Genetic
CRISPR Cas 9 - Author Selzer-McKenzie
Author D. Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/8oKB3Wf5gOE
Die neue Gen-Revolution: Was man zu CRISPR/Cas wissen sollte
CRISPR/Cas9 - dieses merkwürdige Kürzel steht für ein neues
Verfahren, um DNA-Bausteine im Erbgut zu verändern, so einfach und präzise, wie
es bis vor kurzem unvorstellbar war. In der Welt der Gentechnik ist es wirklich
eine Revolution. Obwohl es aus Bakterien stammt, funktioniert CRISPR in nahezu
allen lebenden Zellen und Organismen: Es verspricht neue Möglichkeiten gegen
Aids, Krebs und eine Reihe von Erbkrankheiten – aber auch bei der Züchtung von
Pflanzen und Tieren. Schon jetzt ist darüber ein heftiger Streit entbrannt. Im
Kern geht es darum, ob solche Pflanzen oder Tiere als „gentechnisch verändert“
anzusehen sind oder eher natürlichen Mutationen gleichen.
CRISPR/Cas-System mit „Sonde“ (Guide RNA) und „Schere“
(Cas9-Protein) (oben). Wenn der DNA-Doppelstrang durchtrennt ist, kann er auf
verschiedene Weise wieder zusammengefügt werden: Im Regelfall gehen bei der
Reparatur an der Bruchstelle einzelne DNA-Bausteine verloren (nicht homologe
Rekombination, unten rechts). Die Folge: Das betreffende Gen kann nicht mehr
richtig abgelesen werden. Möglich ist auch, bei der Reparatur des Bruchs
einzelne DNA-Bausteile auszutauschen oder sogar Gen-Sequenzen einzufügen
(homologe Rekombination, Mitte und links).
CRISPR/Cas9 ist eine neue, molekularbiologische Methode, um
DNA gezielt zu schneiden und anschließend zu verändern. Auf diese Weise können
einzelne Gene – genauer: DNA-Bausteine – umgeschrieben oder „editiert“ werden.
Solche Verfahren, zu denen etwa auch Zinkfinger-Nukleasen oder TALEN gerechnet
werden, bezeichnet man daher zusammenfassend als Genome Editing.
Ursprünglich stammt das CRISPR/Cas-System aus Bakterien. Es
dient ihnen als eine Art Immunsystem, mit dem sie Angriffe von Viren erkennen
und abwehren können. Erst vor wenigen Jahren (2012) hatten zwei
Molekularbiologinnen (siehe Kasten links) die geniale Idee, daraus ein
molekularbiologisches Werkzeug zu entwickeln. Zur großen Überraschung
funktioniert es nicht nur bei Bakterien, sondern universal bei allen lebenden
Zellen – in menschlichen, aber auch in denen von Tieren und Pflanzen.
Im Kern laufen alle Genome Editing-Verfahren in drei
Schritten ab: Zunächst muss im riesigen Genom einer Pflanze – das oft aus
Milliarden Basenpaaren (DNA-Bausteine) besteht – punktgenau die Stelle gefunden
und angesteuert werden, bei der eine Änderung durchgeführt werden soll. Dazu
konstruiert man eine geeignet „Sonde“, die beim CRISPR-Verfahren aus
RNA-Abschnitten (auch Guide RNA genannt) besteht, die den DNA-Abfolge der
jeweiligen Zielsequenz entspricht. Wenn die Sonde diese „gefunden“ hat, dockt
sie dort an, um den DNA-Doppelstrang genau an dieser Stelle mit einer
molekularen „Schere“ zu durchschneiden - bei CRISPR ist es das Cas9-Protein,
welches an die RNA-Sonde gekoppelt ist.
Anschließend treten die zelleigenen Reparatursysteme in
Aktion: Sie flicken den durchtrennten DNA-Strang wieder zusammen - allerdings
meist mit kleinen Fehlern. Die Folge: Das betreffende Gen kann nicht mehr
richtig abgelesen werden und ist so blockiert. Möglich ist auch, dabei einzelne
DNA-Bausteine auszutauschen oder kurze Sequenzen neu in den DNA-Strang
einzubauen.
