Donnerstag, 30. August 2018

Hörbuch TUTANCHAMUN -9 Stunden Hörbuch - von Selzer-McKenzie

Hörbuch Tutanchamun 9 Stunden Hörbuch von Selzer-McKenzie
Youtube: https://youtu.be/8l4WNAwdRAE
TutAnchAmun
von D.Selzer-McKenzie
TutAnchAmun    Buch von Selzer-McKenzie SelMcKenzie
„TutAnchAmun“
von D.Selzer-McKenzie
und aller Notenblätter der Oper „Der Pharao TutAnchAmun“
komponiert von D.Selzer-McKenzie
Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Staatsbibliothek hinterlegt.
Originalausgabe ®TutAnchAmun
® 2019 by D.Selzer-McKenzie
(Dr.of Molekularbiology and Genetics)
published by SelMcKenzie Media Publishing
auch als Hörbuch und eBook (ePUB)
ISBN 978-244-71112-2 €uro 9,80  mit gesamt 989 Seiten
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie,Microfilm oder ein anderes Verfahren) ohne Genehmigung des Authors und Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Pharao Tut-Anch-Amun
Zunächst meine Theorie: Tut-Anch-Amun war zu keinem Zeitpunkt Pharao, sondern hatte zu seinen Lebzeiten lediglich einen Anspruch auf den Thron. Bei einem Wagenrennen könnte es zu einem Unfall gekommen sein, der angehende Pharao ist in einer Kurve mit dem Wagen gerstürzt weil ein Wagenrad gebrochen ist, dabei hat sich die Deichsel des Wagens in den Kopf von Tut-Anch-Amun gebohrt und er ist etwa im Alter von 17-19 Jahren verstorben. Ich habe selbst vor Ort in Egypt geforscht und bin aufgrund meiner Überzeugung zu diesem Resultat über den Tod von Tut-Anch-Amun gekommen. Dies lediglich als Vorabbemerkung.
Die vorherrschende Meinung sagt, dass in denn Wirren der Herrschaft Echnatons, und hier bemühten sich seine Nachfolger Tutanchamun,  Ägypten wieder zur alten Ordnung zurückzuführen. was genau ist mit dieser alten Ordnung gemeint? Geordnet nämlich nichts in der 18. Dynastie. Es hatte unter den Vor-en Tutanchamuns starke Herrscher und schwache Herrscher 2ben. Außenpolitisch ambitionierte Herrscher, die mit roher tärischer Gewalt dem Reich zu noch nie dagewesener Größe laden, kamen ebenso vor wie Herrscher, die den Fokus eher die innere Ordnung legten und zuvor eroberte Gebiete wie-verloren. Es gab starke Männer unter den Pharaonen der Dynastie, aber ebenso auch schwache Herrscher, die unter i Einfluss ihrer umso stärkeren Frauen standen. Die 18. Dy-je, die erste Dynastie des Neuen Reiches, brachte mit Si-rheit einige der wohl schillerndsten Persönlichkeiten des al-Ägypten hervor. Eines aber gab es nicht: eine klar definierte alte Zeit, nach der man sich hätte zurücksehnen können. )ie 18. Dynastie stand vor allem für einen Neuanfang. In rund 100 Jahren zuvor, während der Zweiten Zwischenzeit, Ägypten von fremden Königen regiert worden: den Hyk-Lange hatten die Ägyptologen dem Bericht des Priesters rietho geglaubt, der sehr viel später, erst im 3. Jahrhundert Christus, berichtete, die Hyksos wären eine wilde Barbarenhorde gewesen, die ein geschwächtes Ägypten mit Waffen-gewalt erobert hätten. Die Hyksos, schreibt Manetho, hätten die Städte in Brand gesetzt, die Tempel zerstört und ägyptische Frauen und Kinder versklavt. In den vergangenen Jahren konn-ten Forscher dieses Bild der brutalen Hyksos-Invasion jedoch relativieren. Einen durchgeplanten militärischen Angriff im großen Stil hat es wahrscheinlich nie gegeben. Vielmehr zogen die Hyksos einfach in großer Zahl ins Nildelta und siedelten sich dort an — wobei sie mal mehr, oft aber auch nur wenig Widerstand überwinden mussten. Ägypten fehlte es an Herr¬schern, die dem etwas hätten entgegensetzen können. Hunger und Pestausbrüche raubten den Pharaonen der 13. Dynastie die Kraft, sich gegen die schleichende Einwanderung zu wehren.
Woher die Hyksos kamen und wer sie waren, ist nicht ganz sicher. Der römisch-jüdische Geschichtsschreiber Flavius Jo-sephus nennt sie Hirtenkönige: »Hyk nämlich bedeutet in der Priestersprache >König<, usos >Hirte< und >Hirten< in der Volks-sprache, und wenn man es zusammensetzt, wird daraus Hykus-sos.« Allerdings hatte Josephus nur den Namen falsch gelesen, den Manetho ihnen gegebv hatte. Im Altägyptischen bedeutet »Hykussos / Hyksos« nämlich nicht viel mehr als einfach »fremde Herrscher«. Vermutlich kam die Mehrheit von ihnen aus dem syrisch-palästinensischen Gebiet, dem biblischen Kanaan.
Mit den neuen Herrschern kamen neue Sitten ins Land. Die Hyksos hatten ihre eigenen Musikinstrumente im Gepäck, bauten im Nildelta nun bislang in Ägypten unbekannte Pflan¬zen an, und ihre Handwerker kannten neue Techniken für die Bronzeverarbeitung und die Keramikherstellung. Besonders beeindruckend aber waren ihre Kampfmethoden. Sie konfron-tierten die Ägypter mit einer neuen, verbesserten Art von Streit-äxten und beschossen sie mit Pfeilen von Kompositbögen. Am furchteinflößendsten aber waren ihre Streitwagen, die sie von Pferden ziehen ließen. Die Ägypter waren fasziniert. Es sollte nicht lange dauern, bis auch die ägyptischen Herrscher Streit-wagen zum Standardrepertoire ihrer militärischen Ausrüstung zählten. Neben Pferden spielten aber auch Esel eine bedeutende Rolle in der Kultur der Hyksos. Ihnen gewährten sie sogar auf-wendige Bestattungen. Ihre Hauptstadt hatten die Hyksos in Auaris im östlichen Nildelta. Diesen Ort hatten sie nicht von ungefähr gewählt: Auaris war ein bedeutender Seehafen und Ausgangspunkt der Hauptverkehrswege in ihre ursprünglichen Herkunftsgebiete an der Levante.
Anstatt aber in der neuen Umgebung nur so zu leben, wie sie es in der alten Heimat getan hatten, absorbierten die Hyk-sos auch durchaus viele ägyptische Traditionen. Die »fremden Herrscher« begannen schon bald, ägyptische Kunstformen zu kopieren, Skarabäen herzustellen und ihre Namen wie die ägyp-tischen Pharaonen in Kartuschen zu schreiben. Sogar mit der ägyptischen Götterwelt konnten sie sich scheinbar problemlos anfreunden, besonders der Wüstengott Seth hatte es ihnen an-getan — der Gott von Stürmen, Unwettern, Chaos und Verder-ben. Seine Erscheinungsform ließ sich gut mit ihrem eigenen Gott Baal vereinbaren.
Der Süden Ägyptens blieb vermutlich relativ unberührt von der Hyksos-Herrschaft. Dort lebten weiterhin lokale Herrscher-dynastien, die den Hyksos zwar Tribut zahlen mussten, ansons-ten aber recht unbehelligt blieben. Eine dieser Familien, die 17. Dynastie, regierte um die Mitte des 16. Jahrhunderts vom oberägyptischen Theben aus das Land zwischen Elephantine und Abydos. Nachdem sie sich lange Zeit mit den Hyksos arran-giert hatten, beschloss der König Seqenenre, dass die Zeit ge-kommen sei, den Zustand der Abhängigkeit und Unterdrückung zu beenden. Er legte sich mit dem Hyksos-Herrscher Apopi I an. Allerdings ging der Streit nicht gut für ihn aus. 1881 wurde seine Mumie in der Cachette von Deir el-Bahari entdeckt — und gab Zeugnis von seinem brutalen Ende. Hinter einem Ohr hatte er schwere Schnittwunden davongetragen. Wange und Nase wa¬ren zerschmettert, möglicherweise von einem Keulenhieb. Auch über dem rechten Ailge und auf der oberen Stirn klafften Wun¬den, die von einer Streitaxt stammen könnten. Zudem waren viele seiner Knochen ausgerenkt. Der Ägyptologe Grafton Elliot Smith, der die Mumie Seqenenres ausgewickelt hatte, vermu¬tete, dass der aufsässige Thebaner in der Schlacht gefallen war. Neue Untersuchungen deuten allerdings eher darauf hin, dass ihm die Wunden nicht auf dem Schlachtfeld, sondern vielmehr bei einer Hinrichtung zugefügt wurden.
Der Tod Seqenenres bedeutete nun aber keineswegs das Ende der 17. Dynastie. Sein Nachfolger wurde Kamose, vermutlich ein Halbbruder des Herrschers. Er stellte eine Flotte zusammen und fuhr nilabwärts gen Norden, um die Hyksos erneut an¬zugreifen. Auf dem Weg mussten einige mit den Hyksos ver¬bündete Städte dran glauben. Bis vor die Tore von Auaris kam Kamose, nach einer erfolglosen Belagerung musste er jedoch wieder abziehen.
Es sollte erst seinem Nachfolger Ahmose I. — vermutlich ein Sohn des Seqenenre — vergönnt sein, die Herrschaft der Hyksos endgültig zu brechen. Bis dahin war es aber noch ein weiter Weg — denn als Ahmose I. den 'Thron bestieg, war er noch ein Kind. Die Regierungsgeschäfte führte zunächst seine Großmutter Tetischeri für ihn, später seine Mutter Ahhotep I. Offenbar bereiteten die beiden Frauen ihn gut auf eine harte Zukunft vor, denn sobald er 18 Jahre alt war, setzte Ahmose den von seinen Vorgängern begonnenen Kampf gegen die fremden Könige im Nildelta fort. Und diesmal mit Erfolg: Nach lang-wierigen Kämpfen auf dem Wasser und zu Land sowie einer längeren Belagerung gelang es ihm, Auaris einzunehmen. Die Hyksos zogen sich unter der Führung ihres Königs Chalmudi nach Vorderasien zurück. Doch Ahmose hatte noch eine Rech-nung offen. Er beließ es nicht bei der Vertreibung der Hyksos, er setzte ihnen verbissen nach. Drei weitere Jahre lang belagerte er ihren Stützpunkt Scharuhen in Südpalästina, bevor er auch den einnehmen konnte.
Nun war Ahmose nicht mehr zu bremsen. Den Norden hatte er befreit. Doch im Süden herrschten immer noch die ehemals mit den Hyksos verbündeten Könige von Kerma. Kaum war Ahmose von der Eroberung Scharuhens zurückgekehrt, mar-schierte er nilaufwärts gen Nubien — und vertrieb auch sie. Das Land sicherte Ahmose, indem er die alten Festungen des Mitt-leren Reiches wieder aufbauen und neu befestigen ließ. Damit hatte er nicht nur Ägypten an allen Fronten befreit, sondern auch die rohstoffreichen Gefilde des Südens unter seine Kon¬trolle bringen können. Ägypten war wieder vereint und mäch¬tig. Obwohl er genealogisch zur 17. Dynastie gehörte, begannen die Geschichtsschreiber mit Ahmose die Zählung der 18. Dy¬nastie. Die Zweite Zwischenzeit war beendet. Das Neue Reich hatte begonnen.
Offiziell schrieben die Chronisten diese Erfolge dem Ahmose zu. Er selber jedoch pries — zumindest auf einem Gedenkstein—seine Mutter Ahhotep I. als treibende Kraft hinter diesen Sie¬gen: »Preiset die Herrin des Landes, die Fürstin der Uferländer der Haunebet, mit angesehenem Namen in jedem Fremdland, die das Volk leitet, die Königsgemahlin, Königsschwester, Kö-nigstochter und Königsmutter, die herrliche; die die Dinge kennt, die Ägypten vereint, sie versammelte seine Würdenträger, sie schützte es, sie brachte seine Flüchtlinge zurück, sie gliederte die Opponenten wieder ein; sie befriedete Oberägypten und vertrieb seine Aufständigen, die Königin Ahhotep, sie lebe!«
Ahmoses Sohn Amenophis I. sollte der letzte König dieses so erfolgreichen thebanischen Herrscherhauses werden. Doch auch dieser war, als sein Vater starb, noch sehr jung — und wie¬der war es seine Mutter, Ahmose Nefertari, die zunächst die Regierungsgeschäfte einige Jahre lang für ihn führte. Erst im 7. oder 8. Jahr seiner Regierung machte Amenophis I. sich nach Nubien auf, um die Machtansprüche Ägyptens zu festigen. Oh er allerdings wie seine Vorfahren selber an den Kämpfen dors teilnahm, bleibt zweifelhaft. Viel gab es auch nicht zu tun. Dei Frieden, den sein eter geschaffen hatte, war von Dauer. Ame-nophis I. muss von seiner Erscheinung her eine beeindruckende Gestalt gewesen sein. Mit seinen über 1,80 Metern Körpergröße überragte er seine Zeitgenossen deutlich.
Mit Amenophis I. beginnt die Geschichte des Tals der Kö-nige. Seine Vorfahren ließen sich noch auf dem Gräberber von Dra Abu el-Naga bestatten. Seine eigene Ruhestätte is zwar nicht bekannt — aber er gründete das Arbeiterdorf Deir el Medina, das in den kommenden Jahrhunderten die Heima jener Spezialisten werden sollte, die für die Pharaonen die Grä ber aus dem Fels schlugen. Die Bewohner von Deir el-Mediu bauten ihm einen Tempel und verehrten Amenophis I. fortai als Gott, ebenso wie seine Mutter Ahmose Nefertari. Es sollt ein besonders langlebiger Kult werden: Noch 800 Jahre späte] als längst schon die Pharaonen der 25. Dynastie herrschter war in dem Arbeiterdorf der Kult um den letzten Herrscher de 17. Dynastie und seine Mutter lebendig.
Amenophis hatte zwar militärischen Erfolg und groß Macht, eines aber hatte er nicht: einen männlichen Nachkorn

men. Schon lange vor seinem Tod taucht aber zusammen mit seinem Namen der Name eines gewissen Thutmosis auf. Wer dieser designierte Nachfolger war oder woher er kam, ist bis heute umstritten. Sein Vater ist unbekannt, seine Mutter, Sen-seneb, war eine gewöhnliche Bürgerliche. Die Verbindung zum Königshaus bekam Thutmosis möglicherweise erst durch seine Frau Ahmose. Der Name ist unter den Familienmitgliedern der 17. Dynastie sowohl bei Frauen als auch bei Männern so häufig, dass ihr Geschlecht gemeinhin als Ahmosiden bezeichnet wird. Wenn es auch letztendlich noch nicht bewiesen werden konnte, gilt Ahmose als Tochter von Ahmose I. und damit als Schwester von Amenophis I. Auf jeden Fall war es Amenophis I. selber, der Thutmosis in die Familie holte — die Hochzeit fand noch wäh-rend seiner Herrschaft statt. Der Wechsel von den Ahmosiden zur 18. Dynastie wurde also nicht mit Blut begossen, sondern mit einer Hochzeit gefeiert.
Kaum aber lag Amenophis I. unter der Erde, witterten die Nubier im Süden des Reiches ihre Chance und lehnten sich gegen den neuen Herrscher auf. Doch sie hatten die Rechnung ohne den konfliktfreudigen Newcomer gemacht. Denn während sein Vorgänger Generäle geschickt hatte, um aufrührerische Ver-bündete wieder zu Gehorsam zu rufen, bestieg Thutmosis selber das Schiff, fuhr den Nil hinauf und tötete den nubischen König mit eigenen Händen — so zumindest beschreibt es ein langjäh-riger Veteran des ägyptischen Heeres auf den Wänden seiner Grabkammer. Als Zeichen seines Sieges, heißt es in dem Bericht weiter, hängte Thutmosis den Körper des besiegten Königs an den Bug seines Schiffes und fuhr damit zurück nach Theben. Er beließ es allerdings nicht dabei, Nubien zu bestrafen, sondern band das Land auch enger an das ägyptische Reich, indem er den Kanal am ersten Katarakt wieder instand setzen ließ. Nun


konnten Schiffe leichter stromaufwärts reisen, der Austausch von Reisenden und Waren florierte.
Aber nicht nur im Süden, auch im Norden sicherte Thutmo-sis das Reich durch militärische Präsenz. Im zweiten Jahr seiner Herrschaft rückte er mit seinen Truppen so weit nach Norden vor, wie noch niemals vor ihm ein ägyptischer Herrscher gekom-men war. Dort, berichteten die Soldaten nach der Rückkehr, sahen sie wundersame Dinge. Zum Beispiel einen Fluss, dessen Wasser verkehrt herum floss. Thutmosis hatte seine Männer bis an die Ufer des Euphrat geführt. Der aber fließt, anders als der Nil, nicht von Süden nach Norden zum Mittelmeer, sondern von Norden nach Süden zum Persischen Golf.
Thutmosis war der eiste Pharao, der nachweislich im Tal der Könige bestattet wurde. Wirkliche Ruhe fand er dort jedoch nicht. Vermutlich wurde das Grab KV 20 für ihn angelegt. Seine Tochter Hatschepsut ließ es dann aber als Doppelgrab für sich und ihren Vater ausbauen. Sein Enkel, Thutmosis III., bettete die Mumie schließlich in das noch prächtigere Grab KV 38 um. Als im Tal der Könige Grabräuber ihr Unwesen trieben, ver¬steckten Priester auch die Mumie von Thutmosis I. im Sammel¬grab von Deir el-Bahari — nur leider ohne Sarkophag, den usur¬pierte ein Pharao der 21. Dynastie für sich. Ohne Sarg konnte nun aber bei der Entdeckung der Pharaonenmumien aus der Cachette von Deir el-Bahari kein Name zugeordnet werden. Bis heute ist die Mumie von Thutmosis nicht mit Sicherheit identi¬fiziert.
Um einen Erben für sein Reich musste der Pharao sich zu-nächst keine Sorgen machen. Seine Frau Ahmose schenkte zwei Söhnen, Amenmes und Wadjmes, das Leben, sowie zwei Töch-tern, Nofrubiti und Hatschepsut. Auch mit seiner Nebenfrau Mutnofret zeugte er einen Sohn, der seinen eigenen Namen

weiterführen sollte. Als Thutmosis I. aber nach knapp zehn Jah-ren auf dem Thron das Zeitliche segnete, waren von der ganzen Kinderschar lediglich zwei übrig geblieben: Thutmosis II. und seine Große Königliche Gemahlin Hatschepsut.
Thutmosis II. ist einer der blassesten Herrscher der 18. Dy-nastie. Zeit seines Lebens blieb er im Schatten der mächtigen Frauen, die ihn umgaben. Als der junge Pharao den ägyptischen Thron bestieg, war er noch nicht alt genug, um die Regierungs-geschäfte selber zu führen. Vermutlich herrschte seine Stiefmut-ter Ahmose an seiner Stelle, bis er alt genug war, um selber die Zügel in die Hand zu nehmen.
Allerdings gab es bereits kurz nach der Machtübernahme wieder Ärger in Nubien. In der Tatsache, dass nun ein schwa-ches Kind auf dem ägyptischen Thron saß, witterten die nu-bischen Fürsten ihre Chance, Ägyptens machtvollen Würgegriff abzuschütteln. Thutmosis II. war viel zu jung, um selber in den Süden zu ziehen. Stolz aber brüstete er sich auf einer Gedenk-stele mit den Taten seiner Generäle: »Ich wurde wütend wie ein Panther. Da warf das Heer Seiner Majestät jene Barbaren nieder. Nun ließen die Soldaten nicht einen von ihren Männern leben, ganz wie Seine Majestät es befohlen hatte. Mit Ausnahme eines .on diesen Kindern des Fürsten des elenden Kusch, der lebend hergebracht wurde als Gefangener mit ihren Angehörigen zu 1.'.em Ort, wo Seine Majestät verweilte, und der unter die Füße :es. guten Gottes gelegt wurde.«
Wie lange genau Thutmosis II. herrschte, ist nicht bekannt. Während frühere Ägyptologen seine Regierungszeit auf etwa 3 :Ihre schätzten, gehen heutige Forscher eher von drei bis vier Ihren aus. Auch seine Mumie lag im Sammelgrab von Deir -Bahari. Am 1. Juli 1886 wickelte Gaston Maspero aus, was Thutmosis II. nach der brutalen Behandlung durch Grab-



