Dienstag, 17. Oktober 2017

Die Relativitätstheorie - Hörbuch von Selzer-McKenzie


Relativitätstheorie   Buch von Selzer-McKenzie SelMcKenzie

„Relativitätstheorie“

von D.Selzer-McKenzie

mit kompletten Notenbuch der

Oper „Die Relativitätstheorie“

komponiert von D.Selzer-McKenzie

Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Staatsbibliothek hinterlegt.

Originalausgabe ®Relativitätstheorie

® 2018 by D.Selzer-McKenzie

(Dr.of Molekularbiology and Genetics)

published by SelMcKenzie Media Publishing

auch als Hörbuch und eBook (ePUB)

ISBN , €uro 9,80  gesamt 752 Seiten

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie,Microfilm oder ein anderes Verfahren) ohne Genehmigung des Authors und Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.









Relativitätstheorie

Erklärungen von D. Selzer-McKenzie

Author D. Selzer-McKenzie



Raum, Zeit, Materie Die Begriffswelt, in der wir leben

Der Blick schweift über die Reling, dem gekräuselten Spiegel des Meeres folgend; erst der Horizont hält ihn auf. Aber daß dahinter auch noch etwas ist, Meer und Himmel, Wasser und Wolken: erfüllter Raum, wissen wir. Zwar verdeckt uns jede Wolke die Sicht, aber der auf sie gerichtete Blick müßte im Prinzip hindurch und immer weiter gehen können, bis er an irgend etwas undurchdringlichem, einem Planeten oder Stern anlangt, davon sind wir überzeugt. Wirklich? Ist die Welt nirgendwo „mit Brettern vernagelt", endet abrupt? Könnte ein Lichtstrahl nicht zu uns zurückkehren wie der Weltumsegler nach einer Umrundung des Globus? Was ist das eigentlich: der Raum? Wir sehen doch nur Gegenstände im Raum, nie den Raum selber.

  Mit diesen müßigen Gedanken eines Schiffsreisenden sind wir mitten in einem Grundproblem der Naturbeschreibung gelandet. Es gibt verschiedene Auffassungen vom Raum: eine, daß er schon immer da ist vor allem anderen und wie ein Behälter die Dinge in sich aufnimmt; eine weitere, daß erst die Körper in ihrer gegenseitigen Beziehung den Raum „aufspannen". Ohne Körper auch kein Raum. Die erste Grundposition wurde in der griechischen Naturphilosophie etwa durch Aristoteles (384-322 v. Chr.) vertreten und in der Neuzeit dann durch Isaak Newton (1642-1727); die zweite durch Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und die ihm nachfolgenden Gedankenschulen. Die Newtonsche Auffassung hat sich in der mathematischen Beschreibung der Natur durchgesetzt, obgleich die Leibnizsche die physikalisch einleuchtendere ist. Die Eigenschaften, die wir dem Raum zuschreiben —unabhängig von Körpern und Beobachtern —, nennen wir in der mathematischen Formulierung geometrische. Im folgenden werden wir die Raum, Zeit und Materie verbindende „Geometrie" kennenlernen.




1.1 Ausdehnung und Abstandsmaß

Alle Dinge unserer Erfahrung haben eine Ausdehnung. E -nach seiner Definition ausdehnungsloser Punkt kann nur n: herungsweise, etwa durch eine feine Spitze, realisiert werde Es ist ein gedachter Grenzprozeß, der hinter dem Begr:: „Massenpunkt" der Physik steckt: vom Billardball über de-Stecknadel- oder Streichholzkopf zum winzigsten, gerat. noch sichtbaren Ende eines Haares. „Ausdehnung" ist ei: mit dem Raumbegriff verknüpfte Grunderfahrung. Denno -gibt diese keinen Hinweis darauf, welche der beiden gesch. derten Raumauffassungen die richtige ist. Wahrscheinlich :-es nicht sinnvoll, die Komplexität der „Außenwelt" in e Entweder-Oder-Schema zu pressen.

  Ausdehnung scheint ebenso eine definierende Eigensch.:.-der Materie zu sein wie des Raumes. Das war jedenfalls Meinung des Philosophen Rene Descartes (1596-1650). R ihn besteht der Raum durchgehend und bis in immer klei:-werdende Bereiche aus materiellen Teilchen, die aufeinan,: einwirken, Kräfte übertragen. Diese Verteilung von Mater partikeln nannte er „Äther". Interessant ist dabei die an_ nommene kontinuierliche Verteilung der Materie: Es soll ne Lücken im Äther der Teilchen geben. Die von ih:- . gebildete Kontinuumsstruktur können wir uns als beliü - dehnbare Gummihaut vorstellen; im Unterschied zu den - nen Häutchen der Seifenblasen läßt sie sich beliebig aus: anderziehen, ohne je weniger „glatt" zu werden oder zu reißen. Ebenfalls denkbar wäre die Vorstellung vom IU—als einer Art feinmaschigen Siebs oder „Netzes", wenn mit sehr unregelmäßigen Maschen. Die Fäden des Netzes sprächen den Körpern, der Materie. In den „Zwist-.: räumen" gäbe es nichts, was mit dem Begriff der Ausdeh:-._ belegt werden sollte. Aber so richtig einsehen können W-17 _ nicht. Frühere Generationen schrieben der Natur einer. -scheu vor dem Vakuum (horror vacui) zu. Zwischen _ greifbaren Dingen „muß" noch etwas sein! Und wenn es - ein dünnes Gas wie die Luft oder die wenigen Atome pr,_




bikzentimeter im Raum zwischen den Sternen und Sternsy-stemen sind. Im Begriff „Schwarzes Loch", der in Kapitel 11.1 eingeführt werden wird, scheint so etwas wie ein „Loch" im Raum aufzutauchen. Wir werden aber sehen, daß das nur eine Sprechweise ist. Die Kontinuumsstruktur des materieer-füllten Raumes bleibt erhalten.

 Wesentlicher ist da schon, daß erfahrbare Ausdehnung durch drei voneinander unabhängige Richtungen ausgelotet werden kann: Länge, Breite, Höhe. Wir sagen: Der Raum ist dreidimensional. Um einen Ort im Raum festlegen zu können, brauchen wir also drei Zahlen, die Orts-Koordinaten genannt werden. Als einfachste Möglichkeit bietet sich ein Achsen-kreuz aus drei aufeinander paarweise senkrechtstehenden Achsen an, auf die wir einen Punkt projizieren können. Die sich ergebenden Abschnitte auf den Achsen sind dann seine kartesischen Koordinaten.

 Die Ausdehnung wird mit Hilfe dieser Koordinaten durch ein Abstandsmaß quantifiziert. Verschiedene Personen schät-zen eine vorgegebene Strecke als kürzer oder länger ein. Ent-scheidend ist, daß wir uns auf ein Abstandsmaß für die Aus-dehnung einigen, etwa auf die Verwendung eines geeichten Kilometerzählers. Schwieriger wird es, wenn größere Berei-che, die nicht der alltäglichen Meßerfahrung mit Maßband oder Meßlatte zugänglich sind, in ihrer Ausdehnung bestimmt werden sollen. Nehmen wir die Entfernung zum Mond, nächsten Stern oder zum Zentrum unserer Milchstraßen-„Scheibe”. Innerhalb des Planetensystems senden wir einen Radar- oder Lichtpuls zum fernen Objekt, hoffen, daß er dort reflektiert wird bzw. denken uns einen Radarreflektor oder einen Spiegel angebracht, wie auf dem Mond seit den menschlichen Besuchen von 1969 bis 1971 geschehen. Dann wird das zwischen Abgang und Wiedereintreffen des Signals verstrichene Zeitintervall ä t gemessen. Unter der Annahme, daß die Geschwindigkeit des Lichtes im Vakuum c richtungs-unabhängig ist, setzen wir als Entfernung die Hälfte der mit der (Vakuum-)Lichtgeschwindigkeit multiplizierten Laufzeit, also 1/2 • c • ät , an.




 Was heißt es denn genau, einen Abstand zwischen oder d: Entfernung von zwei (Massen-)Punkten zu bestimmen? W verlangen, daß das Abstandsmaß Null ist, wenn sich d Punkte beliebig nahe kommen, und daß es nicht von der Re henfolge der Punkte abhängt, zwischen denen gemessen wird Schließlich noch, daß die sog. Dreiecksungleichung für Abstandsmaß gilt. Das bedeutet, daß, wenn Abstände z\\ schen je zwei von drei Punkten betrachtet werden, die Sumn-von zwei aneinander angrenzenden Abständen immer gröi;, als der dritte Abstand ist oder höchstens ihm gleich. Ein A standsmaß, das diese Bedingungen erfüllt, ist der Euklidisc Abstand d. Für zwei Massenpunkte mit den Koordinatent ferenzen 3,x1, 3,x2, 0,x3 berechnet er sich (in Analogie zu Satz des Pythagoras in der ebenen Geometrie) aus d2 = x + (0x2)2 + (A x3)2. Wenn die Koordinatendifferenzen belie'r klein werden, nennen wir die Koeffizienten vor ihnen der Abstandsfunktion, also hier 1, 1, 1, „Komponenten" Euklidischen „Metrik.




  Ein starrer Stab kann als gegenständliche Realisierung Abstandsfunktion, d.h. als ein Instrument zu ihrer Mes.s. dienen. Starr heißt, daß seine Länge sich in dem Zeitra über den wir ihn benutzen wollen, nicht verändert. Wie nachzuprüfen ist? Eigentlich nur durch Vergleich mit andu-möglichen Maßstäben. Wahrscheinlich haben viele Mensc - schon mit der Idee gespielt, daß sie nichts davon mer1:7 wenn sich alle Abstände in der Welt im selben Maße verls nern oder vergrößern würden. Um einen möglichen Ur: der eine Abstandsänderung bewirkt, wie eine Kraft auf e: unelastischen Körper (etwa zusammengedrückte Knete), 7 . zustellen, muß es eben festere Körper geben (etwa die T. fläche, auf die sie gedrückt wird). Dies wird wichtig wer:_ wenn wir uns den Gravitationswellen (Kapitel 11) oder .1 Hubble-Fluß (Kapitel 12) zuwenden.

  Die Maßeinheit für die Abstandsmessung, die Länge --heit, ist eine Konvention, da sich bisher keine „natürl.. Längeneinheit angeboten hat. Namen für ältere Längene.--ten wie Fuß, Elle, Zoll zeugen von Versuchen in dieser


tung. Auch der 1799 entstandene Vorschlag, die Längeneinheit als den vierzigmillionsten Teil des Erdumfanges zu definieren, ist nicht besonders überzeugend und mißglückt. Das Meter, das daraus hervorging und das als Prototyp mit x-förmigem Querschnitt in Paris als international verbindlicher Standard aufbewahrt wird, ist heute über die Wellenlänge einer Spektrallinie des Kryptonatoms festgelegt (86Kr, Übergang


 ein Meter ist dann das 1 650 763,73-fache dieser

Wellenlänge. Aus der Mikrophysik (quantenhafte Erscheinungen) gibt es Andeutungen, daß die oben beschriebene Kontinuumsstruktur des Raumes in dem Sinne verletzt sein könnte, daß eine „kleinste" Länge existiert. Aus den Naturkonstanten Geschwindigkeit des Lichtes im Vakuum c, Plancksche Konstante h und Newtonsche Gravitationskonstante G läßt sich eine Größe von der Dimension einer Länge bilden, die zu Ehren von Max Planck (1858-1947) Planck-Länge genannt wird: (2/2--„,?)112. Sie beträgt 1,616 • 10-33cm, ist also unvorstellbar klein.' Im Vergleich dazu ist die Ausdehnung eines Elektrons von der Größenordnung 10-13cm riesig. Heute können Längen bis zu 10-17cm direkt, indirekt bis 10-22 cm gemessen werden. Was unterhalb der Skala einer Planck-Länge passiert, weiß noch niemand.


1.2 Veränderung und Zeitmaß

Neben der „Ausdehnung" ist „Veränderung" eine menschliche Grunderfahrung. Ereignet sich Veränderung in der Zeit? Was ist Zeit? Eine Größe, mit der die Abfolge unserer Lebensstadien geordnet werden kann: Geburt geht dem Tod voran, ein Herzschlag folgt dem anderen, der Sommer löst das Frühjahr ab. Als aufeinanderfolgende Ereignisse verbindende Größe besitzt die Zeit relationalen Charakter. So dachte Leibniz; für Newton dagegen gibt es sie auch ohne Gesche-

  I Die Potenzschreibweise 10x bedeutet, daß x Nullen vor das Komma gesetzt werden müssen bei positiven ganzzahligem x und x-1 hinter das Komma bei negativem ganzzahligen x. 10-2 = 0,01; 102 = 100,0.




hen: als absolute, gleichmäßig vergehende Zeit ohne B auf irgendeinen Vorgang.

  Viele Veränderungen am Himmel, im Körper von Lebe sen einschließlich des Menschen sind zyklisch. Daraus wickelte sich wohl das uralte Bild der ewigen Wiederkehr Gleichen. Heute befassen sich Astronomie, Chrono-Bio. und -Pharmakologie mit ihnen. Aus der über die Gener:-nen tradierten Lebenserfahrung und der Geschichte mit :-im Dunst des Vergessens verschwimmenden Frühstar bleibt offen, ob die Zeitfolge von erfahrbaren Dingen e bestimmten „Beginn" hatte. Aber hier befinden wir uns reits in unwegsamem Gelände. Was ist mit der „Erschaf tu-der Welt und dem Ins-Werk-Setzen des Zeitablaufes, ar viele glauben? Auch in den gegenwärtig akzeptierten NI, _ len der physikalischen Kosmologie gibt es einen „Beginn" Kosmos vor einer endlichen Zeit (siehe Kapitel 12). Soller. von „Geburt" des Kosmos sprechen oder mit dem Kircheter Augustinus sogar von der „Erschaffung der Zeit"? Ist _ ein logischer Widerspruch? Eine naheliegende Frage ist: es ein Ende nicht nur der menschlichen Geschichte, sor.J auch der Zeit?

  Um Veränderungen rechnerisch beschreiben zu kör - führen wir einen Zeitparameter ein, der jeden Wert au: Zahlengeraden annehmen kann. Damit haben wir auch die Zeit eine Kontinuumsstruktur vorausgesetzt. Sie soll --ruckartig ablaufen, so wie etwa ein Filmvorführappara: einzelnen Bilder voranrückt, wenn auch so schnell, daß u Auge von der Unstetigkeit der Bewegung nichts merkt... - fließt" in der Zeit; gedankenlos sagen wir manchmal: Zeit fließt", was ebensowenig Sinn gibt wie „der Raum s:-Ob die aus den fundamentalen Konstanten gebildete Pl.:

Zeit (2)1/2  10-44 s eine physikalische Rolle spielt, is:

bekannt. Die direkte Zeitmessung reicht gegenwärtig nt.-10-'7 s.

  Die Zeitfolge ist gerichtet (Zeitpfeil): Wir können im, in die Zukunft verändern — nicht in die Vergangenheit' derslautende Nachrichten wie die durch den BlätterwalC




schenden (Zeit-)Reisen in die Vergangenheit können getrost vergessen werden, ohne daß wir wissenschaftlich etwas versäumen.

  Zur Darstellung des Zeitparameters können wir jede dauernd wachsende Funktion einer reellen Variablen wählen. Die

physikalische Erfahrung zeigt jedoch, daß eine Wahl des Zeit-

parameters besonders wichtig ist, die sog. Inertialzeit: Sie ist für die Formulierung der Newtonschen Mechanik nötig

(vergleiche Abschnitt 1.4). Um die Inertialzeit definieren zu können, müssen wir zuerst über die Bewegung kräftefreier Körper nachdenken. Wir wissen, daß es starre Körper gibt, aus denen ein „Bezugssystem" — also drei sich in einem Punkt, dem „Ursprung", treffende, aufeinander senkrechtstehende materielle Achsen — gebildet werden kann. Denken wir an die drei Linien, in denen sich die Wände in einer Ecke eines Zimmers schneiden. Wenn sich ein kräftefreier Körper in bezug auf diese Achsen geradlinig bewegt, so nennen wir das Achsensystem eine Inertialbasis. Als Beispiel nehmen wir eine Glasperle, der ein Stoß auf der glatten Tischfläche gegeben wird, ohne sie gleichzeitig ins Rotieren zu bringen: sie bewegt sich geradlinig relativ zu den Wänden, falls nicht durch Reibung gestört.


  Die Inertialzeit ist nun durch diejenige Zeitskala definiert, für die ein auf eine Inertialbasis bezogener kräftefreier Massenpunkt auf seiner geradlinigen Bahn in gleichen Zeiten gleiche Wegstrecken zurücklegt. Wir sprechen von geradlinig-gleich förmiger Bewegung. Was bedeutet kräftefrei? Es ist nicht einfach, hier einen Zirkelschluß zu vermeiden. Wir wollen Kräftefreiheit annehmen, wenn größtmögliche Sorge getragen ist, daß keine erkennbaren Kräfte auf den Massenpunkt wirken. Unter einem Inertialsystem verstehen wir eine Inertialbasis zusammen mit der Inertialzeit. Es gibt unendlich viele solcher Inertialsysteme: Wenn einmal eines gefunden ist, so sind alle gegen dieses geradlinig-gleichförmig (also mit konstanter Geschwindigkeit) bewegten Systeme ebenfalls Iner-tialsysteme. Eines ist so gut wie jedes andere. Keines sollte ausgezeichnet sein.




 Strenggenommen kann es kein aus realen Körpern beste hendes Inertialsystem geben, da diese immer Kräfte aufeinar der ausüben. Inertialsysteme können aber näherungsweise ft bestimmte Zwecke realisiert werden. So ist für Experiment im Labor ein mit der Erde mitrotierendes Bezugssystem j Inertialsystem benutzbar. Für großräumige Vorgänge wie c Bildung von Zyklonen in der Atmosphäre oder schon für c Ausmessung von Bohrlöchern und Kohlenschächten gern._ dieses System nicht mehr, da wegen der Erdrotation und Corioliskräfte wirken (Lotabweichung). Die letzte- Trägheitskraft ist proportional zur Geschwindigkeit des wegten Körpers. Wir gehen dann auf ein mit der Sonne f,. verbundenes Bezugssystem über. Schließlich wird für die F schreibung des Planetensystems ein an benachbarten Stern-gedanklich festgemachtes Bezugssystem benutzt.

  Zeit ist Veränderung und Dauer: Uhren messen Zeitdr-renzen, Zeit-Dauern, also „Abstände" in der Zeit. Als Al: der Zeitdauer benutzen wir periodische Veränderungen Himmel oder in schwingungsfähigen Systemen im Labor. riodische Veränderungen sind solche, die sich in gleich Zeitabständen wiederholen. Wie zeitliche Periodizität fest_ stellt wird? Durch Vergleich mit anderen, genaueren Uhr: Hier ergibt sich ein ähnliches Problem wie bei den star-Maßstäben, das nur die Erfahrung durchbrechen kann. Schriftsteller Bruce Chatwin erzählt vom Aufsatz eines Sc-lers in Patagonien über nicht zuverlässige Chronometer: Uhr dient dazu, Verspätungen festzustellen. Auch eine - verbraucht sich, und so wie ein Auto Öl verliert, verliert Uhr Zeit."

  Astronomische „Uhren", die Zeitintervalle verschied: Länge überdecken, sind etwa die Rotation der Erde relati. Sonne oder zum Sternhimmel (Sonnen-, Sterntag), der Um der Erde um die Sonne (Jahr), der Sonnenfleckenzyklus Jahre), die Umlaufdauer der anderen Planeten (Pluto: 2-Jahre) und Kometen (Halley: 77 Jahre; im Mittel haben Perioden von Kometen aber die Größenordnung von Million Jahre) und die Präzession der Erdachse um den




melspol (26000 Jahre). Ein Umlauf des Sonnensystems um das Milchstraßenzentrum beträgt etwa 2 • 108 Jahre. Die Genauigkeit dieser himmlischen Uhren ist sehr verschieden; die Erdrotation etwa ist periodisch mit einem relativen Fehler von (1-2) 10-7.


  Andererseits können wir die Schwingungsdauer eines Pendels verwenden, eine moderne Quarzuhr oder die Präzisions-Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Die tägliche Ganggenauigkeit optischer Atomuhren beträgt 10-17. In der Tat wird die Sekunde, die Einheit der Zeit, über die Schwingungen einer Cäsium-Atomuhr definiert: Die Sekunde ist das 9 192 631 770-fache der Periodendauer der Schwingung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstruk-turniveaus des Grundzustandes des Atoms 133Cs entspricht. Zwei Fragen ergeben sich sofort• Stimmt die „astronomische" Zeit mit der Atomuhr-Zeit überein? Die Antwort ist negativ; in regelmäßigen Zeitabständen müssen Bruchteile von „Schaltsekunden" eingefügt werden, um die weniger genaue astronomische Zeit mit der sehr präzisen Atomuhrzeit in Einklang zu bringen. Die Antwort auf die zweite Frage, welche Uhren Inertialzeit messen, ist näherungsweise: Atomuhren, insbesondere Uhren auf der im Schwerefeld der Sonne frei fallenden Erde, die keinen anderen Kräften ausgesetzt sind.

1.3 Materie und Masse

Ausdehnung und Veränderung sind als Eigenschaften der „Materie" eingeführt worden. Was ist Materie? Wir haben von Teilchen, Körpern, Massenpunkten und beiläufig auch schon vom Licht gesprochen. Charakteristisch für Körper ist, daß sie Widerstand gegenüber Kräften ausüben, die sie verschieben wollen. Von allein bewegen sich nur die Himmelskörper; auf der Erde muß alles gezogen, geschleppt, gefahren und gehoben werden. Um dieses Beharrungsvermögen der Materie zu beschreiben, statten wir sie mit der sog. trägen Masse rrit aus. In der Newtonschen Mechanik ist das eine vom Ort und der Zeit unabhängige Größe, eine Konstante.




Eine weitere Eigenschaft von Massen, etwa der Erdmal, es, andere Massen anzuziehen; das kennen wir nur z_ wenn wertvolle Dinge herunterfallen und zerbrechen. D genseitige Anziehung von Massen, die im Alltagslebe:-dann spürbar wird, wenn mindestens eine der Masse:: groß ist, drücken wir dadurch aus, daß wir den Körper: schwere Masse ms zuordnen. Wie eine elektrische elektrische Kräfte hervorruft, so ist die schwere Mass. Quelle der Schwer- oder Gravitationskraft. Wenn ein mit seiner schweren Masse eine Gravitationskraft auf zweiten ausübt, so leistet dieser mit seiner trägen Mass: derstand gegen die angreifende Kraft. Wir bestimme:-Masse gewöhnlich mit einer Waage: Dabei werden schleunigungen verglichen, die zwei (ungefähr) am selbu-auf den Waagschalen ruhende Massen durch die Schwe :der Erde erhalten. Wir können die Masse daher nur a Vielfaches einer beliebig ausgewählten Vergleichsmass, legen. Als Masseneinheit 1 kg ist die Masse des 1889 stellten, in Paris aufbewahrten Internationalen Kilogr: prototyps definiert, eines Zylinders aus einer Platin-Ir Legierung. Er sollte dem Gewicht eines Kubikdezi:-Wasser bei 4°C entsprechen, ist jedoch um rund 27mg s. rer geworden.

  Nun das Überraschende: Im Rahmen der Messungen • sen sich die beiden verschieden definierten Arten von bei allen bisher untersuchten Körpern als proportiona . als gleich bis auf einen gemeinsamen Zahlenfaktor. D137_ eignete Wahl der Masseneinheit kann dieser zu Eins gu--werden. Die Messung von m ergibt 1 bis auf einen gegu--tigen relativen Fehler von 10-12!

