Erdähnlicher Planet bei Proxima Centauri Proxima b
Author D. Selzer-McKenzie
YoutubeVideo: https://youtu.be/v2eSi1xJe0w
Astronomen entdecken einen Himmelskörper in der habitablen
Zone um den nächstgelegenen Fixstern
In einer Entfernung von etwas mehr als vier Lichtjahren ist
Proxima Centauri der nächste Stern außerhalb unseres Sonnensystems und damit
schon lange ein Liebling der Science Fiction-Autoren. Die bekommen jetzt neuen
Stoff geliefert: Astronomen haben einen Planeten gefunden, der Proxima Centauri
einmal alle 11,2 Tage in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern umkreist
– innerhalb eines Bereichs, in dem es möglicherweise die richtigen Bedingungen
für die Entstehung von Leben gibt. Die Masse des Proxima Centauri b genannten
Himmelskörpers liegt schätzungsweise bei 1,3 Erdmassen.
Blick auf eine neue Welt: Die künstlerische
Darstellung zeigt den erdähnlichen Planeten um den mit 4,24 Lichtjahren
nächstgelegenen Fixstern Proxima Centauri.
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Blick auf eine neue Welt: Die künstlerische Darstellung
zeigt den erdähnlichen Planeten um den mit 4,24 Lichtjahren nächstgelegenen
Fixstern Proxima Centauri.
© Ricardo Ramirez und James Jenkins (Department of
Astronomy, Universidad de Chile)
Auf dem Planeten müssen nicht zwangsläufig lebensfreundliche
Bedingungen herrschen. Aber trotz der großen Nähe zu seinem Heimatstern
befindet sich das Objekt in der Region, die in der Astronomie habitable Zone
genannt wird. Auf Planeten in der habitablen Zone rund um den Heimatstern
können im Prinzip Temperaturen herrschen, welche die Existenz von flüssigem
Wasser erlauben – eine entscheidende Voraussetzung für Leben, wie wir es von
der Erde her kennen.
Proxima Centauri ist ein roter Zwergstern vom Spektraltyp
M5.5Ve und daher deutlich masseärmer und leuchtschwächer als unsere Sonne: So
besitzt Proxima nur rund 12 Prozent ihrer Masse und lediglich 0,17 Prozent
ihrer Leuchtkraft. Zwischen 70 und 80 Prozent aller Sterne in der Nachbarschaft
unseres Sonnensystems sind rote Zwerge, und dieser Häufigkeitswert dürfte auch
für den Rest unserer Heimatgalaxie repräsentativ sein.
Andererseits ist wahrscheinlich, dass die Nähe von Proxima
Centauri b zu seinem Stern zu gebundener Rotation führt. Das heißt, der Planet
wendet dem Stern immer dieselbe Seite zu. Auf dieser Hälfte des Planeten würde
bei hohen Temperaturen ewiger Tag herrschen, auf der anderen Hälfte ewige
Nacht. Es ist unklar, wie Leben unter solchen ungünstigen Bedingungen entstehen
kann.
Rote Zwerge mit einem Drittel oder weniger der Sonnenmasse
sind komplett konvektiv: Ihre Materie ist unaufhörlich in Bewegung, ähnlich
jener in einem Topf kochenden Wassers, das durch intensives Brodeln durchmischt
wird. Sehr viele rote Zwerge, darunter auch Proxima Centauri, besitzen außerdem
vergleichsweise starke Magnetfelder und weisen erhebliche stellare Aktivitäten
auf.
Dabei entstehen immer wieder Flares: plötzliche
Freisetzungen von magnetischer Feldenergie, die zu kurzen, deutlichen Anstiegen
der Sternhelligkeit führen. Die stellare Aktivität des Sterns erzeugt zudem
hochenergetische Teilchen und Röntgenstrahlung, die den Planeten bombardieren –
auch das durchaus ungünstige Voraussetzungen für Leben.
Ein möglicher Nachweis von Leben, oder zumindest von
chemischen Eigenschaften, welche die Existenz von Leben auf dem Planeten
nahelegen, dürfte allerdings noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen.
Trotzdem bietet das Objekt eine hervorragende Möglichkeit, die Systematik der
Planetenentstehung in unserer Heimatgalaxie zu studieren.