räuber noch übrig war. Seiner Beschreibung nach sah der Pha¬rao erbärmlich aus, als er starb: »Er hatte gerade das Alter von dreißig Jahren erreicht, als er einer Krankheit zum Opfer fiel, deren Spuren auch die Einbalsamierung nicht tilgen konnte. Die Haut war an vielen Stellen schuppig und von Narben über¬sät, der obere Schädel kahl; der Körper wirkt dünn und einge¬sunken, ihm scheint es an Vitalität und Muskelkraft gemangelt zu haben.«
Aber auch wenn der kränkliche, schwächliche Thutmosis II. mit Ausnahme der Strafexpedition nach Nubien weder groß-artige militärische Siege vorweisen konnte noch der Nachwelt ambitionierte Bauprojekte hinterließ, so hatte seine Zeit auf dem Thron zumindest ausgereicht, um weitere Nachkommen in die Welt zu setzen. Zwei Kinder wurden nicht sehr alt. Mit sei¬ner Großen Königlichen Gemahlin Hatschepsut aber zeugte er eine weitere Tochter, Neferu-Re. Und mit dem ebenfalls über-lebenden Thutmosis III., Sohn seiner Nebenfrau Isis, hinterließ er Ägypten auch einen männlichen Thronfolger.
Thutmosis III. aber war, als sein Vater starb, noch ein Klein-kind. Zwar folgte er seinem Vater unmittelbar auf den Thron, an seiner Stelle übernahm aber seine Tante und Stiefmutter Hat-schepsut die Regierung. Wie man ein Land regiert, wusste sie von ihrer eigenen Mutter — die ja selber bereits als Stiefmutter von Thutmosis II. die Geschicke Ägyptens gelenkt hatte. Über¬haupt stand — abgesehen von ihrem Geschlecht — Hatschepsut dem Thron näher als ihr verstorbener Halbbruder. Als Tochter Ahmoses floss schließlich das Blut der Ahmosiden dicker in ih-ren Adern als bei ihrem Halbbruder Thutmosis II. Zwar teilten beide mit Thutmosis I. einen Vater, der nicht mit den Herrschern der 17. Dynastie verwandt war. Aber während Hatschepsuts Mutter Ahmose in direkter Linie der weiblichen Thronfolge

stand, hatte Thutmosis' Mutter Mutnofret niemals den Titel der Großen Königlichen Gemahlin beanspruchen können.
Statt sich nur auf ihre tatsächliche Herkunft zu verlassen, ver-breitete Hatschepsut allerdings zusätzlich noch eine andere Ge-schichte. In ihrem Terrassentempel in Deir el-Bahari ist zu lesen, wie ihre Mutter Ahmose sie empfangen haben soll: »Amun-Re hatte in Theben eine wunderschöne Frau gesehen. Deshalb schickte Amun-Re Thot, um mehr über sie zu erfahren. Nach dem Bericht ging Amun nach Theben und nahm die Gestalt des Gatten an. Er fand sie schlafend, aber sie erwachte vom Duft des Gottes. Amun-Re verliebte sich in sie, kam ihr näher, und Königin Ahmose erkannte in ihm die göttliche Gestalt des Amun-Re. Sie erfreute sich, küsste ihn und sprach: >Wahrlich, es ist herrlich, dein Angesicht zu sehen, das als Glanz meinen Gatten umgibt.< Amun-Re antwortete: >Der Name meiner Tochter, die ich dir in den Leib gelegt habe, soll deshalb auch Hatschepsut lauten, wie du es selbst mit eigenen Worten aus deinem Munde gesagt hast. Hatschepsut wird das treffliche Amt des Königs ausüben im ganzen Land.«<
Bei der Machtübernahme ging Hatschepsut klug und be-dächtig vor. Sie riss nicht etwa gleich nach dem Tod ihres Man-nes das Zepter an sich, sondern bereitete sorgfältig ihre Bühne vor. Erst im zweiten Regierungsjahr ihres Stiefsohnes, am 8. Februar 1477 v. Chr., ließ sie sich von den Amun-Priestern in einer pompösen Zeremonie zum Pharao krönen. Angeblich hatte der Gott höchstpersönlich in einem Orakel verkündet, dass seine Tochter das Land regieren solle. Die Priester fügten sich: »Amun-Res Wille geschehe, sie soll Ägypten beherrschen«.
Und diese Aufgabe erfüllte sie besser als die große Mehrheit aller männlichen Pharaonen vor und nach ihr. Unter ihren Händen kamen die Errungenschaften ihrer Vorgänger erst rich-

tig zum Tragen. Wohlstand und Frieden herrschten nilauf und nilab. Ihr Vater hatte ihr ein militärisch gesichertes Reich hin-terlassen — und Hatschepsut wusste viel damit anzufangen. Statt alte Festungen auszubauen, konnte sie Handelswege wiederbele¬ben. Statt Soldaten schickte Hatschepsut Händler aus. Viele der alten Warenstraßen waren unter der Hyksos-Herrschaft versan¬det. Im Schutz des Friedens, den Thutmosis I. erkämpft hatte, zogen nun bald wieder Karawanen durch die Wüsten.
Eine der berühmtesten Handelsexpeditionen der gesamten ägyptischen Geschichte war Hatschepsuts Gesandtschaft nach Punt — sie steht für die Blütezeit der 18. Dynastie schlechthin. Wo dieses sagenumwobene Land genau lag, ist bis heute unbe-kannt. Wir kennen es nicht durch seine eigene Geschichte —sondern nur von denkwundersamen Geschichten, die wieder-kehrende Ägypter von dort erzählten. Nicht alle, die ausgezogen waren, kamen zurück. Aber diejenigen, die den Weg zurück an den Nil fanden, brachten so sagenhafte Schätze mit, dass die Herrscher an den Wänden ihrer Grabkammern und Tempel für die Ewigkeit davon berichteten. Als so mystisch galt Punt, dass die Ägypter ihm auch den Namen Ta neer gaben — Land der Götter.
Hatschepsut war nicht die Erste, deren Sehnsüchte sich auf das »Goldland« richteten. Das erste schriftliche Zeugnis einer Expedition nach Punt stammt aus der Regierungszeit von Sahure, dem zweiten Pharao der 5. Dynastie (2490-2475 v. Chr.). Auf dem sogenannten Palermostein, einer Königsliste für die Pharaonen der ersten Dynastien, ist vermerkt, dass im letzten Regierungsjahr dieses Herrschers Handelsgüter aus Punt am Nil eintrafen. 8000 Einheiten Myrrhe habe der Pharao empfangen, ebenso wie Elektron, eine Legierung aus Gold und Silber. In den Jahren 2002 und 2003 entdeckten Archäologen

des ägyptischen Supreme Council of Antiquities in Abusir dann eine noch genauere Beschreibung dieses Ereignisses. Auf einem Relief sind vier bauchige Schiffe zu sehen, die mit exotischen Waren beladen vor dem König auflaufen. An Bord befinden sich Hunde, Esel — und Bäume. »nht nt and« nennt der erklärende Text die Gewächse: Myrrhe-Bäume. Die wachsen natürlicher-weise nicht am Nil, sondern nur im trockenen Klima der Re-gion um das Horn von Afrika — wo heute die Staaten Somalia und Äthiopien liegen. Doch Sahure versuchte, das exotische Ge-wächs einzubürgern. Ein anderer Teil des Reliefs zeigt, wie der Pharao höchstpersönlich die neuerworbenen Bäume im Garten seines Palastes pflegt.
Auch Djedkare, achter Pharao der 5. Dynastie (ca. 2410-2380 v. Chr.), bezog Güter aus Punt. Noch rund hundert Jahre nach seinem Tod wird in einem Grab aus der 6. Dynastie erwähnt, dass Djedkare von einem seiner Schatzmeister einen Zwerg aus Punt geschenkt bekam. Und ebenfalls in der 6. Dynastie tau-chen auch die Schiffe wieder in den Inschriften auf. Der Adlige Pepi Nakht listet unter den großen Taten seines Lebens in seiner Grabkammer in Elephantine, dass er ein Schiff bauen ließ — für Reisen nach Punt.
Doch die Grenze zwischen Realität und Mythos ist dünn. Ein altägyptisches Märchen aus der Zeit der 12. Dynastie kennt Punt nicht als realen Ort, sondern als sagenhafte Insel. In der .Geschichte des Schiffbrüchigen« berichtet ein Offizier von einem Seemann, dessen Schiff bei einem Sturm zerschmettert wurde. Eine Welle spülte ihn ans Ufer einer einsamen Insel, auf der er unermessliche Reichtümer fand. Herrscher über diese Schätze war eine Riesenschlange aus Gold, mit Augenbrauen ius Lapislazuli. Die Schlange ist freundlich und verspricht dem Schiffbrüchigen eine sichere Heimkehr. Als dieser ihr für die

Gastfreundschaft Geschenke darbringen will, lacht das Riesen-reptil ihn nur aus: Es habe doch schon alles — schließlich sei es der Herrscher von Punt.
Der Weg nach Punt führte also über das Wasser. Kurz vor Weihnachten im Jahr 2004 entdeckten die Ausgräberin Kathryn Bard von der amerikanischen Boston University und ihr ita-lienischer Kollege Rodolfo Fattovich von der Universität Nea¬pel »l'Orientale« im Wadi Gawasis unweit der Küste des Roten Meeres die bislang heißeste Spur, die direkt in das Goldland führt. Gut beschützt vom Wüstensand hatten in mehreren Höh-len fast 4000 Jahre lang die Reste einer Flotte überdauert. Die Forscher fanden intakte Schiffsplanken und Ruder. Die Taue lagen noch sorgsam aufgerollt am Boden — gesichert mit Kno-ten, die ein ägyptischer Seemann vor Tausenden von Jahren ge-schlagen hatte. Unter_ einem Sandhaufen, zum Teil angefressen von Termiten, entdeckten die Ausgräber die Reste von 21 Holz-kisten. Alle waren leer. Aber auf einer Kiste stand noch zu lesen, was sie einst enthielt: »Wundervolle Dinge aus Punt«.
Seit sie aus dem sagenhaften Goldland zurückgekehrt waren, hatte niemand mehr diese Schiffe berührt. Das Team von Bard und Fattovich hatte den Hafen gefunden, von dem aus min-destens seit dem Beginn des Mittleren Reiches die Schiffe nach Punt aufgebrochen — und zu dem sie zurückgekehrt — waren. Keramikscherben in den Höhlen verrieten auch, wann die letz¬ten Seeleute hier gewesen waren: Es waren Händler aus der Zeit von Hatschepsut.
Die Archäologen fanden weder eine Wegbeschreibung noch eine Karte. Dafür aber Löcher. Schiffsbohrwürmer hatten sich in die Planken gefressen.Diese Muschelart lebt aber ausschlie߬lich im Salzwasser — die Schiffe mussten also eine lange Fahrt auf dem offenen Roten Meer zurückgelegt haben.

Das war allerdings kein entspannter Segeltörn — zumal nicht für Seeleute, die in der Wüste aufgewachsen waren. Der logis-tische Aufwand für eine Expedition nach Punt war enorm. Die Reise muss den alten Ägyptern in etwa so exotisch vorgekom-men sein wie uns heute ein Flug zum Mond. Es begann mit der schwierigen Beschaffung von Bauholz für die Schiffe. Der wenig fruchtbare Boden Ägyptens lieferte kein Holz, das dafür geeig-net gewesen wäre. Also schafften die Schiffbaumeister Zedern aus dem Libanon an den Nil. Die Werften lagen wahrscheinlich in Koptos am Ostufer des Flusses. Koptos diente den Karawa¬nen als Sammelplatz für die Überquerung der Wüste zum Roten Meer und wurde so schon früh zu einem wichtigen Handels¬platz. Doch wie kamen die Schiffe über diesen Wüstenstreifen? Sie wurden auseinandergebaut und auf Esel verladen. Kamele hatten die Ägypter damals noch nicht kennengelernt. Zehn Tage brauchten die Lasttiere, um die Wüste zu durchqueren. Es muss ein gewaltiger Zug gewesen sein: Nicht nur die Schiffe mussten auf die andere Seite der Wüste, sondern auch die ge¬samten Mannschaften — plus Proviant und Wasser.
Ziel der Karawane war das Wadi Gawasis. Das lag damals an einer Lagune mit direktem Meerzugang. Auf Satellitenaufnah¬men sind noch die Schatten von Dockanlagen an ihrem Ufer zu erkennen. Jetzt begann die eigentliche Arbeit. Die Schiffe mussten wieder zusammengesetzt werden. Dabei halfen den Baumeistern Zahlen oder farbliche Markierungen an den ein¬zelnen Schiffsteilen. Dann endlich konnte es losgehen — nach ?unt. Kam eine Expedition erfolgreich zurück, war der Heim¬weg allerdings doppelt beschwerlich. Denn jetzt galt es nicht nur. die Schiffe wieder an den Nil zu schaffen — sondern auch
jene »wundervollen Dinge aus Punt«.
Kein Wunder also, dass Hatschepsut diese Schätze aus dem

sagenhaften Goldland auf den Wänden ihres Totentempels irr Deir el-Bahari am Westufer des Nils in Theben in aller Aus-führlichkeit verewigen ließ. Eine eigene Halle des Tempelkom-plexes ist der Expedition nach Punt gewidmet, auf welche clic Herrscherin im neunten Jahr ihrer Regierung den Schatzmeis¬ter Nehesi schickte. Auf den Tempelwänden sind zunächst clic Schiffe zu sehen — und deren Besatzung. Die bestand pro Schiff aus 30 Ruderern — 15 auf jeder Seite —, vier Männern für clic Takelage, zwei Steuermännern, einem Navigator, einem Aufse¬her für die Ruderer und einem Kapitän. Hinzu kamen noch eir paar Soldaten. Insgesamt drängen sich auf den fünf dargestellter Schiffen rund 210 Männer.
Die nächste Szene zeigt eine der wenigen bekannten ägypti-schen Landschaftsmalereien: das idyllische Punt. Heute sind die Bilder leider nur noch sehr verblasst zu sehen. Doch als junge' Mann zeichnete Hotard Carter die damals noch farbenprächti-gen Hütten für seinen Auftraggeber und Lehrer Henri Edouard Naville ab — so blieb zumindest eine Kopie erhalten. Die Men-schen in Punt leben, sehr anders als die Ägypter, in runden Hüt-ten, die auf Stelzen stehen. In die Behausungen gelangt man nui über Leitern. Darunter wachen weiße Hunde über die Wohn-stätten. Das Leben scheint gemächlich in Punt. Unmittelbal neben den Häusern beginnt ein dichter Bewuchs von Dattel-palmen und Platanen. In deren Schatten weidet eine Kuh und ein Vogel fliegt vorbei. Seine charakteristischen Schwanzfederr verraten ihn als einen Nektarvogel — einen Cinnyris metallica Außerdem tummeln sich Affen, Leoparden, ein Nilpferd und Giraffen in dem seltsamen Wunderland.
Dann trifft der Betrachter die königliche Familie von Punt Kurze Inschriften erläutern, dass es sich dabei um Parihu unc seine Frau Ati handelt sowie die zwei Söhne und die Tochtei

des Paares. In seiner Kleidung unterscheidet sich Parihu nicht wesentlich von den Ägyptern. Wie sie ist er in ein shenti geklei-det, eine Art Lendenschurz, der bis zu den Knien reicht. Doch sein Kinn schmückt ein am Ende leicht nach oben gebogener Bart. Am Nil dürfen lediglich die Götter oder verstorbenen Pha-raonen ihren Bart auf diese Art frisieren. Parihus Frau Ati ist reich geschmückt. An Hand- und Fußgelenken trägt sie Ringe, eine Kette um den Hals und ein Stirnband um den Kopf. Doch weder der Schmuck noch ihr gelbes Kleid können von der gro-tesken Hässlichkeit der Herrscherin ablenken. Dicke Fettwülste hängen von ihren Armen und Beinen. Der Rücken biegt sich im krankhaften Hohlkreuz, ihr unförmiges Hinterteil ist dadurch weit herausgestreckt. Die Tochter des Paares ist offensichtlich noch jung — doch auch bei ihr zeigen sich erste Anzeichen von Fettleibigkeit und verkrümmter Wirbelsäule, während ihre Brü-der schlank und gerade nebeneinander herschreiten.
Endlich sieht der Besucher des Tempels, was die Seeleute alles für die Rückreise auf die Schiffe verladen. Einige tragen junge Myrrhe-Bäume mit Erdballen um die Wurzeln an Bord. Einhei-mische bringen weitere Schätze herbei: Elfenbein, Weihrauch, Amphoren mit Goldstaub, eine lebendige Giraffe und Paviane. beider nur inschriftlich erwähnt sind ein Elefant und ein Pferd. Mit dem Weihrauch hatte Hatschepsut etwas ganz Besonderes vor. Sie zerrieb ihn und machte daraus eine duftende Schmink-raste für ihre Augen.
Während der friedlichen Zeiten ihrer Regierung förderte sie echt nur den Handel, sondern trieb auch überall im gesam-:..-n Reich ambitionierte Bauprojekte voran. Das bekannteste .5: mit Sicherheit ihr Totentempel in Deir el-Bahari, an dessen -.1—anden sie unter anderem die Punt-Geschichte verewigen ließ.
c h auch die Tempel in Karnak, in denen die Hyksos fürch-

terlich gewütet hatten, profitierten von ihren Zuwendung Hier steht auch heute noch einer von zwei Obelisken, die H schepsut errichten ließ — damals die höchsten, die je ein Phai in Auftrag gegeben hatte. 32 Meter ragt der spitze Pfeiler in Höhe, die Spitze funkelte ehemals eingehüllt in eine Schicht kostbarem Elektron.
Auch an Statuen ließ die Herrscherin nicht sparen. H schepsut wurde so oft in der Rundplastik dargestellt, dass hei fast jedes Museum der Welt mit einer ägyptischen Sammlu mindestens eines ihrer Porträts beherbergt. Das Metropolit Museum of Art in New York widmet ihren Bildnissen sogar glei einen ganzen Raum. Viele der Statuen und Reliefs zeigen sie r den Attributen eines männlichen Pharao: dem Khat-Kopftu der Pharaonen, dherrschaftliche Uräusschlange, sogar den t ditionellen falschen Bart und dem Lendenschurz (shenti). Lar führten diese maskulinen Darstellungen zu der Annahme, d Hatschepsut ihre eigene Weiblichkeit geleugnet und sich seil als Mann präsentiert habe. Doch vielmehr sind es keine n männlichen Attribute, sondern Zeichen der Macht, mit den sie sich schmückt. Für die Öffentlichkeit war es wichtiger, im Vollbesitz der Macht als ihre Weiblichkeit zu sehen. Die 1 sie allerdings nie geleugnet. Von sich selber spricht sie auch Zeiten, in denen ihr offizielles Porträt sie als strengen Herrscl präsentiert, immer noch als »wunderschöne Frau«, wenn nic sogar als »schönste aller Frauen«.
Als Jean-Frafflis Champollion, der Entzifferer der Hierog phen, ihren Totentempel in Deir el-Bahari betrat, verwirrte i diese Diskrepanz zwischen Wort und Bild: »Ich war überrasc dass überall in diesem Tempel der berühmte Moeris (Thutn
sis geschmückt mit allen Königsinsignien, einem gewiss
Amenenthe (Hatschepsut) Platz machte, nach dessen Narr

wir die Königslisten vergeblich durchforsten. Und noch er-staunter war ich, dass beim Studium der Inschriften die Nomen und Verben, wenn sie sich auf diesen bärtigen König im vollen Ornat der Pharaonen bezogen, in der femininen Form standen, als ob es sich um eine Königin handeln würde. Auf diese Merk-würdigkeit stieß ich allerorten.«
Wenn es also jemals eine »gute alte Zeit« in der 18. Dynastie gab, zu der es sich zurückzukehren gelohnt hätte, dann war dies die Herrschaft Hatschepsuts. Knapp 22 Jahre lang blühte Ägyp-ten in Frieden und Wohlstand. Sie starb am 14. Januar 1457 vor Christus — woran, ist ungewiss. Da ihre Mumie nicht in ihrem Grab mit der heutigen Bezeichnung KV 20 im Tal der Könige lag und auch sonst nicht ausfindig gemacht werden konnte, hielt sich lange die Vermutung, Hatschepsut sei ermordet und ihr Leichnam unehrenhaft entsorgt worden. Dafür gibt es aber sonst keinerlei Anhaltspunkte.
Überraschenderweise stellte am 27. Juni 2007 die ägyptische Antikenbehörde eine Mumie vor, die sie als Hatschepsut identi-r:ziert haben wollte. Es war eine lange Zeit vernachlässigte Mu-mie aus dem Grab KV 60, dem Grab von Sitre-In, der Amme Hatschepsuts. Als Howard Carter 1903 das Grab entdeckte, _.alten darin zwei Tote: eine Frau in einem Sarg, der den Na-men Sitre-Ins trug, sowie eine weitere Frau ohne Sarkophag. Tährend Sitre-In wenig später ins Kairoer Museum kam, blieb z:e andere Frau teilweise ausgewickelt auf dem Fußboden des ._:-rabes liegen. Ein Arm war angewinkelt, was der typischen Haltung einer Königin entsprach. Der Kopf war kahlgescho-
r.. allerdings lagen neben ihr Büschel von rotblonden Haaren.
nders auffällig aber war ihr Körperumfang — die Frau litt
Fettleibigkeit. Aufgrund der Körperfülle konnten die Ein-1—...-samierer die Organe nicht durch den üblichen Schnitt im