  Noch eine Bemerkung zur kontinuierlichen Verteilu:- _ Materie. Diese erlaubt die Einführung von Begriffen v. Massen-„Dichte" und der momentanen Geschwindigke:7 strömenden Materials: Jedem Ort wird zu jeder Zeit von Dichte und Geschwindigkeit der Teilchen zugec - _ Wir sprechen dann von einem Dichte- bzw. Geschwindi::, feld oder, allgemeiner, von einem Strömungsfeld. Es git—




auch Felder ohne einen Substanz-Aspekt. Bei ihnen wird an einem Ort zu einer Zeit zwar keine greifbare Masse gefunden, aber an diesem Ort werden Kräfte auf eingebrachte Körper ausgeübt. Paradebeispiele sind das magnetische und das elektrische Feld, die auf Eisenspäne bzw. elektrische Ladungen wirken, wenn sie in den Bereich dieser Felder kommen. Felder haben eine Energiedichte, die, wie wir in Abschnitt 4.3 sehen werden, der Dichte einer trägen Masse entspricht. Da träge und schwere Masse gleich sind und schwere Massen Gravitationskräfte erzeugen, müssen wir solche Felder auch mit zur „Materie" rechnen. In der quantenmechanischen Beschreibung der Materie ist die Unterscheidung zwischen Teilchen und Feld ohnehin nur noch als ein spezieller Zug in der mathematischen Modellbildung, nicht als „real-existierender" Unterschied möglich (Quantenfeldtheorie).

1.4 Newtonsche Mechanik

Die Newtonsche Mechanik geht zunächst vom Teilchenbegriff aus, mit dem ein streng lokalisiertes Objekt beschrieben wird. Sie kann aber genausogut auf Feldverteilungen in ausgedehnten Bereichen angewandt werden wie etwa in der Strömungsphysik. Die Grundgleichung der Newtonschen Mechanik besagt: „Die träge Masse eines punktförmigen Teilchens multipliziert mit seiner Beschleunigung ist gleich der an dem Teilchen angreifenden äußeren Kraft." Die Beschleunigung ist als zeitliche Veränderung der Geschwindigkeit definiert; diese wieder als zeitliche Veränderung des momentanen Ortes des Teilchens. Daraus ergibt sich, daß eine Änderung des Zeitparameters eine Änderung sowohl der Geschwindigkeit wie der Beschleunigung bewirken kann. Eine einfache Änderung ist gegeben, wenn wir den Zeitparameter mit einer konstanten Zahl multiplizieren. Ist sie größer als Eins, so bedeutet dies, daß langsamer gehende Uhren benutzt werden. Wir können auch eine Konstante zum Zeitparameter hinzuaddieren. Das heißt dann, daß wir den Zeit-Nullpunkt aller Uhren in gleicher Weise verschieben. Allgemeinere Änderungen des Zeitparameters würden die träge Masse gesc.-digkeitsabhängig machen und einen Zusatzterm zur bringen, der diese um eine Größe proportional zur Gesc: digkeit des Teilchens ändert (vgl. Mathematischer Ani-Legen wir den Zeitparameter nicht fest, so sind wed,-träge Masse noch die äußere Kraft eindeutig bestimm: Newtonsche Grundgleichung gibt so keinen Sinn. Sie bezogen auf eine Inertialbasis — genau dann gültig, wer-als Zeitparameter die Inertialzeit nehmen. Deswegen wir diese Wahl treffen. In der Newtonschen Mechar. die Inertialzeit bis auf mögliche Verschiebungen des Ze.- - punktes festgelegt.


  Natürlich kann die Newtonsche Mechanik auch in B: -systemen formuliert werden, die gegenüber Inertialsys7. beschleunigt sind. In diesem Fall fügen wir den äußerer. ten die sog. Trägheitskräfte hinzu, die alle proportion= trägen Masse sind; die bekannteste ist die Zentrifugalkni -

  Das Produkt aus der trägen Masse und der Geschw keit eines Teilchens stellt einen Massenstrom dar; es puls genannt. Die Bewegungsgleichung kann mittels _ Größe in der von Newton ursprünglich gewählten Fon-gestellt werden: Die zeitliche Änderung des Impulse, Punktmasse ist gleich der angreifenden Kraft.

  Eine unser Leben stark beeinflussende äußere Kraft Schwerkraft, mit der sich zwei Körper (Massenpunkte Richtung ihrer Verbindungslinie anziehen. Nach Nev.7 sie umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstand:, schen den Körpern, fällt also rasch ab. Weiter ist sie p: tional zum Produkt der schweren Massen beider Körpc-einer eventuellen Geschwindigkeit der Körper hängt si, ab. Für zwei Massen wie Sonne und Erde folgt mit Kraftgesetz aus der Newtonschen Grundgleichung, da. Körper in einer Ebene auf Ellipsenbahnen um den g. samen Massenschwerpunkt laufen; er liegt praktisch 1-trum: bei einem Radius der Sonne von 696 342 -± 65 450 km von ihrem Mittelpunkt entfernt. Während Jo - Kepler (1571-1630) dies aus Beobachtungen insbesond -




Marsbahn mühsam errechnete, gab Newton mit seinem Kraft-gesetz eine tiefere und auf viele andere Körper am Himmel und auf der Erde anwendbare Begründung.

  Neben der Gravitationskraft wird der Begriff des Gravita-tions-Potentials oder der potentiellen Energie eines Teilchens im Schwerefeld eingeführt. Ein Vorrat an potentieller Energie wie etwa im Wasser eines Stausees ist gleichbedeutend mit der Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Von Flächen konstanten Gra-vitationspotentials aus kann demnach durch die Schwerkraft dieselbe Arbeit geleistet werden. Die gedachte, mittlere Ober-fläche der Erde, das Geoid, ist eine solche sog. „Äquipoten-tialfläche". Die Schwerkraft ist nun als räumliche Änderung, als der Gradient des Gravitationspotentials senkrecht zu den Äquipotentialflächen gerichtet. Das kennen wir von den Fall-linien im Gelände, den Kurven steilsten Anstieges quer zu den Höhenlinien. Da die Schwerkraft an jedem Ort wirkt, sprechen wir von einem Schwerkraft- oder kurz vom Schwere-feld.

  Der Potentialbegriff erleichtert den Übergang zur Feldbe-schreibung, weil mit seiner Hilfe die Beiträge der felderzeu-genden Masse und der Masse, an der das Gravitationsfeld an-greift, getrennt werden können. Wegen m, = m, hebt sich in der Newtonschen Bewegungsgleichung mit der Gravitations-kraft die Masse eines sich im Schwerefeld bewegenden Kör-pers heraus: Die Bahn einer im Schwerefeld der Erde frei fal-lenden Masse hängt nicht mehr vom Wert ihrer trägen Masse ab. Nur die Masse der Feldquelle (Erde) ist wirksam. Dieser Sachverhalt wird Äquivalenzprinzip genannt. Er bildet den Hintergrund der Kinderfrage: „Was fällt schneller, ein Kilo-gramm Federn oder ein Kilogramm Bleikugeln?"1 In der Elek-trodynamik ist das anders; die Bewegung wird hier durch den Quotienten von Ladung e und träger Masse elm, bestimmt. Auch Trägheitskräfte haben ein Potential, das Trägheitspoten-tial genannt wird.

  1 Unfair dabei ist, daß die Reibungskräfte in der Luft unterschlagen werden.

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 Der Potentialbegriff spielt aber auch eine Rolle in den tigen Erhaltungssätzen für Energie und Impuls. Die G= energie eines Systems von miteinander wechselwirk: Massen ist unter genau bestimmten Umständen zeitlich. stant, ebenso ihr Gesamtimpuls (Summe der Einzel-Im: Die mechanische Gesamtenergie setzt sich aus der Summ: Bewegungsenergie und potentieller Energie zusammen den Mathematischen Anhang). Beim Schwingen eines P=-verwandelt sich fortlaufend potentielle Energie (maxirr.: höchsten Punkt bei der Bewegungsumkehr) in kinetische gie (maximal, wenn das Pendel den tiefsten Punkt durch und umgekehrt. Wir kennen die Auswirkung von Energie-Impuls-Erhaltungssatz beim elastischen Stoß von einem - zeug, in dem eine Anzahl von sich berührenden Stahlk _ . an Pendelfäden in einer Reihe aufgehängt sind. Lassen v. erste Kugel mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf deren auftreffen, so schnellt die letzte mit derselben Gesc: digkeit davon.

2. Die Relativität der Bewegung

Gibt es denn keinen Angelpunkt der Welt?

2.1 Relativitätsprinzip der Mechanik

Wer häufig mit dem Zug fährt, hat das Phänomen schon beobachtet: Halt in einer Station; auf dem gegenüberliegenden Gleis steht ein zweiter Zug. Der Aufenthalt scheint zu Ende, wir setzen uns langsam in Bewegung, jedenfalls relativ zu dem anderen ICE. Doch irgend etwas stimmt nicht. Wir schauen auf eine Telefonzelle auf dem Bahnsteig: Relativ zu ihr bewegen wir uns nicht. Also kann die Relativbewegung gegenüber dem anderen Zug nur bedeuten, daß dieser zuerst losgefahren ist. In der Tat, bald sehen wir seinen letzten Wagen und einen Triebkopf. Ohne die Telefonzelle als einem festen Bezugspunkt, wäre eine Unterscheidung zwischen dem Bewegungszustand der beiden Züge schwieriger geworden. Denn solange wir nicht merklich beschleunigt werden, haben wir kein Sinnesorgan, um Relativbewegungen festzustellen.

  Dieses einfache Erlebnis bringt uns mitten in ein Problem, mit dem sich Physiker und Philosophen ziemliche lange beschäftigt haben. Bewegung bedeutet immer Bewegung relativ zu einer Markierung, zu anderen Körpern. In der Beschreibung der Bewegung durch die Mechanik Newtons kommen diese Bezugskörper jedoch nicht vor; sie werden nicht gebraucht. Bewegung bedeutet hier Bewegung gegenüber dem als „absolut" gesetzten Raum. Nach dieser Auffassung scheint es, als ob die Punkte des Raumes schon selbst Markierungen wären. Zwar können diese Punkte durch mathematische Etiketten, also die drei Raumkoordinaten unterschieden werden. Aber diese stehen — um bei unserem Beispiel zu bleiben — weder an Zügen noch an Bahnsteigen angeschrieben. Sie können willkürlich geändert werden, je nach unseren Bedürfnissen: der Nullpunkt des Systems und die Richtungen der Raumachsen, längs derer die Koordinaten abgetragen werden.

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 Das ist einleuchtend, aber das Problem bleibt: Gleichungen der Newtonschen und auch der relativi s Mechanik kommen keine relativen Größen vor, wie geschwindigkeit, Relativbeschleunigung, sondern .; Größen: „Geschwindigkeit" und „Beschleunigung" wogegen? Gegenüber dem auf welche Weise erfa „absoluten" Raum? Natürlich wußte Newton ur-Schwierigkeit. Er glaubte, ihr dadurch ausweichen zu daß er dem absoluten Raum physikalische Eigenscha7-wies. Er sollte erfahrbare Wirkungen ausüben: Bes,-gungen relativ zum absoluten Raum sollten sich in de: heitskräften zeigen. Auf der Achterbahn oder in de7 beim Autofahren spüren wir die nach außen ziehende = fugalkraft. Auch wenn wir die Augen schließen und kt zugskörper sehen, relativ zu denen sich der Wagen 7 Ein anderes Beispiel: Die Rotation der Erde um ihr, kann bei geschlossener Wolkendecke durch die Beoh:. der Schwingungsebene eines einige Meter langen festgestellt werden (sog. Foucaultsches Pendel). Im Tages ändert sie sich relativ zur Erdoberfläche: Die E-wegt sich nach Newton durch eine Drehung relativ z. soluten Raum unter der Schwingungsebene weg. Der.. relativ zum absoluten Raum bleibt unverändert. Ern (1838-1916) hat diese Interpretation kritisiert: Sem,-nung nach ist die Bewegung auf die Fixsterne zu bez:, den relativ zu allen Bewegungen auf der Erde und ir-tensystems ziemlich fest plazierten Bezugs-Körpern. -1 darauf hin, daß niemand sagen könne, ob nicht Fliehkräfte entstünden, wenn die Erde als ruhend ihre Achse rotierend) gedacht würde, die Fixsterne die Erde herum kreisten. Leider läßt sich dieses EN: nicht durchführen.

  Zusammengefaßt: Zum einen brauchen wir Ve - körper, um Bewegungen zu bemerken; zum anden-es sein, daß Kräfte wie die Zentrifugalkraft oder c ren Trägheitskräfte aus einer noch unbekannten wirkung zwischen den Körpern entstehen. Wie das g,-.

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soll, wußte Ernst Mach nicht und wissen wir auch heute nicht.

 Im Rahmen der Newtonschen Physik wurde der Tatsache, daß wir bei unbeschleunigten Bewegungen nicht eindeutig sagen können, ob sich der eine Körper bewegt und der andere ruht oder gerade umgekehrt, dadurch Rechnung getragen, daß die Grundgleichungen in allen zueinander mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Bezugssystemen — das sind die vorher beschriebenen Inertialsysteme — gleich aussehen. Schon seit Galileo Galilei (1564-1642) ist diese Forderung unter dem Namen „Relativitätsprinzip" der Mechanik bekannt. Etwas technischer ausgedrückt: Die Gleichungen, mit denen die Bewegung von Körpern beschrieben werden, sollen sich nicht ändern, wenn wir den Ursprung der Inertialbasis im Raum verschieben, ihre Achsenrichtungen verdrehen oder uns auf eine sich mit konstanter Relativgeschwindigkeit bewegende andere Inertialbasis beziehen. Zusammen mit einer möglichen konstanten Verschiebung des Nullpunktes der Inertial-zeit bilden alle diese Bezugssystem-Transformationen die sog. Galilei-Gruppe (vgl. Mathematischer Anhang).

Jetzt scheint alles in Ordnung zu sein. Bezugskörper gibt es

mehr als genug; die Grundgleichungen sind unempfindlich

oder, wie es die Fachsprache ausdrückt, „kovariant" gegen-

über dem Wechsel des Bezugssystems formuliert; was sollte

denn dann noch schiefgehen, wenn wir Bewegungen beschrei-

ben wollen? Nun, für langsame massive Körper war auch al-

les in bester Ordnung. Aber das Verständnis der Bewegung

des Lichtes im Rahmen der Newtonschen Theorie wollte den

Physikern lange nicht gelingen. Die Erfahrung insbesondere

an Beugungserscheinungen zeigte, daß Licht als eine Welle be-

schrieben werden mußte. Die bis zu dieser Zeit bekannten

Wellen brauchen materielle Träger: Schallwellen breiten sich

in der Luft oder einem kristallinen Festkörper aus. Die Luft-

moleküle bzw. Gitteratome schwingen dabei hin und her.

Wasserwellen pflanzen sich im Wasser fort; jetzt sind es die

Wasserteilchen, die sich bewegen. Welche Teilchen schwin-

gen, wenn eine Radiowelle vom Sender zum Tuner läuft?



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Nicht die Luftteilchen, denn Licht- und Radiowellen (z. F Labor) können auch durch Gebiete geschickt werden, an nen die Luft herausgepumpt wurde. Sie durchqueren intergalaktischen Raum, in dem nur noch eine winzige A:. von Teilchen vorhanden ist. Zuerst wurde eine speziell, von Materie ausgeheckt, eben der schon in Kapitel 1 erv. te Äther, in der sich die Lichtwellen ausbreiten sollten. vertrackte war nur, daß dieser Äther sich durch keine ar Eigenschaft nachweisen ließ als eben durch die Lichtfortp:-zung. Er sollte so spärlich vorhanden sein, daß die Plan-bewegung durch ihn nicht merklich beeinflußt werden k te. Andererseits mußten - wegen der schnellen Schwinp-der Lichtwelle - seine elastischen Eigenschaften eher c: von Stahl als denen eines dünnen Gases gleichen.

  Außerdem würde ein relativ zum Äther ruhendes S-ein ausgezeichnetes Bezugssystem unter den Inertialsys7, darstellen. Das war nicht zu verstehen, wenn der Äther so etwas wie den absoluten Raum repräsentierte.

  Nach vielen vergeblichen Präzisionsmessungen, etwa den Versuch der Physiker Albert A. Michelson (1852-und Edward W. Morley (1838-1923), die Bewegun _ Erde relativ zum Äther zu bestimmen, zeigte Albert E: (1879-1955) in seiner Speziellen Relativitätstheorie von daß der Äther, als absolutes Element aufgefaßt, zur Be,, bung des Lichts nicht gebraucht wird.

  Seither ist davon die Rede, daß sich das Licht und a. deren elektromagnetischen Wellen im „Vakuum" for-.7-zen. In der klassischen Physik bedeutet das Vakuum c wesenheit von Materie in Form von Teilchen oder F, Eine Möglichkeit zur Definition des Vakuums in der ten-Feldtheorie besteht darin, es als den energetisch E sten Zustand zu betrachten, in dem keine Schwingo sitzen: Die Teilchenzahl in diesem Zustand ist Null.' Vakuum hat physikalische Eigenschaften ebenso wie au.

  1 Neben diesem sog. Fock-Vakuum gibt es andere wichtige \ Definitionen wie den Lorentzinvarianten Grundzustand.

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Vakuum in der Allgemeinen Relativitätstheorie (vgl. Abschnitt 9.2). Wir stellen uns vor, daß andauernd Teilchenpaare (Teilchen und Antiteilchen) erzeugt werden und unmeßbar schnell wieder in masselose Quanten zerstrahlen. Obgleich die Gesamtzahl massiver Teilchen im Mittel Null ist, übt das Vakuum über seine Energiedichte einen Einfluß auf Teilchen mit meßbarer Lebensdauer aus. 'Welcher Zusammenhang zwischen den verschieden definierten Vakua besteht, ist unklar. Haben wir durch diese Vorstellung vom Vakuum nun besser verstanden, warum das Licht keinen materiellen Träger braucht? Vermutlich nicht; aber die neue Sprechweise mag genügen.

2.2 Spezielle Relativitätstheorie

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten Forscher geladene Teilchen entdeckt, die sich nicht mehr langsam im Vergleich

zur Lichtgeschwindigkeit bewegten: die Elektronenstrahlen in Entladungsröhren, zuerst Kanalstrahlen genannt. Es wurde

klar, daß Elektronen sich in elektrischen Feldern anders ver-

hielten, als die Physiker gewohnt waren; insbesondere ihre träge Masse hing von der Geschwindigkeit ab und wuchs mit ihr. Dies gab, neben den Schwierigkeiten mit dem Verständnis des absoluten Raums als dem Träger der Lichtwellen, einen

weiteren Hinweis darauf, daß der Newtonsche Raum-Zeit-Begriff und die klassische Mechanik zur Beschreibung der physikalischen Phänomene nicht ausreichten.

   Am Beginn des Weges, der Albert Einstein zur Speziellen Relativitätstheorie führte, standen zwei Hypothesen: Er bezog das Äquivalenzprinzip der Mechanik auf alle physikalischen Vorgänge und forderte zudem, daß die Geschwindigkeit c des Lichtes im Vakuum in allen Inertialsystemen dieselbe sein sollte. Die erste Annahme bedeutet, daß auch aus elektromagnetischen Phänomenen kein ausgezeichnetes Bezugssystem erschlossen werden kann. Die zweite, daß die einfache Addition von Geschwindigkeiten auf das Licht oder mit ihm vergleichbar schnelle Vorgänge nicht angewendet werden darf.

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Denn dann wäre die Lichtgeschwindigkeit in einem si..• tiv zum Beobachter mit der Geschwindigkeit v bewe. Inertialsystem c' = v + c, also nicht unverändert. Die Transformation, die zu diesem Additionsgesetz der Ges_ digkeit führt, kann demnach nicht mehr die richtige Bus bung des Übergangs von einem Inertialsystem zum sein, jedenfalls nicht für hohe Relativgeschwindigkeiter

  Sie wird durch die nach dem Nobelpreisträger aus _ Hendrik Anto on Lorentz (1835-1928) benannte L Transformation ersetzt, die der theoretische Physii:= - Bachkantatenspezialist an der Universität Göttingen mar Voigt (1850-1919) schon 1887 im Zusammen hi - dem Studium der Lichtausbreitung in Kristallen gu-aber in ihrer vollen physikalischen Tragweite nicht =hatte. Während in der vor-relativistischen Beschreib.:-Zeitintervall A t zwischen zwei Ereignissen' in allen 1--systemen dasselbe ist, ändert es sich nun beim Überga-- _ schen Inertialsystem I und I' in zweierlei Hinsicht: _7-eignisse am selben Ort im System I, die um At anderliegen, ist das Zeitintervall im Inertialsystem I' \ = den: A t' # A t. Der Unterschied ist durch die Relativge-_ digkeit der Systeme, d.h. durch die Zeitdilatation (vgl. Kapitel 4). Für Ereignisse an verschiedenen Or7 (Ax # 0) muß zur Berechnung von A t' zusätzlich die • tardierung, das ist die Laufzeit eines Signals 2'-7 zwisc beiden Orten der Ereignisse mit Abstand Ax, berüc., werden, und zwar wegen der Notwendigkeit der U1-.-chronisation (vgl. das nächste Kapitel). Während der-dierungszeit bewegt sich das System I' um die Stre,.. weiter; diese muß vom Lichtweg cAt abgezogen we:-._

I' folgt daraus cAt'            cAt — v''e. Für die Zeit la _-

neue Transformation — im Unterschied zur speziellen Transformation — für zwei in Richtung der gerne x- und x'-Achsen mit der konstanten Relativgeschwi _

 ' In der Physik bedeutet der Ausdruck der Umgangssprache die Angabe eines Ortes und eines Zeitpunktes.

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v bewegte Inertialsysteme: A t' = y (A t — v/c2 • A x) mit y = (1— v 2/c2)-112. Dadurch wird das Additionsgesetz von Geschwindigkeiten so abgeändert, daß die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c in allen Inertialsystemen dieselbe bleibt (vgl. Mathematischer Anhang). Für die Raumkoordinaten x, y, z lautet die Lorentz-Transformation A x' = y(Ax — v • st), Ay' = Ay, Az' = Az. Für langsame Bewegung (v/c < 1, y = 1, v/c << et: ) stimmen die Lorentz-Transformationen mit den Galilei-Transformationen überein.

2.3 Raum-Zeit-Diagramm

Wir stellen die Transformation zwischen Inertialsystemen nun graphisch dar. Vieles von dem, was wir in Kapitel 6 als Geometrie der Raum-Zeit kennenlernen werden, kann schon dadurch richtig beschrieben werden, daß zur Vereinfachung statt der drei räumlichen Dimensionen nur eine einzige beibehalten wird. Dies soll im folgenden geschehen. Wir betrachten eine Aufeinanderfolge von „Schnappschüssen" eines bewegten Massenpunktes und fügen sie in einem Schaubild, dem sog. Raum-Zeit-Diagramm, aneinander. Dazu tragen wir in einem Achsenkreuz nach oben die Zeit auf, genauer die Größe c • t, eine Länge (c ist die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit). Nach rechts verläuft die x-Achse der Raumkoordinaten; x hat ebenfalls die Dimension einer Länge. Ein Punktteilchen, das an einem festen Ort mit der Ortskoordinate x1 ruht, wird in diesem Raum-Zeit-Diagramm durch eine Parallele zur Zeitachse durch den Wert x1 auf der x-Achse dargestellt (siehe Abb. 1). Wenn die Zeit fortschreitet, so „durchläuft" der Massenpunkt im Raum-Zeit-Diagramm diese Gerade, die seine „Weltlinie" genannt wird. (In der Wirklichkeit bleibt er am Punkt x1 sitzen.) Wenn der Massenpunkt sich mit einer konstanten Geschwindigkeit v vom Ursprung des Achsenkreuzes wegbewegt, so wird seine Bahn durch eine Gerade durch den Punkt x1 beschrieben, die einen Winkel (I) mit der ct-Achse bildet, der sich aus tge = v/c bestimmt (siehe Abb. 2). Die Raum-Zeit-Diagramme sind wohl „die sonderbaren, geheimnisvollen Figu-

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Abb. 1: Raum-Zeit-Diagramm. Die Parallele zur x 0-Achse ist die Weltlinie des bei x1 ruhenden Teilchens.

ren", über die sich der Romancier Alfred Döblin in der - Jahren im Berliner Tageblatt entrüstete.

