Streaming Aktien
Author D. Selzer-McKenzie
YoutubeVideo:
https://youtu.be/OF7TSRdiDFM
Filme und Serien jederzeit und überall auf internetfähigen
Geräten anzuschauen liegt voll im Trend. Die Aktien der Branche - Amazon,
Netflix und bald auch Watt Disney - sind vielversprechend, doch nicht ohne
Risiko.
In der TV-Branche findet ein gewaltiger Umbruch statt.
Strea-men, das ist der neue Megatrend im medialen Zeitalter. Es wird nicht mehr
geschaut, was läuft, sondern auf Laptop, Smartphone und was auch immer Läuft
das, was man schauen will. In Sekundenschnelle werden Filme und Dokus aus dem
Netz heruntergeladen - und das jeder¬zeit und überall.
Zu den großen Streaming-Anbietern gehören Netflix und
Amazon. Netflix wurde 1997 ursprünglich als Online-Videothek gegründet.
Mittlerweile hat das Un¬ternehmen über 100 Millionen Abonnenten in 130 Ländern.
Eine ähnliche Verbreitung hat nur noch Ama-zon. Der Internetriese bietet sein
„Prime" genanntes Streaming-Angebot auch den Shopping-Kunden an. Wer Prime
abonniert hat, zahlt beim Einkaufen keine Ver¬sandgebühren. Die Zahl der Amazon
Prime-Abonnen-ten ist nicht genau bekannt. Die Experten von Consumer
Intelligence Research Partners schätzen, dass weltweit rund 85 Millionen Kunden
den Service nutzen könnten.
Andere Analysten gehen zwar von weniger Abonnenten aus,
einig sind sich jedoch alle darin, dass die Abonnentenzahl wächst. Natürlich
gibt es noch weitere Streaming-Anbieter wie Sky oder Maxdome, sie sind
allerdings bei Weitem nicht so erfolgreich. Der Streamingdienst Watchever des
französi-schen Vivendi-Konzerns wurde wegen chronischer Verluste Ende 2016
eingestellt.
Eigenproduzierte Inhalte locken Abonnenten. Die Gründe für
den Erfolg von Netflix und Amazon liegen in der einfachen Bedienbarkeit der
Plattformen und am schier unendlichen Angebot an Filmen und Serien. Die Inhalte
fallen jedoch nicht vom Himmel, denn sowohl Netflix als auch Amazon investieren
sehr viel Geld in die Erstellung eigener Inhalte, die inzwischen auch auf den
Geschmack der Zuschauer in den regionalen Märkten zugeschnitten sind. Kritiker
merken zwar immer wieder an, dass die Produktionskosten von Serien wie „House
of Cards" die Bilanz auf der Kostenseite stark belasten würden. Das stimmt
natürlich, doch offensichtlich zahlen sich die Anstrengungen aus, denn ohne
Blockbuster-Serien und -Filme wäre ein derart starkes Abonnentenwachstum wohl
kaum vorstellbar.
Genau in diese Marktphase, in der sich Amazon und Netflix
den Markt aufzuteilen scheinen, platzte vor einigen Wochen die Meldung, dass
auch der Disney-Konzern ein eigenes Strea-ming-Angebot aus der Taufe heben
wolle - der Plan ist jedoch wohl eher den Sachzwängen, internen Problemen und
den Strukturen des Disney-Konzerns entsprungen, denn mit dem Sportsender ESPN
und der Kabelsparte hat Disney ein Sorgen¬kind im Konzern, das seit 2010 unter
rapide schrumpfenden
Abonnentenzahlen leidet und immer mehr die
Gewinnentwick¬lung belastet. Die letzten Disney-Quartalsbilanzen fielen des-
wegen auch enttäuschend schwach aus und sorgten an der Börse
für entsprechend negative Kursreaktionen bei der Aktie.
Spätzünder Disney. Doch wie genau sieht der Plan von Disney
aus? Noch sind nicht alle Details bekannt, doch der grobe Fahrplan steht: Ende
2019 läuft die Kooperation mit Netflix aus, dank deren Superhelden aus dem
Marvel-Universum bislang die Action- und Comic-Fans bei Netflix begeisterten.
Ab 2020 werden Daredevil, Spiderman, die X-Men, Captain America und all die
anderen nur noch beim neuen Disney-Streamingdienst zu sehen sein. Auch das
Star-Wars-Franchise und die Pixar-Filme gibt es dann dort zu sehen.
Netflix hat auf diese Aussichten bereits mit dem Kauf des
Comic-Verlags Millarworld reagiert, dem ersten Zukauf der Firmengeschichte
überhaupt. Millarworld ist zwar lange nicht so weit verbreitet wie Marvel,
dafür dürfte der Kauf um einiges günstiger gewesen sein als die
Marvel-Akquisition durch Dis¬ney, für die schon 2009 vier Milliarden US-Dollar
nötig waren.
Millarworld-Gründer Mark Millar ist übrigens ein ehemaliger
Marvel-Mitarbeiter, der als Schöpfer einiger von Marvels Top-Figuren gilt, wie
zum Beispiel der Avengers. Es ist also kein Automatismus, dass die Comic-Fans
2020 in größerer Zahl von Netflix zu Disney wechseln.