Unterleib entnehmen — sie hatten sich über den Beckenboden Zugriff zu ihren Innereien verschafft.
Mit dem Titel »schönste aller Frauen« konnte man diesen Leichnam wahrlich nicht bezeichnen. Als die etwa 1,59 Meter große Frau verstarb, war sie 40 bis 60 Jahre alt. Sie litt an Ar-thritis an den Wirbelknochen, einem Bandscheibenvorfall und Osteoporose. Wenn sie nicht an Diabetes gestorben war, dann an einem Tumor, den die Forscher am linken Darmbein fan¬den. Viele Zähne waren kariös oder abgebrochen — daruntei auch der siebente obere Zahn auf der linken Seite, von den-die Wurzel noch im Kiefer steckte. In diese Zahnlücke, vermel¬dete die Antikenbehörde, passe nun genau ein Zahn, der schor 1881 in dem Sammelgrab von Deir el-Bahari gefunden wurde in einem Holzkast* mit der Namenskartusche Hatschepsut darauf. Außer dem Molaren enthielt die mysteriöse Kiste nocl die mumifizierten Reste eines Organs, vermutlich einer Lebe oder eines Magens. Zu dumm nur, dass wenig später ein Zahn arzt feststellte, dass es sich bei diesem losen Zahn um einer Molaren des Unterkiefers handelte. In die Lücke im Oberkie fer konnte er folglich nicht passen. Damit gab es nun keine, Anhaltspunkt mehr, die fettleibige Dame aus KV 60 für Hai schepsut zu halten — und möglicherweise war sie eben doch ein »wunderschöne Frau«.
Nun war die Zeit für Thutmosis III. gekommen, die Hen schaft endgültig zu übernehmen. Über diesen Regierunw wechsel ist sehr viel spekuliert worden, da einige Zeit nac Hatschepsuts Tod viele ihrer Namenskartuschen ausradiei wurden. Dies, vermuteten einige Ägyptologen, sei eine Rach( aktion ihres Neffen Thutmosis III. gewesen, weil sie ihn üb( zwei Jahrzehnte lang vom ägyptischen Thron ferngehalten hab] Doch auch wenn es Hatschepsut war, die während dieser Ze

im Rampenlicht stand, dümpelte Thutmosis III. keineswegs in ihrem Schatten tatenlos dahin. Seine Autorität stand nie in Frage: »Sein Sohn trat an seine (Thutmosis II.) Stelle als König der beiden Länder, er herrschte auf dem Throne dessen, der ihn erzeugt hatte«, berichtete der thebanische Baumeister Ineni an den Wänden seines Grabes. Sobald er alt genug war, übernahm Thutmosis III. zudem den Oberbefehl über das ägyptische Heer und erwies sich bald als geschickter und von allen geschätzter Anführer. Mit dem Militär im Rücken wäre es ihm ein Leichtes gewesen, Hatschepsut vom Thron zu verjagen — wenn er es denn gewollt hätte.
Wir wissen also nicht, wie das Verhältnis zwischen Hat-schepsut und Thutmosis III. war, als die Königin starb. Aber das letzte Zeugnis, das wir aus ihrer Regierungszeit haben, ist eine Stele vom Sinai aus dem 20. Jahr ihrer Herrschaft. Sie zeigt Hat-schepsut und Thutmosis III. bei einer Opferhandlung — und beide sind ganz klar ebenbürtig dargestellt. Jedenfalls scheint Thutmosis III. viel von ihr gelernt zu haben. Wie schon seine Stiefmutter begründete auch er seinen Thronanspruch nicht nur mit seinem Stammbaum, sondern machte göttlichen Einfluss
r seine Wahl zum König geltend. In einer Inschrift im Tem-.-D21 von Karnak erklärt er, dass Amun-Re persönlich ihn für die -:-=errschaft bestimmt habe: »Amun, mein Vater ist er, ich bin min Sohn, er befahl mir, dass ich auf seinem Throne sei, als ich :-.,Jch einer war, der in seinem Neste ist.«
Solange Hatschepsut am Leben war, mögen die beiden sich z4....-monisch gleichgesinnt präsentiert haben. Kaum lag Hat-
-1-epsut aber in ihrem Grab im Tal der Könige, änderte sich ..z:rptens Politik radikal. Die Alleinherrschaft von Thutmosis III. l'e-nn mit einem Paukenschlag: Der Pharao marschierte nach
:derasien. Was für Hatschepsut die friedliche Handelsexpe-

dition ins südliche Punt gewesen war, war für ihren Nachfolg( diese militärische Expedition gen Norden. Die Schlacht vo Megiddo und die anschließende Belagerung der Stadt ist di bestdokumentierte militärische Auseinandersetzung, die wir aL dem alten Ägypten kennen. Thutmosis ließ die Ereignisse de Jahres 1457 vor Christus in aller Ausführlichkeit an die Wand des Annalensaals im Tempel von Karnak schreiben.
Warum er nach Megiddo zog, lässt er allerdings offen. Entwe der witterten die syrischen Fürsten nach dem Tod Hatschepsut eine Schwäche und verbündeten sich zu einem Angriff auf da Land am Nil — oder Thutmosis III. wollte von vornherein ver hindern, dass sie überhaupt nur auf den Gedanken komme: könnten, und holte zu einem gewaltigen Präventivschlag au: Die Führung der Zcinde hatte der Fürst von Kadesch über nommen, insgesamt berichten die Tempelinschriften von 33( syrischen Fürsten, die sich in der Festung Megiddo zusammen gerottet hatten. Thutmosis III. führte sein Heer nicht über der üblichen Weg dorthin, sondern über einen schmalen Pass in Karmelgebirge. So gelang es dem ägyptischen Heer, die Feind( zu überrumpeln. Der Pharao selber kämpfte an vorderster Front »Seine Majestät zog aus auf seinem Streitwagen von Elektron geschmückt mit dem Glanze seiner Waffen wie Horus, starker Armes, Herr der Tat wie Month von Theben«.
Hätten die Ägypter konsequent den fliehenden Soldater nachgesetzt, wäre es womöglich ein glatter Sieg gewesen. Docl stattdessen erlagen sie der Versuchung, das zurückgelassene La ger der feindlichen Truppen zu plündern: »Da erbeutete mar ihre Pferde und ihre Streitwagen von Gold und Silber, gemach zur Kampfbeute. Ihre Krieger lagen hingestreckt wie die Fisch im Bausch des Netzes, das siegreiche Heer Seiner Majestät abe zählte ihre Habe.« Die überlebenden Syrer verschanzten sicl

hinter der sechs Meter dicken und zehn Meter hohen Mauer von Megiddo. Wie lange sie der Belagerung standhielten, ist nicht sicher, die Schätzungen reichen von einem bis sieben Mo¬naten. Am Ende aber kamen »die Fürsten dieses Fremdlandes (...) an auf ihren Bäuchen, um die Erde vor der Gottesmacht Seiner Majestät zu küssen und Atemluft für ihre Nasen zu erfle¬hen — weil seine Kraft groß war und weil die Gottesmacht des Amun [gegen alle] Fremdländer so groß war«.
Für den Rest seiner Regierungszeit zog Thutmosis III. fortan jedes Jahr erneut auf militärische Razzien nach Vorderasien. Meist ging es lediglich darum, kleine Denkzettel in Form von Tributeintreibungen oder Plünderungen zu verpassen. Lediglich im achten und im zehnten Jahr sollte es noch einmal zu echten Schlachten kommen. Auch im Süden sorgte Thutmosis III. mit militärischer Präsenz für einen gesunden Respekt der Nachbarn. Das war allerdings kein Neuland für ihn: Dort hatte er auch schon zu Zeiten der Co-Regentschaft mit Hatschepsut wie-derholt Kampagnen durchgeführt. Aber dies war nicht mehr Hatschepsuts friedliches Ägypten. Das Land war zu einer selbst-Dewussten Supermacht geworden. Thutmosis III. zeigte seine Zähne. Mit Ägypten war jetzt nicht mehr zu spaßen. In den 20 Jahren seiner Alleinherrschaft führte Thutmosis III. 17 Feld¬zage und eroberte dabei 350 Städte zwischen dem Euphrat im .;.Drden und Nubien im Süden.
Pharao Thutmosis III. wurde oft mit Napoleon Bonaparte blichen — und das nicht nur wegen seiner aggressiven Expan-
nspolitik. Denn so wie Napoleon auf seinem Ägypten-Feld-7.Lz, nicht nur Soldaten im Gefolge hatte, sondern ebenso Inge-ne...1-e, Astronomen, Geographen, Botaniker und Linguisten, riermsierte sich Thutmosis III. ebenfalls nicht nur für Kriegs-
sondern auch für die Flora und Fauna der eroberten Ge-


biete. Schon Hatschepsut hatte ja ausführlich dokumentierer lassen, was ihre Expedition aus dem Goldland Punt an exoti. schen Pflanzen und Tieren mitgebracht hatte. Thutmosis III trieb nun diese Begeisterung für Biologie sogar noch weiter Im nordöstlichen Teil seines Festtempels in Karnak dienen clic Wände als Katalog für seinen sogenannten Botanischen Garten Die »seltenen Pflanzen und schönen Blumen« sowie Tiere sam melte der Pharao auf seinem dritten Feldzug im 25. Regierungs jahr nach Retjenu, in der heutigen Region von Israel, Palästim und Syrien, und spendete sie anschließend dem Amun-Tempel Akribisch ist die wissenschaftliche Beute auf den Tempelwändet inventarisiert.
Auch um den Fortbestand der Dynastie kümmerte Thutmosi sich rechtzeitig. Es hätte eigentlich nahegelegen, mit einer Eh zwischen ihm und seiner Halbschwester, Hatschepsuts Tochte Neferu-Re, die körtgliche Blutlinie weiterzuführen. Doch ob wohl Neferu-Re den Titel der Gottesgemahlin des Amun trul und damit designiert war für die Ehe mit dem "Ihronfolget wurde sie niemals Große Königliche Gemahlin. Den Titel ver lieh Thutmosis III. Satiah, der Tochter der königlichen Arnm. Ipu. Mit ihr zeugte er drei Kinder, die aber, wie auch ihre Mut ter, noch zu Lebzeiten des Pharao starben. Nach Satiahs To( ehelichte er Meritre Hatschepsut, die Tochter einer Priesterin Sie gebar ihm den Sohn Amenophis II. und zwei Töchter, Merit Amun und Tija.
Wahrscheinlich bot Thutmosis III. auch körperlich einen im posanten Anblick. Mit 1,71 Metern war er größer als alle ande ren Pharaonen der 18. Dynastie, mit Ausnahme des riesenhal ten Amenophis I. Seine breite Brust, die muskulösen Arme un Beine sowie die großen Hände und Füße verliehen ihm zusät2 liche Autorität. Vermutlich war er ein begeisterter Athlet, der


sich auf seinen Feldzügen sportlich mit den eigenen Soldaten messen konnte. Unter ihm begann eine Sportbegeisterung in Ägypten, die sein Sohn später enthusiastisch fortführen sollte.
Etwa zwanzig Jahre lang saß Thutmosis III. bereits als Allein-herrscher auf dem 'Thron, als plötzlich im ganzen Land Stein-metze begannen, den Namen Hatschepsuts an ihren Monu-menten zu tilgen. Was der Grund für diese damnatio memoriae war, gehört zu den großen ungelösten Rätseln der 18. Dynastie. Der Pharao selber schien, auch wenn er 22 Jahre lang auf die Al-leinherrschaft hatte warten müssen, nie einen Groll gegen seine Stiefmutter gehegt zu haben. Möglicherweise gab erst sein Sohn Amenophis II. den Befehl für die Namens tilgung, nachdem Thutmosis III. ihn zum Co-Regenten erhoben hatte. Immerhin ist von ihm bekannt, dass er viele Bauwerke Hatschepsuts usur-pierte und für sich beanspruchte. Je weniger die Ägypter sich an Hatschepsut und ihre blühende Regierungszeit erinnerten, desto mehr verblassten jedenfalls auch Thronansprüche mög¬licher Nachkommen ihrer Linie, die Amenophis II. hätten ge¬fährlich werden können. Damit stellt sich die Frage: Wenn sich die Ägypter später zu Zeiten Echnatons und Tutanchamuns an die Jahre unter der Regierung Hatschepsuts erinnerten, dachten sie dann an ein friedliches, blühendes Ägypten? Oder an eine Usurpatorin des Throns, deren Name nicht mehr ausgesprochen werden durfte?
Unter Hatschepsut war Ägypten groß geworden, unter Thut-:-nosis III. noch größer. 53 Jahre, 10 Monate und 26 Tage lang errschte er über das Land, dreißig davon als Alleinherrscher. liistorische Bedeutung ist schwer zu messen. Doch Thutmois III. gehörte zweifellos zu den bedeutendsten Pharaonen der igyptischen Geschichte. Bei dem hohen Alter, das er erreichte, st es nur wahrscheinlich, dass er tatsächlich friedlich in seinem

Bett starb. Sein Grab im Tal der Könige, heute mit der Numme KV 34 versehen, sollte nicht seine letzte Ruhestätte bleiben -Emile Brugsch entdeckte die Mumie 1881 im Sammelgrab vor Deir el-Bahari. Sie war stark zerstört, die Grabräuber der Ra sul-Familie hatten sie auf der Suche nach wertvollen Amuletter in drei Teile zerbrochen. Einzig das Gesicht, von den antiker Einbalsamierern mit einer Schicht aus Teer konserviert, war re lativ gut erhalten. »Sein Aussehen entspricht nicht unserer Er wartung von einem Eroberer«, urteilte Gaston Maspero, als ei die Mumie 1886 auswickelte. »Die Stirn ist ungewöhnlich nied. rig, die Augen tief eingesunken, der Kiefer kräftig, die Lipper dick und die Wangenknochen extrem vorstehend. Die gesamt( Physiognomie erinnert an diejenige von Thutmosis II., wenn auch mit mehr Energie.«
Amenophis II. mit% ein großes Erbe an. Doch er hatte nicht nur viel von seinem Vater gelernt, er besaß mit Sicherheit auch von sich aus hervorragende Führungsqualitäten. Vor allem be-herrschte er die Sprache der Symbolik, wie er vermutlich bereits bei der Tilgung von Hatschepsuts Namen unter Beweis gestellt hatte. In seinem dritten Regierungsjahr trug er in Tachsi, süd¬lich von Kadesch am Orontes, einen Sieg davon. Sieben Fürs¬ten der Gegner mussten ihr Leben lassen. Und Amenophis II. begnügte sich nicht mit ihrem Tod allein. Er lässt sie kopfüber am Bug seines Schiffes befestigen und macht sich so auf den Heimweg nach Theben. Dort knüpft er sechs von ihnen an die Stadtmauer. Für den siebenten aber ist die Reise noch nicht zu Ende. Den schickt Amenophis II. weiter den Nil hinauf bis nach Napata am 4. Nilkatarakt. Am Ende der rund 3000 Kilo¬meter langen Reise präsentiert er dort den mittlerweile verwes¬ten Leichnam den Nubiern: Seht her, so ergeht es euch, wenn ihr euch gegen mich auflehnt! Während sein Vater noch stolz die Tiere und Pflanzen dokumentierte, die er von Feldzügen mitbrachte, lässt Amenophis II. vor allem die Kriegsbeute ak-ribisch dokumentieren. Seine Listen umfassen weder Blumen noch Vögel, sondern hauptsächlich tote Feinde, eroberte Waffen und Streitwagen, Silber, Gold und Sklaven.
War schon sein Vater ein begeisterter Sportler gewesen, kann Amenophis II. als der erste bekannte Athlet des Altertums gel-ten. Die Schreiber hielten seine sportlichen Leistungen im Lau-fen, Rudern, Bogenschießen und im Umgang mit dem Streit-wagen fest. Ob er allerdings tatsächlich eine Handbreit dicke kupferne Zielscheibe durchschießen oder ein Schiff schneller und weiter als 200 Soldaten seiner Flotte rudern konnte, wie sie behaupteten, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls ließ er sich sogar ganz offiziell als Sportler im vollen Lauf darstellen — so etwas hatte es in der Kunst zuvor noch nie gegeben.
Mindestens zehn Söhne und eine Tochter soll Amenophis II. gezeugt haben. Seine Hauptfrau war Tiaa — wir kennen sie al-.erdings erst aus der Regierungszeit seines Sohnes Thutmosis IV. Unter Amenophis II. bleibt Tiaa unsichtbar. Weder ihr Name noch ihre Figur tauchen auf offiziellen Monumenten auf. Keine :!:önigin der 18. Dynastie blieb so weit im Hintergrund wie Tiaa. "richt einmal den Titel der Großen Königlichen Gemahlin darf sie führen — den trägt während der Regierungszeit von Ameno-: nis II. seine Mutter Meritre Hatschepsut. Einige Forscher ha-:en spekuliert, der Pharao könne unter einer Art Frauenphobie Birten haben. Schließlich war er es ja vermutlich, der auch den
Hatschepsuts überall tilgen ließ. Solange es in seiner
stand, sollte nie wieder eine Frau stark genug werden,
den ägyptischen Thron für sich beanspruchen zu können.
Nach 26 Jahren an der Macht starb Amenophis II. im Jahr
vor Christus. Sein Grab mit der Nummer KV 35 ist eins

der schönsten im gesamten Tal der Könige. Die Wände sind vollständig bemalt, an der Decke der Grabkammer funkelt ein Sternenhimmel. Als Victor Loret das Grab im Jahr 1898 ent-deckte, lag die Mumie noch in ihrem Sarkophag. Allerdings war der Pharao nicht allein: In der 21. Dynastie hatten die Priester der Nekropole 20 weitere Personen in den Kammern in Sicher-heit gebracht, darunter neun Könige.
Amenophis II. hatte an allen Fronten Potenz demonstriert: als brutaler Kriegsherr, als erfolgreicher Sportler und als Vater vieler Söhne. Sein Nachfolger erbte nur wenig von der rohen Stärke seines Vaters. Thutmosis IV. war ein Muttersöhnchen und ein Träumer. Seine gesamte Karriere begann mit einem Traum. Da er nicht Amenophis' Erstgeborener war, deutete zu¬nächst nichts darauf hin, dass er einmal den ägyptischen Thron besteigen würde. Dardeaber ruhte er sich eines Tages nach einer anstrengenden Löwenjagd im Schatten der großen Sphinx von Gizeh aus und schlief ein. Die 73,5 Meter lange und 20 Me¬ter hohe Skulptur war damals bereits uralt. Vermutlich war es Pharao Chephren aus der 4. Dynastie, der sie um die Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus hatte errichten lassen — wen sie ursprünglich darstellen sollte, weiß allerdings niemand so genau. Da sie in einer leichten Senke liegt, sammelt sich um sie herum der Flugsand. Der Schatten, den Thutmosis IV. an jenem Tag genoss, wurde zu dem Zeitpunkt nur noch von ihrem Kopf geworfen. Der Rest ihres Körpers ruhte tief verweht im Wüstensand.
Thutmosis fiel in einen tiefen Schlaf Plötzlich aber weckte ihn eine Stimme: »Sieh mich an, blicke auf mich, mein Sohn Thutmosis. Ich bin dein Vater Harmachis-Chepre-Re-Atum. der dir das Königreich auf Erden an der Spitze der Lebenden gibt.« Allerdings, fährt der Gott fort, habe er eine große Bitte-.

»Der Sand der Wüste, auf dem ich mich befinde, nähert sich mir«, klagt er. Thutmosis möge ihn doch wegschaufeln. Es kam, wie Re prophezeit hatte. Thutmosis IV. bestieg den Thron und begann unmittelbar danach mit den Ausgrabungen der riesigen Skulptur. Als sie vom Sand befreit war, platzierte er zwischen ih-ren Pfoten die sogenannte Traumstele, auf der diese Geschichte geschrieben steht.
Zehn Jahre lang regierte Thutmosis IV. Ägypten. Außer eini-gen kleineren militärischen Auseinandersetzungen passierte nicht viel im Reich. Allerdings regten sich die Hethiter und drohten, im Norden Unruhe zu stiften. Um den Frieden zu si¬chern, probierte der Pharao eine neue Strategie aus: Statt sich mit den Mitanni nur temporär und militärisch zu verbünden, bat er deren König Artatama I. um die Hand seiner Tochter. Das war keine einfache Angelegenheit. Sechs Briefe schrieb Thutmosis IV. an den Mitannikönig — ohne Erfolg. Erst als er .krtatama zum siebenten Mal bat, willigte dieser ein. Die mi-:annische Prinzessin blieb allerdings Nebenfrau, seine Große Königliche Gemahlin war Nefertari. Und nun holte Thutmo-sis IV. auch seine Mutter Tiaa aus dem Schatten des Harems in
Öffentlichkeit. Er verlieh ihr den Titel der Gottesgemahlin
Amun und zeigte sich auf öffentlichen Monumenten sogar
m in Arm mit ihr. Oft trat der Pharao auch mit seiner Gro-z•z- n Königlichen Gemahlin und der Gottesgemahlin des Amun Lerneinsam auf.
Ebenso wenig wie die psychische Stärke hatte Thutmosis IV. i__:_h nichts von der physischen Stärke seines Vaters geerbt. Als
· tor Loret seine Mumie im Sammelgrab von Amenophis II. 2r:7:leckte, fand er einen kränklichen Mann, der vor seinem monatelang dahingesiecht war. Besonders berührend aber izin Gesicht. Kein Leid spiegelt sich darin, keine Schmerzen.