 Die Diagonalen der Quadranten spielen eine besonder, le. Sie werden durch die Gleichungen ct = x bzw. ct = geben. Das bedeutet, daß diese Geraden Bahnen von Tt darstellen, die sich mit der Geschwindigkeit +c oder -c - gen (tgir/4 = 1.) Das können nur die Lichtquanten ode: tonen sein oder, in klassischer Deutung (geometrische ( die geradlinigen Bahnen von Lichtsignalen, die vom Ur,-ausgehen. Das aus beiden Diagonalen zusammengesetz-bilde heißt Lichtkegel, da es einen Kegel darstellt, 3A-eche weiteren Raumdimensionen hinzunehmen, also x den Abstand d = (x2 + y2 + z2)112 ersetzen. Die Ha_-Lichtkegels mit Werten t > 0 heißt Zukunftskegel, die Hälfte für t < 0 Vergangenheitskegel. Signale vom Ur,: die sich auf dem Zukunftskegel oder in seinem Innere:-gen, können zukünftige Ereignisse beeinflussen; Sign.: sich im Inneren des Lichtkegels fortpflanzen, als( Geraden durch den Nullpunkt zwischen den Diagona. gestellt werden, entsprechen Bahnen von Teilchen 11117 lichtgeschwindigkeit. Werden jetzt und hier durch

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sprung gegeben, so kann uns demnach nur Inform:-dem Innern des Vergangenheitskegels oder auf -selbst beeinflussen. Der große Bereich außerhalb de, gels wird „Anderswo" (in bezug auf den Ursprunz (Abb. 2).

  Den Übergang von einem Inertialsystem I zu eine7.-I' können wir in einem Raum-Zeit-Diagramm eir.7 stellen. Die neue Zeitachse (t') muß innerhalb des von I liegen, da sie mit dem Bild der Bahn eines im von I' ruhenden Massenpunktes zusammenfällt. also einen bestimmten Winkel 9 mit der Zeitachse -Ziehen wir eine Gerade durch den Ursprung von I gleichen Winkel zur Raumachse (x) von I, so ist sie achse (x') des neuen Inertialsystems I' (siehe Abt-folgt aus der Symmetrie der Lorentz-Transformati, über Vertauschung der Koordinaten x und c • t =

  Im nun schiefwinkligen Bild des Inertialsystems st: allelen zur x.'-Achse die Weltlinien von in I' ruhen,: senpunkten dar. Aus Abb. 3 geht hervor, daß das Lichtkegels unverändert bleibt: auch in I' fällt es den Hauptdiagonalen zusammen.



3. Gleichzeitigkeit und Kausalität

Wie ein Raumfahrer jenseits des Pluto seine Uhr stellt

Nach einer nächtlichen Wanderung durch den Bergwald haben wir den Gipfel des Feldbergs erreicht. Ganz allmählich hellt es sich auf. Jetzt schiebt sich der rote Rand der Sonne über den Horizont der Schwarzwaldberge: Die Sonne geht auf. Was bedeutet dieses Jetzt? Ist es ein Jetzt für die Menschen überall in Deutschland, in Europa, in der Welt? Jetzt bedeutet auf meiner Uhr 4 Uhr, 20 Minuten, 23 Sekunden. Ich greife zum „Handy" und wecke Freund Konrad in Wesel: „Ein herrlicher Sonnenaufgang! Wieviel Uhr ist es bei Euch?" Mit einem mühsam unterdrückten Fluch antwortet er: „Bist Du verrückt geworden? 4 Uhr 20!" Jetzt bedeutet also für ihn, daß seine Uhr dieselbe Zeit wie meine auf dem Feldberg anzeigt, oder jedenfalls so ungefähr, denn das Telefonsignal brauchte auch eine gewisse Zeit, um die 450 Kilometer Luftlinie hin und zurückzugehen. Bei einer Signalgeschwindigkeit von (höchstens) 300 000 km/s also etwa drei Tausendstel einer Sekunde. Innerhalb der Genauigkeit unserer Armbanduhren ist das „gleichzeitig". Anders wäre es, wenn wir mit einem Astronauten auf dem Mond telefonieren würden; bei einem Abstand Erde-Mond von ca. 380 000 km (ein Mittelwert!) dauert es schon über zwei Sekunden, bis die Antwort hier ankommt. Das merken die Sprechenden. Wenn wir schließlich mit jemandem in Sonnenentfernung telefonieren wollten, bräuchte das Gespräch jeweils ca. 8 Minuten für jeden Weg. Bei einem Telefongespräch zum nächsten Stern würden schon 8 Jahre vergehen, bis die Antwort hier einträfe. Das ist keine Zukunftsmusik, denn gerade solche Signale müssen zu den Raumsonden geschickt werden, mit denen unser Planetensystem gegenwärtig erforscht wird. Um eine Kurskorrektur durch Einschalten des Raketenantriebs der Sonde zu einer bestimmten Zeit durchführen zu können, muß das Signal unter Umständen Stunden vorher auf der Erde abgehen. Zum äu-

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ßersten Planeten Pluto in einer Entfernung von 5,91 • 10- • ist die Information rund 5,5-6 Stunden unterwegs. Weiter in einer Entfernung von 17-18 Stunden Signallaufzeit ist her keine auf der Erde gestartete Raumsonde aktiviert v. den, da ihre Meßinstrumente dann zu wenig Sonnen-Ene erhalten, um noch vernünftig arbeiten zu können.

3.1 Uhrenvergleich

Es ist also klar, daß wir ein Problem mit dem Uhrenverg haben, wenn sich die Uhren in astronomischer Entfer-voneinander befinden. Ohne eine Verabredung zwischen Uhrenbeobachtern läßt sich das Jetzt oder die Gleichzeitig. nicht überprüfen. Der naheliegende Einwand, daß die hier nau gestellte Uhr auf die Reise zum fernen Stern gesc.: werden könne, setzt voraus, daß der Uhrengang sich währ des Transportes nicht ändert. Gerade das ist aber nick= Fall: Der Uhrengang hängt von der Geschwindigkeit transportierten Uhr ab, und auch vom Gravitationsfeld, 0. das hindurch die Uhr befördert wird. Darauf wird in der piteln 4, 6 und 8 eingegangen. Wichtig ist das bei hoher schwindigkeiten und starken Gravitationsfeldern. Außer ist die Methode des Uhrentransportes nur eine andere A:-Vereinbarung, wie denn Gleichzeitigkeit von Uhren an schiedenen Orten definiert und dann überprüft werden Sie ist nicht praktischer als das Hin- und Hersender Lichtsignalen, denn die Geschwindigkeit unserer Raket, viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit. Es würde also viel länger dauern, bis Übereinkunft über die Zeitanzeig: gestellt ist. Daß irgendeine Übereinkunft getroffen w, muß, ist offensichtlich, wenn wir davon ausgehen, da Geschwindigkeit jedes möglichen Signals endlich ist. S7 ein Signal mit unendlicher Aus breitungsgeschwindigke Verfügung (wie in der Newtonschen Mechanik ang, men), so würde das Problem der Herstellung von Gei. tigkeit in verschiedenen Gegenden der Welt erst gar nicS treten.

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  Als Beispiel für ein sich anscheinend augenblicklich ausbreitendes Signal sei folgende Situation betrachtet. Es sei ein langer Stab aus äußerst hartem Material genommen, etwa eine Eisenbahnschiene. Ein Schlag gegen ihr Ende in Richtung der Schiene müßte das andere Ende momentan bewegen. Diese Vorstellung des sog. „starren Körpers" ist jedoch eine nur für kleine Entfernungen (und für Uhren mit geringer Genauigkeit) akzeptable Näherung: Die Komprimierung des Schienenendes durch den Schlag pflanzt sich als elastische Welle (Schall!) mit endlicher Geschwindigkeit in der Schiene fort, so daß eine gewisse Zeit vergeht, bis die Verdichtung das andere Schienenende erreicht. Ein starrer Körper in dem Sinne, daß Signale sich in ihm mit unendlich großer Geschwindigkeit ausbreiten könnten, ist bisher nicht gefunden worden.

  Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Wir müssen unterscheiden zwischen der Notwendigkeit, Uhren zu synchronisieren und ihrer konkreten Zeitanzeige. Alle Uhren auf der Erde sind synchronisiert und zeigen doch verschiedene Zeiten in den verschiedenen Erdteilen an. Das ist reine Konvention. Im Prinzip könnten alle Uhren auf der Erde auf dieselbe Zeitanzeige eingerichtet werden. Das wäre aber unpraktisch, weil dann dieselbe Zeitanzeige ganz verschiedene Stellungen der Sonne (Mittag beim einen, Mitternacht beim anderen) bedeutete. Auch gäbe es Schwierigkeiten für das Kalenderdatum wegen der 24-Stunden-Periodizität der Uhrenanzeige.

  Wie stellt denn nun der Raumfahrer jenseits des Pluto seine Uhr? Er sendet zur Zeit t1 ein Signal zur Erde, das dort reflektiert wird und zur Zeit t2 zurückkommt. Mit einem zweiten Signal erfragt er von der Bodenstation auf der Erde die Zeit tE, zu der sein erstes Signal dort angekommen war. Dann

stellt er seine Uhr so, daß tE = 1/2(t1 + t2). Das Verfahren setzt voraus, daß die Signalgeschwindigkeit auf dem Hin- und Rückweg zur Erde dieselbe ist und daß der Raumfahrer wäh-

rend der Signallaufzeit relativ zur Erde ruht. Letzteres ist natürlich nicht der Fall, muß also mit Hilfe weiteren Signalaustausches in das Synchronisierungsverfahren eingerechnet werden. Die Synchronisierungsvorschrift selbst ist aber für

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ruhende wie gegeneinander bewegte Uhren die gleich_ Unveränderlichkeit der Lichtkugeln, das heißt der F. gleicher Phase der von einem Zentrum auslaufenden . wellen, unter Lorentz-Transformationen garantiert dies Abb. 4).



     Abb. 4: Uhrensynchronisation. Die Geraden durch a, b und . stellen die Weltlinien von drei mit derselben Geschwindigkeit be \\ Punktmassen (Beobachter) dar. Die gewellten Linien bilden Licht' _

ab, die von a zu den Beobachtern b, c gehen. Die Verbindungs I.-

der Schnittpunkte ist parallel zur neuen Gleichzeitigkeitsachse

3.2 Kausalität

Aus der Lorentz-Transformation für ein Zeitintervall 7(3,t — v/c2 • \x) ergibt sich folgendes: Zwei gleich:, Vorgänge (Ar = 0) an verschiedenen Orten (3.x # 0) im tialsystem I sind im Inertialsystem I' nicht gleichzeirL At' # 0. Gleichzeitigkeit hängt also vom Bewegungszu- des Beobachters ab; nur für relativ zueinander ruhende bleibt der absolute Gleichzeitigkeitsbegriff der Newton-.

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Theorie bestehen. Wird die Binsenweisheit „Die Wirkung tritt nach ihrer Ursache ein", also das Kausalitätsprinzip, davon

berührt? Wir identifizieren Kausalität in der Regel mit der Zeitordnung, also mit der Abfolge „früher" — „später". Aus einem positiven A t im Inertialsystem I sollte in allen anderen Inertialsystem ein ebenfalls positives A t' herauskommen. Denn negatives A t' würde bedeuten, daß Zukunft und Ver-gangenheit vertauscht sind. Nehmen wir einmal an, daß die Relativgeschwindigkeit v der Inertialsysteme nie größer als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c sei. Das ist vernünftig, denn wie sollen die massiven Körper, aus denen die Inertialsysteme konstruiert sind, auch nur annähernd die Lichtgeschwindig-keit erreichen? (Vgl. dazu Abschnitt 4.3.) Positives A t kann aber genau dann in negatives A t' transformiert werden, wenn

größerött    als c ist. ei. können wir als die „Geschwindigkeit

der Wirkung" auffassen, die sich zwischen den beiden durch A t und A x getrennten Ereignissen ausbreitet. Damit ist klar, daß die Zeitordnung umgedreht werden könnte, wenn es Signale gäbe, deren Ausbreitungsgeschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit ist. Niemand hat aber bisher beob-achtet, daß die Vergangenheit zur Zukunft werden kann. Das sollte auch auf den Feuilletonseiten einer überregionalen deut-schen Zeitung akzeptiert werden, in denen noch Ende 1996 Einstein als Garant dafür zitiert wird, daß die Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft eine Illusion sei.

   Einstein forderte zur Aufrechterhaltung der Kausalität, daß es keine Signale mit Überlichtgeschwindigkeit geben darf (Kausalitätsprinzip). Bisher ist kein solches beobachtet wor-den, auch wenn in der Tagespresse infolge eines Mißver-ständnisses schon von der Übertragung einer Mozartsympho-nie mit Überlichtgeschwindigkeit die Rede war. Manchmal wird von Teilchen gesprochen, den Tachyonen, die sich nicht langsamer bewegen können als mit Lichtgeschwindigkeit. Sol-che Teilchen sind nicht beobachtet worden und können auch in der Zukunft nicht gefunden werden — solange das Kausali-tätsprinzip besteht, weil sie es verletzen, wenn sie mit ge-wöhnlicher Materie wechselwirken.

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4. Folgen für die Physik

Lang — kurz, schwer — leicht, rot — blau, jung — alt.

Hängt denn alles vom Beobachter ab?

Wenn Beobachter zueinander sehr schnell bewegt sir _ wirken sich die Unterschiede der Gleichzeitigkeitsmess. in ihren Bezugssystemen deutlich aus. Sie einigen sh. - nächst weder darüber, welche Gangraten ihre Uhre:-welche Längen ihre Maßstäbe messen, noch darüber, v Farbe und Form Körper haben. Aber sie können ihre resultate ineinander umrechnen.

4.1 Längenkontraktion und Zeitdilatation

Nehmen wir als erstes Beispiel die Länge eines Stabes. ter verstehen wir seine Ruhlänge, also die Länge, die ei7 tiv zu ihm ruhender Beobachter feststellt. Folgende 1\1, schrift gilt: Vergleiche die Positionen von Anfang unc des Stabes zur gleichen Zeit mit den Marken eines Me7 ßes. Die Betonung liegt in diesem Zusammenhang a gleichzeitigen Ablesung. Wir wissen ja schon, daß einander bewegte Beobachter Ereignisse, die in eine: zugssystem gleichzeitig sind, im anderen mit ihren Uh: nicht gleichzeitig messen.

  Das Resultat ist, daß der Beobachter oder die Beoba.. im bewegten System eine von der RelativgeschwindigL hängende Verkürzung der Länge der Strecke feststellt. Effekt nennen wir Längenkontraktion. Längenkontr: bedeutet nicht, wie manchmal behauptet wird, daß s:. Moleküle längs der Strecke infolge der Bewegung zusa:-drängen. An der Ruhlänge der Strecke ändert sich Längenkontraktion heißt, daß die Zuordnung der Zah: ge" vom Bewegungszustand des Beobachters abhäng7 gleichen wir mit einer anderen Situation, der Lichtbrt.. Ein Stab im Wasser sieht unterhalb der Oberfläche abg,.

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und verkürzt aus. Niemand würde auf die Idee kommen, daß sich die Länge des Stabes geändert hat. Das Ergebnis der Beobachtung ist eben verschieden, je nachdem, ob der Stab in einem Medium mit oder ohne starke Lichtbrechung betrachtet wird.

  Im folgenden sei angenommen, daß an jedem Ort des Raumes und zu jeder Zeit Beobachter mit baugleichen Uhren und

starren Maßstäben vorhanden sind. In einem Bezugssystem I

wird ein Zeitintervall durch Ablesung von zwei aufeinanderfolgenden Zeigerstellungen t2 t1 einer Uhr an einem Ort mit

Koordinaten x2 = x1 = x oder Ax = 0 = x2 — x1 bestimmt. Ot = t2 — t1 entspricht im relativ dazu mit der Geschwindigkeit v bewegten System zwei Ereignissen t'1, t'2, die durch Zeit- und Raumintervalle voneinander getrennt sind mit t' = t'2 —

0, und Lix' = x'2 — x'1 0! Das bedeutet, daß zum Vergleich von x '2 und x'1 mit Meßmarken in diesem System zwei Uhren

an diesen verschiedenen Positionen benutzt werden müssen. Die Synchronisierung von Uhren geht demnach notwendig in die Meßvorschrift für die Längenmessung ein.

  Die Abhängigkeit der Gleichzeitigkeit vom Bewegungszustand wirkt sich direkt auf die Messung von Zeitintervallen

aus: Wir finden, daß das Zeitintervall 4t' größer ist als das

Zeitintervall Lt : t' = yz\t. Die Uhren im bewegten System gehen langsamer, wenn sie mit denen im unbewegten System

verglichen werden. Wegen der Gleichberechtigung der Iner-tialsysteme gilt das für jedes: Wir sehen die relativ zu uns bewegte Uhr langsamer gehen.

  Dieser Effekt heißt Zeitdilatation (vgl. Abb. 5). Er ist empirisch sehr gut bestätigt, wie aus dem nächsten Abschnitt hervorgeht. Für alltägliche Geschwindigkeiten ist der Effekt al-

lerdings winzig: Für einen 60stündigen Flug um die Erde mit

der Concorde bei einer Geschwindigkeit von ca. 103 km/h würde die fliegende Uhr um den zehnmillionsten Teil einer Sekunde nachgehen. Die Zeitdilatation ist nicht von der Rich-

tung der Relativgeschwindigkeit der Uhren beeinflußt, da sie von ihrem Betragsquadrat abhängt.



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Abb. 5: Zeitdilatation. Die Parallele zur x'-Achse durch den Endp des Zeitintervalls 4 t schneidet auf der t'-Achse das Zeitintervall

4.2 Dopplereffekt und Zwillingsparadoxon

Eine naheliegende Anwendung der geschilderten Effekt, in das Gebiet der Spektroskopie. Die von energetisch am: ten Atomen ausgehende Strahlung, die wir über die dung eines Spaltes mit Hilfe von Linsen als Spektrallinit-obachten, sind in Richtung auf den lang(kurz-)welligen, (blauen) Bereich des Farbspektrums verschoben, wem-die Atome vom Beobachter wegbewegen (bzw. auf ih:-Das können wir so verstehen: Bewegt sich die dauernd lende Lichtquelle mit der Geschwindigkeit v auf uns z hat von zwei aufeinanderfolgenden Intensitätsmaxima, in der Zeit das Intervall 4t entspricht, das uns nähert kürzere Wegstrecke LV • v zurückzulegen als das fernere für uns maßgebende effektive Zeitintervall zwischen du

tensitätsmaxima ist also 3.t-   Berücksichtigen wi-

noch die Zeitdilatation, so ergibt sich die Beziehung 3. =

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(1 — v/c). Da die Frequenz umgekehrt proportional zum Zeitintervall ist, haben wir die Formel für den Dopplereffekt gewonnen. Für kleine Geschwindigkeiten der Lichtquelle in Sichtrichtung zeigt sich, daß die relative Wellenlängenänderung e proportional ist zu v/c, also zum Verhältnis der Relativgeschwindigkeit v von Lichtquelle und Beobachter zur Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c (longitudinaler Effekt; vgl. Mathematischer Anhang). Bewegt sich die Lichtquelle senkrecht zur Sichtrichtung, so hat der Dopplereffekt die Größenordnung e)2 (sog. transversaler Effekt). Im Unterschied zur Zeitdilatation ist der longitudinale Dopplereffekt von der Richtung der Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachterin abhängig.

 Was sich hier im Bereich des Lichtes bzw. der elektromagnetischen Strahlung ereignet, kennen wir im Alltagsgeschehen aus dem Hörbereich: das Anschwellen bzw. die Absenkung der Tonhöhe (oder Frequenz) des Sirenensignals eines schnell vorbeifahrenden Fahrzeugs. Dieser Effekt ist nach Christian Doppler (1803-1853) benannt, der ihn als Mathematikprofessor in Prag 1842 ableitete und auf Doppelsterne anwenden wollte. Die Farbe eines Gegenstandes ist demnach für einen Beobachter, relativ zu dem er sich sehr schnell bewegt, eine andere: eine rot gestrichene Rakete, die auf ihn zuschießt, könnte blau aussehen — wenn sie denn so schnell fliegen könnte. Elementarteilchen, die dazu in der Lage sind, können nicht eingefärbt werden. Wenn ein im sichtbaren Bereich des Spektrums in Ruhe befindliches strahlendes Objekt sich nur schnell genug gegenüber der Beobachterin bewegt, so kann die Strahlung sogar in den für ihr Auge unsichtbaren Spektralbereich verschoben sein.

 Allerdings wird die Photographie eines solch schnellen Objektes nicht nur eine falsche Farbe zeigen, sondern auch ein verzerrtes Bild liefern: Das Licht, das zur selben Zeit auf den Film einwirkt, muß wegen der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit an verschieden weit vom Film entfernten Punkten des Objektes zu verschiedenen Zeiten abgegangen sein. Während der Zeitdifferenz hat sich der Körper aber weiter-

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bewegt. Hinzu kommt der Effekt der Längenkontraktion. F Art der Abbildung spielt ebenfalls mit herein. Im einfachste Fall der Parallelprojektion erscheint der Gegenstand um eir Winkel gedreht, dessen Tangens in niedrigster Näherung pr portional zu v/c ist. Damit kann ein Stück der Rückseite ei:-auf uns zukommenden Objektes sichtbar werden.

  Schließlich sehen wir einen gegen den Beobachter s, schnell bewegten Körper auch nicht in derselben Richt;: (relativ zu einer festen Vergleichs-Richtung) unter der er :-relativer Ruhe gesehen würde, sondern gekippt. Dieses P-nomen heißt Aberration. Der Tangens des Kippwinkels gleich ÷ und schon 1728 von dem Pfarrer und Astronor James Bradley (1692-1762) an Sternen beobachtet worcl. Aus der Anwendung der Lorentz-Transformation auf die -1 schreibung einer ebenen elektromagnetischen Welle erge:-sich Potenzen von als Zusatzterme.

  So interessant diese relativistischen Effekte sind, so abs ist es, sie zu pädagogischen Zwecken mit bewegten Stang. Bulldozern, Flugzeugen oder Videos, auf denen superschr Autos durch das Brandenburger Tor schießen, zu illustrie-Makroskopische Körper können nicht auf so hohe Geschv digkeiten gebracht werden, daß sich die Effekte bemerk -machen, da die träge Masse mit zunehmender Geschwin, keit wächst. Das sehen wir im nächsten Abschnitt. In der _ genwärtigen Erfahrung treten relativistische Geschwindi ten - abgesehen von den elektromagnetischen Signalen -Bereich der Elementarteilchen oder der in Atomen am eng-gebundenen Elektronen auf, und die Folgerungen der Reh tätstheorie sind dort auch bestens bestätigt worden. Rekr stische Effekte kommen auch in der alltäglichen Erfahrun _ genauen Zeit- oder Raummessungen vor (GPS-System. Kapitel 5).

  Mit Hilfe des Dopplereffektes läßt sich auch das sogen. te Zwillingsparadoxon auflösen, das in den 20er Jahrer-Öffentlichkeit beschäftigte. Ein Zwilling eines Paares n-eine Reise mit einem Raumfahrzeug, das eine zeitlang schnell geradeaus fliegt, dann die Richtung wechselt

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zurückkehrt. Betrug die Geschwindigkeit des reisenden Zwillings v = (1/2) .\,3 • c und zeigte die mitgeführte Uhr eine Reisezeitdauer von 10 Jahren an, so hat der zurückgebliebene 20 Jahre verstreichen sehen. Die Analyse von kontinuierlich während der Reise hin- und hergesandten Signalen ergibt mit Hilfe von Dopplereffekt und Längenkontraktion, daß beide Zwillinge darin übereinstimmen, daß der Reisende jünger geblieben ist. Dabei ist angenommen, daß die die Lebenszeit messende „biologische" Uhr sich wie eine physikalische Uhr verhält. Für die mit den gegenwärtigen Raumfahrzeugen erreichbaren Geschwindigkeiten ist der Effekt unmeßbar klein, und das wird auch für die nächsten Generationen von Raumfahrern so bleiben. Ein Gegner Einsteins in den 20er Jahren glaubte, den Effekt mit Schlußfolgerungen zur Lebenszeit eines in einer Schachtel hin und her geschüttelten Käfers lächerlich machen zu können.

4.3 Masse und Energie

Wie die Ruhlänge definieren wir Ruhmasse m(0) als die in einem relativ zur Masse ruhenden Inertialsystem gemessene. Von ihr muß die geschwindigkeitsabhängige träge Masse unterschieden werden. Wir werden in Abschnitt 6 sehen, daß beide über den Faktor zusammenhängen, den wir schon bei der Lorentz-Transformation kennengelernt haben: m = m(0)y. Da dieser Faktor unbeschränkt anwächst, wenn sich die Geschwindigkeit der Masse der Lichtgeschwindigkeit nähert, müßte zur Beschleunigung einer Masse auf Lichtgeschwindigkeit unbeschränkt viel Energie aufgewendet werden. Die Dif-

ferenz           (0) wird als relativistische Bewegungsenergie defi-

niert, weil sie für v/c < 1 in die Form der Bewegungsenergie der Newtonschen Theorie übergeht.

