug, habe ich nur ein paar holp-rige Schlagzeugrhythmen gespielt — und allein davon bekam ich schon eine ziem-liche Gänsehaut", sagt die Engländerin heute ein paar Jahre später.

Kolleginnen wie Ariana Grande und Chagall (siehe links) haben die Mi-Mu-Gloves bereits für sich entdeckt, auch Superstar Taylor Swift war vor ein paar Jahren in Havering-atte-Bower, um im Wochenendhaus-Ambiente eine frühe Demoversion ihres Hits „Clean" aufzunehmen. Und nicht nur in Musi-kerkreisen erfreuen sich die Handschuhe großer Beliebtheit. In Großbritannien gibt es bereits mehrere medizinisch-the¬rapeutische Projekte, bei denen die Handschuhe von Patienten mit moto¬rischen Störungen, zerebralen Erkran¬kungen und chronischen Lähmungser¬scheinungen ausprobiert werden, um die Bewegungsfreiheit zu vergrößern und musikalisch aktiv zu werden. Anfassen, fühlen, machen — trotz digitaler Vielfalt liegt die Zukunft der Klänge vielleicht doch da, wo sie ursprünglich herkommt: in der handgemachten Musik.








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