Um seine Lippen spielt ein glückliches Lächeln — als sei er eber erst im Schatten der Sphinx eingenickt und träumte einen schö-nen Traum. Mit Thutmosis war die Zeit der Kriegerpharaonen endgültig vorbei. Die Zeit der religiösen Träumer hatte begon¬nen — eine Entwicklung, die mit Thutmosis' Enkel Echnaton ihren Höhepunkt finden sollte.
Solange man zurückdenken konnte, hatten sich die ägyptischen Herrscher in oder zumindest in der Nähe ihrer riesigen Toten-monumente begraben lassen. Zunächst waren es die Mastabas gewesen, rechteckige Bauten mit abgeschrägten Ecken wie der gekappte Rumpf einer Pyramide. Die Könige der 1. und 2. Dy-nastie ruhten in Grabkammern unter diesen Mastabas. In der 3. Dynastie schließlich bekamen die Stümpfe Spitzen, König Djoser ließ sich um 2650 vor Christus in Sakkara die erste Stu-fenpyramide der Geschichte bauen. Das gewaltige Bauwerk war mit einer Höhe von 62,5 Metern schon von weitem sichtbar, ein deutliches Statement: Hier ruht ein Pharao, ein Gottkönig. In der 4. Dynastie wurden die Pyramidenwände glatt. Cheops, Chephren und Mykerinos schufen sich mit den drei Pyramiden von Gizeh die wohl berühmtesten Grabdenkmäler der Welt.
In der 4. Dynastie bekamen die Grabkomplexe auch jene Form, die sie für das nächste Jahrtausend mehr oder weniger beibehalten sollten. Direkt am Ufer des Nils stand der Tal¬tempel, durch einen Aufweg mit dem eigentlichen Totentem¬pel und der Pyramide auf der höher gelegenen Wüstenebene erbunden. Allesamt waren dies reiche Anlagen, die nicht zu übersehen waren und auch nicht übersehen werden sollten, son¬dern die deutliche Botschaft trugen: Hier liegt ein Toter, den es zu verehren gilt. Reichtum aber zieht Diebe an. Zunehmend

versuchten die Pharaonen, sich mit technischen Raffinessen gen Grabräuber zu schützen. Blinde Gänge, Scheingräber o Fallen sollten Eindringlinge ablenken und den einbalsamier Mumien der Pharaonen Sicherheit gewähren. Genutzt ha nichts. »Zu Beginn der 18. Dynastie gab es in ganz Ägyp kaum ein Königsgrab, das nicht beraubt worden war«, sch Howard Carter in seiner Beschreibung des Tals der Könige. » den Herrscher, der den Platz für seine eigene letzte Ruhest aussuchen sollte, ein ziemlich grausiger Gedanke.«
Thutmosis I., dritter Pharao der 18. Dynastie, muss be2 lich der Grabwahl noch paranoider gewesen sein als seine '\ gänger. Wo genau sein Totentempel lag, ist nicht bekannt, 121 licherweise überbaute seine Tochter Hatschepsut ihn mit ih eigenen Prunktempel im Becken von Deir el-Bahari am W ufer des Nils. Eines aber ist sicher: Sein Grab lag nicht n dort, wo er verehrt wurde. Er ließ es versteckt anlegen, in e Schlucht weit hinter den steil aufsteigenden Hängen des I el-Bahari. Dort sollte kein Grabräuber ihn je finden könr Möglicherweise hatte bereits sein Vorgänger, Amenophis I.,
nicht mehr im oder nahe beim Totentempel bestatten las, 4t.
Aus der 20. Dynastie gibt es einen Papyrus, der berichtet,
das Grab Amenophis' inspiziert und für intakt befunden wu Allerdings bleibt die Ortsangabe mysteriös, und kein Grab Tal der Könige lässt sich diesem Pharao eindeutig zuordnen.. Ehre fällt also tatsächlich erst seinem Nachfolger Thutmos zu: Er war der erste ägyptische König, der im Tal der Kör begraben wurde — eine Tradition, die seine Nachfolger 500 Jr lang aufrechterhalten sollten.
Es war ein gewaltiger Spagat, den Thutmosis damit wo Auf der einen Seite gebührte ihm als Pharao fortdauernde' ehrung. Dazu war es aber wichtig, dass er nicht in Vergessen

geriet — sondern mit dem Totentempel, auch »Millionenjahr-haus« genannt, einen Platz schuf, an dem das Volk ihm huldigen konnte. Auf der anderen Seite stand das Sicherheitsbedürfnis, seine Mumie und persönliche Grabausstattung so gut zu verste-cken, dass sie auf ewig vor Dieben geschützt wären. Der Kom-promiss zwischen diesen beiden Ansprüchen waren die hohen Felswände, die Deir el-Bahari vom Tal der Könige trennen. Mit dem Bau der Grabkammer beauftragte er seinen Bau¬meister Inene, der gleichzeitig auch Bürgermeister von Theben war. Fortan durfte der den Titel »Leiter der Arbeiten am Fels-grab des Königs« führen. In einer biographischen Inschrift in seinem Grab berichtet Inene, worauf der Pharao großen Wert legte: »Ich achtete darauf, dass das Aushauen des Felsgrabs Sei¬ner Majestät heimlich geschah. Keiner sah es, keiner hörte es.« Der Ort, an dem Inene das Grab für seinen Herrscher aushob, war für diese Zwecke gut gewählt. »Das Tal der Königsgräber«, beschreibt Howard Carter ihn schwärmerisch im Grabungsbe¬richt, »schon der Name ist voller Romantik, und ich glaube, inter all den Wundern Ägyptens gibt es keines, das die Phanta¬sie mehr anregt.« Über dem Tal thront der Gipfel des el-Qurn .das Horn«). Die Hänge des 420 Meter hohen Berges bilden natürliche Pyramide — möglicherweise bauten deshalb die .araonen, die im Tal der Könige begraben liegen, keine eige-- fn. Ein geschickter Schachzug: Die pyramidenförmige Fels-7 -:ration war ein weithin sichtbarer Marker für ihre Gräber. da ein natürlich gewachsener Berg keine Aufmerksamkeit lockte er auch keine Diebe an. Das Tal ist ohnehin kein an den lebendige Menschen sich freiwillig begeben war¬n' 7_. Nichts als Steine füllen die Schlucht, und die Sonne ist - frbittlich. Selbst in den Wintermonaten liegt die Temperatur aber meist weit über 20 Grad Celsius, im Sommer ist es

mit Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius schlicht unerträglicf Regnet es doch einmal, kann sich das Regenwasser nicht au; breiten, sondern flutet als wilder Strom durch die Talsohle, de alles mit sich reißt, das nicht fest mit dem Felsen verbunden is
Wie geheim die Bauarbeiten am Grab von Thutmosis I. tat sächlich waren, sei allerdings dahingestellt. Denn unweit de Tals, eingeschmiegt in ein kleines natürliches Amphitheater ar Westufer des Nils, liegt das Dorf Deir el-Medina. Hier lebte von der 18. bis zur 20. Dynastie die Arbeiter, Handwerker un Künstler, die für die Pharaonen die unterirdischen Grabkaff mern im Tal der Könige aushuben und dekorierten. Da in de Mauer, die das Dorf umgibt, viele Ziegel verbaut sind, in die de Name von Thutmosis gestempelt ist, muss die Siedlung bereit zu seiner Zeit existiert haben. Vermutlich ist sie sogar noch äl ter, denn die Arbeiter von Deir el-Medina verehrten noch lang Zeit seinen Vorgänger Amenophis I. und dessen Mutter Nefe rati als Schutzgötter. Jedes Jahr feierten sie dem Pharao und sei ner Mutter zu Ehren ein Fest — eine Feier, die sonst nirgendw in Ägypten abgehalten wurde. Wenn das Dorf aber bereits vo Thutmosis' Vorgänger gegründet worden war, dann wussten zu mindest die Einweibner von Deir el-Medina, dass dort auf de anderen Seite der Felswand das Grab des Pharao entstand.
»Set Maat« nannten sie ihr Dorf, »Ort der Wahrheit«. Sic selber bezeichneten die Arbeiter als »Diener am Ort der Wahl heit«. Über kaum eine Gemeinschaft Ägyptens ist so viel bekann wie über die Einwohner dieses Dorfes. Bei den Ausgrabunge des Französischen Instituts für orientalische Archäologie vo 1921 bis 1951 fanden die Ausgräber nicht nur Häuser, Tempc und Gräber, sondern auch Tausende beschrifteter Tonscherber sogenannte Ostraka. Auf diesem billigen, stets in Hülle un Fülle vorhandenen Schreibmaterial hielten die Menschen vo


Deir el-Medina alle Alltagsgeschäfte fest: von Lohnauszahlun-gen über Arbeitsanweisungen, Verträgen und Streitigkeiten bis hin zu medizinischen Rezepten und sogar Liebesbekundungen. In genau jenen Jahren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in denen Howard Carter das Grab des Tutanchamun leerte und das Leben eines Pharao untersuchte, erforschten die französi-schen Archäologen in unmittelbarer Nachbarschaft das Leben jener Arbeiter, die das Grab dieses Pharao gestaltet hatten.
Wenn ein Beamter verkündete, »der Falke ist zum Himmel geflogen«, ging eine große Unruhe durch das Dorf. Der »Falke« war kein Geringerer als der Pharao in Gestalt des Horusfalken, und sein Flug gen Himmel bedeutete, dass er das Zeitliche ge-segnet hatte. Dann galt es erst einmal, die Thronbesteigung seines Nachfolgers gebührend zu feiern. Wenn aber das letzte Opfertier verspeist und der letzte Weinkrug geleert war, began-en — zumindest in Deir el-Medina — bereits die Vorbereitungen ir seinen Tod. Sterben musste auch der neue Pharao früher :der später, und dann sollte sein Grab in voller Pracht bezugs-_-rf.:Tig sein. Zunächst musste ein geeigneter Platz gewählt und :-..ie Pläne der bereits bestehenden Grabanlagen konsultiert wer-:en. damit das neue Grab kein älteres anschnitt. Nicht immer ..nr.eint die Dokumentation allzu sorgfältig gewesen zu sein,
n beispielsweise beim Bau der Grabanlage von Ramses III. i_ii-chstießen die Arbeiter versehentlich die Wand zum Grab des LWienmesse.
Die Archäologen fanden in Deir el-Medina mehrere Pläne, Beispiel einen Papyrus mit dem Lageplan für das Grab ger Ramses IV. oder ein großes Ostrakon mit dem Plan für zati
Crab von Ramses IX. Doch in der Ausführung weichen die dann letzten Endes doch an einigen Stellen vom Plan c Da die Gesteinsschichten im Talboden nicht gleichmäßig

verlaufen, konnten die Arbeiter immer wieder unvorhergesehen auf extrem hartes Gestein wie zum Beispiel große Feuerstein-knollen stoßen. Denen war mit den Meißeln aus Kupfer oder Bronze nicht beizukommen — das härtere Material Eisen war da¬mals noch exklusiven Waffen vorbehalten. Entweder änderten sie dann den Verlauf der Gänge und Kammern oder sie ließen den Störenfried, wie den großen Felsblock im Grab des Me-renptah, auch einfach stehen.
Für die unterschiedlichen Gänge und Kammern hatten die Menschen in Deir el-Medina eigene Namen. Der tote Pharao selber kam am Ende im »Goldhaus« zu liegen; die Kammer, die seinen Streitwagen beherbergte, hieß »Halle des Wagens«. An-dere Nebenkammern nannte man schlicht »Schatzkammern«. Der offene Zugang zum Grab trug den schönen Namen »erster Gottesgang des Re, der auf dem Weg des Lichts ist«. Die Arbei-ter meißelten die Räume in Stufen von oben nach unten in den Boden. Durch die porösen Kalksteinlagen kamen sie schnell. länger dauerte es bei den Schichten, die mit Feuerstein durch-setzt waren. Während die erste Truppe die Gänge und Kam-mern so in den Fels trieb, folgten ihr bereits die Glätter. Sie polierten die Wände uncIttillten mögliche Risse und Löcher mir Gips und trugen am Ende eine dünne Putzschicht auf. Auf diese konnte nun der Umrisszeichner die Figuren setzen, die dann der Kolorateur nach einem strikten Farbschema ausmalte.
Dabei arbeiteten grundsätzlich zwei Kolonnen: eine rechte und eine linke, benannt je nach der Seite des Grabes, für die sie zuständig waren. Sie unterstanden unterschiedlichen Vorar-beitern und rechneten Arbeitsmaterial sowie Lohn getrennt ab. Sogar über eigene Schreiber verfügte jede Seite, die alle Anwei-sungen, Einkäufe und Auszahlungen akribisch festhielten.
Die Zahl der Arbeiter blieb nicht immer konstant. Im Durch-


schnitt dürften es 40 bis 60 Mann gewesen sein, die an einem Grab arbeiteten — und schon damit wurde es in den Gängen zwischen den Kammern sehr eng. Aus den Aufzeichnungen geht allerdings hervor, dass unter Ramses IV. bis zu 120 Arbeiter be-schäftigt waren. Hinzu kamen Sklaven, Aufseher, Köche und die wichtigsten Männer im ganzen Tal: die Wasserträger. Bei den mörderischen Temperaturen war der Bedarf an Trinkwasser enorm, aber jeder Tropfen musste mühsam über steinige Pfade herbeigeschafft werden. Nicht nur im Tal der Könige, auch in Deir el-Medina war Wasser Mangelware. Die Haupfquelle lag einen dreißigminütigen Fußmarsch vom Dorf entfernt, auch dort schleppten Wasserträger permanent das lebenswichtige Nass herbei.
Für ihre Arbeit im Tal wurden die Handwerker in Getreide ausbezahlt. Ein gewöhnlicher Arbeiter erhielt 51 Sack im Monat, ein Vorarbeiter 71/z, das entsprach 11 beziehungs¬weise 15 deben, der damaligen Währung in Einheiten zu rund 180 Gramm Kupfer. Brauchte er andere Waren, konnte er sein Getreide eintauschen. Ein Rasiermesser etwa kostete ihn ein bis zwei deben, ein Paar Sandalen drei. Ein Ochse entsprach in etwa einem Jahresgehalt.
Auch wenn Deir el-Medina nicht mehr als 1,5 Kilometer uftlinie vom Tal der Könige entfernt lag, wäre der tägliche Hin- und Rückweg über den Felsgrat doch zu beschwerlich ge-esen. Deshalb übernachteten die Arbeiter meist in einem klei-- -_ 7 Camp oberhalb des Totentempels der Hatschepsut. Notizen _: den Scherben von Deir el-Medina berichten darüber, wie sie _• Abends ihre warmen Mahlzeiten aus dem Dorf hoch auf den
· geliefert bekamen.
Die Arbeits»woche« zählte zu Beginn der 18. Dynastie neun auf die jeweils ein freier Tag folgte, später wurde das Wo-

chenende auf zwei freie Tage ausgedehnt. Gab es schwere - gende Gründe für weitere freie Tage, etwa eine Krankmeldung so wurden diese zusätzlich gewährt. Mitunter reichten für dit Garantie weiterer freier Tage sogar Begründungen wie ein Stre: mit der Ehefrau oder das dringende Bedürfnis, nach durch-zechter Nacht einen Rausch auszuschlafen. Zusammen mit der. freien Tagen, die ohnehin wegen diverser religiöser Feiertage ge-währt wurden, konnten so beispielsweise unter der Herrschaft von Merenptah die Arbeiter ein ganzes Drittel des Jahres da¬heim in ihren Häusern in Deir el-Medina verbringen.
Die meisten Tätigkeiten, die im Tal der Könige anfielen, wa-ren Männersache. Entsprechend lagen die Alltagsgeschäfte im Dorf die meiste Zeit über in Frauenhand. In einem Fall ist sogar bekannt, dass die Frau eines Vorarbeiters anstelle ihres Man¬nes die Löhne auszahlte, weil dieser nicht rechtzeitig anwesend sein konnte. Die Kommunikation zwischen der Arbeitsstelle im Tal und dem heimischen Dorf erfolgte in aller Regel schrift¬lich. Wer von den Arbeitern seiner Frau etwas mitteilen ode: ihr Anweisungen geben wollte, musste es ihr aufschreiben unc die Scherbe einem 'leben mitgeben. Entsprechend mussten aber auch die Frauen in der Lage sein, die Botschaften zu lesen Aufgrund dieser ungewöhnlichen Trennung von Männern unc Frauen durch eine hohe Felswand konnten die meisten Einwoh-ner von Deir el-Medina lesen und schreiben, egal welchen Ge-schlechts sie waren. Viele der Frauen von Deir el-Medina hatten religiöse Ämter inne und nannten sich ganz offiziell Sängerin oder Priesterin. Für Arbeiten wie das Mahlen des Getreides oder auch für Hilfe mit der Wäsche standen ihnen von offizielle: Seite Diener zur Verfügung.
Die langen Zeiten der Abwesenheit der Männer führte natür-lich auch immer wieder zu ehelichen Missstimmungen — ent-

sprechend berichten die Ostraka von Deir el-Medina von Tren-nungen und Scheidungen. Nicht immer waren es die Frauen, die unglückliche Beziehungen beendeten. Von einem gewissen Merymaat ist bekannt, dass er eine Scheidung beantragte, weil er mit dem Benehmen seiner Schwiegermutter nicht zurecht¬kam. Bei anderen Paaren hingegen scheinen die langen Zeiten der Abwesenheit das Feuer der Liebe eher noch angefacht zu haben, wie die Funde von Liebesgedichten beweisen.
Da Deir el-Medina keine gewachsene Siedlung, sondern mehr oder weniger auf dem Reißbrett entstanden war, mutet der Stadtplan so blockartig an wie bei römischen Stadtgrün¬dungen oder US-amerikanischen Großstädten. Auf einer Fläche von lediglich 5600 m2 drängten sich zur größten Blütezeit der Siedlung rund 68 Wohneinheiten, die eine Hauptstraße in zwei Blöcke teilten. Jedem Haus standen in etwa 70 m2 Grundfläche zur Verfügung, auf der sich vier bis fünf Räume verteilten, hinzu kamen Nutzflächen im Keller und auf dem Dach. Als die Ar-chäologen die Häuser ausgruben, war allerdings nicht mehr viel von der Architektur übrig. Da Holz Mangelware im weitgehend baumlosen Ägypten ist, hatten die Einwohner bei Aufgabe der Siedlung zur Zeit Ramses XI. (etwa 1110 bis 1080 vor Christus) sämtliche Türrahmen und Stützbalken abmontiert. Ohne diese tragenden Elemente aber stürzten die Häuser schnell zusam¬men.
Die Bewohner Deir el-Medinas waren erstaunlich multikul-rurell. Neben Ägyptern lebten dort Nubier und Asiaten, von den ltstraka sind über 30 ausländische Namen bekannt. Offenbar Litten also die Pharaonen keine Bedenken, ausländische Kräfte .L-le Ruhestätten für die Ewigkeit bauen zu lassen, sie durften
mmen und gehen, wie es ihnen beliebte. Möglicherweise galt L_.:1-1 ein Ehrenkodex unter den Dorfbewohnern, denn Außen-

seiter bekamen nur eine Zutrittsgenehmigung, wenn sie triftige arbeitsrelevante Gründe vorlegen konnten.
Die medizinische Versorgung im Dorf war gut. War man krank, ging man entweder zu einem richtigen Arzt, betete zu einer Gottheit oder bediente sich eines Zauberspruches. Bei Skorpionstichen half ein spezieller Skorpionbeschwörer. Man¬che fragten auch einfach Verwandte oder Freunde nach der passenden Behandlung eines Leidens. So sind auf den Ostraka die Hausmittel gegen Husten (Trauben), Hautausschlag (eine Paste aus Mimosenblättern und Wachs) oder Blindheit (Ho¬nig, Ocker und schwarze Augenpaste) überliefert. Besonders beeindruckend ist eine Zehenprothese, die Archäologen in einem Grab in Deir el-Medina fanden. Der kunstvoll gefertigte große Zeh aus Holz und Leder half dem Träger, wieder ohne Beschwerden gehen zu können.
Selten lebten in einem einzigen Dorf so viele hochtalentierte Spezialisten zusammen wie in Deir el-Medina. Ihr Können nutzten sie natürlich auch für ihre privaten Angelegenheiten. Die Gräber des Dorfes stehen in Ausführung der Steinarbeiten und Bemalung denen der Pharaonen auf der anderen Seite der Felswand in nichts nac4
Nicht immer war aber alles eitel Sonnenschein in Deir el-Medina. Als Ramses III. sein Bauprogramm mit einer Ver-doppelung der Arbeiter voranpeitschen wollte, reichten die Getreidevorräte offenbar nicht mehr, um alle ausreichend ent-lohnen zu können. Immer öfter richteten die Männer sich mit bitteren Beschwerden an ihre Vorarbeiter. Auf einem Ostrakon beschwert sich ein Schreiber bitterlich beim Wesir, »dass wir äußerst elend sind. Alle Sachwerte, die uns zustehen, sind fort-gelassen worden. Nicht leicht ist ja das Steineschleppen! Man hat uns auch die sechs Maß Gerste wieder genommen, um sie