  Die berühmteste Formel der Welt, auf Postkarten verschickt, in Cartoons verarbeitet, ist Einsteins E = mc2. Dabei ist E der Energieinhalt eines Körpers, m = mt seine träge Masse — nicht die Ruhmasse — und c wie bisher die Lichtgeschwindigkeit; mit der Formel läßt sich die Energie, die in je-

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der Masse steckt, berechnen. Umgekehrt: Die Energie in ei: 12 Volt-Autobatterie, die einen Strom von 81 Ampere \\ rend einer 20minütigen Entladung gibt, beträgt ca. 1,5 • Wattsekunden. Das entspricht einer Masse von ca. 1.10-11 kg! Wenn jeder Erdenbewohner ein Auto mit einer • chen Batterie besäße, ergäbe die Gesamtenergie aller Batter ein Massenäquivalent der Größenordnung 100 Gramm.

  Wenn sich Elektronen und positiv geladene Atomkern,-Atomen, Nukleonen wie Proton und Neutron zu Atomker7 oder Atome zu Molekülen verbinden, so wird jeweils Bindu: _ energie frei, die nach der Einsteinschen Formel einem Massendefekt entspricht: Die Gesamtmasse der Teile ist - ßer als die Masse des aus ihnen entstandenen Gebildes. Atomen und Molekülen, also bei chemischen Reaktio-bleibt dieser Massendefekt unmeßbar klein, während er bei Atomkernen deutlich bemerkbar macht. Ein Beispiel bi. _ die in der Sonne ablaufenden Energie-Erzeugungsprozesse. in einer ungewissen Zukunft auf der Erde in Fusionsreakt, nachgeahmt werden sollen. Dabei verschmelzen vier (po • geladene) Protonen gegen die abstoßende Kraft des trischen Feldes zum Atomkern des Edelgases Helium. In sem Fall ist der relative Massendefekt °„÷:': = 7,6 • 10'. pro Gramm das Freiwerden von ca. 2 • 105 kWh bedeutet.

  Bei schweren Atomkernen wird zur Energieproduktion gekehrt die Kernspaltung durch Neutronen ausgenützt. der die Differenz zwischen der Summe der Bindungsent- _ der Spaltstücke (etwa Barium und Krypton) und der dungsenergie des Ausgangskerns (etwa Uran 238) positi-Die bei der Spaltung entstehenden Kerne gewinnen übe: gegenseitige Abstoßung Bewegungsenergie, die als Reih. wärme genutzt werden kann. Im Unterschied zum Kern- tor wächst bei einer Atombombe die Anzahl der Spaltpr( 1 pro Sekunde unkontrolliert schnell an, so daß in kürz Zeit die riesige Energiemenge des Massenäquivalent: Form von Hitze und Strahlung freigesetzt wird.

  Die Äquivalenz von Masse und Energie reicht so weit. Ruhmasse vollständig in Strahlungsenergie verwandelt

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den kann. Das geschieht etwa bei der Zerstrahlung eines Teil-chen-Antiteilchenpaares wie Elektron-Positron oder Proton-Antiproton in 7-Quanten. Auch der umgekehrte Vorgang, die Erzeugung eines Teilchen-Antiteilchenpaares aus Strahlung, ist in der Elementarteilchenphysik wohlbekannt. Im Bereich der klassischen Physik makroskopischer Körper tritt dieses drastische Phänomen nicht auf.

  Wie kam denn nun Einstein zu seiner Formel? Er betrachtete ein System aus zwei Massen, von denen die eine elektromagnetische Strahlung aussandte, welche die andere vollständig absorbierte. Gegenüber der weiteren Umgebung sollte dieses System energetisch isoliert sein. Dann berücksichtigte er, daß elektromagnetische Strahlung der Energie E einen Impuls der Größe E/c besitzt, also einen Druck erzeugt, den sog. Strahlungsdruck. Wir glauben, ihn von den Crookschen Lichtmühlen, bei denen sich schwarze Plättchen in einem Glasgefäß unter einer Lampe in Schaufenstern von Boutiken drehen, zu erkennen.1 In Abschnitt 1.4 haben wir den Impuls als die einen Massentransport charakterisierende Größe betrachtet. Damit ist anschaulich klar, daß mit der Strahlung träge Masse von der Ausgangsmasse zur anderen befördert wird. In der Tat ergibt eine Rechnung, welche die Erhaltungssätze für Energie, Impuls und Schwerpunkt als gültig voraussetzt, daß der übertragenen Strahlungsenergie eine träge Masse E/c2 entspricht.

  Einstein hatte Vorläufer: Henri Poincare vermutete im Jahr 1900, daß der Energie E des elektromagnetischen Feldes eine Masse der Größe E entspricht. Ebenfalls 1905 kam der im Ersten Weltkrieg getötete Wiener Physiker Friedrich Hasen-öhrl auf ein Massenäquivalent von 4/3 Efür Strahlungsenergie.

1 Die Erklärung des Effektes ist allerdings viel komplizierter.



5. Empirische Belege

für die Spezielle Relativitätstheorie

Warum Einstein recht hatte

Im Jahr 1972 stellten sich zwei Physiker zwei möglichst te Reisen um die Welt mittels der Fahrpläne von Flugges schaften zusammen, einmal in west-östlicher Richtung einmal anders herum. Dann buchten sie, aber für eir. Personen mehr, da sie ziemlich viel Gepäck in die Kab.-mitnehmen wollten, nämlich vier Cäsium-Atomuhren. Beendigung der Reise verglichen sie die Zeitanzeige der r-genommenen Uhren mit der einer zurückgebliebenen von g. cher Bauart. Da die Uhren im Flugzeug mit ca. 720 km/h f. gen, müßten die Frequenzen ihrer atomaren Schwingung, durch die Zeitdilatation bzw. den Dopplereffekt beeinfiL worden sein. In der Tat stellten Joseph C. Hafele und R. Keating — so hießen die Physiker — fest, daß die mitgenomn-. nen Uhren in westlicher Richtung im Mittel um etwa dr Zehnmillionstel Sekunden (= 3 • 10-7s) nach —, ostwärts u-ungefähr sechs Hundertmillionstel Sekunden (= 6 • 10-8s) i'( gingen. Bei einer Ganggenauigkeit der Uhren von einer Bil onstel Sekunde pro Monat läßt sich dies bequem messen. D:. unterschiedliche Vorzeichen hängt damit zusammen, daß cl, Flug einmal mit der Erdumdrehung, das andere Mal gegen s erfolgte. Mehrere Uhren wurden mitgenommen, weil eine ei: zelne winzige, zufällige Gangänderungssprünge haben kan: Wird aus der mittleren Geschwindigkeit und Flughöhe nu der relativistische Effekt errechnet, so zeigt er zwar die richt ge Größenordnung, aber nicht den genauen Zahlenwert, de er nach der Theorie haben müßte. Das liegt nicht daran, da die Spezielle Relativitätstheorie falsch wäre, sondern dara: daß noch ein weiteres Phänomen hinzukommt: die Einwi - kung des Schwerefeldes der Erde auf die Uhren. Sie führt zi. sog. Gravitationsrotverschiebung von Frequenzen, die wir 1 Abschnitt 10.1 näher kennenlernen. Nach Berücksichtigun_

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dieses weiteren Effektes stimmten die beobachteten Werte mit der Theorie innerhalb des allerdings sehr großen Fehlers überein. Aber der Transport von Uhren als Handgepäck sollte kein Präzisions-Experiment sein, sondern eines, das manche von uns mit geeigneter Ausrüstung machen könnten. Es ist amüsant, daran zu denken, daß in einem Pamphlet gegen Einstein aus dem Jahr 1931 genau dieser nun gemessene Effekt als Argument gegen die Spezielle Relativitätstheorie vorgebracht wurde: So etwas Verrücktes könne es doch nicht geben!

  Aber auch viele Präzisions-Experimente für die Zeitdilata-tion und den Dopplereffekt wurden gemacht, eines davon mit Hilfe der Messung der Lebensdauer von Elementarteilchen am Beschleuniger von CERN in Genf. Die Lebensdauer von Myonen, die in Elektronen und Neutrinos zerfallen, wurde im Flug und nach Abbremsung auf Ruhe in einem Material verglichen. Die Zeitdilatation ist so mit einem relativen Fehler von 3 Promille nachgewiesen worden.

  Es gibt eine Reihe anderer Anwendungen der Speziellen Relativitätstheorie bei den großen Elementarteilchen-Beschleunigern. In ihnen werden nicht nur Myonen, sondern meistens Elektronen (wie bei DESY in Hamburg) oder Protonen (wie bei CERN in Genf) auf Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit gebracht. Alle diese Elementarteilchen haben eine Ruhmasse. Wir wissen schon, daß ihre träge Masse bei wachsender Geschwindigkeit immer größer wird. Da die Teilchen unter dem Einfluß eines Magnetfeldes auf einer vorgegebenen Bahn in einer Vakuumröhre laufen, müssen sich beide, das Magnetfeld und die zur Beschleunigung gebrauchte Energie, dauernd vergrößern. Ohne Einbeziehung dieses speziell-relativistischen Effektes würden diese Maschinen nicht funktionieren können.

  Wenn Elektronen beschleunigt werden, geben sie elektromagnetische Strahlung ab: die Synchrotron-Strahlung. Im Ruhsystem des Elektrons, also in einem mit ihm bewegten, ist diese Strahlung isotrop: Keine Ausstrahlungsrichtung ist bevorzugt. Im Labor-System, dem Ruhsystem des Beschleu-

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nigers, ist die Strahlung wegen des Aberrationseffektes c gegen völlig um die Bewegungsrichtung der Elektronen k(-zentriert: Bei einem y-Faktor in der Lorentz-Transformati von 10000 beträgt der Durchmesser des Strahlenkegels 50 Metern Entfernung vom strahlenden Elektron nur ein _ Millimeter.

  Der schwer zu messende transversale Dopplereffekt wur_ an der Frequenz von y-Quanten unter Ausnutzung der Ke7 resonanzabsorption (Mößbauereffekt) mit der Genauigk von ca. 1% bzw. mit Laserabsorptions-Spektroskopie (Z« Photonen-Absorption) mit einer relativen Genauigkeit c Größenordnung 10-6 bestätigt. Bei der letzteren Methc. werden zwei Lichtquanten gleichzeitig von einem Atom sorbiert. Das Experiment wird so eingerichtet, daß diese

tonen entgegengesetzt gerichtet sind und damit der in         li7

are Anteil des Dopplereffektes herausfällt, der den kleine: des transversalen überdecken würde.

  Ein Gerät schon alltäglichen Gebrauchs in der Luft- 1. Seefahrt, das die Gültigkeit der Speziellen (und auch der gemeinen) Relativitätstheorie voraussetzt und das viele 13t - steiger und Vermessungsingenieure dabei haben, ist das G. (Global Positioning System-)Taschen-Meßgerät. Die Z. schrift des Deutschen Alpenvereins hat es für ihre Mitgliü_ beschrieben. Es besteht aus Empfänger und Rechner und arbeitet Signale, die 24 Erd-Satelliten, seit neuestem 32, senden. Wenn vier davon Kontakt mit dem Gerät haben. kann seine Position und Höhe über dem Meeresspiegel einfachen Ausführungen bis auf 20 oder 30 Meter, bei r. nierteren bis auf Dezimeter genau abgelesen werden. D Genauigkeit ist nur möglich, weil die Effekte der Zeitdil.-tion, des Dopplereffektes und der GravitationsrotversL: bung im Rechnerprogramm berücksichtigt sind. Anderen- würde die Positionsbestimmung um Kilometer falsch wer Hier finden wir also eine nützliche Anwendung der Eins:. schen Theorie für jedermann. Betrüblicherweise ist das ( für dieses satellitengestützte Vermessungs-System nur de, gen ausgegeben worden, weil Militärs ihre Raketen genau

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Ziel bringen wollen; aus diesem Grund kann es auch jederzeit für den allgemeinen Betrieb gesperrt werden. Gegenwärtig ist ein ziviles europäisches „Galilei"-Navigationssystem im Auf-bau. Die schon arbeitenden Satelliten erlauben eine Genauig-keit von horizontal 10 m und vertikal 35 m. Die geplante Fertigstellung in 2020 soll zu einer Genauigkeit der Orts-bestimmung von unter 1 m führen.

  Selbst zur Berechnung von Eigenschaften mancher Festkör-per, wie etwa Gold, von denen wir nicht vermuten, daß sie irgend etwas mit der Speziellen Relativitätstheorie zu tun ha-ben, wird für die Beschreibung von Elektronen in den Metall-atomen mit Vorteil eine relativististische Gleichung, die sog. Dirac-Gleichung benutzt. Das hängt damit zusammen, daß die Geschwindigkeit von solchen Elektronen in den relativi-stischen Bereich kommen kann.

  Aus den geschilderten verschiedenartigen Experimenten, mit denen die Spezielle Relativitätstheorie überprüft und mit hoher Genauigkeit als eine Naturvorgänge richtig beschrei-bende Theorie bestätigt wurde, sehen wir auch, daß die Rede vom experimentum crucis, also einem alles entscheidenden Experiment, in der Physik in der Regel unangebracht ist. Bis eine Theorie anerkannt ist, muß ein ganzes Netz von sich ge-genseitig stützenden und die Theorie in verschiedener Weise testenden Beobachtungen und Experimenten aufgebaut wor-den sein.



6. Die Geometrie der Raum-Zeit

Was ist eine

vierdimensionale Welt?

Während wir bisher Raum und Zeit zwar als über Loren Transformationen verknüpft, aber als geometrisch seu-betrachtet haben (eine Zeit-, drei Raumdimensionen), wol wir nun die anschauliche Interpretation der Speziellen Re tivitätstheorie im Rahmen einer vierdimensionalen Geome:-des Mathematikers Hermann Minkowski (1864-1909) h, anziehen. Die Zeit wird formal als eine vierte Koordin: eingeführt und in der entstehenden „Raum-Zeit" ein ne, Abstandsmaß definiert. Das bedeutet weder, daß Raum n Zeit nun gleichartig sein sollen, noch daß dem „Raum" e. übersinnliche vierte Dimension zusätzlich zugeteilt w:-Henry More (1614-1687) aus der Platonikerschule Universität Cambridge hat sich eine vierte, von Geist, bevölkerte Dimension ausgedacht. Auch der durch s, Photometer zur Vermessung von Sternen bekannt gewordu Astrophysiker Johann C. F. Zöllner (1834-1882) in Lei p: spielte — sehr zum Entsetzen seiner wissenschaftlich Kollegen — mit der Idee einer vierten Raumdimension, in Knoten entwirrt und Dinge aus versiegelten Schacht, entfernt werden könnten.' Mit solchem Schnickschnack :die Minkowskische „Raum-Zeit" nichts zu tun; sie ist gedachter Hilfsraum zur „Veranschaulichung", eine Rech, stütze. Wir befassen uns nun mit der Geometrie dieses Hi - raumes.

   Heute regen sich theoretische Physiker über zusätzliche Rauradirr sinnen nicht mehr auf. In Überlegungen, die die fundamentalen Weck wirkungen in einer einzigen Theorie „vereinheitlichen" wollen, wie in String- oder Kaluza-Klein-Theorie, treten u.a. 10 bzw. 26 Raumdia_ sinnen auf. Da sie nicht direkt gefunden worden sind, müssen sie ch..-geeignete Interpretationen unbeobachtet gemacht werden.

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6.1 Der Minkowski-Raum

In der neuen Abstandsfunktion D in den vier Dimensionen von Raum und Zeit werden die vorher getrennten Abstands-maße des Raumes und der Zeit auf eine auf den ersten Blick merkwürdig erscheinende Weise zusammengesetzt: D2 = I c2(A t)2 — (A x1)2 — (Ax2)2 — (A x3)2 I. Für A t = 0 bekommen wir den Euklidischen Abstand D = d, für Ax, = 0, (i= 1,2,3) die Länge des Zeitintervalls (multipliziert mit c). Wir bemerken aber, daß der neu definierte „Raum-Zeit-Abstand" D ver-schwinden kann, selbst wenn das Zeitintervall A t und die Raumintervalle Axt, Axt, Ax3 von Null verschieden sind: Es gibt entfernte Ereignisse mit Raum-Zeit-Abstand Null! An der gerade gegebenen Definition von D sehen wir, daß dies genau dann eintritt, wenn c2 (A t)2 .= (A x)2 gilt (wir haben uns nun auf eine Raumdimension beschränkt). Durch diese Gleichung wird die Lichtkugel mit Radius c.At beschrieben: Längs der Bahn von „Lichtstrahlen" ist das Längenmaß in der vierdi-mensionalen Raum-Zeit immer gleich Null. Die Projektion in den Anschauungs-(Gleichzeitigkeits-)Raum führt aber auf ei-nen von Null verschiedenen Abstand d, wie es sein muß: Wenn ein Lichtstrahl etwa durch staubige Luft kenntlich ge-macht ist, läßt sich seine Erstreckung d zwischen verschiede-nen Punkten auf seinem Weg natürlich als räumlicher Ab-stand messen, auch wenn der „Abstand" D in der Raum-Zeit verschwindet (vgl. Abb. 6).

  In Abschnitt 2.3 sahen wir, daß die Raum-Zeit durch den Lichtkegel im Ursprung in zwei Bereiche unterteilt wird, die entweder mit ihm kausal verknüpft sind (der Lichtkegel und sein Inneres) oder nicht („Anderswo"). Richtungen innerhalb des Lichtkegels nennen wir zeitartig, Richtungen außerhalb raumartig und solche auf dem Lichtkegel lichtartig. Bahnen von Teilchen mit nicht verschwindender Ruhmasse müssen innerhalb des Lichtkegels verlaufen. Raumartige Richtungen verbinden gleichzeitige Ereignisse. Daher können wir das Ge-biet außerhalb des Lichtkegels Gleichzeitigkeits-Gebiet des Ursprungs nennen. Für jeden Punkt p aus diesem Gebiet gibt

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 Abb. 6: Raum-Zeit-Charakter von Richtungen im Minkowski-Rau Die vom Ursprung in das Innere des Lichtkegels gerichteten Vektor - sind die zeitartigen, die in seinen Außenraum gerichteten die raumar _

es einen bewegten Beobachter, für den der Ursprung un _ gleichzeitige Ereignisse darstellen. Im Raum-Zeit-Diagra:-entsprechen die durch den Ursprung gehenden Geraden ßerhalb des Lichtkegels daher den Gleichzeitigkeits-Räur In der drei-dimensionalen Welt sind das die Anschaut:T-räume von gegeneinander mit konstanter Geschwindig bewegten Beobachtern. In der Newtonschen Raum-2: Auffassung ist der allen Beobachtern gemeinsame Gleic:-. tigkeits-Raum durch den Ursprung im Raum-Zeit-Diagr:. durch die x-Achse dargestellt: Vor- und Nachkegel sind einem Halbraum ( t?_ 0 bzw. t 0 ) aufgeweitet.

  Minkowski-Geometrie und Newtonsche Raum-Zeit-( metrie sind beide in dem Sinne absolut, als das Minkov sche Abstandsmaß D im ersten Fall, die Inertialzeit unc Euklidische Abstandsmaß d im zweiten Fall ohne jede hung zur Materie fest vorgegeben sind. Die Auffassunger.

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terscheiden sich darin, daß Raum und Zeit in der Minkowski-Geometrie miteinander verkoppelt sind, weil Raum- und Zeitmessung wegen der Uhrensynchronisation nicht mehr un-abhängig voneinander ausgeführt werden können. Während in der Newtonschen Mechanik eine Uhr das Inertialzeit-Intervall Lt mißt, lautet die Meßvorschrift für die Zeit in der Speziellen Relativitätstheorie: Eine beliebig bewegte Uhr misst die Zeit D/c, die sog. Eigenzeit. Für eine längs der x-Achse bewegte Uhr folgt demnach D/c = .N1-1 — v2/c2 mit der Ge-

schwindigkeit v     Definierten wir die Geschwindigkeit als

Zeitableitung des Weges nach der Eigenzeit statt nach der Inertialzeit und den Impuls mit der Ruhmasse anstelle der trä-gen Masse, so tritt im Impuls ein y-Faktor auf. Schlagen wir ihn zum Massenterm und definieren so die relativistische trä-ge Masse, so wird die in Abschnitt 4.3 angegebene Abhängig-keit der Masse von der Geschwindigkeit verständlich (vgl. Mathematischer Anhang).

6.2 Anwendungen der Raum-Zeit-Formulierung

Für die Bezeichnung eines Punktes im Minkowski-Raum hat sich der Name „Ereignis" eingebürgert: Zu einer Zeit, an einem Ort geschieht etwas. Das ist aber ein sprachlicher Mißgriff: Das Geschehen, etwa ein Lichtblitz oder ein Zusammentreffen von Massen, ist nicht in den Koordinaten der Raum-Zeit enthalten, sondern muß durch zusätzlich eingeführte Größen beschrieben werden. Entsprechend zu den Verhältnissen im Euklidischen Raum wird nun eine Vektorrechnung im Minkowski-Raum benutzt: Dabei haben die sog. Vierervektoren vier Komponenten. Der Ortsvektor mit den Komponenten (ct, x1, x2, x3) wird aus den Raumkoordinaten und der Zeit gebildet, so daß das Quadrat seiner Norm gerade mit dem Minkowskischen Abstandsmaß übereinstimmt.1 Ein Ereignis wird durch einen Ortsvektor charakterisiert. Die Änderung

1 Die Norm II X II eines Vektors ist die „Länge" des ihn darstellenden

Vektorpfeils. In Abb. 6 ist IX I 11X 11.

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des Orts(Vierer-)vektors nach der Eigenzeit ist die Vie-Geschwindigkeit. Analog können Energie E und Im- P = (pi, P2, p3) eines Körpers zu einem Vierervektor, Viererimpuls mit Komponenten (E/c, pi, p2, p3) zusamr-. gefügt werden, dessen Norm mirabile dictu gerade die R masse m(0)c ist, wenn der Viererimpuls als Ruhmasse mal rer-Geschwindigkeit angesetzt ist. In einem Energie-Imp _ Diagramm analog zum Raum-Zeit-Diagramm liegen alle einer festen Ruhmasse gehörenden, vom Ursprung abgetr nen Viererimpulse auf einem zweischaligen Hyperboloid. Massenschale. Setzen wir für E die Einsteinsche Formel E = und für den Impuls seine Definition „träge Masse mal schwindigkeit" ein, so folgt nach einer einfachen Rechr _ aus der Beziehung für die Norm des Viererimpulses erneu: in Abschnitt 4.3 angegebene Relation zwischen träger M. und Ruhmasse.

  Die Beschreibung elektromagnetischer Vorgänge ver, facht sich erheblich, wenn die je drei Komponenten des e trischen Feldes E und der magnetischen Induktion B zu e einzigen Größe mit sechs Komponenten verschmolzen den. Als Minkowski die Raum-Zeit-Formulierung gerade deckt hatte, wurde diese Größe „Sechser-Vektor" gena:-diese Darstellung wird heute nicht mehr benutzt. Staude, dient jetzt eine schiefsymmetrische, quadratische Matrix -vier Zeilen und vier Spalten mit ihren sechs von Null versc-denen Komponenten, der sog. Feldstärke-Tensor, zur be achterunabhängigen Beschreibung des elektromagnetisc -Feldes. Es ist das Objekt, das sich unter Lorentz-Transfor tionen richtig transformiert. Wir wissen, daß eine in eir Inertialsystem I ruhende Ladung, von einem dagegen bev. ten Inertialsystem I' aus betrachtet, wie ein elektrischer St-wirkt. In I' wird also neben dem elektrischen Feld E auch Magnetfeld B beobachtet. Relativbewegung verkoppelt _ beiden Felder. In der relativistischen Formulierung sind Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes, die n_ vielen Jahrzehnten intensiver Forschung schließlich von Ja:-Clerk Maxwell ( 1 8 3 1-1 8 79 ) vervollständigt wurden, die

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fachst denkbaren relativistischen Gleichungen. Obgleich zu Maxwells Zeit niemand etwas von der Speziellen Relativitäts-theorie ahnte. Hinterher sind wir immer klüger! Wir wissen jetzt sogar, wie die Gleichungen erweitert werden müßten, wenn magnetische Punktladungen, die sog. magnetischen Mo-nopole, von den Experimentalphysikern nachgewiesen wür-den. Nach einigen, allerdings sehr spekulativen Theorien sollen solche Teilchen im frühen Kosmos in großen Mengen vorgekommen sein.