Der grundlegende Mechanismus - das Herbeiführen eines
Doppelstrangbruchs und die anschließende Reparatur mit kleinen Fehlern - ist
derselbe wie bei jeder zufälligen natürlichen Mutation. Auch die
Mutationszüchtung beruht auf diesem Vorgang. Nur werden dabei solche Brüche
durch Bestrahlung oder Chemikalien ausgelöst, unkontrolliert und in großer
Zahl. Der entscheidene Unterschied: Beim Genome Editing geschieht es präzise
nur an einer einzigen Stelle im Genom - genau an der, die für zu verändernde
Eigenschaft verantwortlich ist.
Gibt es bei CRISPR und den anderen Genome Editing-Verfahren
ähnliche Risiken wie bei der Gentechnik?
Genome Editing - und vor allem CRISPR - verringert die
Probleme, die aus den Zufälligkeiten der Züchtung erwachsen – das bedeutet
Zeit- und Kostenersparnis, aber auch mehr Sicherheit durch mehr Präzision. Das
unterscheidet die neuen Verfahren von der herkömmlichen Züchtung, aber auch von
der Gentechnik.
Bei der klassischen Gentechnik ist es vom Zufall abhängig,
an welcher Stelle im Genom einer Pflanze das neue Genkonstrukt integriert wird.
Daraus leiten Kritiker ein grundsätzliches Risiko der Gentechnik ab: Der
ungezielte Einbau des „fremden“ Gens in bestehende Gen-Regionen kann deren
Funktion beeinträchtigen und so die Eigenschaften einer Pflanze nachteilig
verändern. Solche „unbeabsichtigten Nebenwirkungen“ sind ein wesentlicher Grund
dafür, dass für gv-Pflanzen in fast allen Ländern der Welt Zulassungsverfahren
vorgeschrieben sind. Dort müssen die Hersteller die Sicherheit ihrer Produkte
nachweisen. Bisher hat dieses seit zwanzig Jahren praktizierte Konzept
funktioniert. Aber eine Zulassung für gv-Pflanzen ist so zeit- und
kostenintensiv geworden, dass nur noch große internationale Konzerne dazu in
der Lage sind.
Ein solches „Risiko“ zufälliger oder unbeabsichtigter
Veränderungen gibt es bei editierten Pflanzen kaum. Zwar ist es durchaus möglich,
dass das CRISPR/Cas-System den DNA-Strang an einer „falschen“ Stelle schneidet.
Da solche off-Target-Effekte etwa im medizinischen Bereich weitaus
gravierendere Folgen haben könnten als in der Pflanzenzüchtung, haben
Wissenschaftler sich schon länger mit diesem Problem beschäftigt. Viele hat es
erstaunt, wie präzise CRISPR/Cas funktioniert und wie selten solche Fehler
auftreten. Zudem wurden die molekularen Werkzeuge – CRISPR-Sonden und vor allem
weitere Varianten der Cas-Proteinscheren (etwa Cpf1) – inzwischen
weiterentwickelt und ihre Zielgenauigkeit noch einmal verbessert.
Eine Wissenschaftlergruppe um den Tübinger Detlef Weigel
(Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie) hat daher vorgeschlagen, die
durch Genome Editing herbeigeführten Erbgut-Veränderungen einer Pflanze genau
zu dokumentieren. Auch solle - etwa durch entsprechende Sequenz-Analysen -
belegt werden, dass keine Reste von eventuell vorher eingeführter Fremd-DNA im
Erbgut der Pflanzen mehr vorhanden sind. Trifft das zu, unterscheiden sich die
editierte Pflanzen und die jeweilige Ausgangspflanze nicht – bis auf die
gezielt herbeigeführte Mutation.
Die große Mehrheit der Wissenschaftler ist sich einig: Unter
diesen Voraussetzungen sollten editierte Pflanzen so eingestuft werden wie
herkömmlich gezüchtete.
„Keine Gentechnik durch die Hintertür“ – Ist diese Kampagne
gegen das Genome Editing gerechtfertigt?
Organisationen und Aktionsgruppen, die auch schon die
klassische Gentechnik bei Pflanzen abgelehnt haben, übertragen ihre seit Jahren
unveränderten Kritikpunkte einfach auf CRISPR und andere Genome Editing-Verfahren.