uns als sechs Maß Erde zu geben. Möge mein Herr etwas tun, damit uns der Lebensunterhalt gewährt wird! Denn wir sind schon am Sterben, wir werden kaum am Leben bleiben. Man gibt sie uns nicht, nämlich irgendeine Entlohnung!« Auf einem anderen Ostrakon ist eine ähnliche Klage zu lesen: Seit zwanzig Tagen schon müssten die Arbeiter auf ihr Getreide warten.
Im Sommer des neunundzwanzigsten Regierungsjahrs von Ramses III., etwa 1165 vor Christus, eskaliert die Situation. Auf dem sogenannten Turiner Streikpapyrus hat der Schreiber Amenacht die Ereignisse festgehalten. Die Arbeiter marschie¬ren vom Tal zu einem der königlichen Totentempel, skandie¬ren dort unentwegt »Wir haben Hunger!« und besetzen bis zum Einbruch der Dunkelheit den Vorhof. Am nächsten Tag wiederholen sie die Aktion am Ramesseum von Ramses II., wo man die letzten Vorräte zusammenkratzt und den Arbei-:ern wenigstens 55 Brote aushändigt. »Die Magazine sind leer,
ist nichts vorhanden«, klagt Polizeioberst Monthumes den 3ürgermeister von Theben an. Am kommenden Morgen reiht Monthumes sich gar in den Protestzug ein, der nun auch um :rauen und Kinder angewachsen ist. Gemeinsam ziehen sie zum 7Drentempel Sethos' I., wo die Arbeiter endlich ihren Lohn aus-zezahlt bekommen. Der Streik hatte zumindest für die restliche 7‘._---erungszeit von Ramses III. Wirkung gezeigt, es sind keine zeiteren Vorkommnisse bekannt. Erst rund ein halbes Jahrhun-
später sollte es unter Ramses IX. und Ramses X. erneut zu _
--when unter den Arbeitern kommen.
aere Mägen und volle Gräber sind eine ungünstige Kombi-luzon. Die Bewohner von Deir el-Medina verfügten über ein riznzartiges Detailwissen bezüglich der Grabanlagen — und da-
auch über alle nötigen Voraussetzungen, sie zu plündern. -1.-_hlich belegen sowohl die archäologischen Spuren als auch

eine Reihe von erhaltenen Dokumenten, dass die Grabräube - umso mehr aufblühte, je unruhiger die Zeiten im Tal der Kön. wurden. Zwei Phasen der extensiven Plünderungen lassen sie: ausmachen: eine gegen Ende der 18. Dynastie, als die Gräbt: Tutanchamuns, Thutmosis' IV. und möglicherweise Amenc-phis' III. ausgeraubt wurden, und eine zum Ende der 20. Dynas¬tie, als Korruption, Hunger und Überfälle der Libyer für soziale Unruhen sorgten. Aus Letzterer erzählt vor allem eine Gruppe von Papyri, die sogenannten Grabräuberpapyri. Archäologen entdeckten die Akten zusammen mit weiteren Berichten übe Verbrechen in einem Versteck im Tempel von Medinet Habu.
Leider ist der einzige Papyrus, der ganz konkret einen Ein-bruch im Tal der Könige, nämlich die Plünderung des Grabes von Ramses VI. im neunten Regierungsjahr von Ramses IX.. schildert, teilweise beschädigt. Trotzdem zeigt er anschaulich. mit welcher Ruhe die Räuber sich ans Werk machen konnten -und nach was sie suchten. Vier Tage lang ließen sie sich Zeit, um das Grab seiner Schätze zu berauben: »Der Ausländer Nesamun nahm uns und zeigte (uns) das Grab des Königs Neebmatre Meriamun (Ramses ve, Leben! Reichtum! Gesundheit!, des großen Gottes (...) Und ich verbrachte vier Tage damit, dort einzubrechen, und wir waren alle fünf (dabei). Wir öffneten das Grab, und wir betraten es. Wir fanden einen Korb (?), der auf sechzig (...) Truhen (?) lag. Wir öffneten ihn. Wir fanden (...) aus Bronze ein Waschbecken, eine Kanne, mit der man sich Wasser über die Hände gießt, zwei bronzene keb-Gefäße. zwei bronzene pewenet-Gefäße, ein keb-Gefäß, ein bronzenes inker-(...) Gefäß, drei bronzene irrer-Gefäße, acht Betten aus verziertem Kupfer, acht bas-Gefäße aus Kupfer. Wir wogen das Kupfer der Objekte und der Vasen und fanden es (500 deben, ca. 45,5 kg) schwer; auf den Anteil (jeden Mannes?) kamen 100

deben (9,1 kg) Kupfer. Wir öffneten zwei Truhen voller Kleider; wir fanden daiw-Gewänder aus gutem oberägyptischem Tuch (. • .), 35 Gewänder aus ideg-Tuch, auf jeden Mann entfielen (sieben Gewänder aus) gutem oberägyptischem Tuch. Wir fan-den dort einen Korb (?) mit Kleidern liegen; wir öffneten ihn und fanden 25 rewed-Schals aus farbigem (?) Tuch darin ...«
Im Gegensatz zu dieser recht nüchternen Aufzählung malt Howard Carter in seinem Grabungsbericht erstaunlich roman-tisierend aus, wie ein solcher Raubzug tatsächlich vonstatten-gegangen sein mag: »Seltsames muss das Tal gesehen haben, und verwegen waren die Abenteuer, die sich dort abspielten. Man kann sich das tagelange Pläneschmieden vorstellen, die heimlichen nächtlichen Zusammenkünfte auf dem Felsen, das Bestechen und Betäuben der Friedhofswächter, und dann das verwegene Graben im Dunkeln, das Hindurcharbeiten durch ein kleines Loch bis in die Grabkammer, das fieberhafte Su¬chen bei schwachem Lichtschimmer nach tragbaren Schätzen, und die Rückkehr im Morgengrauen, mit Beute beladen. Dies alles können wir uns vorstellen und uns gleichzeitig vergegen-wärtigen, wie unvermeidlich es war. Indem ein König für seine Mumie eine sorgfältige und kostbare Ausstattung vorsah, die tr seiner Würde entsprechend fand, trug er selbst zu ihrer Zer-störung bei. Die Versuchung war zu groß. Reichtum, der die _erbsüchtigsten Träume überstieg, lag dort für den bereit, der Mittel und Wege fand, ihn zu gewinnen, und früher oder später musste der Grabräuber zum Ziel gelangen.«
Zumindest unter den späten Ramessiden war die Grabräube-rt: kein kleines Delikt einzelner übeltäter, sondern organisierte Kraninalität im großen Stil. Der Papyrus Abbott, der heute im
rish Museum liegt und eine Gerichtsverhandlung aus dem
Regierungsjahr von Ramses IX. beschreibt, liest sich wie ein

Mafia-Roman. Die Geschichte beginnt damit, dass Peser, \ c - steher des östlichen Theben, Berichte über Grabplünderung,-:. auf der gegenüberliegenden Nilseite zu Ohren kommen. Dor: hat sein Gegenspieler Pewero das Sagen, mit dem ihn eine alte Feindschaft verbindet. Peser sieht nun seine Chance gekom¬men, Pewero einen vernichtenden Schlag zu versetzen — er ze ihn bei Chamwese, dem Wesir Gesamt-Thebens, an. Zehn Kö-nigsgräber, vier Priesterinnengräber und eine große Anzahl Privatgräbern habe dieser geschändet und ausgeraubt.
Mit dieser genauen Auflistung der vermeintlichen Scha taten seines Kontrahenten begeht Peser einen schwerwiegenden Fehler. Denn die Prüfungskommission, die Chamwese nun losschickt, um seine Angaben zu überprüfen, stellt konster¬niert fest, dass Peser Pewero zu Unrecht beschuldigt hat. Za finden sie tatsächlich fast alle Privatgräber geplündert. Aber sind nicht etwa vier Priesterinnengräber ausgeraubt, sonde - - lediglich zwei. Und von den angeblich zehn betroffenen K—nigsgräbern können sie nur eines als geöffnet bestätigen. Dr Kommission — wahrscheinlich mit Taschen ausgebeult von ce -Bestechungsgeldern, die Pewero ihnen zahlte — befindet, Peser eindeutig gelogeithat. Die Anklage wird fallengelassen.
Pewero lacht sich ins Fäustchen — und scheut sich nicht, de-Erfolg seinem Kontrahenten noch einmal direkt unter die Nase zu reiben. Am folgenden Tag ruft er »die Aufseher, die Toten-stadtverwalter, die Handwerker, die Polizei und alle Arbeiter der Totenstadt« zusammen und schickt sie auf einen Triumphzug hinüber ans Ostufer des Nils. Er gibt ihnen sogar noch eine besondere Anweisung mit auf den Weg: Direkt vor dem Haus des Peser, trägt er ihnen auf, sollen sie ihren Sieg besonders ge-nüsslich und lautstark feiern.
Peser reagiert wie erwartet — er bekommt einen Wutanfall

Heftig gerät er mit einem der Anführer des Festzuges aneinan-der. Ein Wort gibt das andere, und am Ende schreit Peser dem Störenfried vor Zeugen ins Gesicht, er werde diesen ungeheuer-lichen Vorgang, da der Wesir ja offensichtlich mit Pewero unter einer Decke stecke, diesmal direkt dem Pharao melden. Eine bessere Vorlage hätte er seinem Erzfeind kaum liefern können. Pewero meldet die ungestüme Drohung umgehend seinem Komplizen Chamwese. Der ruft das Gericht zusammen — und zwingt Peser dazu, selber als Richter beizusitzen. In dieser un-glücklichen Position muss er sich selbst des Meineides bezichti-gen und sich schuldig bekennen.
Als hätte Hollywood schon damals seine Hände im Spiel gehabt, kommt Peser am Ende der Geschichte allerdings doch zu seinem Recht. Einige Zeit später wird im Tal eine Räuber¬bande geschnappt, die wahrscheinlich schon seit einiger Zeit ihr Unwesen treibt und damit auch für die früheren Plünde¬rungen unter Pewero verantwortlich ist. Insgesamt besteht die Truppe aus acht Dieben, fünf von ihnen werden namentlich zenannt: der Steinmetz Hapi, der Kunsthandwerker Iramun, der Bauer Amenemhet, der Wasserträger Kemvese und der Khwarze Sklave Ehenufer. Und diesmal geraten sie an einen unbestechlichen Wesir. Der greift zur Doppelrute und löst mit Szhlägen auf Hände und Füße ihre Zungen: »Wir öffneten ihre 3.,.;_rge und ihre Hüllen, in denen sie waren. Wir fanden die er-7:ibene Mumie dieses Königs ... Da war eine große Reihe von zznuletten und goldenen Schmuckstücken an seinem Hals; sein
· war mit einer goldenen Maske bedeckt; die erhabene Mu-dieses Königs war ganz und gar mit Gold bedeckt. Ihre =dien waren innen und außen vergoldet und versilbert; mit —en köstlichen Steinen ausgelegt. Wir rissen das Gold ab, das
· an der erhabenen Mumie dieses Gottes fanden, und ihre

Amulette und Schmuckstücke, die an ihrem Halse waren. _ die Hülle, in der sie ruhte. Wir fanden des Königs Gemahlin sä gleicher Weise; wir rissen alles, was wir an ihr fanden, in glei Weise ab. Wir steckten ihre Hüllen in Brand. Wir stahlen Geräte, die wir bei ihnen fanden, als da waren Gefäße aus Silber und Bronze. Wir teilten und machten das Gold, das an den Mumien dieser beiden Götter fanden, und die Amul Schmuckstücke und Hüllen in acht Teile.« Die Diebe we verurteilt und müssen in Karnak darauf warten, dass der rao sich für eine angemessene Strafe entscheidet. Zur Ausv. stehen Tod oder Verstümmelung.
Die Aushebung dieser einen Bande ist allerdings nur ein T fen auf dem heißen ägyptischen Wüstensand. Aus den wird nicht nur klar, dass die acht Angeklagten bei weitem die einzige Bande sind, die sich an den Königsgräbern be chert. Auch ein gut funktionierendes Netz aus Hehlern ve hervorragend an dem Weiterverkauf der Kostbarkeiten — e wie die Beamten und Aufseher, an die ein nicht unerhebli Teil der Beute in Form, von Bestechungsgeldern fließt.
Was in den folgender knapp dreitausend Jahren im Tal Könige geschieht, wissen wir nicht. Aber als 1743 der engl. Schriftsteller Richard Pococke das Tal bereist, sind die Bandit immer noch — oder schon wieder — da. Er berichtet von e.-Räuberbande, die von Kurna aus die Gegend terrorisiert. ._.¬Dorf gilt als Hochburg der Grabräuber — angeblich bestre.- - die dort ansässigen Familien bereits seit dem 13. Jahrhunc: ihren Broterwerb von dem, was eigentlich den ägyptisc-Herrschern im Jenseits das Leben angenehm machen so. 1768 folgt der britische Naturwissenschaftler James Bruce L- _ berichtet, wie hartnäckig die Diebe sich jedem Versuch der 1, - treibung widersetzen: »Alle sind geächtet und der Todesstr.:21

verfallen, wenn sie anderswo angetroffen werden. Osman Bey, ein alter Statthalter von Girge, der den von diesen Leuten ange-richteten Unfug nicht länger ertragen konnte, befahl, getrock-nete Reisigbündel zusammenzutragen, und besetzte mit sei¬nen Soldaten den Teil des Berges, wo die größte Anzahl dieser Elenden sich aufhielt; dann befahl er, ihre sämtlichen Höhlen mit diesen trockenen Reisigbündeln anzufüllen, und steckte sie dann in Brand, so dass die meisten von ihnen umkamen; doch seitdem ergänzten sie ihre Zahl wieder, ohne ihre Gewohnhei¬ten zu ändern.«
Zunächst ignoriert Bruce alle Warnungen. Er möchte die Wandreliefs im Grab von Ramses II. kopieren und richtet sich zu diesem Zweck für die Nacht in dem offenen Grab ein. Plötz-lich aber erschrecken seine einheimischen Helfer, schleudern fluchend ihre Fackeln fort und »stießen schreckliche Prophezei-ungen aus über all das Unglück, das alsbald nach ihrem Weg-gang aus der Höhle hereinbrechen werde!«. Mit seinem letzten verbliebenen Diener flüchtet Bruce unter Steinhagel und Schüs-sen zum Nil herunter.
Ein Name, der untrennbar mit den pharaonischen Gräbern verbunden ist, ist derjenige der Familie Abd el-Rasul — sie gel-:en als eine Art Adelsgeschlecht unter den Dieben im Tal der Könige. Ihren wohl größten Erfolg verdankten sie einer Ziege. Die war nämlich eines Tages oberhalb des Hatschepsut-Tempels iirem Besitzer Ahmed Abd el-Rasul abhandengekommen und ersehentlich in ein Erdloch gestürzt. Als der sie befreien wollte, merkte er schnell, in was das arme Tier da hineingestolpert war: n Pharaonengrab. Und zwar kein gewöhnliches, sondern of¬-mbar ein Sammelgrab mit diversen prächtigen Sarkophagen in _en möglichen Zuständen, Schmuck, Keramik, Möbeln, Pa-und Gold, Gold, Gold. Die verirrte Ziege des Ahmed Abd

el-Rasul hatte das größte Versteck pharaonischer Mumien Neuen Reiches gefunden.
Damit hatten die Abd el-Rasuls für Generationen a
sorgt — wenn sie denn entsprechend vorsichtig mit ihrem umgingen. Als Erstes platzierten sie zur Tarnung einen
Esel in dem Erdloch — der Verwesungsgestank sollte neugi Nasen abschrecken. Die Familie schwor sich, gut mit den zen zu haushalten und nur jeweils so viel davon auf den zu bringen, wie sie gerade für ein angenehmes Leben brauch Einige Jahre lang veräußerten sie gelegentlich Schmuck und tuen und mehrten so langsam, aber stetig ihren Reichtum.
Schließlich aber kam ihnen im Jahr 1881 die Altertüme waltung doch auf die Schliche und zerrte das Familienober der Abd el-Rasuls vor Da'ud Pascha, den Mudir von Kene. dem war nicht zu spaßen. Howard Carter berichtet, welch benden Eindruck der Mudir bei einem seiner Arbeiter hint sen hatte, der ihm als Jugendlicher begegnet war: »(Der war Dieb von Beruf gewesen und war bei der Ausübung Berufes ergriffen und vcie den Mudir gebracht worden. Es ein heißer Tag, und gleich im ersten Augenblick wurde er großem Schreck befallen, als er sah, wie der Mudir es sich einem großen, irdenen Gefäß mit Wasser bequem machte.« seiner Badewanne heraus starrte Da'ud den Jungen lange einfach nur an. »Und als seine Augen durch mich hindurel.-drangen«, berichtete dieser, »fühlte ich, wie meine Knochen zue Wasser wurden. Dann sagte er ganz ruhig zu mir: Dies ist ckm erste Mal, dass du vor mir erscheinst; du bist entlassen, 1...1.= nimm dich sehr, sehr in Acht, dass du nicht zum zweiten . kommst; und ich war so in Schrecken gebracht, dass ich m Beruf wechselte und nie wiederkam.«
So leicht ließ Abd el-Rasul sich allerdings nicht einsch'

tern. Er beteuerte seine Unschuld. Und auch die befragten Dorfbewohner schworen Stein und Bein, dass der Beschuldigte ein durch und durch ehrlicher Mann sei. Da'ud Pascha aber kannte seine Leute. Er riet der Antikenbehörde, sich noch ein wenig in Geduld zu üben. Und tatsächlich vergingen nur we-nige Wochen, bis sich Mohammed Abd el-Rasul, ein Bruder Ahmeds, bei ihm meldete, die eigene Familie denunzierte — und die Beamten zum geheimen »Banktresor« führte.
Auch wenn dies einen schweren Rückschlag für die Familie bedeutete, übten sie weiterhin ihr Handwerk aus. Als Howard Carter begann, im Tal zu arbeiten, waren die Abd el-Rasuls immer noch überall zugange. Im November 1901 wurden die Wächter des Grabes von Amenophis II. überfallen. Die Wachen erkannten drei der Diebe, zwei davon aus der alten Grabräu-ber-Sippe: Ahmed el-Rasul und Abdrachman Ahmed el-Rasul. Nun betätigte Carter sich als Detektiv. Er untersuchte den Tat-rt genauer und fand die Spuren nackter Füße im Staub — genau 90. wie sie ihm bereits in dem ausgeraubten Grab des Yi-ma-dua aufgefallen waren. Carter zückte den Fotoapparat und machte
beiden Gräbern Aufnahmen der Fußspuren.
Er hatte auch schon einen Verdacht, wem diese Füße gehört -Laben könnten — Mohammed Abd el-Rasul, »ein wohlbekann--__.-1.- Grabräuber, dessen Haus auch noch in unmittelbarer Nähe 7...M Grab lag«. Der musste nun seine nackten Füße herzeigen von Carter vermessen lassen. »Die Maße stimmten auf den YLlimeter genau überein!«, triumphierte dieser. Das Gericht ii_erdings stand diesen neuen Ermittlungsmethoden skeptisch 3.......--enüber. Die Richter akzeptierten Carters Fotografien nicht 3eweismittel und sprachen Mohammed Abd el-Rasul frei. '..ndere Mitglieder der Abd-el-Rasul-Familie dagegen genos-er_ Howard Carters uneingeschränktes Vertrauen. Wer bis Mitte

der 1980er Jahre im Ramesseum Resthouse in Kurna traf mit Glück dort Hussein Abd el-Rasul an, einen Enke_ Ziegenbesitzers
Ziegenbesitzers Ahmed. Fragte man ihn nach seiner Zeit 7-.0 Howard Carter, so holte der alte Mann ein Foto hervor. Da_ ist ein Junge zu sehen, der selbstbewusst und stolz in die schaut. Um seine Schultern liegt schwer der goldene B schmuck des Pharao Tutanchamun. Damals, erzählte H Abd el-Rasul gerne, habe sein Vater als Aufseher für Ho Carter gearbeitet, er selber als Wasserträger für die Aus Als Carter ein Foto des königlichen Schmucks machen v, winkte er den jungen Hussein herbei und bat ihn, für das zu posieren — er sähe, fand Carter, dem Pharao Tutanch wahrscheinlich sehr ähnlich. 1987 verstarb Hussein AM Rasul. Das Ramesseum Resthouse ist jedoch nach wie vor Familienbesitz, geführt von seinen Enkeln und Urenkeln.
Wäre das Mumienversteck, das den Abd el-Rasuls als tresor diente, unter anderen Umständen entdeckt worden, würde es heute vielleicht als bedeutendster Fund der the schen Nekropole gelten. Es liegt nicht direkt im Tal, son in der Felsausbuchtung Deir el-Bahari. Die dahinterliege Wände sind von eine ganzen Reihe von Felsengräbern d löchert, zu denen auch das Mumiendepot mit der Nu DB 320 zählt.
Tutanchamun war nur ein unbedeutender Kindkönig. wenige Jahre lang die Geschicke Ägyptens lenkte. In der Zi stolperfalle von Deir el-Bahari aber lagen rund 40 tote Kö - darunter die größten Herrscher des Neuen Reiches. Ahmosis hatte man dorthin in Sicherheit gebracht, der die a dischen Hyksos endgültig aus dem Nildelta vertrieben ebenso wie Thutmosis I., dessen Kampagnen an der Levante in Nubien das ägyptische Reich ansehnlich vergrößert ha