  Die Verknüpfung von elektrischem Feld und magnetischer Induktion zu einem Objekt, dem elektromagnetischen Feld-stärketensor, spiegelt die Zusammenfassung der elektrischen und magnetischen Phänomene zu einer einheitlichen Be-schreibung wider. Dies gilt als ein Paradebeispiel für die Zu-rückführung von zunächst als verschieden betrachteten Gebie-ten (Elektrizität, Magnetismus) auf eine grundlegende Theorie (Vereinheitlichung von Theorien, bzw. umgekehrt, Theorien-Reduktionismus).

  Die Spezielle Relativitätstheorie findet nicht nur in der klas-sischen Mechanik und Elektrodynamik ihre Anwendung, son-dern insbesondere in der relativistischen Quantenfeldtheorie und Elementarteilchentheorie.

  Neben den Tensoren folgen weitere Größen, die sog. Spino-ren aus der Betrachtung der Lorentzgruppe. Sie werden zur Darstellung von Teilchen mit ungeradem Spin wie etwa den Elektronen mit Spin 1/2 gebraucht. Der Spin ist ein innerer, d. h. nicht in der Raum-Zeit wirkender, Drehfreiheitsgrad von Elementarteilchen, der vom Bahndrehimpuls unterschieden werden muß. Elektronen werden durch die spinorielle Dirac-Gleichung beschrieben.



7. Trägheit und Schwere

Was ein fallender Apfel und ein Karussell

gemeinsam haben

Gehen wir nun von der Speziellen in Richtung auf die A i meine Relativitätstheorie weiter. Der ursprüngliche Weg E steins führt zu einer Verallgemeinerung des Begriffs des tialsystems.

 Es seien das genähert orts- und zeitunabhängige konst.-: Schwerefeld in unserer Umgebung und eine darin frei fallt-Masse betrachtet. In einem mit dieser Masse verbunden _ dachten Bezugssystem, dem berühmten Einsteinschen Fa stuhl, wirkt wegen des Äquivalenzprinzips keine Schwerk:-mehr. Dahinter steckt, daß wir in der Newtonschen The, durch Übergang in ein Nicht-Inertialsystem, wie das frei lende, ein homogenes Schwerefeld zum Verschwinden brin _ können. Daß dies keine Phantasie, sondern Wirklichkeit kennen wir von den Raumfähren im Schwerefeld der Erde - den in ihnen schwebenden Astronauten; sie fallen zwar n:_ auf den Erdmittelpunkt zu wie der „Fahrstuhl", sondern k- sen um ihn. Die anziehende Schwerkraft wird bei ihnen du - die abstoßende Zentrifugalkraft kompensiert. Auf der F -oberfläche werden Falltürme wie der in Bremen benutzt, ur-für einige Sekunden — die Auswirkungen der Schwerelosig, etwa auf den Kristallisationsvorgang in einer Schmelze studieren.

  Wenn in einem frei fallenden Bezugssystem keine zusät. chen Kräfte wirken, wird sich ein darin befindlicher Mas punkt in Ruhe oder geradlinig-gleichförmiger Bewegung finden. Von nun an nennen wir ein im Gravitationsfeld - fallendes Bezugssystem Inertialsystem. In ihm soll die spei-relativistische Physik gelten. Strenggenommen allerdings wenn das Inertialsystem örtlich und zeitlich eng begrenzt da sonst die oben gemachte Voraussetzung eines konstar - Schwerefeldes nicht zutreffen kann.

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7.1 Die Machsche Idee

Wie das Beispiel der frei fallenden Satelliten zeigt, können Trägheitsfelder Gravitationsfelder kompensieren, sind ihnen irgendwie verwandt. Vielleicht sind es die zwei Seiten einer Medaille wie beim elektrischen und magnetischen Feld, den beiden Erscheinungsformen des elektromagnetischen Feldes. Ein Einwand liegt nahe: Schwerefelder haben Quellen, die schweren Massen; welche „Quellen" entsprechen den Träg-heitsfeldern? Sie entstehen doch anscheinend nur beim Über-gang auf ein beschleunigtes Bezugssystem? Ernst Mach ver-mutete, wie wir in Abschnitt 2.1 bemerkt haben, daß die Beschleunigung relativ zu den Sternen betrachtet werden müs-se. Mit den heutigen Kenntnissen müßten wir statt der Sterne die großräumige Verteilung der Massen im Kosmos nehmen. Nach dieser Idee würde ein Schwerefeld immer vorhanden sein, wenn einzelne schwere Massen existieren. Ein Trägheits-feld würde sich zeigen, wenn sich ein Körper relativ zu dessen Feldquelle, der gesamten Materie im Kosmos, beschleunigt bewegt. Der fallende Apfel würde in dieser Sicht vom Gravi-tationsfeld der Erde beschleunigt, das rotierende Karusell von der kosmischen Materie.

  Könnte diese die „Quelle" der Trägheitsfelder sein? Wie soll das funktionieren? Wenn unerwartet die U-Bahn bremst, haben mich dann die Sterne in fernen Milchstraßen umgewor-fen? Ein einfacher Kausalzusammenhang ist nicht zu sehen. Der Zugführer bremst plötzlich, weil ein Signal auf Halt ge-gangen ist. Das haben nicht die Sterne verursacht, sondern das automatisierte Stellwerk aufgrund der Informationen über andere U-Bahnzüge. Information von den Galaxien zu uns bräuchte wegen der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit Jahrtausende, ja Jahrmillionen, bis sie uns erreichte. Da sind die U-Bahnwagen längst verrottet. So kann es nicht gehen!

  Aber der Feldbegriff könnte der Retter in der Not sein. Wenn Trägheitsfelder ähnlich wie ein Gravitationsfeld durch die großräumige Massenverteilung im Kosmos erzeugt werden würden, gäbe es an jedem Ort zu jeder Zeit einen bestimmten

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Wert für das Trägheitsfeld. Auf diesen Feldwert würde die Bahn reagieren. Aber auch diese Vorstellung ist nicht haltt-da U-Bahnen plus kosmische Materie kein abgeschlossc. System bilden. Wenn sich ein Verzweifelter vor den Zug «• und eine Notbremsung verursacht, müßten die fernen kos-schen Massen dies vorher gewußt haben, damit sich das kale Trägheitsfeld entsprechend einstellen konnte. Genau c selbe trifft auf ein Karussell zu, wenn sein Motor willkür an- oder abgestellt wird. Die Machsche Idee könnte allem: auf die physikalische Beschreibung der großen Himmels]: per wie der Planeten, Sterne, Galaxien, deren Bewegung stand wir Menschen nicht willkürlich zu ändern vermögt angewandt werden.

7.2 Das Potential von Schwere und Trägheit

Die uns heute unwichtig vorkommende Vorstellung NL-spielte in der Entwicklung der Allgemeinen Relativitätsthe durch Einstein eine bedeutende Rolle. Ausgangspunkt sein Versuch, das Relativitätsprinzip über die Inertialsyst der Speziellen Relativitätstheorie hinaus auf beliebig schleunigte Bezugssysteme zu verallgemeinern. Dabei kar die Trägheitskräfte und der Gedanke an die sie komper.-renden Gravitationskräfte ins Spiel. Die Allgemeine Rela: tätstheorie wurde daher zwangsläufig zu einer Theorie Gravitation. In ihr sind Trägheit wie Gravitation durch selbe Größe dargestellt: die Riemannsche Metrik, das - standsmaß einer neuen, der sog. Riemannschen Geometrie Kapitel 8 ist dies ausgeführt). Gebraucht wird nur, daß > an einem beliebig wählbaren Punkt in der Raum-Zeit dr:-Übergang auf ein bestimmtes Koordinaten(Bezugs-)syste--eben das frei fallende System — das Riemannsche Absta:-maß in die Form des Abstandsmaßes der Minkowski-C metrie überführen läßt. Da die Komponenten der Riem: schen Metrik sowohl Gravitations- als auch Trägheitspc - tiale darstellen, können diese in einem beliebigen Ereigne Null gemacht werden.

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  Schwere- bzw. Trägheitsfe/d sind die raum-zeitlichen Änderungen von Gravitations- bzw. Trägheitspotential. Sie werden in einer Größe zusammengefaßt, die nach dem Mathematiker Elwin Bruno Christoffel (1829-1900) benannt und deren Symbol auf seinem Grabstein eingemeißelt gewesen sein soll. Eben dieses sog. Christoffel-Symbol muß in einem beliebigen Punkt der Raum-Zeit durch Einführung eines geeigneten (frei fallenden) Bezugssystems zum Verschwinden gebracht werden können. Das ist ganz anders als beim elektromagnetischen Feld: Fehlt dieses in einem Bezugssystem, so auch in allen anderen. Der Begriff des Schwerefeldes ist also radikal beobachterabhängig: Für den einen Beobachter existiert es, für den anderen nicht. Beobachterunabhängige Meßgrößen sind erst die zeitlichen wie räumlichen Gradienten des Schwerefeldes, die — etwa im Erde-Mond-Sonne-System — Ebbe und Flut hervorbringen.



8. Gravitation und Geometrie

Warum die Uhr auf dem Mount Everest vorgeht

Aus den Kapiteln 1 und 6 wissen wir, daß sowohl in vorrelativistischen wie in der relativistischen Raum-I (Minkowski-Geometrie) räumliche und zeitliche Abstände den Differenzen der Raum- und Zeitkoordinaten berec' werden. Mit der vorhandenen Materie haben sie nicht, tun. Das Neue an der Allgemeinen Relativitätstheorie ist n daß die Materieverteilung, genauer ihre Energie-, Impuls- - Spannungsverteilung in Raum und Zeit, die Längen-Zeitmessung beeinflußt.

8.1 Verallgemeinerung der Minkowski-Metrik

Wie eben angedeutet, wird eine neue vom Gravitationsp, tial abhängige Abstandsdefinition eingeführt. Die einfa, Annahme, mit der Einstein ursprünglich begann, war. die Lichtgeschwindigkeit c vom Schwerepotential abha sollte. Er multiplizierte sie im Abstandsmaß der Minko \ Geometrie mit einer raum- und zeitabhängigen Funktion - daß die neue Metrik lautet: 52 = !Axt, x2, x3)c2(3. t)2 — (2_ — (Ax2)2 — (Ax3)2 I. Für schwache Gravitationsfelder die Funktion f mit dem Newtonschen Gravitationspot-eib über f = 1 — 2 f: zusammenhängen (vgl. Mathemati, Anhang).

  Damit war Einstein in der Lage, den Einfluß eines vitationsfeldes auf den Uhrengang zu beschreiben; für ruhende Uhr (Axt = Ax2 = Ax3 = 0) ist das Eigenzeitinn-5/c = et = (1 — cIelc2) At, hängt also vom Schwerepon

* ab. Da eine Frequenz umgekehrt proportional zum Z tervall der Schwingung ist und dieses durch D gegeben läßt sich ausrechnen, wie der Uhrengang vom Gravita7 feld der Erde beeinflußt wird: Je höher die Uhr über Meeresspiegel plaziert ist, desto mehr geht sie vor. I-

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Vergleich des Gangs von Atomuhren auf einem Gebirgsplateau und am Meeresstrand ist das genau bestätigt worden. Auf 100 Meter Höhendifferenz macht der Gangunterschied etwa eine Milliardstel Sekunde aus. Die Uhr auf dem Mount Everest geht also vor, weil die Gravitationsanziehung auf diesem Gipfel schwächer ist als auf Meereshöhe. (Vgl. auch Abschnitt 10.1 bei der Diskussion der Gravitationsrotver-schiebung.)

  Aber diese Idee mußte noch verändert werden: Die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c ist eine Naturkonstante und kann sich in Gegenwart eines Schwerefeldes nicht ändern. Einsteins Ziel war, die Bevorzugung der geradlinig-gleichförmig bewegten Inertialsysteme in der Speziellen Relativitätstheorie zu beseitigen. Wir wissen, daß in beschleunigten Bezugssystemen, wie etwa auf einer rotierenden Scheibe, Trägheitskräfte auftreten. Die Umrechnung des Minkowskischen Abstandsmaßes auf ein mit der Scheibe gleichförmig mitdrehendes Bezugssystem ergab nun einen ähnlichen Ausdruck wie oben, nur daß 1) nicht mehr das Schwerepotential, sondern das Potential der Zentrifugalkraft darstellte. Das versuchsweise eingeführte Abstandsmaß D kann also dem Übergang auf ein ganz spezielles, momentan beschleunigtes Bezugssystem entsprechen. Denken wir an andere Fälle, wie etwa an ein beschleunigt rotierendes System oder noch kompliziertere Situationen, so zeigt die Rechnung, daß das Abstandsmaß der Minkowski-Geometrie die folgende Form bekommen muß — wenn wir zur Vereinfachung wieder nur eine Raumdimension anschreiben:

152 = a(t, x1)c2(At)2 + 2b(t, x1) Lt • Axi + c(t, xi)(Axi)2.

Wir sehen hier drei freie Funktionen a, b und c, die Komponenten der Metrik, unter denen wir uns verschiedene Träg-heitspotentiale vorstellen müssen. Kommen die weiteren kartesischen Raumkoordinaten x2 und x3 hinzu, so können im Abstandsmaß insgesamt zehn freie Funktionen als Vorfakto-ren der zehn möglichen (quadratischen) Produkte von At, Axi, 0x2 und Ax3 auftreten. Alle haben etwas mit relativistischen Trägheitspotentialen zu tun. Glücklicherweise werden

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wir sie wieder los, wenn wir zurück in ein Inertialsystem hen: An der Minkowski-Geometrie hat sich nichts geändert.

8.2 Riemannsche Geometrie

Nun kommt die entscheidende gedankliche Erweiterur. _ Wenn das Gravitationsfeld an einem Ort (zu einer Zeit) dur, Übergang in ein frei fallendes Bezugssystem zum Verschw:-den gebracht werden kann (Erdsatellit, Fahrstuhl-Gedanke-experiment), so teilt es diese Eigenschaft mit dem Träghei: feld. Einstein entschloß sich daher, das Gravitationsfeld :• Abstandsmaß der Raum-Zeit formal gleich wie ein Tr,:_ heitsfeld zu behandeln: Die zehn freien Funktionen im A standsmaß müssen demnach sowohl Gravitations- wie au.. Trägheitspotentiale beschreiben. Folgender entscheidenc Unterschied zwischen den beiden Feldtypen besteht: Liegt Gravitationspotential vor, so kann das Abstandsmaß nur einem Ort (zu einer Zeit) in die Minkowskische Form bracht werden; werden; für ein Trägheitspotential dagegen kann gleichermaßen in jedem Ort (zu jeder Zeit) erreicht werden.

  Den Gedanken, für Schwere und Trägheit müsse eine g meinsame Theorie entwickelt werden, hatten schon 1896 c Berliner Brüder Benedict und Immanuel Friedländer geäuße7-Immanuels Experimente in einer Fabrik in Peine mit eint:: großen Schwungrad waren erfolglos gewesen. Der Versuc-die Newtonsche Theorie im Machschen Sinne umzubaueT scheiterte.

  Um seine Gedanken der Berechnung zugänglich zu mache - benutzte Einstein auf Anraten eines Freundes, des Zürich _ Mathematikers Marcel Großmann (1878-1936), eine vc - handene Theorie des Göttinger Mathematikers Bernha-Riemann (1826-1866). Er war der erste, der die Geometr der zweidimensionalen Flächen auf beliebige Raumdimensi nen verallgemeinerte. In seiner Geometrie bestimmt das A- standsmaß die Raumintervalle und alle weiteren Struktur, wie etwa den Vergleich von Richtungen in entfernten Ort, oder eine mögliche Krümmung eines solchen höherdimensi

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nalen Raumes. Damals war das eine rein mathematische Theorie, „nutzlos" in dem Sinne, daß sie nicht zu neuen Arbeitsplätzen führte. Aber schon Riemann deutete an, daß seine Geometrie von Bedeutung werden könne, wenn zukünftige Erfahrung zeige, daß die Euklidische Geometrie zum Verständnis der Natur nicht ausreicht. Heute wissen wir, daß die Situation so ist. Arbeitsplätze sind zudem entstanden, nicht nur in der Raumfahrt-Forschung, sondern auch für die Konstruktion und Produktion der geschilderten Positionsmeßgerä-te (GPS-Geräte; vgl. Abschnitt 5).

  Der erste, der die Riemann-Geometrie mit der Physik verknüpfen wollte, der Geometer William Kingdon Clifford (1845-1879), kam über geniale Vermutungen nicht hinaus. Den Abstandsbegriff in Raum und Zeit von einem physikalischen Phänomen wie der Schwerkraft abhängig zu machen, bedeutete eine geistige Revolution. Hatte nicht Kant den euklidischen Raum als eine a priori-Voraussetzung unseres Denkens nachgewiesen? Und nun sollte die Abstandsmessung in Raum und Zeit auf „Zufälligkeiten" in der Welt wie dem Schwerefeld von Erde, Sonne und den Sternen zurückzuführen sein? Das lehnten viele Zeitgenossen Einsteins ab. Die Naturwissenschaft kann aber auf keine noch so geniale Gedankenlogik Rücksicht nehmen: Sie unterwirft ihre Schlußfolgerungen reproduzierbaren Experimenten und wiederholbaren Beobachtungen. Daß dieses Verfahren ebenfalls erkenntnistheoretische Fragen aufwirft, steht auf einem anderen Blatt.

  Ein Schlüsselbegriff der Riemannschen Geometrie ist der sog. Krümmungstensor, eine vielkomponentige Größe, die sich aus dem Abstandsmaß und ihren ersten und zweiten Ableitungen nach Orts- und Zeitkoordinaten zusammensetzt. Ein Tensor kann wie ein Vektor für keine Wahl eines Bezugssystems zum Verschwinden gebracht werden, es sei denn alle seine Komponenten seien sowieso Null. Auf die Allgemeine Relativitätstheorie bezogen, bedeutet dies, daß die Krümmung der Raum-Zeit eine beobachtbare Größe ist und etwas mit dem Schwerefeld zu tun hat. Wenn das Abstandsmaß den relativistischen Gravitationspotentialen entspricht, so seine

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erste Ableitung dem Gravitationsfeld und die Krümmung räumlichen und zeitlichen Gradienten des Gravitationsfels. also der Änderung der Schwerkraft von Ort zu Ort und Laufe der Zeit. Insbesondere folgt aus verschwinden: Krümmung, daß gar kein Gravitationsfeld vorhanden

höchstens Trägheitsfelder gegeben sind. Die MinkoN‘ - Geometrie der Speziellen Relativitätstheorie ist unter die-

Gesichtspunkt ein Spezialfall der Riemannschen Geome: -Diese Raum-Zeit ist ungekrümmt, oder — wie man auch sa flach; alle Komponenten des Krümmungstensors versch. den. Insoweit die Allgemeine Relativitätstheorie die Ra _ Zeit mit Hilfe der Riemannschen Geometrie beschreibt. der Begriff der Schwerkraft überflüssig geworden, weil d geometrische Größen ersetzt. Dieser Sachverhalt wird "C-metrisierung" der Schwerkraft genannt.



9. Krümmung und Materie

Wenn Geradeausfahrt

Rückkehr zum Ausgangspunkt bedeutet

9.1 Äußere und innere Krümmung

Ein Weg krümmt sich, wenn er von der geraden Linie abweicht; ein Rücken ist gekrümmt, wenn er sich von einer ebenen Fläche mehr oder weniger abwölbt. Hier bedeutet Krümmung die äußere Krümmung einer Kurve (der Straße) oder einer Fläche (des Bergrückens) in den uns umgebenden, dreidimensionalen Anschauungsraum hinein. In der Newton-schen Mechanik und in der Speziellen Relativitätstheorie wird er durch die Euklidische Geometrie beschrieben. Was aber bedeutet äußere Krümmung für diesen Anschauungsraum selbst? Es gibt keinen Raum mit vier oder mehr Raumdimensionen, in den er sich hineinkrümmen könnte, günstigstenfalls die vierdimensionale Raum-Zeit. Wichtiger als die äußere Krümmung ist für uns daher der Begriff der inneren Krümmung. Um zu verstehen, was er aussagt, überlegen wir uns, daß es innere Maße für Krümmung gibt, die nicht auf einen die gekrümmte Fläche umgebenden Einbettungsraum angewiesen sind. Einfaches Beispiel ist die Winkelsumme im Dreieck. Nach dem Schulunterricht beträgt sie für ein ebenes Dreieck 180 Grad.

  Für eine gekrümmte Fläche ist die Winkelsumme im Dreieck dagegen größer oder kleiner. Im ersten Fall heißt die Fläche positiv, im zweiten Fall negativ gekrümmt. Das hat der berühmte Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777-1855) in seinem Theorema egregium (1828) bewiesen. Aber was heißt „Dreieck" auf einer gekrümmten Fläche? Dort können seine Seiten in der Regel nicht mehr geradlinig sein. Aber sie können als die kürzesten Verbindungen der Eckpunkte des Dreiecks eingeführt werden. Auf der Erdkugel ist ein solches Dreieck z.B. gegeben durch die Längenkreise durch Greenwich (0 Winkelgrad) und 90 Winkelgrad östlicher Länge, die sich

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am Nordpol mit 90 Grad schneiden, und durch das Stück . Äquators zwischen ihnen. Das sind alles Großkreise auf . Kugel, die kürzesten Verbindungslinien zwischen zwei Pn ten. Die Winkelsumme in diesem Dreieck auf der Kugel trägt 90 + 90 + 90 = 270 Winkelgrad! Die Erdoberfläche also eine Fläche positiver innerer Krümmung. Entspreche.. innere Maße für die Krümmung gelten für dreidimensio:-Räume. Allerdings gibt es keinen direkt entsprechenden für die Summe der Raumwinkel in Pyramiden mit dreieck _ oder viereckiger Grundfläche.

  Den Unterschied zwischen äußerer und innerer Krümm . erkennen wir etwa an einer in der Mitte durchgeschnittu und ausgelöffelten Pampelmuse, die wir als Beispiel für gekrümmte Fläche wählen. Sehen wir in sie hinein. krümmt sie sich auf den Beobachter zu; das bedeutet, daß _ Fläche konkav ist. Drehen wir sie herum, so krümmt sie vom Betrachter weg, ist also konvex. Ihre innere Krümm. ist aber dieselbe geblieben; sie hängt nicht von der Lage Fläche im dreidimensionalen Raum ab: Als Teil einer oberfläche bleibt sie eine Fläche positiver (innerer) Kr. mung. Wenn wir im folgenden von Krümmung sprechen. ist immer diese innere Krümmung gemeint.

  Während es für eine Fläche im dreidimensionalen Raun-. ne anschauliche Vorstellung sowohl der äußeren wie der i:-ren Krümmung gibt, gelingt dies mit dem Anschauungsr. selbst, einem drei-dimensionalen Raum, nicht. Um so m. wenn die Krümmung der vierdimensionalen Raum-Zeit trachtet werden muß, wie es die Allgemeine Relativitätst:-rie verlangt. Zwar kann wieder eine äußere Krümmung ir nem gedachten fünf-dimensionalen Raum eingeführt wer,: nur vorstellen können wir uns den nicht. Für vierte und fir-Dimensionen fehlt uns das Sinnesorgan. Die innere Kr. mung der dreidimensionalen Gleichzeitigkeits-Räume der vierdimensionalen Raum-Zeit wird durch eine in geometrische Größe der Riemannschen Geometrie besc-ben, analog zur Charakterisierung der Flächenkrümn: durch die Winkelsumme eines Dreiecks. Diese Größe ker.-

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wir schon: es ist der Riemannsche Krümmungstensor. Während er für eine Fläche eine einzige unabhängige Größe darstellt, die sog. Gaußsche Krümmung, faßt er für einen dreidimensionalen Raum wie den Anschauungs-Raum schon 6 und für die vierdimensionale Raum-Zeit sage und schreibe 20(!) unabhängige Komponenten zusammen. Nur in einfachen Fällen, etwa bei einem dreidimensionalen Raum konstanter positiver Krümmung, aus dem durch Schnitte Kugelflächen

entstehen, reduzieren sich die vielfältigen Freiheitsgrade des Krümmungstensors und können ein bißchen anschaulicher gemacht werden.