Mehr als 3500 Exoplaneten haben die Astronomen mittlerweile
gefunden. Die meisten Entdeckungen gehen auf das Konto des
NASA-Weltraumteleskops Kepler, das die Helligkeit vieler verschiedener Sterne
mit großer Genauigkeit bestimmt. Planeten, deren Umlaufbahnen genauso
orientiert sind, dass sie aus Sicht eines Beobachters auf der Erde vor ihren
Heimatsternen vorbeilaufen, schatten regelmäßig einen kleinen Teil ihres Sterns
ab.
In einem solchen Fall verliert der Stern in
charakteristischer Weise vorübergehend etwas an Helligkeit. Auch bei Proxima
Centauri haben Astronomen in der Vergangenheit nach solchen systematischen
Helligkeitsschwankungen gesucht, allerdings ohne Erfolg. Das schloss aber nicht
aus, dass Proxima einen Planeten besitzt. Vielmehr zeigte es, dass dort kein
hinreichend großer Planet existiert, der von der Erde aus gesehen genau vor
Proxima vorbeiläuft.
Jüngst schuf ein seltenes Zusammentreffen sogar die Chance
für eine ungewöhnliche Form des möglichen Nachweises von Exoplaneten: Im
Oktober 2014 und Februar 2016 zog Proxima Centauri von der Erde aus gesehen
sehr nahe vor je einem anderen, weiter entfernten Stern vorbei. Dabei hätte der
sogenannte Mikro-Gravitationslinseneffekt zum Tragen kommen können.
Besäße Proxima einen Planeten, der im entscheidenden Moment
direkt vor einem der entfernteren Sterne vorübergezogen wäre, hätte die Masse
des Planeten das Licht des Sterns abgelenkt und verstärkt. Die Folge: eine
plötzliche, kurze Helligkeitszunahme auf Grundlage von Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie. Doch auch dieser Nachweis gelang nicht. Offenbar war der
vermeintliche Planet nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
So kam als drittes Verfahren auch die
Radialgeschwindigkeitsmessung zum Einsatz: Sie weist winzige Hin- und
Herbewegungen des Sterns nach, wie sie sich ergeben, wenn ein Stern und ein
Planet unter Einfluss der Schwerkraft um ihren gemeinsamen Schwerpunkt kreisen.
Diese Bewegung zeigt sich im Sternlicht. Es wird ein wenig zum blauen Ende hin
verschoben, wenn sich der Stern auf die Erde zu bewegt, und zum roten Ende hin,
wenn sich der Stern von der Erde entfernt. Analog ändert das Martinshorn eines
Polizeiautos allmählich seine Tonhöhe, wenn es an einem Beobachter vorbeifährt.
Planet in den Daten: Messungen der
Radialgeschwindigkeiten von Proxima Centauri über einen Zeitraum von 16 Jahren.
Verschiedene Symbole unterscheiden die Daten der Pale-Dot-Kampagne (PRD), der
HARPS-Beobachtungen vor 2016 sowie die früheren Daten von UVES. Die
durchgezogene Linie beschreibt die am besten zu den Daten passende
Umlaufbahn.
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Planet in den Daten: Messungen der Radialgeschwindigkeiten
von Proxima Centauri über einen Zeitraum von 16 Jahren. Verschiedene Symbole
unterscheiden die Daten der Pale-Dot-Kampagne (PRD), der HARPS-Beobachtungen
vor 2016 sowie die früheren Daten von UVES. Die durchgezogene Linie beschreibt
die am besten zu den Daten passende Umlaufbahn.
Sternspektren – regenbogenähnliche Zerlegungen des Lichts in
unzählige Farbtöne, entsprechend verschiedenen Wellenlängen oder Frequenzen –
enthalten bestimmte Muster Tausender von schmalen, dunklen Linien.
Präzisionsmessungen weisen die zeitabhängige Blau- und Rotverschiebungen dieser
Linien nach und damit indirekt die langsame, durch den umkreisenden Planeten
hervorgerufene Bewegung des Sterns.
Auch an Proxima Centauri wurden über die vergangenen
Jahrzehnte hinweg entsprechende Messungen vorgenommen – jedoch wiederum
erfolglos. Tatsächlich liegt die Masse des Planeten nahe an der
Empfindlichkeitsgrenze moderner astronomischer Instrumente. Ein solches ist der
Spektrograf HARPS am 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO)
auf dem chilenischen Berg La Silla. Im Jahr 2013 beobachtete ein Team um
Guillem Anglada-Escudé, damals an der Universität Göttingen, den Stern Proxima
Centauri und fand Hinweise auf die mögliche Existenz von Planeten mit
Umlaufzeiten von 11,2, 13,6 und 18,3
Tagen.