lug
  Thutmosis III., der in den 54 Jahren seiner Herrschaft während siebzehn Kriegszügen die Grenzen nach Norden bis zum syri-schen Niya und im Süden bis zum vierten Nilkatarakt in Nu-bien hinausgeschoben hatte, und auch Ramses II., der Große, unter dem Ägypten seine höchste wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit erlebt hatte und der mit seiner Diplomatie einen fünf-zehn Jahre währenden Frieden mit allen Nachbarvölkern hatte aushandeln können.
Als Mohammed Abd el-Rasul seinen Bruder verpfiff, war Gaston Maspero Chef der Antikenbehörde. Doch der weilte gerade in Paris, und so fiel es seinem Vertreter Emil Brugsch-Bey zu, sich von dem reuigen Dieb das Versteck zeigen zu las¬sen. Einige Jahre später berichtete er in einem Interview von seinem ersten Abstieg in den Grabschacht: »Bald trafen wir auf Kisten voller Grabbeigaben aus Porzellan, Gefäße aus Metall __nd Alabaster, Draperien und Geschmeide, bis an der Biegung Ganges eine ganze Traube von Mumienbehältern in solcher lahl in Sicht kam, dass mir der Atem stockte. Ich riss mich ,:sammen, untersuchte den Fund, so gut es ging, im Schein -einer Fackel und sah sofort, dass sie die Mumien königlicher frsonen beiderlei Geschlechts enthielten — aber das war noch - -Hr alles. Ich überholte meinen Führer, rannte weiter in die d-)Kammer und fand dort an der Mauer stehend oder auf Boden liegend eine noch größere Zahl von Mumienbe-__ -frn von horrender Größe und unglaublichem Gewicht. Ihr züberzug und die polierten Oberflächen spiegelten mein _,-;:es Gesicht so deutlich wieder, dass es schien, als blicke ich -.en eigenen Vorfahren ins Antlitz.«
.-syrünglich war das Grab die Familiengruft des Hohen¬- ,7-s Pinodjem II. gewesen. Im 11. Regierungsjahr des Pha-_ ---fschonq hatten besorgte Priester die Mumien der Könige

hierher in Sicherheit gebracht — mit so vielen der Grabbei wie sie vor den Räubern und Plünderern hatten retten kö - Für einige der Mumien war es nicht die erste Flucht gew Auf Etiketten hatten die Retter die Stationen der Odyssee 5.: fältig notiert. Ramses I. und II. sowie Sethos I. hatten zuvor reits 25 Jahre im Grab der Königin Ahmose Inhapis verbraant. der Gemahlin von König Seqenere der 17. Dynastie.
Emil Brugsch-Bey musste sich schnell entscheiden. er abwarten und sich langsam und vorsichtig an die Berg-__ng machen, während sämtliche Bewohner Kurnas bereits wie zur Schakale um das nun bekannte Erdloch schlichen? Oder SZ 1= er die als Grabräuber bekannten Arbeiter anheuern, um seiner Aufsicht so rasch wie möglich zu retten, was zu rent" war — bevor weitere Diebstähle und Überfälle die Funde r.:-.mr weiter dezimierten? Er entschied sich, den Einheimischen zi vertrauen — und räumte das gesamte Grab in nur 48 Stunciai leer. Howard Carter, der sich für die Räumung des Tutancib-amun-Grabes zehn Jahre Zeit ließ, bemerkte dazu später mal nüchtern: »Heutzutage arbeiten wir nicht mehr ganz mm schnell.« Die Sorgfalt zahlte sich für Carter aus. Während se:3±. Funde aus dem Grab des unbedeutenden Kindkönigs heute im¬mer noch als Sensatio4 gelten, verkam der Fund von Deir Bahari zu einem kleineren Kapitel in der Geschichte des Tals Könige.
Die 40 Mumien ließ Brugsch-Bey nach Luxor schaffen dort an Bord eines vom Ägyptischen Museum gecharte Schiffes, der Menshial, verladen. Er selber stand an Deck, das Schiff ablegte. Kaum glitt es den Nil entlang, strömten Ufer die Menschen zusammen. Die Frauen bewarfen sich mir Staub und rieben sich die Brüste damit ein; die Männer feuerten ihre Gewehre ab zu Ehren der toten Könige. Lauter Klagegesang

begleitete die Menshigi auf ihrer Fahrt. Brugsch-Bey fühlte sich unter den Blicken der Trauernden selber wie ein Dieb, der die Pharaonen aus ihrer — wie auch immer provisorischen — letzten Ruhe gerissen hatte.
Howard Carter verteidigte Brugsch-Beys Handeln: »Indem wir die Altertümer den Museen zuführen, sorgen wir für ihre Erhaltung; an Ort und Stelle gelassen, würden sie unvermeid-lich früher oder später zur Beute der Diebe werden, was ihrer Vernichtung gleichkäme.« Im Falle der Mumien aus dem Depot DB 320 war dies allerdings Wunschdenken. In den Folgejahren machten sich Insekten über die Leichen der großen Herrscher ler, Feuchtigkeit sickerte durch die Leinenbinden und bot verschiedenen Pilzarten ein willkommenes Milieu. Nicht alle Mumien waren so glücklich wie die von Ramses II. Der wurde im 26. September 1976 mit einer Transall-Maschine nach Paris zeflogen. Ein fast hundertköpfiges Team kümmerte sich über in halbes Jahr lang um die Überreste des mächtigen Pharao, be-,trahlte die Mumie zur Desinfektion mit Kobalt 60 und konser--ierte, was noch übrig war. Am 10. Mai 1977 reiste Ramses II. mirück nach Kairo und residiert seitdem wieder im Ägyptischen
luseum.
Es ist ein großes Glück, dass überhaupt so viele Königs-mumien erhalten geblieben sind. Denn nicht nur Gold und tiunstgegenstände aus den ägyptischen Gräbern ließen sich zu: verkaufen, sondern auch die einbalsamierten Körper sei-:er machten ihre Finder reich. In Europa florierte bis ins frühe Jahrhundert der Handel mit einbalsamierten Toten. Mumia das Zauberpulver, das man aus ihren gemahlenen Über-‚eszen gewann. In seiner 1574 geschriebenen Abhandlung Con-ets Derßrnembsten, beide Alten vnnd Newen Historienschreiber, Medicorum, von etlichen köstlichen hochnötigen fremden

Artzneien listet der Frankfurter Arzt Joachim Strupp 21 Lt. auf, bei denen aus Mumia gewonnene Arzneien Abhilfe sc.- _ fen sollen. Die Bandbreite ist erstaunlich, sie reicht von Hustzi und Halsweh über Schwindel, Gichtbrüchigkeit und Hetznom bis zu Zittern, Nierensucht und Kopfschmerzen. Seine Be handlungsmethoden blieben allerdings nicht ohne Kritik. französische Hofchirurg Ambroise Part (1510-1590) m eindringlich, der Konsum von Mumia verursache »Herz-Magenschmerzen, Erbrechen sowie Gestank aus dem Mund
Mumia war nun nicht gleich Mumia. Es gab durchaus unr schiedliche Qualitäten, wie der Gelehrte Johann Georg Krür zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Oeconomischen Enc) pädie erläutert: »Man rühmt sie sehr, das geronnene Geblüt die Geschwulst zu zertheilen, und sie soll nicht bloß verm ihrer bituminösen und balsamischen Theile, sondern auch möge des flüchtigen Salzes wirken. [...] Die Tinctur, wel daraus gemacht wird, besitzt die balsamischen Eigensch  der Mumie; man gibt sie von 12 bis 24 Tropfen. Beim Ei müssen die Droguisten und Apotheker darauf sehen, dass große Stücke, die Fleisch haben, und keine bloße Knochen s_. bekommen, und diewenn man etwas davon auf Kohlen zwar stark, aber nicht nach Pech riechen. Je schöner und b-mischer der Geruch ist, desto höher schätzt man die Waare..
Auch die großen Künstler pinselten zerriebene Mumien ihre Werke. Bereits ab der Mitte des 16. Jahrhunderts verv, deten sie »Mumienbraun« für Untermalungen und Scha rungen, besonders beliebt wurde das Pigment dann ab d 19. Jahrhundert. Der britische Chemiker George Field be-schreibt das Mumienbraun im Jahr 1809 als »ägyptisch, (. • .) in einem Klumpen, von Knochen etc. durchsetzt — mit einem starken Geruch, der an Knoblauch und Ammoniak erinnert.«

Mitunter dienten die Mumien auch einfach nur zur Unter-haltung der besseren Gesellschaft. Besonders in England feierten im frühen 19. Jahrhundert Gentlemen der gehobenen Schichten gerne sogenannte Mumienpartys, bei denen weniger die Wis-senschaft als vielmehr ein gesellschaftliches Gruseln im Vorder-grund stand. Als Rahmenprogramm wurden oft unheimliche Geschichten wiedergegeben. Die Schauerliteratur hatte in jenen Jahren Hochkonjunktur, in dieser Zeit entstanden Werke wie Mary Shelleys Frankenstein oder John Polidoris Kurzgeschichte The Vampyr, die zur Vorlage für alle weiteren Vampirromane werden sollte. Die Teilnehmer einer Mumienparty wickelten den Toten aus den Binden und hofften, als Andenken Amu¬lette oder Schmuckstücke zu finden. Der Ägyptologe Heinrich Brugsch, dessen Bruder das Depot von Deir el-Medina leerge¬räumt hatte, beschrieb eine solche Party. Veranstalter war kein Geringerer als Friedrich Karl von Preußen, Neffe von Kaiser Wilhelm I. Die geladenen Gäste trafen sich im Jagdschloss Dreilinden, wo die von Friedrich Karl selbst aus Ägypten mit-
brachte Mumie auf einem Billardtisch entblößt wurde.
Wer keine ganze Mumie brauchte, sondern lediglich Mumia r Heilzwecke erwerben wollte, konnte es in der Apotheke t.aufen. Fast jede bewahrte im Hinterzimmer eine Mumie auf, =n der bei Bedarf der Apotheker Teile abtrennte und an seine finden veräußerte. Erst im 20. Jahrhundert verschwand
langsam aus den Arzneimittelschränken der Ärzte und den iziubröpfen der Maler. Aber immerhin konnte man noch 1924, ei Jahre nach der Entdeckung des Tutanchamun-Grabes, !.74rnia vera aegyptiaca beim Chemie- und Pharmaproduzenten .^,.trck in Darmstadt beziehen. Der Preis für ein Kilo lag bei Goldmark.
Für die einbalsamierten Ägypter jedenfalls wurden so horror-

hafte Albträume Wirklichkeit. Pulverisiert und in einem balistischen Akt verspeist oder gar auf Leinwand verschmier-werden, war der schlimmstmögliche Affront gegen ihre G_i_ bensvorstellungen. Denn nach den Jenseitsvorstellungen .2iit Ägypten des Altertums brauchten die Seelen Ka und Ba ckm Körper. Ka blieb nach dem Tod in der Nähe des Leichnams und empfing die Totenopfer, die von den Lebenden bereitze-stellt wurden. Ba dagegen flog mit dem Sonnengott Re über cas Firmament. In der Nacht aber kehrten beide Seelen wieder zum Körper zurück und vereinigten sich mit ihm. Voraussetzui dafür war allerdings, dass sie ihn erkannten — dass die Hinre-bliebenen sich also entsprechend viel Mühe mit der Konsen rung gegeben hatten.
Zu diesem Zweck war im alten Ägypten ein florieren Gewerbe entstanden. Die Angehörigen brachten ihre Toten - spezielle Werkstätten, die »Per-nefer«, Haus der Mumifizierung, oder »Wabet«, Haus der Reinigung, genannt wurden. Was geschah, wissen wir dank des griechischen Geschichtsschrei Herodot, der im 5. Jahrhundert vor Christus in seinem 2. B der Historien, Kapitel 4, ausführlich darüber berichtet:
»Es gibt eine Gruppe von Menschen, die diese Kunst [das Ein¬balsamieren] ausüben und zu ihrem Beruf machen. Wenn man einen Toten zu ihnen bringt, zeigen sie den Kunden kleine Holzmodelle von Leichen, die sorgfältig und naturgetreu be¬malt sind. Sie sagen, das vollkommenste Modell stelle denjeni¬gen dar, dessen Namen in diesem Zusammenhang auszuspre¬chen eine Entweihung wäre [Osiris]. Als Nächstes zeigen sie das zweite Modell, das weniger teuer und weniger sorgfältig ausgeführt ist, und zuletzt das dritte, das preiswerteste. Dann bitten sie, das Verfahren zu wählen, das für den Verstorbenen

angewandt werden soll. Die Familie vereinbart einen Preis und geht heim.
Die Balsamierer bleiben in ihrer Werkstatt. Bei der sorgfäl¬tigsten Art der Balsamierung gehen sie folgendermaßen vor: Zuerst holen sie einen Teil des Gehirns mit einem eisernen Haken durch die Nasenlöcher heraus; den Rest entfernen sie durch Infusion bestimmter Arzneien. Dann machen sie mit einer scharfen Klinge aus äthiopischem Stein [Obsidian] einen Einschnitt an der Seite, entfernen alle inneren Organe, reinigen den Bauchraum und waschen ihn erst mit Palmwein aus und dann mit zerriebenen wohlriechenden pflanzlichen Substan¬zen. Anschließend füllen sie den Bauch mit reiner zermahlener Myrrhe, mit Zimt und allen aromatischen Substanzen, die sie kennen, abgesehen vom Weihrauch. Danach nähen sie den Bauch wieder zu und salzen den Körper ein, indem sie ihn siebzig Tage lang mit Natron bedecken. Diese Zeitspanne darf nicht überschritten werden. Wenn die siebzig Tage vergangen sind, waschen sie den Körper und wickeln ihn vollständig mit Binden ein, die aus sehr feinem Leinenstoff geschnitten und mit Gummi bestrichen wurden, das die Ägypter normalerweise anstelle von Klebstoff verwenden. (...)
Wenn eine Balsamierung zu einem mäßigen Preis gewünscht wird und man nicht zu viel ausgeben möchte, wird folgende Methode angewandt: Die Balsamierer füllen eine Klistier¬spritze mit Zedernöl und füllen den Bauch des Verstorbenen mit dieser Flüssigkeit, ohne ihn aufzuschneiden und ohne die inneren Organe zu entfernen. Nachdem sie das Öl durch den After eingespritzt und dafür gesorgt haben, dass es nicht wie¬der herausfließt, legen sie den Körper für die vorgeschriebene Anzahl von Tagen in Natron ein. Am letzten Tag lassen sie das Dl. das sie eingeflößt hatten, wieder aus dem Bauch herausflie-

ßen; diese Flüssigkeit ist so wirkungsvoll, dass sie die Gedär:-und Eingeweide auflöst und mit herausspült. Das Natron lo seinerseits das Fleisch auf, und es verbleiben nur die Haut unz die Knochen des Leichnams. Danach geben die Balsamiere: den Körper zurück, ohne ihn weiter zu behandeln.
Die dritte Methode der Einbalsamierung, die für die Ärms¬ten angewandt wird, ist folgende: Man säubert die Eingeweide mit Rettichöl und salzt den Körper während der vorgeschrie¬benen siebzig Tage ein. Danach übergibt man ihn der Familie, die ihn mitnimmt.«
Rund 400 Jahre später ergänzt der griechische Historiker Dio-do rus Siculus Herodots Bericht um einige interessante Details. In vielerlei Hinsicht gleicht sein Text zwar dem seines Vorgän¬gers so sehr, dass beide vermutlich von der gleichen Quelle abgeschrieben haben. Trotzdem liefert Diodorus Siculus nodi weitere Einzelheiten. So berichtet er von den Kosten für die un-terschiedlichen Einbalsamierungsmethoden, »die erste soll ein Silbertalent kosten, die zweite zwanzig Minen, die letzte a.b-eine ganz unbedeutende Summe«. Ein attisches Silbertalent
ein stolzer Preis. Das Talent entsprach der Menge an Wassr_ die in eine Amphore mit 39 Litern Volumen passte — in Silbe aufgewogen etwa 26 Kiloasamm. Besonders interessant ist Dio-dorus Siculus' Beschreibung des ersten Schnittes in den Leich-nam: »Sodann führt der Ausschneider mit einem Aetiophische Steine den Schnitt durch das Fleisch so weit, als das Gesetz bestimmt; im Augenblick aber flieht er eilig, und die Anweser, den verfolgen ihn mit Steinwürfen und mit Verwünschunger_ als ob sie die Schuld auf ihn laden wollten, denn sie glauben Je¬den verabscheuen zu müssen, der den Körper eines Mitbürgers gewaltsam antastet und verwundet, oder auf irgendeine Weise

verletzt.« Was hätten sie wohl mit einem Apotheker angestellt, der mit dem Beil ein Stück des Leichnams abtrennt, um ihn im Mörser zu Pulver zu mahlen und für den Verzehr zu verkaufen?
Inwieweit die beiden griechischen Geschichtsschreiber die Künste der Einbalsamierer korrekt wiedergaben, überprüften die drei Forscher Jacques Connan, Andre Macke und Chris¬tiane Macke-Ribet. Dafür untersuchten sie 341 vollständig oder teilweise erhaltene Mumien aus der Nekropole im Tal der Köni-ginnen — einem Seitenarm des Tals des Könige, wo Königinnen und Prinzen der 19. und 20. Dynastie, später auch andere Per-sonen beigesetzt wurden. Zu den Toten der Studie gehörten vier fragmentarische Mumien von Mitgliedern des Königshauses aus dem Neuen Reich (1552-1070 vor Christus), 30 Mumien von Tempelbediensteten und Angehörigen des Hofstaats wie Pries-tern, Gärtnern, Parfümeuren und Sängerinnen aus der Dritten Zwischenzeit und aus der Spätzeit (1070-332 vor Christus) so¬wie 307 Mumien aus der römischen Zeit (30 vor bis 395 nach Christus), als in der Gegend mehrere Dörfer öffentliche Fried¬höfe anlegten. Dazu kamen noch Proben von Mumien aus Mu-seumsbeständen mehrerer europäischer Sammlungen.
Nicht immer, fanden die Forscher heraus, folgten die Einbal-samierer genau den bei Herodot und Diodorus Siculus beschrie-zenen Schritten, obwohl alle untersuchten Mumien aus Grä-:ern der Oberschicht stammten und somit wahrscheinlich die :tuerste Behandlung genießen durften. So stellten sie zwar bei :elen der Mumien Verletzungen fest, wie sie entstehen, wenn -.in einen eisernen Haken durch die Nasenlöcher einführt und Gehirn verquirlt — doch längst nicht bei allen. Mitunter ver-_tb das Gehirn sogar ganz im Kopf, dem Erhalt des Schädels dies im Übrigen keinen Abbruch. Die beiden Griechen be-__-:rieben allerdings die Spätphase der altägyptischen Einbalsa-

mierungskunst. Und tatsächlich konnten Connan, Macke Macke-Ribet zeigen, dass die Hirnentfernung mit zunehmender Zeit populärer wurde. Während im Mittleren Reich nur siebe* Prozent aller Mumien das Hirn entfernt wurde, stieg der An im Neuen Reich auf 40 Prozent. Später, in römischer Zeit, er sogar bei 70 Prozent.
Auch fehlten nur drei Vierteln aller Toten die inneren gane. Deren Behandlung änderte sich ebenfalls im Laufe Zeit. Als Tutanchamun starb, war es bekannterweise noch lich, Magen und Gedärm, Lunge, Leber und Galle separat Kanopenkrügen zu bestatten. Ab der 21. Dynastie platzi man die Organe nach entsprechender Behandlung stattd wieder im Körper, jedes zusammen mit einer Wachsfigur zuständigen Horus-Sohns. Von der 26. Dynastie an legte sie sogar der Mumie einfach nur noch zwischen die Beine.
Die Natronsäckchen, mit denen der Leichnam Tut amuns gefüllt gewesen war, hatte Theodore Davis bereits in Grabungssaison 1907/1908 entdeckt. Auch Connan, M und Macke-Ribet fanden entsprechende Beutelchen — von Balsamierern in den hohlen Körpern einiger Mumien ve sen. Der Inhalt bestand zu über dreißig Prozent aus Sand: wirksamen Substanz* waren gemahlener Alabaster sowie Gemenge von Kochsalz, Soda, Natriumhydrogencarbonat urg. Glaubersalz. Die Prozedur dauerte allerdings weder 70 Tag? wie bei Herodot angegeben, noch 30 Tage, wie Diodorus S: J-lus behauptet. Den genauen Zeitraum konnten die Forsc- bestimmen, indem sie Insektenreste untersuchten, die noch den Balsamierungsresten klebten. Puppenhäute der Zweiflöz lergattung Calehora (Blaue Schmeißfliege) und kleine Speck¬käfer der Gattung Dermestes definierten den Zeitraum auf ruaz 40 Tage.