  Das Schwerefeld zeigt sich in seinem Einfluß auf die Bewegung sonst kräftefreier Körper. Könnte es „abgeschaltet" werden, würden sie sich geradlinig weiterbewegen. Geraden können durch zwei verschiedenen Eigenschaften charakterisiert werden. Einmal bilden sie die kürzeste Verbindungslinie zwischen zwei Punkten. Zum anderen erscheinen sie uns als die geradesten Kurven in dem Sinne, daß eine einmal eingeschlagene Richtung durch die Bahn dauernd aufrechterhalten wird. Kurven mit solchen Eigenschaften muß es auch auf krummen Flächen geben: Was ist die kürzeste Verbindungslinie von zwei Punkten auf einer Kugel? Was ist die geradeste Verbindungslinie auf einer Zylinderfläche? Die Antwort auf die erste Frage nutzen die Fluggesellschaften, wenn sie den Kerosinverbrauch ihrer Düsenflugzeuge minimieren wollen: Der Flug muß so lange wie möglich längs eines Großkreises um die Erde erfolgen. Auf der Erdoberfläche wird er durch eine gedachte Ebene durch Start- und Zielpunkt sowie den Erdmittelpunkt ausgeschnitten. Beispiele für Großkreise wie den Erdäquator und die Längenkreise sind schon gegeben. Die Antwort auf die zweite Frage erfordert eine Fallunterscheidung. Eine Kurve auf dem Zylinder, die in einer Richtung parallel zur Zylinderachse beginnt und die geradeste werden soll, ist eine Gerade. Eine Kurve, die ihre Anfangsrichtung beibehält, in einer Ebene senkrecht zur Achse (in der Mitte) des Zylinders ist ein Kreis, kommt also zum Ausgangspunkt zurück. Schließlich windet sich eine Kurve, für die anfänglich

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eine beliebige andere Richtung eingestellt wurde, um den Z-. linder herum, ohne je zum Ausgangspunkt zurückzukomme:-Direkte Nachprüfung zeigt, daß sowohl auf der Kugel wie dem Zylinder kürzeste und geradeste Kurven zusammenfalle: Das gilt allgemein: In der Riemannschen Geometrie stimme beide Begriffe überein, so daß wir nicht zwischen den kürz: sten Kurven, den sog. Geodäten, und den geradesten Kurve:-den sog. Autoparallelen, unterscheiden müssen. Geradeau - fahrt auf der Kugeloberfläche bedeutet, daß die Bahn läng eines Großkreises verläuft, also geschlossen ist. Stellt d, Flugkapitän den Autopilot ein und legt sich lange gern _ schlafen, so kann er sich beim Aufwachen wieder in der Mil-des Abflughafens befinden.

 Während in der Newtonschen Mechanik und in der Spe z ellen Relativitätstheorie die Bahnen kräftefreier Teilche durch gerade Linien dargestellt werden, führt die Allgemein Relativitätstheorie folgende Zuordnungsvorschrift ein: D Bahnen sonst kräftefreier Teilchen im Schwerefeld sind Ge däten. Das entspricht der erwähnten Umdefinition des 13: griffs des Inertialsystems: In der Speziellen Relativitätstheor durch kräftefreie, geradlinig-gleichförmige Bewegung h: stimmt, ist es nun durch eine vom freien Fall bestimmte B: wegung festgelegt. Im Schwerefeld beliebig bewegte Uhre messen nun die Eigenzeit 15/c.

 Stellen wir uns zwei Fallschirmspringer nach dem Absprur. im Schwerefeld der Erde vor — bevor sie ihre Fallschirme g öffnet haben. Beide fallen auf den Erdmittelpunkt zu, in de- wir uns die gesamte Masse der Erde konzentriert denk, können. Das heißt, die beiden Springer nähern sich einanci während des freien Falls. Bei kurzen Fallstrecken sind das n Millimeter oder weniger. Das Sichnähern bedeutet, daß ei: Relativ-Beschleunigung zwischen den Springern bestehe muß. Nehmen wir als eine gute Näherung an, die Erde eine Kugel. Aus der Beschreibung des Schwerefeldes eines k gelsymmetrischen Körpers in der Allgemeinen Relativitä7 theorie ergibt sich, daß die dazugehörende Geometrie krümmt ist. Damit ist die Riemannsche Krümmung auch

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Relativbeschleunigung frei fallender Körper interpretierbar. In einer Raum-Zeit der Krümmung Null, also im Minkowski-Raum, würden die Fallschirmspringer ohne Relativbeschleunigung parallel nebeneinander her fallen. Für positive Krümmung fallen sie aufeinander zu, für negative voneinander weg. Insofern die Bahnen der frei fallenden Teilchen Geodäten sind, ist die Krümmung also ein Maß für die relative Lage benachbarter Geodäten. Was im Fachjargon geodätische Abweichung heißt, also der Abstand benachbarter Geodäten im Laufe der Zeit, ist so recht anschaulich.

9.2 Krümmung und Energie der Materie

Wir wissen nun, wie das Schwerefeld mit Größen der Rie-mannschen Geometrie beschrieben werden kann. Aber bisher haben wir noch keinen Gebrauch von der schon durch die Newtonsche Gravitationstheorie berücksichtigten Erfahrung gemacht, daß die schweren Massen der Körper Quellen des Schwerefeldes sind. Seit der Erkenntnis der Speziellen Relativitätstheorie, daß Energie und träge Masse und, wegen des Äquivalenzprinzips, auch Energie und schwere Masse gleiche Bedeutung haben, müssen wir jede Form von in der Materie und in Materiefeldern steckender Energie als eine Quelle des Schwerefeldes ansehen. Diese Folgerung wurde 1907 zuerst von Max Planck gezogen. Ein elektromagnetisches Feld erzeugt demnach über seine Feldenergie auch ein Gravitationsfeld. Für die von der Technik erzeugten elektrischen Felder sind das unmeßbar kleine zusätzliche Schwerefelder. Auch ein in der Materie vorhandener Energiefluß, der einem Impuls entspricht, sowie die in elastischen Spannungen gespeicherte Energie tragen zu den Quellen des Schwerefeldes bei. Alle diese Größen werden in dem sog. Energie-Impuls-Tensor der Materie zusammengefaßt. Die berühmten Einsteinschen Feldgleichungen stellen eine algebraische Beziehung zwischen der Hälfte der Freiheitsgrade der Krümmung der Raum-Zeit, der sog. Ricci-Krümmung, und der Energie- und Impulsverteilung in der Materie dar. Genauer gesagt, muß aus den Komponen-

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ten der Ricci-Krümmung zuerst eine lineare Funktion, die wir Einstein-Krümmung nennen wollen, gebildet werden. Dann lauten die Feldgleichungen

Einstein-Krümmung = K • Energie-Impuls der Materie.

Dabei ist ic =84, eine Kopplungskonstante mit der Newton-

schen Gravitationskonstanten: G      6,6726 • 10-11m3kg-1s-=

Diese Feldgleichung, die Albert Einstein 1912 verwarf unc erst drei Jahre später endgültig akzeptierte, wurde dann gleichzeitig mit ihm von dem Göttinger Mathematiker Davic Hilbert (1862-1943) abgeleitet. Sie ist so angesetzt, daß für schwache Gravitationsfelder und für langsame Bewegung der felderzeugenden Massen gerade die Gleichungen der Newton-schen Gravitationstheorie (in der Form einer Feldtheorie für das Potential) zurückgewonnen werden. Der übriggebliebene. nicht algebraisch mit der Materie verknüpfte Teil des Krüm-mungstensors, die sog. Konform-Krümmung, erfaßt z. B. dir Freiheitsgrade von Gravitationswellen, die wie die elektromagnetischen Wellen in Gebieten weit entfernt von ihrer Quelle. dem Radiosender, vorhanden sein können (vgl. Abschnitt 10.2). Auch das Feld im Außenraum von gravitierender Materie, etwa um einen Stern herum, wird durch die Konform-Krümmung beschrieben.

  Das Vakuum wird durch die Abwesenheit von Feldquellen für ein Schwerefeld definiert. Nach den Einsteinschen Feldgleichungen bedeutet dies verschwindende Einstein- und damit auch verschwindende Ricci-Krümmung. Da es viele reguläre, exakte Lösungen der Vakuum-Feldgleichungen, also ohne gravitierende Materie, mit nicht verschwindender Konform-Krümmung gibt, etwa eine Art ebener Gravitationswellen, so ist Einstein, Interpretation der Idee Machs, nämlich daß ohne Massen kein Gravitationsfeld existieren kann, in seiner Theorie nicht verwirklicht. Wir können auch im Falle des Vakuums den Einfluß des Schwerefeldes auf Massen untersuchen; diese werden dann Testkörper genannt, da sie kein eigenes Schwerefeld erzeugen.

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 Die Einsteinschen Feldgleichungen sind nichtlinear in den zu bestimmenden Komponenten der Riemannschen Metrik. Daraus folgt, daß additive Überlagerung von Lösungen nicht zu neuen Lösungen führt. Dies kompliziert den Versuch, zu einer Übersicht über die möglichen Lösungen zu kommen. Aber Nichtlinearität gibt es auch in vielen anderen Gebieten der Physik wie in der Mechanik (etwa beim deterministischen Chaos) und der Hydrodynamik (Turbulenz). Die Feldgleichungen werden auf Bereiche aller Längengrößen von der Planck-Länge bis zum „Durchmesser" des Weltalls angewandt.

  Da sich Einstein ursprünglich vorstellte, daß das Weltall sich in einem in der Zeit unveränderlichen Zustand befinden müsse und keine entsprechende kosmologische Lösung der Feldgleichungen fand, führte er 1917 einen Zusatzterm in die Gleichungen ein, den sog. kosmologischen Term, der eine massenauseinandertreibende Wirkung beschreibt. Damit postulierte er eine neue Natur-Konstante, die kosmologische Konstante, deren Wert nicht direkt gemessen werden kann. Später stellte es sich heraus, daß sich der Kosmos zeitlich ändert und daß es auch ohne die kosmologische Konstante geeignete Lösungen der Feldgleichung gibt (vgl. Kapitel 12). Je nach der Beobachtungssituation wird die kosmologische Konstante aus dem (Zauber-)Hut der Theoretiker gezogen oder wieder darin versteckt. Heute spricht manches dafür, daß sie berücksichtigt werden muß; sie kann die Vakuumenergie von Quantenfeldern charakterisieren, deren Massenäquivalent zur Materiedichte des Kosmos beitragen soll. Eine überzeugende empirische Entscheidung darüber, ob sie gebraucht wird, steht aber aus.

  Die Einsteinsche Gravitationstheorie zeigt denselben Mangel wie die Newtonsche: Auch in ihr treten keine Relativ-Größen wie etwa die Relativgeschwindigkeit auf, sondern auf das lokale metrische Feld bezogene Absolutgrößen.



Was die Sonne mit dem Licht macht

Da die Schwerkraft im Vergleich mit den anderen fundamentalen Kräften (elektromagnetische, Kern- und schwache Kraft die schwächste ist (um einen Faktor 10-40 kleiner als die elektromagnetische Kraft), sind Messungen von Effekten schwierig, die über die Newtonsche Gravitationstheorie hinausgehen. Dennoch sind wir heute in der Lage, die drei bekanntesten dieser Effekte zu messen: die Gravitationsrotverschiebung. die Lichtablenkung und die Merkurperihel-Drehung. Weitere Effekte wie der Gravitationslinsen- und der Lense-Thirring-Effekt kommen dazu.

10.1 Gravitationsrotverschiebung

Die Gravitationsrotverschiebung ist eine Folge des Äquivalenzprinzips (Abschnitt 1.4) und der Annahme einer von Ort unc Zeit abhängigen Metrik. Es handelt sich bei diesem Effekt un-. den Einfluß des Gravitationsfeldes auf den Uhrengang ode:-um die Verschiebung von Spektrallinien in Richtung der langwelligen Seite des Spektrums. In Abschnitt 8.1 sahen wir, dai: das Eigenzeitintervall im Schwerefeld D/c = (1 - «/c2) A t ist Setzen wir für cri die Differenz des Newtonschen Gravitationspotentials zwischen zwei Orten mit dem Höhenunterschiec

AH ein, so folgt für die Frequenzen 17 — (D)-1, v          (At)-1 di:

relative Frequenzverschiebung ‘7÷'= sAH.1 Diese Überlegung ist eine Näherung; die genaue Behandlung geht von der vo7-dem Astronomen Karl Schwarzschild (1873-1916) gefundenen exakten Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen fi.:-das Außenfeld einer Massenkugel aus. Wie erwähnt, wurd:. die Gravitationsrotverschiebung durch die Einwirkung de- Schwerefeldes auf den Gang von Atomuhren bestätigt. Du-Effekt sollte sich auch in der Verschiebung von Spektrallinie-

 1 Dabei ist g = 9,81 ins-2 die sog. Erdbeschleunigung. 72





äußern, die von Atomen in einem starken Gravitationsfeld stammen. Bald nach dem Ersten Weltkrieg gab es Anstrengungen, die Gravitationsrotverschiebung an Spektrallinien der Sonne zu messen, und auch die erste — von Einstein akzeptierte — Behauptung der Bonner Physiker Leonhard Grebe und Albert Bachem, daß das geglückt sei. Übrigens war schon seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bekannt, daß Spektrallinien der Sonne eine Rotverschiebung zeigen. Die physikalische Ursache dieser Rotverschiebung blieb lange umstritten; eine Druckverbreiterung der Spektrallinien kam ebenso in Frage wie der Dopplereffekt auf Grund von Konvek-tionsströmungen in der Sonnenatmosphäre. Komplizierend wirkten Rotation und Magnetfeld der Sonne. Erst ab den 60er Jahren unseres Jahrhunderts waren sowohl die Kenntnisse über die Physik der Sonnenatmosphäre als auch die Technik zur Messung der Gravitationsrotverschiebung so weit fortgeschritten, daß ein Auseinanderhalten der verschiedenen Effekte möglich wurde. Durch drei unabhängige Arbeitsgruppen wurde die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagte Gravitationsrotverschiebung zwischen 1962 und 1969 an Spektrallinien der Sonne mit einer Genauigkeit von 5% bestätigt. Ebenso bei Labormessung mit einem Fehler von 1%.. Die nichtlineare Struktur der Einsteinschen Theorie wird durch diesen Effekt allerdings nicht erfaßt.

10.2 Lichtablenkung

Massen ziehen einander durch die Schwerkraft an. Da jeder Energie nach Einsteins Formel E = mc2 eine träge/schwere Masse entspricht, müßten sich „Energiekonzentrationen" jeder Art gegenseitig beeinflussen. Betrachten wir einen Lichtwellen-zug als ein solches Energiebündel, so müßte er von einer großen Masse angezogen werden. Mit einer Taschenlampe und einem Bleiklotz bei Nacht läßt sich dieser Effekt wegen des minimalen Massenäquivalents des Lichtstrahls und der kleinen Masse des Bleis natürlich nicht nachweisen. Aber wenn massive Systeme am Himmel herangezogen werden,

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Abb. 7: Lichtablenkung. Der Ablenkungswinkel 8 wird

über die Asymptoten der Hyperbel definiert, die den am Sonnenrand

streifenden Lichtstrahl darstellt. D bezeichnet den Radius der Sonne

und fällt näherungsweise mit R zusammen.

könnte es vielleicht doch gehen? In der Tat ist eine „Ablenkung" um den Winkel 45 des am Sonnenrand vorbeistreifender- Sternlichts bzw. von Radiowellen gemessen worden. Mi7 Licht ist die Messung ziemlich schwierig. Es handelt sich un-den Vergleich von Sternpositionen auf Fotoplatten, die ur-1-2 Bogensekunden voneinander abweichen; einmal, wen: die Sonne nicht im Sichtfeld des Sterns steht, zum anderei_ wenn der Stern bei einer Sonnenfinsternis direkt am Sonner - rand sichtbar ist. Da das Licht zur Sonne hingebogen wirc wir die Lichtquelle aber in der geradlinigen Verlängerung de- Ankunftsrichtung vermuten, sieht es so aus, als ob das Stern -bild bei der Sonnenfinsternis nach außen verschoben sei (vg Abb. 7). Welche Meßfehler da wegen der Veränderlichkeit de lichtwirksamen Schicht der Fotoplatte, dem Temperaturunterschied im Abbildungssystem während der beiden Messungen usw. entstehen können, läßt sich leicht vorstellen. Au ßerdem ist die Meßzeit gering: Nur wenige Sonnenfinsternis, in zugänglichen Gebieten treten auf. Daher werden modern Messungen mit Objekten am Himmel gemacht, die R.-diostrahlung abgeben und die jedes Jahr durch die schein'la:-

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Bahn der Sonne einmal über deckt werden. Die mit der Allgemeinen Relativitätstheorie berechnete Licht(Radiowellen+ ablenkung ist heute mit der Genauigkeit von einem Promille empirisch bestätigt. Das ist ein Erfolg gegenüber der Newton-schen Gravitationstheorie, aus der — mit Zusatzannahmen —nur die Hälfte des Effektes gewonnen werden kann.

 Aufgrund dieser Anziehung des Lichtes durch die Schwerkraft von Massen, kann eine große Masse wie eine Linse wirken! Eine Galaxie oder ein Galaxienhaufen können die von einem von uns weiter entfernten, hinter ihnen liegenden Objekt kommenden Lichtstrahlen fokussieren und damit ein zweites Bild erzeugen. Das erste wird von direkt von dem entfernten Objekt kommenden, nicht in die Nähe der fokussierenden Galaxie gelangenden Lichtstrahlen geformt. Durch Vergleich charakteristischer Variationen in der Lichtintensität in den beiden Bildern kann der Unterschied in der Laufzeit längs der beiden Wege festgestellt werden. Er kann über ein Jahr betragen. Auch dieser sog. Gravitationslinsen-Effekt ist von Einstein frühzeitig beschrieben und inzwischen beobachtet worden. Er äußert sich in der Abbildung von den in unserer Sichtrichtung hinter dem als Linse wirkenden Objekt liegenden Lichtquellen als ein ringförmiger Bogen, ein sog. Einstein-Ring. Wenn die fokussierende Galaxie 1012M®1 enthält, so beträgt die Winkeldifferenz zweier Punktbilder ungefähr eine Bogensekunde. Durch das in einer Erdumlaufbahn kreisende Hubble-Teleskop ist eine Vielzahl von solchen Gravitationslinsen beobachtbar geworden.

 Mit der Lichtablenkung und der Rotverschiebung verknüpft ist der sog. Laufzeiteffekt für ein Signal im Gravitationsfeld. Eine genaue Rechnung zeigt, daß die Laufzeit eines Radar-Signals etwa von der Erde zur Venus in der Einstein-schen Theorie größer ist als in der Newtonschen Gravitationstheorie. Der Effekt nimmt zu, je stärker das Gravitationsfeld ist, durch das ein Signal läuft; er ist also größer, wenn das Signal auf seinem Weg zur Venus näher an der Sonne vorbei-

1 mo = e ne Sonnenmasse.

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läuft, als wenn die Sonne weit weg von der Signalbahn steht. Auf diese Weise und mit Signalen zu Erdsatelliten und Raumproben ist der Effekt auch beobachtet worden. Er muß sogar schon berücksichtigt werden, wenn die Erde mit Hilfe eines aus Erdsatelliten gebildeten Referenz-Systems genau vermessen werden soll. Daher ist er in das Rechenprogramm der GPS-Geräte einbezogen (vgl. Kapitel 5).

10.3 Merkurperiheldrehung

Als weitere Auswirkung der Beschreibung der Schwerkraft durch die Allgemeine Relativitätstheorie ergibt sich eine Abänderung der Newtonschen Gravitationskraft, wenn wir die Bewegung von Körpern in einer Näherung untersuchen. welche die Bewegungsgleichungen in die Form der vor-relativistischen Newtonschen Gleichungen bringt (kleine Geschwindigkeiten der Körper, schwache Gravitationsfelder). Das wirkt sich so aus, als ob ein Zusatz zur Newtonschen Gravitationskraft aufträte, der umgekehrt wie die dritte Potenz des Abstandes abfällt.1 Damit ändern sich die Kepler-schen Gesetze: Die Bahn eines Planeten wie der Erde ist keine Ellipse um den gemeinsamen Schwerpunkt des Erd-Sonne-Systems mehr, sondern eine Art Rosette. Das sog. Perihel, das ist der sonnennächste Punkt des Planeten auf seiner Bahn. bleibt nicht fest relativ zu den Fixsternen, sondern verschiebt sich langsam bei jedem Umlauf. Da der Effekt um so größer ist, je näher der Planet zur Sonne steht, müßte er beim Merkur am ehesten beobachtet werden können. In der Tat hatten die Astronomen schon vor der Entwicklung der Allgemeiner Relativitätstheorie auf eine winzige Verschiebung des Merkur-Perihels von etwa A (j9 ----- 43 (Winkel-)Bogensekunden prc Jahrhundert aus den Beobachtungen von zwei Jahrhunderten geschlossen, ohne ihre Ursache zu verstehen (vgl. Abb. 8). Die Einsteinsche Theorie erklärt diese sog. Perihel-Drehung mir

  1 Der aus der Allgemeinen Relativitätstheorie verschwundene Kraftbegriff kommt in dieser „Newtonschen" Näherung wieder ins Spiel.

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einer Genauigkeit von 1 %. Der Effekt tritt auch bei Satelliten im Gravitationsfeld der Erde auf, wird dort aber wegen seiner Winzigkeit durch andere, ebenfalls eine Verschiebung der Bahn verursachende Effekte überlagert, etwa von den höheren Momenten der Massenverteilung in der Erde.



10.4 Weitere beobachtbare Effekte

Die Rotation der Erde wirkt sich auf die Bahnebene eines umlaufenden Kreisels aus. Dieser sog. Lense-Thirring-Effekt ist durch Satelliten wie LAGEOS und Gravity Probe B gemessen worden als Winkelverschiebung des aufsteigenden Knotens der Bahn um 40 marcs (Millibogensekunden) pro Jahr. Dazu gesellt sich eine geodätische Präzession von ca. 7 marcs pro Jahr.

Relativistische Astrophysik Schwarze Löcher am Himmel

11.1 Schwarze Löcher

Wir „sehen" am Himmel nur solche Objekte, die Licht

Wellenlängen abstrahlen, für die unser Auge empfindlich 1,-Durch Konstruktion geeigneter Meßgeräte ist der meßbar

Wellenlängenbereich über das Spektrum möglicher Weiler längen von den ganz kurzen der y-Strahlung bis zu den gar langen der Radiowellen erweitert worden. Aber irgend er Signal aussenden muß das Objekt am Himmel schon, damit hier beobachtet werden kann? Natürlich kann das Signal a: der Empfindlichkeitsgrenze unserer Meßinstrumente liegen Ein Beispiel dafür bietet die seit 1996 eindeutig positiv int-antwortbare Frage, ob andere Sterne als die Sonne ebenfall- planetenähnliche Körper, die sog. Exoplaneten, als Begleite: haben. Der Nachweis der Strahlung von solchen möglicher Planeten, die Streulicht ist, macht große Mühe. Wenn jedoch ein solcher Planet in unserer Sichtlinie vor die leuchtende Scheibe des Zentralsterns tritt und ihn verdunkelt, und zwar in regelmäßiger Weise, so könnte seine Existenz erwieser. werden. Der unsichtbare Begleiter würde sich auch in anderer Weise bemerkbar machen: Die Bewegung des sichtbaren Zentralsterns relativ zu benachbarten Sternen verliefe anders. wenn keine mit ihm über das Newtonsche Gravitationsgesetz wechselwirkenden planetaren Begleiter vorhanden wären. Heute kennen wir schon über 2000 Exoplaneten, aber keinen. auf dem Leben wie auf der Erde möglich wäre.

  Es gibt weitere Körper im Weltraum, die nicht direkt beobachtet werden können; in letzter Zeit ist von den sog. „braunen" Sternen die Rede, die einen Teil der „Dunkelmaterie" darstellen sollen. Das sind Sterne geringer Masse

  0.08M0), bei denen keine Wasserstoff-Fusion im Sterninnern stattfindet und die vermutlich große Gasbälle wie Jupiter oder Saturn sind.