Die Daten waren allerdings nicht aussagekräftig genug, die
Astronomen konnten nicht ausschließen, dass es sich um Störeffekte handelte,
die das Vorhandensein von Planeten lediglich vorspiegelten. Daher organisierte
Anglada-Escudé eine gezielte Suche nach dem oder den Planeten von Proxima
Centauri. Er nannte sein Projekt „Pale Red Dot“. Unterstützt von verschiedenen
kleineren Teleskopen, welche die Helligkeit von Proxima überwachten, setzten
die Forscher HARPS in 54 Nächten zwischen dem 18. Januar und dem 30. März 2016
ein.
Guillem Anglada-Escudé, mittlerweile an die Queen Mary
University of London gewechselt, ließ dabei von Anfang an die Öffentlichkeit an
seinem Projekt teilhaben: Auf den „Pale Red Dot“-Webseiten richtete er
erklärende Blogs ein sowie weitere Beiträge, welche die Kampagne auf den
sozialen Medien begleiteten.
Im Lauf der Beobachtungen verdichteten sich die Hinweise auf
die Existenz eines Planeten. „Ich habe die Beobachtungsdaten jeder einzelnen
Nacht unserer Kampagne auf ihre Stimmigkeit überprüft“, sagt Guillem
Anglada-Escudé. „Die ersten zehn Tage waren bereits vielversprechend, die
ersten 20 entsprachen unseren Erwartungen, und nach 30 Tagen war das Ergebnis
so sicher, dass wir uns daran machten, den entsprechenden Fachartikel zu
entwerfen.“
Allerdings war die Interpretation der Daten kompliziert: Wie
erwähnt, ist Proxima Centauri aktiv und besitzt ein starkes Magnetfeld. Daher
sollten in seiner Atmosphäre häufig dunkle, kühlere Flecken auftreten. Diese
beeinflussen die Messungen der Radialgeschwindigkeit, weil sie das Spektrum
verändern und im ungünstigsten Fall die Anwesenheit eines Planeten vorgaukeln.
Um die Beobachtungen abzusichern, müssen solche Effekte
berücksichtigt werden. Ausgerechnet das Alpha-Centauri-System – ein
Doppelsternsystem, das so nahe an Proxima steht, dass dieser sogar der dritte
Partner im Bunde sein könnte – bietet ein mahnendes Beispiel: Zwischen 2012 und
2015 glaubten viele Astronomen, der erdnächste Exoplanet sei Alpha Centauri Bb,
im Umlauf um Alpha Centauri B. Inzwischen gehen die Forscher jedoch davon aus,
dass dieser Planet in Wirklichkeit gar nicht existiert.
Im Fall von Proxima Centauri ergibt sich letzte Sicherheit
aus älteren Beobachtungen, die Martin Kürster vom Max-Planck-Institut für
Astronomie in Heidelberg und sein ehemaliger Doktorand Michael Endl (University
of Texas) ausgeführt und gemeinsam mit Kürsters früherem Doktoranden Mathias
Zechmeister (Universität Göttingen) analysiert hatten. Die Beobachtungen waren
Teil einer systematischen Suche nach Begleitern von M-Sternen, vorgenommen im
Zeitraum von 2000 bis 2007 mit dem UVES-Spektrografen am Very Large Telescope
der ESO.
„Bereits in unseren alten Messungen zeigte sich ein Signal,
das einem Planeten mit einer Umlaufdauer von 11,2 Tagen entspricht“, sagt
Martin Kürster. Aber allein mit diesen Daten sei es unmöglich zu entscheiden,
ob das Signal tatsächlich von einem Planeten stamme oder von einer zufälligen
Kombination von Störeinflüssen herrühre.
Kürster weiter: „Kombiniert man unsere Daten dagegen mit den
neuen Messungen, dann bestätigt sich, dass die Pale-Red-Dot-Kampagne
tatsächlich einen echten Planeten gefunden hat.“ Ein Störsignal auf der Basis
stellarer Aktivität wäre über die vergangenen 17 Jahre unmöglich so konstant
geblieben.
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