Zurück zum Disney-Plan. Ohne Zweifel verfügt der Konzern
über einen riesigen Fundus an Filmen und Serien - das ist
ein hervorragender Grundstock. Darüber hinaus sollen exklusive
Inhalte produziert werden, die es nur bei Disney zu sehen
gibt.
Damit geht Disney also denselben Weg wie Amazon und
Net-flix. Da die Netflix-Lizenzen bis Ende 2019 laufen, dürfte Disney
erst 2020 mit dem eigenen Dienst im US-Heimatmarkt antre-
ten. Die Rechte auf den internationalen Märkten sind
unter-schiedlich verteilt, daher könnten einzelne andere Märkte
schon früher starten. Auch an Sport-Streaming wird gedacht,
so wird es eine ESPN-App geben, womöglich schon 2018. Während ESPN durch
Werbung finanziert werden soll, wird das Disney-Streaming-Portal wie die
Mitbewerber werbefrei sein und allein durch Abogebühren getragen.
Letztlich kassiert Disney nun aber die Quittung für die
jahre-
lange Trägheit und Unentschlossenheit des Managements. Schon
länger zeichnete sich ab, dass sich das Kabelfernsehen
auf dem absteigenden Ast befindet und die Zukunft bei den
Streamingdiensten liegt. Mit schöner Regelmäßigkeit gab es
in den letzten Jahren daher Gerüchte, dass Netflix von einem
größeren Konzern - beispielsweise Disney - geschluckt werden
könnte. Dieser Zeitpunkt ist aber womöglich verpasst worden. Ein Netflix-Kauf
dürfte für einen Interessenten sehr, sehr teu¬er werden. Inzwischen bringt
Netflix eine Marktkapitalisierung von 78,5 Milliarden US-Dollar auf die Waage.
Zum Vergleich: Disney wird mit rund 150 Milliarden US-Dollar bewertet, hat aber
seit dem Hoch im April diesen Jahres rund 16 Prozent an Börsenwert verloren.
Netflix hat im gleichen Zeitraum um knapp 20 Prozent zugelegt, Amazon immerhin
noch um knapp sieben Prozent.
Da Disney nun viel Geld in die Hand nimmt, um einen eigenen
Streamingdienst aufzubauen, zeichnet sich ab, dass die Bilan-zen noch eine
ganze Zeit lang hohe Investitionen verkraften müssen.
Apple mischt mit. Womöglich gibt es aber noch einen anderen
Kaufinteressenten für Netflix, der genügend Kleingeld auf der hohen Kante hat:
Apple. Noch 2016 dementierte Apple die Pläne für einen eigenen Streamingdienst,
nun plant Apple angeblich die Produktion eigener Serien mit einem
Produkti¬onsbudget von einer Milliarde US-Dollar. Das jedoch ergibt nur Sinn,
wenn Apple auch in den Markt einsteigen möchte. Für Netflix-Aktionäre ist dies
ein zweischneidiges Schwert. Noch ein Mitbewerber mehr ist natürlich - wie für
alle ande¬ren Anbieter auch - eine schlechte Sache. Ein potenzieller Käufer
jedoch schürt latente Übernahmefantasien, die sich wiederum positiv auf die
Aktie auswirken könnten.
Doch wird es wirklich zum Streaming-Krieg kommen, wie manche
Experten vorhersagen? Netflix produziert in diesem Jahr für sechs Milliarden
US-Dollar und im nächsten Jahr für sieben Milliarden US-Dollar eigene Inhalte.
Amazon hat 2017 das Budget für Eigenproduktionen auf 4,5 Milliarden US-Dollar
verdoppelt. Andere Anbieter wie zum Beispiel das Vi-deoportal Hulu, das Inhalte
der Fernsehsender NBC, Fox und ABC sowie HBO anbietet, sollten auch nicht
vergessen werden. Die Befürchtung, dass sich die Akteure mit Serien und Filmen
gegenseitig überbieten, um die Kunden zu binden, ist also nicht aus der Luft
gegriffen. Doch es gibt auch noch eine andere Möglichkeit. Da die
Monatsbeiträge von Netflix und Co weni¬ger kosten als ein Kinobesuch, könnten
Serienfans auch meh¬rere Portale gleichzeitig abonnieren. Das wiederum wäre
eine gute Entwicklung für alle Akteure.
Fazit. Der Markt für Videostreaming ist hart umkämpft.
An-bieter wie Netflix und Amazon haben es bislang am besten verstanden, eine
große Marktmacht aufzubauen. Für Netflix wurde schon oft das Totenglöckchen
geläutet, offenbar jedoch vorschnell. Daran dürfte auch der Markteintritt von
Disney nichts ändern. Die Netflix-Aktie ist für risikobereite Anleger aufgrund
des anhaltend hohen Wachstums sehr interessant. Zudem ist Netflix die einzige
reinrassige Aktie im Streaming-markt. Bei Amazon kauft man auch das übrige
Geschäft wie das Online-Shopping mit. Disney wiederum muss den großen Vorsprung
der beiden Platzhirsche aufholen. Das wird viel kosten, ohne dass der Erfolg
garantiert ist.
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