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  Wir haben jetzt ein Gefühl dafür, wie über ihre Strahlung direkt nicht nachweisbare Objekte mit anderen Methoden be-obachtet werden können. Zu solchen Körpern gehören die vielzitierten „Schwarzen Löcher". Ihr Name ist eine vulgäre Kurzform für den im Französischen benutzten Begriff „ver-dunkelter Stern", der den Sachverhalt besser beschreibt.

  Machen wir zuerst einen Ausflug in die Geschichte, genauer ins 18. Jahrhundert nach England! Newton hatte in seinem Buch Die Optik angedeutet, daß sein Gravitationsgesetz auch auf die hypothetischen Lichtteilchen angewandt werden könnte. Dieser Gedanke wurde von Reverend John Michel (1724-1793) und seinem Freund, dem Physiker Henry Cavendish (1731-1810), aufgenommen. Im Jahr 1784 rechnete Michel aus, daß die Schwerkraft eines Sterns von der Dichte der Sonne, aber mit einem 500fach größeren Radius, so stark ist, daß alles abgestrahlte Licht auf den Stern zurückgebogen wird (Lichtablenkung!). Ein solcher Stern bleibt also von fer-ne gesehen dunkel. Ähnliches geschieht bei einer zu langsa-men Rakete. Um aus dem Anziehungsbereich der Erde zu gelangen, muß ihre Abschußgeschwindigkeit größer sein als ca. 11,2 km/s; sonst fällt sie auf die Erdoberfläche zurück. Pierre-Simon Laplace (1749-1827), der das Thema aufgriff, kam 1799 in Deutschland zu Worte in einer Arbeit mit dem Titel Beweis des Satzes, daß die anziehende Kraft bey einem Weltkörper so groß seyn könne, daß das Licht davon nicht ausströmen kann. Er führte den Begriff Dunkel-Körper (corps obscur) für diese Objekte ein. Ob es sie tatsächlich gibt, war damals nicht bekannt; immerhin müßte die Masse eines sol-chen „Dunkel-Körpers" die Größe von 108M0 haben. Kugel-sternhaufen besitzen Massen von 105 bis 106M0; Galaxien das 106— bis 1013fache der Sonnenmasse. Sterne mit einer Masse, die größer als ein paar 100 Sonnenmassen ist, sind auch heute noch nicht bekannt.

  Nach dem, was Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt, brauchen wir aber gar keine solch riesigen Sterne, son-dern ein sehr starkes Schwerefeld, um den beschriebenen Effekt des „Einfangs" von Licht zu bekommen. Es genügen

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Sterne, in denen die Materie in einer unvorstellbaren Weise zusammengepreßt ist. Die gegenseitige Anziehung von Massen bewirkt, daß ein Stern sich im Laufe der Zeit immer weiter zusammenziehen muß, wenn in seinem Innern nicht Gegen-kräfte auftreten. Bei einem heißen Gasball wie der Sonne ist es der Gasdruck, der der Schwerkraft die Waage hält. Bei Sternen, bei denen das die Energieabstrahlung erzeugende nu-kleare Brennen im Inneren schon zu Ende ist und die sich da-nach allmählich abgekühlt haben, muß eine andere Ursache vorliegen. Sie hängt mit der quantenmechanischen Unschärfe-relation zusammen, also der Tatsache, daß die Geschwindig-keit von Teilchen, die durch die Quantenphysik zu beschrei-ben sind, stark anwächst, wenn sie auf ein kleines Volumen zusammengedrängt werden. Größere Geschwindigkeit von Teilchen in einem festen Volumen bedeutet aber größeren Druck. Bei zwei Typen von beobachteten Sternen spielt dieser Gleichgewichts-Mechanismus die entscheidende Rolle: bei den Weißen Zwergen und den Neutronensternen. Wenn es in einem Stern keinen solchen Druckerzeugungs-Mechanismus gibt, so muß er sich ohne Halt immer weiter zusammenzie-hen: er muß kollabieren.

  Weiße Zwerge sind kompakte, schwach leuchtende Sterne von Planetengröße mit der enormen Massendichte von unge-fähr einer Million Gramm pro Kubikzentimeter: Das ist eine Tonne pro Fingerhut! Die Teilchen, die in ihrem Innern den die Schwerkraft ausgleichenden Druck erzeugen, sind aus den Atomen herausgerissene Elektronen; wir sprechen von einem Elektronengas. Bei den Neutronensternen ist der durch die gegenseitige Schwerkraft ausgeübte Druck noch größer; hier sind nicht nur die Atome zerquetscht wie bei den Weißen Zwergen, sondern sogar die Atomkerne. Die Energie der Elek-tronen ist so hoch, daß sie die positiv geladenen Protonen aus den Kernen in ungeladene Neutronen und masselose Neutri-nos zerlegen. Nun bildet ein sog. Neutronengas den Gleich-gewichtsdruck. Es gibt gute Hinweise darauf, daß eine beson-dere Art von Sternen, die mit großer Präzision kurze Radiopulse von einigen Millisekunden Dauer aussenden, die

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sog. Pulsare, solche Neutronensterne sind. Ihnen wird die Dichte von Kernmaterie zugeschrieben, also ca. 1014g/cm3. Das ist schon die Masse eines ganzen Berges pro Fingerhut, eine Dichte, die unsere Vorstellungskraft lähmt! Nun kommt der springende Punkt: Von der Masse eines Sterns nach seiner Abkühlung hängt seine weitere Entwicklung ab. Überschreitet diese Masse einen bestimmten Wert, so kann sich kein Gleichgewichtszustand zwischen Innendruck und Schwerkraft mehr herausbilden. Damit ein Weißer Zwerg entstehen kann, darf die Ausgangsmasse nicht größer sein als die sog. Chandra-sekhar-Grenzmasse, also das 1,44fache der Sonnenmasse. Dagegen ist ein Neutronenstern als Endzustand noch möglich für Sterne einer Größe von ca. 10 Sonnenmassen.

  Und wenn die Masse doch größer ist? Dann kollabiert der Stern; seine Dichte und Schwerkraft wachsen immer mehr, bis sie schließlich so groß sind, daß Licht nicht mehr von der Sternoberfläche entweichen kann, sondern darauf zurückgezogen wird. Wir können über Strahlung nichts mehr von dem Stern erfahren, insbesondere nicht, ob das Ineinanderstürzen der Materie einmal zu Ende kommt — und wie. Ein unter die Sichtbarkeitsgrenze kollabierter Stern heißt Schularzes Loch. Dieses Gebilde ist kein Loch in der Raum-Zeit-Struktur, sondern ein von der restlichen Welt informativ abgekoppelter Teil. Der gedachte Rand dieses Bereichs wird „Ereignishorizont" genannt und von Lichtstrahlen gebildet, die gerade nicht mehr nach außen entweichen können, sondern von der Schwerkraft um den Stern herumgeführt werden. In die Nähe des Ereignishorizontes geratende Materie und Strahlung werden vom starken Schwerefeld des Schwarzen Loches hinter den Horizont gezogen, scheinbar „verschluckt".

  Wie können wir feststellen, ob es Schwarze Löcher gibt? Nun, es müssen Effekte ausgenützt werden, die durch das starke Schwerefeld erzeugt und schon sichtbar werden, bevor die beobachtete Materie durch den Horizont gefallen ist. Das kann eine charakteristische Röntgen-Strahlung von interstellarem oder intergalaktischem Gas sein, das auf das Schwarze Loch zufällt und von ihm stark beschleunigt wird und das

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sich in einer sog. Akkretionsscheibe sammelt. Diese Situation könnte auch in Doppelsternsystemen vorliegen, in denen einer der um ihren gemeinsamen Schwerpunkt kreisenden Sterne ein Schwarzes Loch ist und der Begleitstern Masse abschüttet. Aus der Bestimmung der Bahn und der Umlaufperiode des sichtbaren Sterns in einem Doppelsternsystem lassen sich die Massen der beiden Sterne abschätzen: Liegt eine davon über der Grenzmasse, so haben wir einen ersten Hinweis auf ein Schwarzes Loch. Interessante Spezialfälle sind Doppelsternsysteme aus einem Pulsar und einem Schwarzen Loch bzw. einer sog. Röntgenquelle und einem Schwarzen Loch. Ein Stern-System wie das letzte mit dem Namen Cygnus X1 in ca. 8 000 Lichtjahren Entfernung ist einer unter mehreren gefundenen Kandidaten für ein Schwarzes Loch: Die Masse des unsichtbaren Begleitsterns ist größer als die Grenzmasse.

  Schwarze Löcher werden auch im zentralen Kern von Galaxien vermutet, in dem sich die Sternmaterie verdichtet. So etwa im von leuchtenden Gas- und Staubwolken umgebenen und daher nicht direkt sichtbaren Zentrum unserer Milchstraße. Durch Präzisionsmessungen von Sternbewegungen im Infrarot wurde dort eine Massenkonzentration auf engstem Raum von ca. 4 •106 Mo festgestellt, die als Schwarzes Loch interpretiert wird. Röntgenstrahlung aus diesem Gebiet wird durch drei Röntgenteleskope seit vielen Jahren beobachtet. Vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis wir ganz sicher sein können, ob Schwarze Löcher, die es nach der Allgemeinen Relativitätstheorie geben sollte, wirklich existieren. Eine Krisenstimmung wegen der zerstörerischen Anziehungskraft Schwarzer Löcher, wie sie etwa in einem Buch aus den 70er Jahren mit dem Titel Schwarze Löcher: das Ende des Universums? verbreitet wurde, war und ist fehl am Platze.

11.2 Gravitationswellen

Nachdem 1887 die Existenz von elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz (1857-1894) im Experiment bestätigt worden war, setzte sich der Gedanke schnell durch, daß sich

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auch das Schwerefeld als eine Welle fortpflanzen könne. Wir lesen etwa in Bernstein's Naturwissenschaftlichen Volksbüchern von 1897 (Teil 1, S. 20): „Wir werden vermuten dürfen, daß auch die Fortpflanzung der Anziehungs- und Schwerkraft durch Wellenschwingungen des Äthers vermittelt wird, und zwar mit der Geschwindigkeit von 300000 Meilen pro Sekunde. Wie groß aber die Wellen der „Anziehungsstrahlen" —so könnten sie genannt werden — sind, wissen wir noch nicht." 108 Jahre später ist dieser Satz noch fast genau so gültig — abgesehen von dem damaligen Schreibfehler „Meilen" statt „km"! Der Name „Anziehungsstrahlen" hat sich nicht durchgesetzt; wir benutzen heute den Ausdruck „Gravitationswellen". Der Begriff „Schwerewellen" bezieht sich auf einen anderen Effekt; die periodische Änderung der Schwerkraft im Erde-Sonne-Mond-System, die die Gezeiten hervorruft, erzeugt auch Dichteschwankungen in der Erdatmosphäre, die so genannt werden.

 Zwei Probleme stehen heute im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses: Wie entstehen Gravitationswellen? Durch Beschleunigung von Massen im Labor herstellbar sind sie wegen der unmeßbar kleinen Effekte nicht. Und: Wie können sie nachgewiesen werden? Vorher muß aber ein grundsätzliches Problem geklärt werden: Was genau sind Gravitationswellen? Schließlich ist das Schwerefeld in der Allgemeinen Relativitätstheorie in das Abstandsmaß eingearbeitet. Eine „Welle im Abstandsmaß" oder „Raum-Zeit-Welle" bedeutet demnach, daß sich Raum- und Zeitintervalle in dem Gebiet periodisch ändern, über das die Gravitationswelle hinweg-streicht. Also wird sich die relative Lage von Massen ändern. Um dies festzustellen, müssen wir Maßstäbe und Uhren haben, die sich nicht in gleicher Weise mitverändern.

 Die Rechnung im Rahmen der Schwachfeld-Näherung der Allgemeinen Relativitätstheorie zeigt, daß Gravitationswellen wie die elektromagnetischen Wellen transversal sind. Das bedeutet, daß die Schwingungsrichtung senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle ist. Wenn eine solche Welle über Massen hinwegläuft, so werden diese in Ebenen senkrecht zur

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Ausbreitungsrichtung der Welle relativ zueinander beschleunigt. Zum Beispiel wird ein Kreisring von Teilchen durch die Gravitationswelle in einer Richtung gestreckt und in einer anderen gestaucht. Während elektrische Wellen durch schwingende Ladungs-Dipole erzeugt werden, wie sie Sendeantennen darstellen, gibt es keine Massen-Dipolmomente. Für Gravitationswellen brauchen wir zeitlich veränderliche Massen-Quadrupole. Einen „Quadrupolformel" genannten Ausdruck für die pro Sekunde abgestrahlte Energie der Gravitationswellen leitete Einstein schon 1916 her.

 Die als Meßinstrumente zunächst benutzten Geräte waren tonnenschwere, gegen jede Art von Erschütterungen isolierte, tiefgekühlte Aluminium-Zylinder, die durch eine darüberstrei-chende Gravitationswelle zu einer Eigenschwingung in der Größenordung von 1-2 Kilohertz angeregt werden sollten. Diese Eigenschwingung würde dann nach Umwandlung in eine elektrische nachgewiesen werden können. Relative Lageänderung der Zylinderteile von 10-18 cm sind an solchen Instrumenten schon gemessen worden. Nach anfänglichem Optimismus und abgeschlossenen Wetten darüber, in welchem Jahr Gravitationswellen gefunden sein würden, stellte sich dann durch genauere Überlegung heraus, daß die Intensität der vermuteten Strahlungsquellen noch um drei Zehnerpotenzen unterhalb dessen lag, was die heutigen Zylinder-Detektoren nachweisen können.

  Die neueste Generation von wesentlich empfindlicheren Detektoren ist im Vorversuch erprobt und hat den Meßbetrieb aufgenommen. Das Meßprinzip ist das des Interferometers: Lichtstrahlen werden in den zwei Armen eines solchen Instruments hin und her reflektiert und dann zur Interferenz gebracht. Eine über das Interferometer hinweglaufende Gravitationswelle würde die Länge von Interferometerarmen, die etwa senkrecht zueinander gerichtet sind, verschieden beeinflussen und damit das Interferenzbild ändern. Die Empfindlichkeit hängt von der Länge des Lichtweges ab. Um eine Chance des Nachweises bei den zu erwartenden Intensitäten zu haben, müßten die Interferometerarme Hunderte von Kilo-

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metern lang sein. Durch Spiegel, mit denen das Licht an beiden Enden der Laufstrecke hunderte Male reflektiert wird, können die Arme jedoch auf die Größenordnung von Kilometern verkürzt werden. Bei jeder Reflektion verliert das Licht an Intensität, so daß dieser Trick nicht beliebig oft benutzt werden kann. Der GEO-600-Detektor in der Nähe von Hannover hat eine Armlänge von 600 m und begann 2002 mit den Messungen (relative Empfindlichkeit von 10-21 bei 100-500 Hertz). Dieser Detektor arbeitet mit den beiden LIGO-Detek-toren in den USA zusammen, die jeweils eine Armlänge von 4 km haben und 3000 km voneinander entfernt sind. Die Gravitationswelle erreicht die Detektoren in Livingston, Louisiana, und Hanford, Washington, zu einer leicht verschiedenen Zeit.

 Als Entstehungsmechanismen für Gravitationsstrahlung werden Supernova-Explosionen, also der Kollaps von Sternmaterie zu einem Neutronenstern oder, sehr viel seltener, die letzte Phase des Umlaufs miteinander verschmelzender Doppelsterne angenommen. Von den letzteren Ereignissen könnten in einer Umgebung um uns von einem Radius von 450 Millionen Lichtjahren vielleicht drei jährlich gemessen werden. Gravitationswellen von solchen Quellen wurden noch nicht entdeckt. Seit 1974 wird aber ein Doppelstern-System beobachtet, der sog. Binärpulsar PSR 1913 + 16, dessen einer Teilstern Radiopulse von fast 60 Millisekunden Dauer ausstrahlt. Pro Jahr erfolgen etwa 1000 Umläufe der Sterne umeinander. Daher konnte das System seither mit großer Genauigkeit vermessen werden. Es zeigt sich, daß die Umlaufgeschwindigkeit mehr als zehnmal größer ist als die Umlaufgeschwindigkeit der Erde um die Sonne und daß die Massen beider Sterne fast das Eineinhalbfache der Sonnenmasse haben: Es liegt ein relativistisches System vor. Die wichtigste Beobachtung ist aber, daß die Bahnperiode des Pulsars im Laufe der Zeit abnimmt; die relative Änderung ist zwar winzig, aber feststellbar, nämlich ca. —2,4.10-12. Unter der Annahme, daß die Verlangsamung des Umlaufes durch Abstrahlung von Gravitationswellen erklärt werden kann, ergibt die Anwendung von Einsteins Qua-drupelformel eine verblüffende Übereinstimmung mit dem

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beobachteten Wert. Daher sprechen viele Astrophysiker von einem ersten indirekten Nachweis der Gravitationsstrahlung an diesem System.

  Stärkste Signale für die mit den Messungen beginnenden Gravitationswellen-Detektoren GEO und LIGO könnten von zwei miteinander verschmelzenden Schwarzen Löchern kommen; die schwierige numerische Analyse dieser Situation mit Hilfe der Einsteinschen Feldgleichungen der Gravitation ist weltweit Gegenstand intensiver Forschung z. B. am Max-Planck-Institut für Gravitationsforschung in Golm und an der Universität Jena.

  Im September 2015 wurde die Messung eines ersten Gravi-tationswellensignals von LIGO bekannt gegeben. Es soll von zwei Schwarzen Löchern mit jeweils 30 Mo stammen, die in einer Spiralbahn zusammenstürzten. Danach blieb ein einziges Schwarzes Loch übrig. Die Entfernung der Quelle von der Erde soll ca. 1,3 • 109 Lichtjahre betragen. Es ist abzuwarten, ob und wann weitere Signale gemessen werden können. Wenn nun vom Beginn eines Zeitalters der Gravitationswellen-Astronomie geredet wird, so ist das gegenwärtig blühende Phantasie.

  Den klassischen Gravitationswellen würden in einer Quantentheorie der Gravitation, die trotz vieler Bemühungen noch nicht zustande gekommen ist, Quanten entsprechen. Diese Quanten, die den Spin 2 haben würden, heißen Gravitonen; aber bisher stecken sie noch ausschließlich in den Köpfen der Physiker.



12. Milchstraßen und Kosmologie

Erbsenzählerei oder Begegnung mit dem Unendlichen?



Kosmos, Weltall, Universum. Häufig lesen wir diese Wörter in den Zeitungen und oft begleitet von Behauptungen über spektakuläre Veränderungen unseres Weltbildes. In der Zeitungssprache beginnt das Weltall fast schon vor unserer „Haustüre", jedenfalls gehört der Raum zwischen Erde und Mond dazu. In ihm bewegen sich die Raumschiffe und Astronauten, die mit dem aus dem Russischen stammenden Ausdruck auch „Kosmonauten" genannt werden. Aber eigentlich ist klar, daß „Kosmos" doch etwas Größeres sein muß, das größte denkbare System, das alles umfaßt. Deswegen sprechen wir ja von dem Einen, dem „Universum". Allen Ernstes müßte jeder Schmetterling und jeder Windhauch, jedes Gedicht und jeder Klang mit eingeschlossen sein. Und natürlich unsere Gedanken, die schon gedachten und die noch zu denkenden. Das ist aber zuviel des Guten — jedenfalls, wenn wir eine Wissenschaft betreiben wollen, aus der in endlicher Zeit etwas Praktisches folgt.

  In der Physik müssen wir uns beschränken und uns Menschen, unsere individuellen und gesellschaftlichen Probleme, sowie die ganze Biosphäre aus der Beschreibung des „Kosmos" ausgrenzen. Übrig bleibt allein die unbelebte Materie in Form von großen massiven Körpern wie Planeten, Sternen, Haufen von Sternen, Milchstraßen (auch Galaxien genannt) und größeren Systemen, die durch die Schwerkraft aufeinander einwirken. Das sind die Objekte der physikalischen Kosmologie. Für sie können wir hoffen, etwas von der „Ordnung" zu erfahren und zu begreifen, die das Wort „Kosmos" ausdrückt. Im Vergleich mit den frühen kosmologischen Mythen voller Götterstreit und voller gewalttätiger Natur ist das physikalische System Kosmos recht langweilig; das ist der Preis, den wir dafür entrichten müssen, damit der „Kosmos" naturwissenschaftlich erfaßbar wird. Die „Begegnung mit dem Unend-



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lichen" reduziert sich auf das Studium von „Randpunkten"

der Raum-Zeit. Die physikalische Kosmologie weitet den Erfahrungsbereich von der nächsten Umgebung der Erde und

des Planetensystems zu immer größeren massereichen Systemen aus — in Abhängigkeit von der Entwicklung der Beobachtungsinstrumente (Teleskope, Energiemeßgeräte usw). Was sie „Kosmos" nennt, ist also kein ein für allemal definiertes System, sondern ein von den Kenntnissen der jeweiligen Zeit abhängiges Gebilde. Auch das unterscheidet die physikalische Kosmologie vom Kosmosbegriff der Philosophen und Theologen. Als wichtigste Züge des Bildes vom physikalischen Kosmos werden wir finden, daß er eine Geschichte besitzt, in der sich seine Eigenschaften stark geändert haben und daß diese Geschichte sich nicht beliebig lange in die Vergangenheit fortsetzen läßt.

12.1 Was wir vom Kosmos erfahren

Jede unmittelbare Information über die großräumige Verteilung von Massen in Form von Sternen, Sternhaufen, Gaswolken, Staub, Galaxien, quasistellaren Radioquellen (Quasare), Haufen von Galaxien usw. erhalten wir als elektromagnetische Signale im ganzen Wellenlängen-Spektrum (von Röntgenstrahlen über Mikro- zu Radiowellen) oder in Form von hochenergetischen Teilchen der Ruhmasse Null (y-Quanten, Neutrinos). Wir „sehen" die strahlenden Objekte in einer bestimmten Richtung am Himmel oder über einen ganzen räumlichen Winkelbereich ausgedehnt.

  Aber wie weit sind sie von uns in der Sichtlinie entfernt? Das ist eine entscheidende Frage der Kosmologie. In unserer nächsten Umgebung können wir Entfernungen mit Hilfe der Dreiecksgeometrie aus einer Grundlinie und zwei Winkeln bestimmen. Als Grundlinie dient etwa die (mittlere) Entfernung der Erde von der Sonne, die sog. astronomische Einheit (abgekürzt: a. u.; 1 a. u. = 1,496.108 km). Als Parallaxe wird die Hälfte des Winkels gegenüber der Grundlinie definiert. Auf die astronomische Einheit bezogen, bedeutet 1 parsec (Ab-

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kürzung 1pc) die Entfernung eines Objektes, dessen Parallaxe

eine Bogensekunde beträgt: 1pc       3600.180 a.u.        3,26 Lj;

ein Lichtjahr (Lj) entspricht 0,946 • 1013km. Da Winkel gegenwärtig aber nur bis zur Größenordnung von zwei tau-sendstel Bogensekunden gemessen werden können (im Radio-

diese. Mexbocle. •£‘...12c bis -L.N3.           Nv:s‘N.