Zwar räumen sie ein, dass sich die meisten editierten Pflanzen nicht von
herkömmlich gezüchteten unterscheiden und deswegen das Verfahren auch nicht
nachweisbar ist. Entscheidend für die Bewertung solcher Pflanzen sei jedoch
nicht das fertige Produkt, sondern der Prozess, in dem es entstanden ist. Und
dabei handele es sich um Gentechnik.
In der Tat werden die für das Editieren erforderlichen
CRISPR-Werkzeuge – Guide-RNA und Cas-Schneideproteine – mit gentechnischen
Verfahren in eine Zelle eingeführt. Wenn jedoch die beabsichtigte Mutation
ausgelöst worden ist, werden sowohl die CRISPR-Werkzeuge wie das dafür
codierende Genkonstrukt nicht mehr benötigt. Die nunmehr überflüssigen
CRISPR-Werkzeuge werden aus der Zelle „entsorgt“. Das Genkonstrukt unterliegt
den Vererbungsgesetzen: Nach der Vermehrung ist es in einem Viertel der
Nachkommen nicht mehr vorhanden. Diese Pflanzen sind das Ziel: Erfolgreich
editiert, aber ohne von außen eingeführte Fremdgene. Nur mit ihnen wird
weitergearbeitet.
Am Ende bleibt eine Pflanze mit minimalen Veränderungen
einzelner DNA-Bausteine. Das Verfahren hat keine nachweisbaren molekularen
Spuren in der Pflanze hinterlassen. Wenn sich der editierte Bereich im Rahmen
dessen bewegt, was sich auch bei spontanen, natürlichen Mutationen ereignen
könnte, gibt es keinen rationalen Grund, das Produkt – die Pflanze – als
„gentechnisch verändert“ einzustufen. Editierte Pflanzen liegen in der Regel
näher an herkömmlicher Züchtung als an der Gentechnik. Besondere Vorschriften,
etwa besondere Kennzeichnungs- oder Anbaubestimmungen wie bei der Gentechnik,
wären am Produkt selbst ohnehin nicht kontrollierbar.
CRISPR/Cas in der Pflanzenzüchtung: Brauchen wir so was
überhaupt?
Dennoch halten gentechnik-kritische Verbände an ihrer
grundsätzlichen Anlehnung fest. Sie verweisen stereotyp auf nicht gekläre
Risiken und verstärken so die Ängste viele Verbraucher. Mögliche Chancen der
neuen Verfahren werden erst gar nicht ins Kalkül gezogen.
Allerdings sehen das in der Bio-Szene nicht alle so.
Wissenschaftler wie Urs Niggli vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau
(FIBL) wollen editierte Pflanzen nach ihren Produkteigenschaften bewerten,
nicht nach dem – ohnehin nicht nachweisbaren – Prozess. „Man sollte jede
Anwendung einzeln bewerten, statt diese Technik generell abzulehnen“, so Niggli
in einem Interview mit der taz (April 2016). Als sinnvolle Anwendungen nennt
er, Gene für Krankheitsanfälligkeit auszuschalten oder Resistenzgene aus der
verwandten Wildpflanze wieder in moderne Sorten einzuführen. „Da könnte man
tatsächlich in großem Maßstab Pestizide einsparen.“
Man kann mit CRISPR/Cas nicht alles machen. Es ersetzt auch
nicht alle anderen Züchtungsverfahren, sondern ist ein weiteres, in manchen
Fällen äußerst hilfreiches Werkzeug - etwa dann, wenn es um die
Widerstandsfähigkeit gegen Pflanzenkrankheiten geht. Oft sind solche
Eigenschaften im Verlauf der jahrhundertelangen Züchtung verloren gegangen.
Wenn entsprechenden Gene - oft in verkümmerter Form - noch vorhanden sind,
können sie mit Genome Editing wieder aktiviert werden. Oder die
Resistenzeigenschaften einer Kultursorte können damit schnell und mit
vergleichsweise wenig Aufwand den sich immer wieder ändernden Strategien der Krankheitserreger
angepasst werden.
Die Züchter müssen mit ihren Sorten nicht nur den sich
ändernden klimatischen Bedingungen gerecht werden, sondern auch Schädlingen und
Krankheitserregern immer einen Schritt voraus sein. Neue Verfahren wie
CRISPR/Cas, die den Züchtungsprozess deutlich schneller und zielgenauer machen,
können da von großem Vorteil sein.
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