Als sich die römischen Sitten in Ägypten durchzusetzen be-gannen, verschwanden die alten Bräuche. Zu Beginn muss es den Ägyptern brutal vorgekommen sein, was die Römer mit ihren Toten machten: Sie verbrannten die Leichen ihrer Könige und nahmen dem Ka und dem Ba so jede Möglichkeit, den Körper wiederzufinden. In der ägyptischen Vorstellungswelt verurteilten sie die Gottkönige damit zu ewiger Verdammnis. Nach und nach aber übernahmen die Ägypter die neuen Ge-wohnheiten und den »Häusern der Reinigung« blieb die Kund-schaft aus.
Im Tal der Könige wurden zu dem Zeitpunkt allerdings schon lange keine Pharaonen mehr beigesetzt. Ramses XI., zehnter und letzter Herrscher der 20. Dynastie, ließ sein Grab zwar noch dort anlegen. Allerdings wurde es nie fertiggestellt. Zu unsicher war das Tal geworden, zu viele Grabräuber lauerten mittlerweile dar-auf, den frisch beigesetzten Königen ihre Schätze zu entreißen. Ramses XI. zog es vor, an anderer Stelle begraben zu werden. "Xihrscheinlich setzte man ihn in Memphis bei, sein tatsäch-:hes Grab wurde nie gefunden. Viele Pharaonengräber im Tal :er Könige waren mittlerweile leer — ausgeraubt und geplündert. Howard Carter findet eindrucksvolle Worte für den trostlosen Zustand der Stätte, die sich einst die mächtigsten Herrscher des _en Ägypten ausgesucht hatten, um ihre Körper dort für alle wigkeit zu lagern: »Mit dem Verschwinden der Mumien endet uns aus altägyptischen Quellen überlieferte Geschichte des Seitdem Thutmosis I. dort sein bescheidenes kleines Grab - _egt. e, waren fünfhundert Jahre vergangen, und gewiss gibt es - :er ganzen Weltgeschichte keinen gleich kleinen Fleck Erde, - eine gleich märchenhafte Geschichte von fünfhundert Jah-:esitzt. In den folgenden Jahrhunderten müssen wir uns das erlassen denken, seine höhlenartigen Galerien ausgeraubt

und leer, der Eingang zu manchen Gräbern offen, ein Hei-Füchse, Wüsteneulen und Scharen von Fledermäusen. Ah-blieb das Heilige Tal der Könige, und große Scharen von Schwä,-mern und Neugierigen müssen es noch besucht haben. 2. bis 7. Jahrhundert n. Chr. benutzten sogar christliche E. ler die offenen Gräber als Zellen und wandelten ein Grab in Kirche um. Es ist dies der letzte Blick auf das Tal in alten ehe der Nebel des Mittelalters sich niedersenkt.«
Als Howard Carter sich auf die Suche nach dem Grab des Tutanchamun machte, hatte er nicht viel mehr als lediglich ein aaar verstreute Hinweise auf die Existenz dieses Pharao in der Hand. Keine großen Tempel oder Paläste waren in seinem Na-men errichtet worden. Einige antike Geschichtsschreiber hatten :.ar versucht, ihn gänzlich aus der Erinnerung zu tilgen. Die Kö-nigsliste aus dem Totentempel des Pharao Sethos I. in Abydos verschweigt in der 18. Dynastie sämtliche Herrscher zwischen Amenophis III. und Haremhab, ebenso die Liste der Pharao-aus dem Grab des königlichen Schreibers und Obersten .orlesepriesters Tjuneroy aus der 19. Dynastie in Sakkara. s gab einen guten Grund für das geschichtliche Schweigen. _:anchamun stand im tiefen Schatten seines Vorgängers Ech-_:an. Der hatte das Land komplett auf den Kopf gestellt, den - tt Aton in Form der Sonnenscheibe über alle anderen Göt-erhoben, eine neue Hauptstadt gegründet und die Kunst - atens nachhaltig verändert. Echnatons Regierung rollte wie Naturkatastrophe über das Land hinweg und erschütterte etablierte Normen. Als sein Nachfolger Tutanchamun an Regierung kam, hallte der letzte Donner immer noch so _ - nach, dass in dieser Kakophonie kaum jemand den neuen, .__-_wachen, kindlichen Herrscher überhaupt wahrnahm. Hätte — :ward Carter nicht sein fast ungestörtes Grab entdeckt — die

Geschichte hätte ihn mit aller Wahrscheinlichkeit so gut %.• vergessen. Um Tutanchamun und seine Zeit zu verstehen, mi_.s.‘ man in das Zentrum dieses gewaltigen Sturms schauen, de Echnaton entfachte, und sich fragen: Wer war dieser Pharao. der das Land aus den Angeln hob?
Echnatons Leben begann alles andere als spektakulär. Gebo-ren wurde er als Amenophis IV. — sein Vater war Pharao Ame-nophis III., neunter Pharao der 18. Dynastie, seine Mutter des-sen Große Königliche Gemahlin Teje. Als er das Licht der Weh erblickte, stand der junge Amenophis allerdings nur an zweiter Stelle in der Thronfolge. Sein älterer Bruder nutmosis lebte stattdessen in der Erwartung, den Pharaonenthron vom Vater zu erben, und wurde entsprechend auf diese Aufgabe vorbe-reitet.
Warum Amenophis' Vater sich ausgerechnet Teje als Frau an seiner Seite ausgesucht hatte, lässt sich bis heute nicht befriedi-gend klären. Fest steht nur, dass es wohl keine strategische Hei-rat war. Denn Teje war eine Bürgerliche: Weder gehörte sie zur-unmittelbaren familiären Umfeld der Pharaonenfamilie, nocr regierte ihr Vater Juja über eigene Ländereien, die es durch ein: Hochzeit an Ägypten zu binden galt. Stattdessen trug er clü - Titel »Aufseher der erde« und hatte als Priester sowie als »Vor-steher der Rinder« des Fruchtbarkeitsgottes Min auch religiöse Posten inne. Tejes Mutter Tuja diente ebenfalls dem Min, den die Griechen später mit dem Hirtengott Pan gleichsetzten. Sie war »Große des Harems des Min« — einen Titel, den sie aller-dings ebenfalls für den Gott Amun innehatte. Für die Göttin Hathor hingegen fungierte sie als Sängerin.
Aber auch wenn Teje selbst keine königliche Abstammung vorweisen konnte, scheint sie ein Naturtalent im Regieren gewe-sen zu sein. Befehle unterzeichnet bald nicht mehr Amenophis allein, auch ihr Name steht darunter. Sogar mit ausländischen Herrschern korrespondiert Teje, zum Beispiel mit Tugratta, Kö-nig der Mitanni. Noch Jahre später wird Tugratta ihrem Sohn Amenophis IV. versichern: »Alle Worte, die ich zu deinem Vater sprach, sind deiner Mutter bekannt. Niemand sonst kennt sie, aber du kannst deine Mutter Teje nach ihnen fragen.« Sie muss eine beeindruckende Frau gewesen sein. Auch für ihre engsten Verwandten, denn immerhin fand sich eine Locke ihres brau-nen Haares sogar im Grab des Tutanchamun.
Zunehmend bezieht das Königspaar ihren erstgeborenen hn Thutmosis in die Regierungsgeschäfte mit ein. Ein Relief __s Sakkara zeigt den Kronprinzen, wie er dem Vater bei dem =gräbnis eines heiligen Apisstieres assistiert. Seine offiziellen :el »Hohepriester des Ptah«, »Setem-Priester« und »Aufseher --fr die Priester von Ober- und Unterägypten« kennzeichnen als designierten Nachfolger von Amenophis III. Wir kennen t se Ämter des Prinzen von einem ungewöhnlichen Monu-- tnr, das heute im Ägyptischen Museum in Kairo steht — dem -7ophag seines Lieblingstieres Ta-Miaut. Wie der lautmaleri-- t Name verrät, gehörte es zur Familie der Fehden und wurde ---. jungen Thronfolger beim wenig phantasiereichen Namen =e,< gerufen. Viel mehr ist von Prinz Thutmosis allerdings erhalten. Und so erinnert ihn — auch wenn er wohl fast junge Erwachsenenalter als künftiger Pharao gehandelt
_ — die Nachwelt heute wenig rühmlich lediglich als den
-. - :rinz mit der Katze«.
__ger einem Bruder hatte der junge Amenophis IV. noch vier Schwestern: Sitamun (»Tochter des Amun«), Henut-tau-nebu (»Herrin aller Länder«) und Nebet--i trrin des Palastes«). Die älteste, Sitamun, heiratete III. anlässlich seines 30. Thronjubiläums und erhob

sie so, wie schon viele Jahre zuvor ihre Mutter, in den Ra einer Großen Königlichen Gemahlin. Drei Jahre darauf, zi 34. Thronjubiläum, ehelichte er außerdem Iset und möglich weise wenig später auch noch Henut-tau-nebu. Kinder ging aus diesen Ehen nicht hervor.
Zwischen all diesen wichtigen Geschwistern führte An nophis IV. seine gesamte Kindheit und Jugend hindurch Schattendasein. Das einzige von ihm bekannte Dokument ein Krugverschluss. Einer der Weinkrüge, die für ein Thrc jubiläum seines Vaters angeliefert wurden, stammte demna von einer »Domäne des wirklichen Königssohnes Amenophi
Dann jedoch überschlagen sich die Ereignisse. Zuerst sti der Kronprinz Thutmosis. Damit rückt Amenophis IV., der 1 her sein gesamtes Leben versteckt hinter seinen Geschwistc verbrachte, auf Platz eins der Thronfolge vor. Vermutlich ki darauf segnet auch Amenophis III. das Zeitliche. Über die naue Abfolge herrscht bis heute Unklarheit. Um die Herrsch der ägyptischen Pharaonen zu stabilisieren, war es durchaus i lich, zwei Pharaonen gleichzeitig zu haben. Doch ob Amei phis III. und Amenophis IV. sich tatsächlich jemals den Thi teilten — und wenn ja, wie lange — ist heftig umstritten. W rend einige Agyitologen wie beispielsweise der Echnatc Biograph Cyril Ared ihn bis zu zwölf Jahre seiner Hemd-lediglich als Mitregenten seines Vaters sehen, schließen and wie der deutsche Ägyptologe Rolf Krauss, der sich intensiv der Amarna-Zeit auseinandersetzte, eine gemeinsame Rq rung der beiden völlig aus.
Fest steht jedenfalls, dass beim Regierungsantritt von A nophis IV. noch nichts auf die spätere Erhebung Atons 2 obersten aller Götter hindeutet. Er besteigt den Thron u: dem Thronnamen Nefer-cheperu-Re-wa-en-Re (»Schön sind

Gestalten des Re, der Einzige des Re«). Von Aton ist noch keine Rede. Wie alt Amenophis IV. zu diesem Zeitpunkt ist, lässt sich leider nicht berechnen. Auf jeden Fall aber tritt um die Zeit der Thronbesteigung auch jene Frau in sein Leben, die bald zu einer der machtvollsten Herrscherinnen Ägyptens aufsteigen wird: Nofretete. Ob Amenophis sie kurz vor oder kurz nach der Krönung heiratete, ist nicht bekannt. Aber bereits im ersten Jahr seiner Regierung taucht die erste Tochter des Paares in Inschrif-ten und Bildern auf: Meritaton.
In den meisten Fällen stürzten sich frischgebackene Pharao¬nen voller Energie auf großangelegte Bauprojekte und erfolgver-sprechende Kriegszüge, um ihre neue Macht zu demonstrieren. eicht so Amenophis IV. Er bleibt zu Hause bei seiner Frau und sziner Tochter, der in schneller Reihenfolge weitere Töchter fol-p-n. Lediglich einen einzigen Tempel gibt er in Auftrag: das -,-ern-pa-Aton (»Gefunden ist Aton«), einen dem Aton geweih-Bezirk   in der großen Tempelanlage von Karnak. Der Neu-._ist mit einer Breite von 130 Metern und einer geschätzten Lir--e von 200 Metern größer und prächtiger als alle Tempel, Lie pisher in Karnak errichtet wurden.
n Amenophis' Prachtbau ist heute keine Spur mehr zu se-Schon Pharao Haremhab und seine Nachfolger ließen ihn ' den letzten Stein abtragen. Das wertvolle Baumaterial endeten sie sofort weiter. Viele der Steine dienten als Fül-
.../z andere Bauten des Tempelareals von Karnak, etwa für
ne des Haremhab. Diese Weiterverwertung erwies sich ezum roßes Glück für die Ausgräber, denn geschützt im Inne¬= zer Mauern überdauerte die reiche Bemalung der Steine die 7431?-17.,---1 Jahrtausende. Aus diesen sogenannten talatat-Blö-a= nnten Archäologen viele der Reliefs, die einst die Wände -r.:c-I-leiligtums schmückten, rekonstruieren.

Der Gott, dem Amenophis IV. das neue Heiligtum vs .-_- - :. ist eine Kopfgeburt des Pharao. Seine Wurzeln liegen in der ten Gottheit Re-Harachte, der Morgensonne, einer Form Horus. Dargestellt wird Harachte als falkenköpfiger Mann,
auf dem Kopf die Sonnenscheibe und die Uräusschlange trim. Amenophis gibt dem alten Gott einen neuen Namen: »Es Ifx
der horizontische Horus (Re-Harachte), der im Lichtland Horizont) jubelt in seinem Namen als Schu, der in der Sonli:-scheibe (Aton) ist.« Bald darauf lässt er den Gottesnamen r:-.2 einer Kartusche umschließen. Ein Privileg, das sonst nur derz, Pharao zusteht — Amenophis IV. erhebt Aton damit zum König der Götter. Auch die Darstellungsform des Königsgottes ändert der Pharao. Der neue Gott wandelt nicht länger als falkenköp-figer Mann auf der Erde, sondern steht über allem am Himmd als Sonnenscheibe. Seine Strahlen tragen Hände, die tief in ie-den Lebensbereich der Menschen eindringen.
Die neuen Ideen brauchten bald ein neues Umfeld. In Kar-nak ragten neben dem neuen Aton-Tempel immer noch dis Mauern des Amun-Tempels auf und forderten trotzig die Vce machtstellung Atons heraus. Amenophis IV. aber wollte seinen Gott eine Stadt bauen, in der niemand es mehr wagen würdc dessen Dominanz ilgrage zu stellen. Seine Wahl fiel auf ein Go biet auf halbem Weg nilabwärts zwischen Memphis im Nord« und Theben im Süden. Dort, so ließ er verlauten, habe er ail einem Ausflug mit dem Streitwagen in einer Felsformation cki Hieroglyphe achet erkannt — die sowohl den Horizont bezeicin net, in der aber auch die Bedeutung von »Anfang und Enda] mitschwingt. Achetaton soll die neue Stadt heißen, »Horizan des Aton«.
Als offizielles Gründungsdatum gilt der 21. Februar se. It fünften Regierungsjahres. 15 Grenzsteine umschließen

144 Quadratkilometer für den Stadtgrundriss. Auf ihnen erklärt der Pharao: »Ich errichte Achetaton für Aton, meinen Vater, an diesem Platz. ... Ich überschreite die südliche Stele von Acheta-ton nicht nach Süden, ich werde die nördliche Stele von Ache-taton nicht nach Norden überschreiten, um dort Achetaton zu erbauen. Auch errichte ich es ihm (Aton) nicht auf der Westseite von Achetaton, sondern ich baue Achetaton auf der Seite des Sonnenaufgangs, an einer Stelle, die er sich selbst bereitet hat und die für ihn durch ein Gebirge umrahmt ist ... Man baue mir ein Grab im Berg von Achetaton, wo die Sonne aufgeht, n welchem meine Bestattung erfolgen soll nach Millionen von Legierungsjubiläen ... Man bestatte darin nach Millionen von ihren die Große Königliche Gemahlin Nofretete ... und man gestatte darin nach Millionen von Jahren die königliche Tochter Meritaton.«
Zwischen den Grenzstelen steht zunächst eine Zeltstadt, in _er allerdings auch der Pharao selber oft weilt. In den folgenden ::ei Jahren wachsen aus der riesigen Baustelle am Nilufer in 7:-.3,.hem Tempo Tempel, Paläste und Wohnhäuser. Achetaton ist f.e-Ine gewöhnliche Stadt. Ihre Bewohner sind vermutlich vom 7"zurao handverlesen: Priester und Bedienstete des Aton-Kultes, lersonal für Palast und Harem, Stadtverwalter, Schreiber, Ar¬- -,--kten und Künstler. Die luxuriösen Wohnhäuser haben Ein¬-_die breit genug sind, dass ein Wagen hindurchfahren - - - und auch die Straßen sind entsprechend breit bemessen. - - ::aton ist keine Stadt für arme Fußgänger. Sie ist eine Stadt
- Wagenfahrer. Die Archäologen fanden im Stadtkern
:7 weder Werkstätten noch Läden noch Wirtshäuser noch Gegeben haben wird es sie durchaus — doch blieben ame rr.:einen, klinisch sauber aufgeräumten Bild der Innenstadt lizze..cmtbar, ausgelagert in die Randbereiche. Dafür gab es einen

Zoo, in dem der Pharao sich vergnügen konnte. Er war sc den nördlichen Palast der Stadt integriert, dass der Herrscr durch Fenster hindurch aus seinen Wohnräumen die Tiere 1 obachten konnte. Reliefs an den Futterkrippen verrieten d Ausgräbern, welche Tierarten hier herumsprangen: Steinböd Antilopen und Rinder. Große Volieren beherbergten außer& Singvögel und Geflügel.
In der Mitte der Stadt lag das Herz des Reiches — der gro Aton-Tempel, die königlichen Paläste, die Vorratsspeicher Getreide und ein Archiv für die königliche Korrespondenz. E sonders Letzteres erwies sich für die Ausgräber als wahre Gol grabe. Gefunden hat dieses pharaonische Archiv eine Fellachi die wohl um das Jahr 1887 auf der Suche nach sebach — zerfal nen Lehmziegeln, die wegen ihres hohen Stickstoffgehalts ger als Dünger verwendet werden — in der Erde stocherte. Schn witterten weitere Anwohner ein gutes Geschäft, und so landet um die 300 Tontafeln im Antikenhandel, bevor Flinders Per im November 1891 mit der offiziellen Ausgrabung begann u: letzte Reste des Bestandes sichern konnte. Es sind Briefe,
verschiedene Herrscher an den Pharao schickten, darunter
Könige von Mitaei, Babylon und Assyrien. Die meisten v ihnen sind in Altbabylonisch, einem Dialekt des Akkadisch: verfasst, der diplomatischen lingua fianca zu Zeiten der 18. L nastie. Die Übersetzung aber ist äußerst schwierig, da die ( thographie je nach Verfasser stark variieren konnte. »Für eir angehenden Übersetzer genügt es nicht, Akkadisch zu könne er muss außerdem Spezialist im Hebräischen und Ugaritiscl sein, vor allem aber muss er die Briefe so genau kennen, dass weiß, was er von jedem ihrer Verfasser zu erwarten hat«, bracl der US-amerikanische Philologe William Foxwell Albright auf den Punkt. Die Mühe jedoch lohnt sich. Das Archiv

der Diplomatenpost des Pharao berichtet detailliert über die Außenpolitik, die er von Achetaton aus betrieb.
Wichtigstes Bauwerk der Stadt aber war der Aton-Tempel. Mit seinen 730 mal 229 Metern Grundfläche passt er zum groß-zügigen, luftigen Stadtbild. Verblüffend ist vor allem sein Auf-bau — so etwas hat Ägypten noch nicht gesehen. Normalerweise bestanden ägyptische Tempel aus einer Abfolge von Vorhöfen. Je weiter man in das Innere des Tempels vordrang, desto schat-tiger wurde es. Im Gegensatz zu der staubigen Hitze außerhalb des Tempels wirkte die angenehme Kühle als Erholung für jeden Besucher. Das Allerheiligste schließlich lag in tiefer Dunkelheit, gut beschirmt durch dicke Mauern. Eine solche Konstruktion aber hätte Aton, die Sonnenscheibe mit ihren Strahlen, aus dem eigenen Heiligtum ausgeschlossen. Also ließ der Pharao den Tempel so bauen, dass der Gott selber sich frei darin bewegen konnte. Es gab kein Dach, die Höfe waren offen und luftig. So wenig Schatten wie möglich sollte Aton in seinem eigenen Haus :ehindern. Ein Kultbild brauchte es nicht — schließlich war der GDtt ja selber anwesend. Dieses neue Konzept der göttlichen 7-7-isenz stieß nicht überall auf Verständnis. In einem der diplo-=mischen Briefe aus dem Archiv beschwert sich der Assyrerkö-z.2 Assuruballit, dass man seine Gesandten im prallen Sonnen-
nein warten ließ, bevor der Pharao sie empfing. »Man lässt sie r der Sonne sterben!«, poltert der aufgebrachte Monarch.
Die Arbeiter aber, die diese Pracht erbauen mussten, lebten r einer Vorstadt. Sie stand im deutlichen Gegensatz zum Glanz Sradtkerns. Hier waren die Häuser klein, es gab kein Wasser, iberall wühlten Schweine durch die Abfallgruben, in denen _-_,els einer Kanalisation sämtlicher Unrat entsorgt wurde. _-.va zeitgleich mit der Gründung Achetatons verkündet der dass er fortan nicht mehr den Geburtsnamen Ameno-


phis, »Amun ist zufrieden«, tragen will. Er ändert ihn zu Eci naton — »Der dem Aton dient« oder »Glanz des Aton«. Seir Namensänderung war überaus erfolgreich. Amenophis P kennt heute kaum noch jemand. Aber an Echnaton erinne sich die ganze Welt. Seinen Thronnamen allerdings behält Ecl naton bei: Nefer-cheperu-Re-wa-en-Re. Sein offizieller Auftri geschieht also weiterhin unter dem Namen des Gottes Re die Umbenennung zu einem Aton-bezogenen Namen bleil privat.
Sein Privatleben allerdings lebt Echnaton so öffentlich aus m, noch kein Pharao vor ihm. Freizügig lässt er die Künstler sei] Frau und seine wachsende Töchterschar darstellen — mitunt sogar nur dürftig bekleidet. Eine Malerei aus dem Stadtpalo von Achetaton, die heute im Ashmolean Museum in Oxfo zu sehen ist, zeigt die beiden Prinzessinnen Neferneferuaton t scherit und Neferneferure, die sich vollständig nackt gegenseit liebkosen. Es gehörte zu einer heute leider nicht mehr erhalt nen Familienszene, auf der auch ihre übrigen vier Schweste sowie die Eltern zu sehen waren. Echnaton und Nofretete selb stehen auf einer Zeichnung aus den Felsengräbern von Achet ton auf einem schnell dahineilenden Streitwagen. Die Bänd ihrer Kopfbedeck&gen flattern im Wind, das nackte König paar jedoch ist vertieft in einen innigen Kuss, zärtlich gestn chelt von den Händen Atons.
Überhaupt pflegte Echnaton offenbar eine Vorliebe f schnelle Gefährte. »In keiner anderen Zeit gibt es so viele \X gendarstellungen in der ägyptischen Kunst«, schreibt Erik Hc nung in seiner Echnaton-Biographie, »und der Wagen erschei nicht mehr allein als Streitwagen im Kampf oder bei der Jag sondern als Mittel der schnellen Fortbewegung, das der Kör offenbar ständig benutzt, nur im Tempel schreitet er noch


messen zu Fuß. Ein Rausch der Geschwindigkeit durchweht die Wagenszenen, (...) nichts hält die rasende Bewegung auf (...).«
Der allgegenwärtige Fahrtwind scheint auch die Figuren sel¬ber zu ergreifen. Nichts erinnert mehr an die steife Körperhal¬tung, die im Jahr 1986 die kalifornische Popgruppe The Bangles in dem Song »Walk like an Egyptian« besang. Die Menschen umarmen sich, drehen und winden ihre Körper in neue Positio¬nen oder werden gar aus neuen Perspektiven gezeigt. Das Inter¬esse der Künstler beschränkt sich aber nicht nur auf Menschen. Immer wieder malen sie Pflanzen und Tiere an die Wände der Häuser Achetatons, sogar auf den Fußböden blühen Blumen und tummelt sich allerlei Getier.
Inmitten all der Liebe zur Bewegung, zum Detail und zu naturalistischen Darstellungen fällt auf, dass die Königsfamilie, :.e diesen Kosmos bevölkert, groteske Körperformen zur Schau Vor allem Echnaton ist geradezu unförmig. Deutliche -1'-äste und breite Hüften lassen ihn feminin wirken — tatsäch-2n hielten die ersten Forscher, die seine Bilder in den Ruinen n Achetaton fanden, ihn denn auch für eine Frau. Ein dicker huch wölbt sich über Hühnerbeinen mit unförmigen Ober-_-_dstaksigen Unterschenkeln. Am verzerrtesten jedoch ist das wicht.  Von vorne wirkt es schmal, nach hinten raus wölbt sich ein riesenhafter Schädel. Die wulstigen Lippen und das stehende Kinn scheinen überproportioniert, die Augen rie-Manche seiner Porträts wecken geradezu Assoziationen zu Alien-Darstellungen moderner Science-Fiction-Literatur. \Z2fretete kommt in der Kunst deutlich besser weg als ihr Zwar zeigen die Künstler auch sie mit den ausgeprägten - nzhenschenkeln, aber zumindest ihr Oberkörper und vor - — _hr Gesicht erzählen doch durchweg von einer außerge-- -_..chen Schönheit. Die Töchter des Paares scheinen vom