SO0 .pc axyw exuSibaz

  Für weiter entfernte Objekte werden indirektere Methoden benutzt. Je näher ein Stern, desto heller wird er sein. Der Ver-such, über die von unseren Instrumenten gemessene Helligkeit weiterzukommen, bietet sich an. Der gesamte Energiefluß, al-so die pro Sekunde abgegebene Energie eines strahlenden Objektes, heißt Leuchtkraft L; die auf die senkrecht zur Sichtlinie ausgerichtete Fläche eines Strahlungsmeßgerätes fallende Energie pro cm2 und Sekunde wird als scheinbare Leuchtkraft 1 (auch: scheinbare Helligkeit) bezeichnet. Die Leuchtkraft eines von uns d km entfernten Sterns verteilt sich auf eine Kugelfläche vom Flächeninhalt 4'rd2. Damit folgt L = 4,rd2 • 1. Würden wir 1 und L kennen, so könnte die Entfer-nung d bestimmt werden. Wir müssen aber Annahmen über die nicht direkt meßbare Leuchtkraft L des entfernten Objek-tes machen. Dabei hilft die Erfahrung der Astronomen weiter: Es gibt Sterne, sogenannte Standardkerzen, die alle dieselbe Leuchtkraft zu haben scheinen. Etwa die Delta-Cepheiden; das sind veränderliche Sterne mit einer zwischen einem Maximum und einem Minimum schwankenden Helligkeit. Die Schwankungen sind regelmäßig mit Perioden zwischen Stun-den und 50 (selten 100) Tagen. Die Astronomin Henrietta Leavitt (1868-1921) entdeckte solche Sterne in den Magellan-schen Wolken und einen Zusammenhang zwischen ihrer scheinbaren Leuchtkraft und der Periode. Es liegt nahe anzu-nehmen, daß alle Cepheiden-Sterne mit der gleichen Hellig-keitsperiode auf Grund eines bei allen gleichartig ablaufenden physikalischen Prozesses dieselbe Leuchtkraft L haben. Ist et-wa ein Cepheiden-Stern im trigonometrisch vermessenen Sternhaufen Hyaden gefunden, so läßt sich aufgrund der be-kannten Entfernung seine Leuchtkraft berechnen. Finden wir

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nun weit entfernte Cepheiden derselben Periode, deren scheinbare Leuchtkraft gerade noch gemessen werden kann, so kann nach der oben angegebenen Formel die Entfernung d ausgerechet werden. Mit dieser Methode können Entfernungen in unserer Milchstraße und darüber hinaus bestimmt werden. Es zeigt sich, daß die 1013 Sterne unserer Milchstraße eine zur Mitte hin angedickte Scheibe mit einem Radius von ungefähr 30000 pc bilden. Auch andere Milchstraßen (Galaxien) in der Nähe der unsrigen, wie die große und die kleine Magellansche Wolke, enthalten Cepheiden. Dadurch wurde ihre Entfernung zu ca. 50 • 103 pc berechnet. Seit der Reparatur des Teleskops im „Hubble"-Satelliten lassen sich sogar Cepheiden in der Virgo-Galaxie abbilden: Sie ist ungefähr 16 • 106 pc von uns entfernt. Das ist schon fast unvorstellbar: Das Licht von dort ist über 50 Millionen Jahre zu uns unterwegs gewesen! Als es abging, waren auf der Erde die Dinosaurier schon ausgestorben. Wie diese Galaxie heute aussieht, können Menschen auf der Erde erst in weiteren 50 Millionen Jahren wissen, falls die Menschheit solange überlebt und ihr wissenschaftliches und technisches Niveau behält. An diesen Daten über einige wenige große Massen im Kosmos ergibt sich, daß wir niemals eine „Momentaufnahme" des Kosmos bekommen können, sondern nur ein Bild vergangener Zustände. Unsere Erfahrung von den von uns entfernten Körpern ist eine museale: Wir beobachten diese fernen Teile des Kosmos wie sie einmal waren, nicht wie sie jetzt sind. Das liegt an der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit aller Information; wir erhalten sie ausschließlich aus Richtungen auf dem Lichtkegel bzw. aus seinem Inneren: in Form etwa von massiven Teilchen der kosmischen Höhenstrahlung. Im Prinzip ist die Vergangenheit erdgeschichtlicher Epochen, abgebildet durch das gestreute Sonnenlicht, noch als Signal in den Weiten des Kosmos unterwegs.

  Aufgrund der Entfernungsmessungen ergibt sich folgende Verteilung der leuchtenden Materie in unserer „Nachbarschaft": Etwa 30 Galaxien bilden eine Materieverdichtung von = 1 Mpc (1 Megaparsec = 106 pc) Durchmesser, einen

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sog. Galaxienhaufen, der Lokale Gruppe genannt wird und zu dem neben den Magellanschen Wolken auch der Andro-meda-Spiralnebel gehört. Andere Galaxienhaufen folgen wei-ter draußen, wie Ursa Major, Centaurus und Virgo. In noch größerer Entfernung lassen sich mit den gegenwärtig arbei-tenden Teleskopen keine Cepheiden mehr abbilden, so daß andere Verfahren der Entfernungsbestimmung angewandt werden müssen, etwa mittels der Supernovae vom Typ I a, einer Art explodierender Sterne. Durch das Hubble-Weltraum-Teleskop wurde bisher leuchtende Materie in Entfernungen von bis zu 4000 Mpc gefunden. Es gibt viele Anzeichen dafür, daß die Galaxien und Galaxienhaufen auf den größten beob-achteten Längenskalen in einer netz- oder wabenähnlichen Struktur angeordnet sind. Sie umschließen „voids" genannte „Hohlräume". Das sind Bereiche mit sehr viel geringerer Ma-teriedichte von einer Ausdehnung von 50-100 Mpc.

  All diese Objekte sitzen nun nicht still auf ihrem Platz am Himmelsgewölbe, den ihnen Aristoteles zuweisen wollte, son-dern bewegen sich relativ zueinander und zu uns. Die Sonne etwa läuft mit = 220 km/s um das galaktische Zentrum und mit ungefähr 300 km/s relativ zum Massenschwerpunkt der Lokalen Gruppe. Wie ordnen wir dieses von unserer irdischen Warte aus allerdings nur nach präziser Beobachtung erfaß-bare Gewimmel am Sternhimmel? Gibt es denn ein Bezugs-system, auf das wir uns verlassen können? Glücklicherweise ja! Seit 1964 ist eine Strahlung im Mikrowellenbereich be-kannt, die sog. Kosmische Hintergrundstrahlung. Ihre Ener-gieverteilung als Funktion der Wellenlänge entspricht der Wärmestrahlung eines außerordentlich kalten Körpers von ca. 2,7 K. Zum Vergleich: Die Verflüssigungstemperatur von Helium ist ca. 4,2 K! Da sie die Temperaturstrahlung der ge-samten Materieverteilung im Kosmos zu einer früheren Zeit, in der sich Elektronen mit Kernen rekombinierten, darstellt, ist sie in hohem Maße isotrop (richtungsunabhängig). Das Bezugssystem, in dem die kosmische Hintergrundstrahlung isotrop ist, kann als ausgezeichnetes Bezugssystem dienen. Hierauf beziehen wir die Eigenbewegungen der Galaxien und

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Galaxienhaufen. So bewegt sich etwa die Lokale Gruppe gegenüber diesem System mit ca. 600 km/s.

  Daß es ein bevorzugtes Bezugssystem gibt, steht nicht im Widerspruch zur Relativitätstheorie. Jedes andere Bezugssystem ist gleichberechtigt, auch wenn die Beschreibung der Bewegungsvorgänge in ihm komplizierter sein kann.

 Die kosmologische Hintergrundstrahlung ist einer der drei empirischen Grundpfeiler, auf denen unsere gegenwärtige Vorstellung vom Kosmos beruht. Die beiden anderen sind der Hubble-Fluß und die Verteilung der chemischen Elemente. Der Hubble-Fluß, der nach dem Astronomen Edwin Powell Hubble (1889-1953) benannt ist, beschreibt das gemeinsame Auseinanderlaufen und Von-uns-Wegstreben der Galaxien. Die Ausmessung der Spektren von Galaxien an den großen Teleskopen in den USA zeigte ab 1913, daß die überwältigende Mehrzahl eine Rotverschiebung der Spektrallinien aufweist. Wird sie mit Hilfe des Dopplereffektes gedeutet, so heißt dies, daß alle diese Galaxien von uns und voneinander fliehen. Hubbles Beitrag war die erste genaue Erprobung der Entfernungsmessung mittels der Perioden-Leuchtkraftbezie-hung der Cepheiden-Sterne. Die wenigen beobachteten Blauverschiebungen wie zum Beispiel am Andromedanebel weisen auf die oben erwähnten Eigenbewegungen hin, die sich der allgemeinen „Nebelflucht" überlagern: Innerhalb der Lokalen Gruppe bewegt sich die Andromeda-Galaxie eben auf unsere Milchstraße zu, während der Schwerpunkt der Lokalen Gruppe sich von den Massenmittelpunkten der anderen Ga-laxienhaufen entfernt. Dabei ist vorausgesetzt, daß sich die kosmische Expansion nicht innerhalb der Galaxien und Gala-xienhaufen bemerkbar macht. Diese sind also die „starren Maßstäbe", mit denen die Veränderungen auf der größten kosmischen Längenskala ausgemessen und die mit den starren Maßstäben auf der Erde abgeglichen werden. Auch die kosmologische Konstante wirkt sich „lokal" nicht aus.

  Als dritte Säule für die gegenwärtige Vorstellung vom physikalischen Kosmos ziehen wir die beobachtete Häufigkeitsverteilung der chemischen Elemente heran. Wieder schließen

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wir aus Absorptions- oder Emissions-Spektren auf das Vorkommen von bestimmten Elementen in Bereichen der Milchstraße und in entfernteren Objekten. Neben Wasserstoff ist 4He das einzige Element, dessen Vorkommen bisher sicher auch außerhalb unserer Milchstraße beobachtet wurde. Die Beobachtung extragalaktischen Deuteriums in quasaren Absorptionslinien ist in einigen Arbeiten publiziert. Helium ist das zweithäufigste Element im Kosmos nach dem Wasserstoff mit ca. 25% relativer Häufigkeit. Inzwischen ist bekannt, daß das Innere von Sternen vom Typ der Sonne wie ein Fusionsreaktor arbeitet: Protonen, also Wasserstoff-Kerne, werden zu Helium-Kernen unter Abgabe der Bindungsenergie ver-schmolzen.1 Die Helium-Kerne können mit weiteren Protonen zu Beryllium, Lithium, Bor und höheren Elementen wie Kohlenstoff und Sauerstoff reagieren. Am Ende der „Brennzeit" eines stellaren Fusionsreaktors sind die leichten Elemente wie Wasserstoff, sein schwereres Isotop Deuterium und Helium in der Synthese der höheren Elemente fast völlig aufgebraucht worden. Nur ca. 5% des beobachteten Heliums bleiben nach der Nukleosynthese in Sternen übrig. Das folgt aus Sternent-wicklungsrechnungen, die wiederum durch die Beobachtung der von den Sternen abgegebenen Energien und ihrer Atmosphären überprüft werden. Es muß also noch weitere Mechanismen zur Erzeugung der leichten Elemente geben. Eine genaue Rechnung zeigt, daß bei Temperaturen von Milliarden Grad Kernreaktionen ablaufen können, welche die leichten Elemente in ausreichender Menge synthetisieren. Wo und wann gibt bzw. gab es solche mörderischen Temperaturen im Kosmos? In den Sternen selbst herrschen Temperaturen „nur" von einigen Millionen Grad. Es liegt nahe, zu vermuten, daß der Kosmos in einer früheren Zeit so heiß gewesen ist und sich seither abgekühlt hat. Das paßt mit der Beobachtung der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung und mit der Vorstellung,

  1 Da kein funktionierender Fusionsreaktor existiert, wäre es ehrlicher, gerade umgekehrt zu formulieren: Ein Fusionsreaktor soll so ähnlich arbeiten wie die Zentralregion der Sonne.

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daß sich der Kosmos immer weiter ausdehnt (Hubble-Fluß), zusammen. Aus der Thermodynamik wissen wir, daß sich ein expandierendes Gas, das mit seiner Umgebung keine Wärme austauschen kann, abkühlen muß (adiabatische Expansion). Das wird bei Kältemaschinen angewandt. Und mit welchem Gebilde sollte das „Galaxien-Gas" denn Wärme austauschen? Wenn sich die Temperatur in einem Jahr nur um 1 Grad Kelvin abgekühlt hätte, so müßte der Kosmos jetzt Milliarden Jahre alt sein.

  Dieses Mindestalter muß er andererseits auch haben, da die ältesten Gesteine auf der Erde schon ca. 3,7 • 109 Jahre, die ältesten Meteoriten ca. 4,6 • 109 Jahre alt sind. Diese Altersangaben, deren Genauigkeit 1-2 Prozent beträgt, folgen aus dem Zerfall radioaktiver Elemente in den Gesteinsproben. Den ältesten Sternen wird sogar ein Alter von über zehn Milliarden Jahre zugemessen.

12.2 Grundannahmen der kosmologischen Modellbildung

Da wir das Universum von einem festen Platz aus beobachten müssen, da entzifferbare Nachrichten von intelligenten Bewohnern ferner Bereiche ausstehen, bleibt uns nichts anderes übrig, als unser örtliches Gebundensein durch geistige Beweglichkeit zu ersetzen. Wir müssen Annahmen machen, die noch nicht oder sogar niemals durch messende Erfahrung verifiziert werden können. Solche Hypothesen dürfen allerdings nicht zu überprüfbaren inkonsistenten Folgerungen führen.

  Eine Hypothese ist, daß die physikalischen Gesetze, wie sie hier und heute gelten, überall anderswo im Kosmos und zu allen Zeiten gültig waren und sind. Weiter setzen wir voraus, daß der Kosmos nicht aus unzusammenhängenden Stücken besteht, zwischen denen kein Informationsaustausch möglich ist. Und schließlich erweitern wir unseren lokalen Erfahrungshorizont (Erde, Planetensystem) auf den ganzen Kosmos durch Annahme des sog. kosmologischen Prinzips: „Zu einer festen Zeit ist kein Ort im Kosmos vor einem anderen ausgezeichnet." Da dieser Satz in der physikalischen Kosmologie nur auf

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die Materieverteilung angewandt wird, ist er zwar einschränkend für die Modellbildung, aber sonst nicht weiter aufregend. Die Existenz eines Mittelpunkts des Kosmos ist damit ausgeschlossen oder, anders ausgedrückt: Jeder Punkt im Kosmos ist dessen Mittelpunkt. Die durch das kosmologische Prinzip geforderte homogene Materieverteilung ist völlig strukturlos.

  Im Bild des Kosmos der Theologen und Philosophen dagegen drückt das kosmologische Prinzip eine ganze Weltanschauung aus; es raubt der Erde und dem Geschehen auf ihr jede besondere Bedeutung im Kosmos. Vor Jahrhunderten waren öffentliche Äußerungen dazu in Teilen des christlichen Europa lebensgefährlich; solche Tendenzen gibt es heute in anderen Religionen.

  Wie paßt die angenommene Homogenität der Materieverteilung zu ihrer Beobachtung als klumpig verteilte Galaxien und Galaxienhaufen? Nun, für die Modellbildung wird die tatsächliche Situation durch Mittelbildung vereinfacht: Über Skalen von 100-200 Mpc ergibt sich ein fast gleichmäßiges Vorkommen der Sternsysteme. Die tatsächliche Verteilung der Materie in Form von Galaxien und der anderen Überstrukturen muß dann durch Strukturbildungstheorien erklärt werden. An solchen Theorien wird eifrig gearbeitet, bisher noch mit bescheidenem Erfolg. In der winzigen, aber meßbaren Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung müssen sich die Keime der heute erkennbaren Strukturen wiederfinden lassen. Im Unterschied zum Raum nehmen wir für die Zeit kein Homogeni-tätspostulat an. Es kann also ausgezeichnete Zeitpunkte geben, wir dürfen von der Geschichte des Kosmos sprechen. In der Tat zeigt sich, daß die gegenwärtig mit den Beobachtungen am besten verträglichen kosmologischen Modelle auf ein endliches „Alter" des Kosmos zwischen 10 und 20 Milliarden Jahren führen, genauer auf (13,798 ± 0,037) • 109 Jahre.

12.3 Das Standardmodell

Die über die größten Beobachtungsskalen ausgemittelte Materieverteilung modellieren wir in der Form eines strömenden

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Gases oder einer Flüssigkeit ohne Strudel: Die fiktiven Flüssigkeitsteilchen entsprechen der großräumig verteilten Materie in Form von Galaxien und Haufen von Galaxien. Durch diese Annahme haben wir die Existenz eines momentanen Ruh-systems zugelassen, also eines von allen mitschwimmenden Teilchen gebildeten Systems, in dem sie ruhen. Das momentane Ruhsystem soll dem dreidimensionalen Gleichzeitigkeits-Raum zu einem festen Zeitpunkt entsprechen; an unserem Ort im Universum ist das gerade der Anschauungsraum. Der dadurch eingeführte Zeitparameter heißt kosmologische Zeit oder Epoche und hat einen absoluten Charakter. Wir identifizieren ihn mit der Atomuhr-Zeit. Es ist offensichtlich, daß wir Uhren auf Galaxien, die Millionen von Lichtjahren voneinander entfernt sind, nicht mit dem in Kapitel 3 geschilderten Verfahren synchronisieren können. Nehmen wir weiter an, daß jedes Materieteilchen dieser kontinuierlich verteilten Galaxien und Galaxienhaufen im Gravitationsfeld aller anderen frei fällt, und beschreiben die Schwerkraft durch die Einstein-sche Allgemeine Relativitätstheorie, so haben wir die wesentlichen Eingaben für das kosmologische Standardmodell beisammen.

 Aus den Einsteinschen Feldgleichungen folgen dann die Friedman-Lemaitreschen kosmologischen Lösungen (nach dem Mathematiker und Meteorologen Alexandrej Friedman [1888-1925] und dem Jesuiten und Astrophysiker Georges Lemaitre [1894-1966]). Sie werden durch Gleichzeitigkeits-räume konstanter Krümmung beschrieben und durch eine Funktion der Zeit, die oft Weltradius S(t) genannt wird. Direkt gemessen werden kann dieser „Radius" nicht. Seine Zeitabhängigkeit beschreibt die Expansion des Kosmos und kann mit dem beobachteten Hubble-Fluß zusammengebracht werden. Die relative Änderung des Weltradius zur Jetztzeit heißt Hubble-Parameter und ist ein Maß für den Hubble-Fluß. Die Genauigkeit der Bestimmung dieses Parameters ist in den letzten Jahren etwas verbessert worden; jetzt angegebene Werte liegen um 74 km/s pro Mpc mit einem Fehler von ca. 5 %. Auch gibt es Hinweise auf eine relative zeitliche

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Änderung des Hubble-Parameters, das heißt auf eine Beschleunigung der Expansion zur Jetztzeit.

 Was die Gleichzeitigkeitsräume betrifft, so gibt es drei Typen von Räumen konstanter Krümmung: wenn diese verschwindet oder positiv oder negativ ist. Die drei Möglichkeiten werden durch einen Parameter k beschrieben, der die Werte k = 0, +1, —1 annimmt. Der erste Fall k = 0 ist der des euklidischen Anschauungsraums, den uns unsere Sinne in unserer allernächsten Umgebung vorspiegeln. Er läßt sich in jeder Dimension ohne Grenze fortsetzen, ist also unendlich ausgedehnt. Es ist allerdings möglich, durch Identifikation von Punkten die globalen Verhältnisse zu ändern. Denken wir an ein rechteckiges Blatt Papier, und rollen wir es zu einem Zylinder auf. Hierbei werden die rechte und die linke Kante (oder die obere und untere) identifiziert. Wir stellen uns das aufgerollte Blatt als 2-dimensionalen Minkowski-Raum vor. Die Zeitachse soll in die Richtung der Zylinderachse fallen. Auf dieser Zylinder-Welt treffen sich die Strahlen des Lichtkegels in einem Ereignis nach der Umrundung des Zylinders wieder in einem Punkt. Die Zusammenhangsverhältnisse sind also völlig anders als in der euklidischen Ebene. Die innere Krümmung ändert sich durch die Identifizierung von Punkten jedoch nicht. In unserem Beispiel bleibt sie Null.

 Die zweite Möglichkeit (k = +1) ist in Abschnitt 9.1 dadurch anschaulich gemacht worden, daß Schnitte durch einen „Großkreis" jeweils eine Kugel ergeben. Wesentlich ist, daß der Gleichzeitigkeitsraum von endlicher Ausdehnung, aber unbegrenzt ist, eben wie die Kugeloberfläche. Ein in diesem Fall für den expandierenden Kosmos zur Veranschaulichung oft benutztes Bild ist das eines mit Galaxien-„punkten" bedruckten Luftballons, der aufgeblasen wird. Alle Punkte auf dem Luftballon entfernen sich im Laufe der Zeit voneinander. Irreführend an diesem Bild ist aber, daß sich der Luftballon in den dreidimensionalen Gleichzeitigkeitsraum hinein ausdehnt, wir uns für die Expansion dieses dreidimensionalen Raumes selbst jedoch keinen höherdimensionalen Einbettungsraum vorstellen müssen und auch gar nicht können.

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  Die Gleichzeitigkeitsräume konstanter negativer Krümmung (k = —1) sind, von komplizierten topologischen Konstruktionen abgesehen, räumlich unendlich. Manchmal wird versucht, sie als Sattelflächen anschaulich darzustellen.

  Alle drei Familien von Lösungen haben einen zeitlichen Anfang, der durch ein unbeschränktes Anwachsen von Materiedichte und Temperatur gekennzeichnet ist. Er wird als explosiver Beginn der Entwicklung des Universums dargestellt und salopp „Urknall" genannt: Der „Weltradius" wächst vom Wert Null an mit einer Potenz der Zeit. Zuerst dominiert Strahlung; nach der Bildung der einfachsten Elemente dann Materie. Im Fall k = +1 existiert auch ein Endpunkt der Entwicklung, in dem nach maximaler Verdünnung der Materie im Kosmos diese sich wieder zusammenzuziehen beginnt und erneut in einen „Punkt" komprimiert wird. Er könnte endgültiger Zusammenbruch oder „Endplumps" genannt werden. In beiden anderen Modellen (k = 0, —1) folgt zeitlich unbegrenzte Verdünnung der kosmischen Materie: Im expandierenden Kosmos erfriert und erstickt alles Leben. (Vgl. Abb. 9 für die Darstellung der 3 Modelle.)

  Welches dieser Modelle die beobachtete großräumige Materieverteilung am besten beschreibt, läßt sich heute noch nicht entscheiden. Aus der Interpretation der winzigen aniso-tropen Anteile der kosmischen Hintergrundstrahlung ergeben sich flache Gleichzeitigkeitsräume. Aufgrund der Messung des Hubble-Parameters und der Schätzungen über das Alter der ältesten Objekte im Kosmos wissen wir, daß wir uns auf einem ansteigenden Ast des Weltradius als Funktion der Zeit befinden — noch vor dem möglichen Maximum zum Zeitpunkt einer Bewegungsumkehr (Kontraktion statt Expansion), falls diese stattfindet. Eine eindeutige Festlegung des Modells ließe sich erst dann erreichen, wenn die Materieverteilung im Kosmos genau bekannt wäre. Wir sehen nur die leuchtende Materie in Form von Galaxien und strahlenden Gaswolken. Die beobachtete Dynamik von Galaxienhaufen und Spiral-galaxien gibt jedoch Hinweise darauf, daß mindestens zehnmal mehr Materie vorhanden sein muß: Die sichtbaren Ob-

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12.4 Ausblick

Ein wichtiges ungelöstes Problem der Kosmologie ist das der Strukturbildung, also der Bildung der Galaxien, Haufen von Galaxien und der weiteren beobachteten Überstruktur aus der angenommenen gleichförmigen Verteilung der Materie beim Urknall im Standardmodell. Der Frühzustand des Kosmos,

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mit dem sich die theoretische Forschung intensiv befaßt, ist weitgehend unbekannt und empirisch kaum zugänglich. Daher schäumen waghalsige Extrapolationen und Spekulationen aller Art über. Angesichts der riesigen räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Kosmos und der erst wenigen Jahrzehnte wissenschaftlicher Kosmologie sollten wir bescheiden bleiben. Was kann eine Coli-Bakterie in unserem Darm schon von der Welt wissen? Sind wir im Vergleich zum Kosmos mehr als ein solches Lebewesen? Ertragen wir doch, daß nicht alle Rätsel der Welt während unserer Lebenszeit gelöst sein werden, und versuchen wir nicht, die mühsame Methode des Abgleichs von Theorien mit der messenden Erfahrung durch fantasievolle mathematische Kopfarbeit zu umgehen! Die Ein-steinschen Theorien mit ihrem kunstvollen Gewebe aus relativ und absolut enthalten auch ohne tollkühne Spekulation genügend viel mathematische Struktur und begriffliche Neuheit zu ernsthafter wie vergnüglicher Beschäftigung.






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Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Staatsbibliothek hinterlegt.
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® 2018 by D.Selzer-McKenzie
(Dr.of Molekularbiology and Genetics)
published by SelMcKenzie Media Publishing
auch als Hörbuch und eBook (ePUB)
ISBN , €uro 9,80  gesamt 752 Seiten
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