Vater den übergroßen Hinterkopf geerbt zu haben, er -
von den Künstlern als Kennzeichen der königlichen Familie ::-wusst eingesetzt.
Waren diese körperlichen Deformationen künstlerisch: Vokabeln, mit denen — uns unbekannte und auch nicht ohne weiteres verständliche — besondere Charakteristiken der kön* lichen Familie hervorgehoben werden sollten? Oder bemühtem die Künstler sich um eine möglichst naturalistische Darstellung des Pharao — und beobachteten so möglicherweise die körpep lichen Symptome einer Krankheit? Über diese Frage nach seine Gesundheit ist fast ebenso viel geschrieben worden wie übe Echnatons neugeschaffene Religion.
Schon früh meinten einige Forscher, in diesen Sympto¬men das Fröhlich-Syndrom (Dystrophia adiposogenitalis) erkennen — eine 'These, die vor allem von dem Ägyptologe: Cyril Aldred ausführlich diskutiert wurde. Bei dieser seltene: Krankheit handelt es sich um einen Tumor an der Hypophys: oder am Hypothalamus, der die Funktion wichtiger Hormon drüsen einschränkt, die von diesem Gehirnareal aus regulier werden. Geraten diese Hormondrüsen (Nebenniere, Hode oder Ovar, Schilddrüse) aus dem Gleichgewicht, wirkt sich die beispielsweise auf 4,es Ess-, das Sexualverhalten oder auch au die Funktion der inneren Organe aus. Menschen, die am Fröh lich-Syndrom leiden, tendieren zu Adipositas (Fettleibigkeit) und zwar zu dem weiblichen Typ, bei dem sich das Fett vo allem an Bauch, Hüften und Oberschenkeln bildet. Setzt di Krankheit früh ein, können sich Hoden oder Eierstöcke nick. entsprechend entwickeln, die Pubertät bleibt aus. Oft jedoc bildet der Tumor sich erst im Erwachsenenalter, dann könne die Geschlechtsorgane sich zurückbilden, fast immer endet cl Krankheit mit Unfruchtbarkeit.


Letzteren Punkt sieht Aldred in einer Kolossalstatue dar-ge-stellt, die Ausgräber in den Trümmern des Aton-Tempels von Karnak, Echnatons erstem großen Bauwerk, fanden. Der überlebensgroße Pharao ist vollkommen nackt wiedergege-ben — doch fehlt zwischen seinen Beinen jede Andeutung eines Geschlechtsteils. Doch wie ließe sich dann erklären, dass ausge-rechnet Echnaton so gesteigerten Wert darauf legte, mit seinem zahlreichen Nachwuchs dargestellt zu werden? Immer wieder ist ausgerechnet das Familienleben das Motiv, mit dem er sich seinen Untertanen präsentiert. Aldred bietet als Lösung an, dass die Töchter Nofretetes nicht von Echnaton gezeugt wur-den — sondern von seinem Vater Amenophis III. Da der briti-sche Ägyptologe auch davon ausgeht, dass die beiden Herrscher lange Zeit als Co-Regenten fungierten, wäre Amenophis III. noch lange genug an der Macht und am Leben gewesen, um der Vater sämtlicher sechs Töchter Nofretetes zu sein. Sogar noch eine weitere Möglichkeit stellt Aldred in den Raum. Er weist auf ein — leider unvollendet gebliebenes — Relief hin, das
931 in den Ruinen von Amarna gefunden wurde und auf dem
· ermeintlich Echnaton und sein Nachfolger Semenchkare dar-estellt sind. Der ältere Herrscher streichelt dem jüngeren dar-;_uf zärtlich das Kinn, als wolle er ihn zu einem Kuss zu sich zfranziehen. Aldred erinnert diese Szene an »die homosexuelle Eeziehung des Kaisers Hadrian zu seinem jungen Geliebten An-noos«. Es gibt jedoch noch eine andere Möglichkeit, für die -rin weder die Gesundheit noch die sexuelle Orientierung des
-_.;.sao diskutieren müsste: Sowohl die Kolossalstatue als auch
zweite Person auf dem Relief könnten keinen männlichen -..trrscher, sondern Nofretete darstellen.
Eine weitere Krankheit, die Echnatons ungewöhnliche ='::-.3iognomie erklären würde, ist das Marfan-Syndrom, ein

Fehlaufbau des Bindegewebes. Diese These vertraten in jülizz. rer Zeit vor allem Alwyn Burridge und Nicholas Reeves. Da cal Marfan-Syndrom sich rein auf die Struktur des Bindegewebe auswirkt und keinerlei hormonelle Funktionen einschränkt besteht bei dieser These nicht das Problem, eine Zeugungsur* Fähigkeit des Pharao wegerklären zu müssen. Die Symptom können sehr unterschiedlich ausfallen, zu den äußerlich sich* baren Merkmalen gehören eine senkrechte Überentwicklul des Kopfes, sogenannte Spinnenfinger (Arachnodaktylie eine Trichter- oder Kielbrust, verschobene Augenlinsen, eis deformierte Wirbelsäule, ein breites Becken, vergrößern Oberschenkel, dünne Unterschenkel und eine schwache Mus kulatur. Mit dem bloßen Auge nicht erkennbar kann der Be troffene zusätzlich an Herzproblemen oder einer Gaumenspala leiden.
Da das Marfan-Syndrom dominant vererbt wird, besteht ein 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die Krankheit an seine Kin der weiterzugeben. Diejenigen Forscher, die Tutanchamun fii einen Sohn Echnatons halten, suchten dementsprechend aud bei ihm nach den verräterischen Symptomen. Tatsächlich konn ten CT-Scans der Mumie Tutanchamuns zeigen, dass diese nicht nur einen laegezogenen Schädel hatte, sondern auch 31 einer ungewöhnlichen Verformung der Wirbelsäule und eine Gaumenspalte litt. Nach DNA-Tests im Jahr 2010 aber MUSS' diese These ad acta gelegt werden. Tutanchamun litt nicht ar Marfan-Syndrom. Damit wird dies dann auch für seinen Vate Echnaton unwahrscheinlich — oder aber Tutanchamun ist nici. der Sohn Echnatons.
Eine in den Symptomen dem Marfan-Syndrom recht ähT liche Krankheit ist die Homocystinurie, eine relativ seltene ar geborene Störung des Aminosäurestoffwechsels. Im Jahr 201

schlug eine bosnisch-kroatische Forschergruppe sie als Ursache für die körperlichen Deformationen Echnatons vor.
Zusätzlich leiden etwa ein Fünftel der Betroffenen an Epilep-sie. Bezeichnenderweise werden epileptische Krampfanfälle oft mit heftigen religiösen Erlebnissen in Verbindung gebracht, was Echnaton noch mehr zu einem wahrscheinlichen Kandidaten für eine Homocystinurie macht.
Den jüngsten Beitrag zur Krankengeschichte Echnatons leis-tete im Jahr 2012 der Chirurg Hutan Ashrafian vom Imperial College in London. Er versuchte, die kurze Lebensdauer der Pharaonen der 18. Dynastie — was außer Echnaton auch Se-menchkare und Tutanchamun betraf — mit einer Temporallap-z.en-Epilepsie zu erklären. Echnaton wäre nicht der einzige stark 7fligiöse Mensch, dem man eine solche Krankheit nachsagte —asch für Abraham, Moses, Jesus, Mohammed oder Johanna von T)rleans wurde sie bereits diskutiert.
Natürlich bleibt auch die Möglichkeit, dass Echnaton kern¬-und war und die unproportionale Wiedergabe der Glied-7-Aßen des Pharao ganz andere Gründe hatte. Als »Vater und turter der Sterblichen« wird unter seiner Herrschaft der Gott n gerne bezeichnet. Es ist durchaus denkbar, dass Echnaton seiner Rolle als irdischer Stellvertreter des Aton genau dies K.'rücken wollte: Sein Körper vereint Merkmale sowohl des 7: ärmlichen als auch des weiblichen Geschlechts, er ist seinem :L.K Vater und Mutter zugleich.
jie genau sah dieses neue Glaubensgebäude aus, das Ech-n in den Jahren seiner Herrschaft aufbaute? Das wohl ein-z.rlichste Zeugnis, der Große Sonnengesang, stammt aus z.z2r Grab des Eje in Achetaton — jenes Hofbeamten, der nach .inn Tod Tutanchamuns selbst für kurze Zeit den ägyptischen 77.17:n bestieg. Die Hymne für Aton, die Echnaton selbst ver-

fasst haben soll, füllt mit 13 vertikalen Kolumnen fast cli, samte rechte Wand des Eingangskorridors zur Grabkammer Eje.
Schön erscheinst du im Lichtland des Himmels, du lebende Sonne, Ursprung des Lebens. Du bist aufgegangen im östlichen Lichtland, und du hast jedes Land mit deiner Schönheit
beginnt das Gedicht.
Im biblischen Psalm 104, 16-18 heißt es:
Die Bäume des Herrn trinken sich satt, die Zedern des Libanon" die er gepflanzt hat. In ihnen bauen die Vögel ihr Nest, auf den Zypressen nistet der Storch. Die hohen Berge gehören dem Stein¬bock, dem Klippdachs bieten die Felsen Zuflucht.
Echnaton beschreibt dies mit ganz ähnlichen Worten:
Alles Vieh befriedigt sich an seinen Kräutern, Bäume und Pflan-zen grünen. Die Vögel fliegen auf aus ihren Nestern, ihre Flügel in Lobgebärden?  deinen Ka. Alles Wild hüpft auf seinen Füßen, alles, was auffliegt und niederschwebt, sie leben, wenn du flir sie aufgehst.
Und auch Psalm 104, 27-28,
Sie alle warten auf dich, dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein; öffnest du deine Hand, werden sie satt an Gutem.
steht so ähnlich an der Grabwand des Eje: 92

Du stellst jedermann an seinen Platz und sorgst für ihren Bedarf jeder Einzelne hat zu essen, seine Lebenszeit ist festgesetzt.
Die Publikation des Großen Sonnengesangs im Jahr 1884 be-feuerte eine These, die lange Zeit leidenschaftlich diskutiert wurde. Der biblische Moses, glaubten viele Forscher, sei in sei¬ner Jugend in Ägypten unter direktem Einfluss von Echnatons neuer Glaubenslehre aufgewachsen — wenn nicht sogar mit ihm identisch. Über ihn wäre dann die Lehre des einen Gottes, der über allem steht, zur Grundlage des jüdischen Monotheismus geworden. Prominentester Vertreter dieser Theorie war Sigmund Freud, der sie mit seiner letzten Schrift »Der Mann Moses und die monotheistische Religion«, herausgegeben kurz vor seinem Tod im Jahr 1939, populär machte. Heute vertritt kaum noch f:n Forscher diese Ansicht, vor allem weil die biblische Figur des Moses mittlerweile in die Zeit der Ramessiden — ein bis zwei :ihrhunderte nach Echnaton — datiert wird.
Aus den archäologischen Zeugnissen wird nicht ganz klar, wie eit Echnatons religiöse Reform tatsächlich in alle Bereiche des eben in Ägypten vordrang. Allerdings zeichnet sich ab, dass fortschreitender Zeit auch die Unterdrückung der anderen Orter zunahm. Das Bild, das wir heute von dem Religionswan-ei unter Echnaton haben, ist geprägt von einer Inschrift aus der =eh des Tutanchamun — als man bereits damit begonnen hatte, Andenken an den sogenannten Ketzerkönig zu tilgen:
Die Tempel der Götter und Göttinnen ... waren im Begriff ergessen zu werden, und ihre heiligen Stätten im Zustande des -ntergangs zu Schutthügeln geworden, die mit Unkraut bewach-
en Ihre Gotteshäuser waren wie etwas, das es nicht gibt.
..3as Land machte eine Krankheit durch, die Götter, sie kümmer-

ten sich nicht um dieses Land ... Wenn man einen Gott ann um ihn um etwas zu bitten, dann kam er nicht. Wenn man esr2 Göttin anrief ebenso, dann kam sie nicht.
Fest steht, dass Echnaton im neunten Jahr seiner Regierung Schrauben noch einmal fester anzog. Den Namen Atons än er ein weiteres Mal. »Es lebe Re, der horizontische Her der im Lichtland (am Horizont) jubelt, in seinem Namen Re, der Vater, der als Sonnenscheibe (Aton) kommt« hieß Gott nun. Re-Harachte und Schu mussten weichen. Nur hatte noch Bestand, allerdings wahrscheinlich nicht als G_ sondern eher in der Bedeutung der Sonne selbst. Gleichzea- _.. nehmen die Repressionen gegen die anderen Götter zu.:- -¬Tempel und prominenten Anhänger werden enteignet, das G.: an Aton-Tempel und Günstlinge des Pharao verteilt. Besonc, schwer trifft es das Amun-Heiligtum in Karnak. Jemand k_,-terte dort sogar bis auf die Spitze der Obelisken, um mit Ha_.—mer und Meißel den Namen des Gottes zu tilgen.
Wie schlimm war es aber tatsächlich? Einige Forscher me' genügend Belege dafür vorweisen zu können, dass die Refo zwar das offizielle Bild beherrschte, bis in die privaten Le bereiche aber nicht*ordrang. So änderten zwar viele B am Hof ihren Namen, wenn er Bezug auf einen anderen nahm — doch ebenso lebten in Achetaton nachweislich M schen, die nach wie vor Ahmose (»Kind des Mondgottes«) Thutmose (»Kind des Thot«) gerufen wurden. Außerdem ten zu den Kleinfunden aus Achetaton jede Menge Amul von Haus- oder Geburtsgöttern wie Bes oder Taweret. Auch Uräusschlange als apotropäisches Schutzsymbol durfte ebenil wie das Horusauge nach wie vor öffentlich gezeigt werden.
Doch andere, wie beispielsweise Nicholas Reeves, malen ei'

anderes Bild. Nicht einmal vor dem Namen des eigenen Va-ters machten die Meißel des Echnaton halt: Da Amenophis III. den Namen des verhassten vormals mächtigsten Gottes Amun enthielt, wurde dieser vielerorts gelöscht. Und Reeves weist dar-auf hin, dass sogar auf kleinen persönlichen Gegenständen wie Gedenkskarabäen oder Kosmetiktöpfchen die Besitzer andere Götternamen ausfeilten — aus Angst davor, für einen religiösen Verräter gehalten zu werden. »Derartige Zurschaustellungen von furchterregender Selbstzensur und kriecherischer Loyalität sind unheilvolle Indikatoren der Paranoia, die das Land zu er-greifen begann«, schreibt Reeves. »Nicht nur die Straßen Ache-mzons waren voll der Soldaten des Pharao; es scheint, als ob die Bevölkerung nun auch mit der Gefahr böswilliger Informanten zu kämpfen hatte.«
Es war jedenfalls ungemütlich geworden in Achetaton. Der ?harao umgab sich zunehmend mit Männern, die eine
militäri->:,e Laufbahn absolviert hatten. Auf den Wänden der Gräber in .-.e7 neuen Hauptstadt sieht man die Soldaten aufmarschieren ungewöhnlicher Grabschmuck. Damit stellt sich die Frage, :c ins Militär tatsächlich nur zur Sicherung der Grenzen ein-f.rient wurde oder auch innenpolitische Aufgaben übernahm. L:maton selber hat Ägypten nie verlassen, um für sein Land ,impfen. Dabei hätte er durchaus Gelegenheit dazu gehabt. ?alästina und Syrien bröckelte die Loyalität der ägyptischen Wienstaaten. Aus der Stadt Tunip erreicht ihn ein herzzer--r zter.- der Hilferuf, nachdem die Amurriter und Hethiter die gestürmt haben: »Wer hätte früher Tunip plündern kön-ohne dass Nefercheperure (Echnatons Thronname) ihn Scrafe geplündert hätte? ... und wenn Aziru (Herrscher der ter) auch noch in Simyra eindringt, so wird er uns tun,
K:J gefällt auf dem Gebiete unseres Herrn, des Königs,

und trotz alledem hält unser Herr sich von uns zurück .
nun weint Deine Stadt Tunip und ihre Tränen fließen, z gibt keine Hilfe für uns. ... haben wir an unseren Herrn. König von Ägypten, Boten gesandt, aber keine Antwort ist gekommen, nicht ein einziges Wort.«
Trotz eines gewissen außenpolitischen Desinteresses Echnaton sich zu Hause als starker König feiern. Der achte des zweiten Monats der Winterjahreszeit im 12. Jahr seiner gierung muss ein so bemerkenswerter Tag gewesen sein. gleich zwei Beamte aus Achetaton die Ereignisse auf den \r-den ihrer Gräber festhielten. Der Pharao empfing gerne mit Nofretete an jenem Tag eine bunte Parade von Ges aller mit Ägypten alliierten Länder. Jeder von ihnen bra Handelsprodukte aus seiner Heimat mit und präsentiert,: dem Königspaar. Im Grab des Huja, Haushofmeister der nigsmutter Teje, beschreibt zusätzlich ein Text den Ablauf: • erschien der König von Ober- und Unterägypten, Neferchz. rure, der Einzige des Re, und die Große Königliche Gen= Neferneferure Nofretete, sie lebe auf immer und ewig, auf großen Tragsessel aus Elektron, um die Gaben von Syrien Kusch, vom Weste*. und Osten zu empfangen. Alle F länder waren versammelt. (Auch) die Länder des Mittel res brachten Abgaben dem König auf dem großen Thron Achetaton, damit ihnen für das Entgegennehmen des Tri der Lebenshauch gegeben werde.«
Nach diesem 12. Regierungsjahr wird es still in Acheta Bis heute kann nicht hinreichend geklärt werden, welche P nen welche Rollen in den letzten Jahren Echnatons — der des »Sonnenuntergangs« — spielten. Dieser Mangel an Ze sen bietet hervorragenden Nährboden für immer neue spe tive Interpretationen. Nur eines ist sicher: Am Hof herrschte

problematischer Frauenüberschuss. Nofretete hatte dem König sechs Töchter geboren — aber keinen männlichen Thronfolger. Unter den Tontafeln aus dem Staatsarchiv wurden zwei Briefe des babylonischen Königs Burna-Buriasch II. gefunden, die an-deuten, dass dieser zumindest zeitweise um die Gunst Merita-tons buhlte. Der erste war ein Begleitschreiben zu einer Kette aus Lapislazuli, die er ihr schenkte. Im zweiten jedoch beklagte er sich dann, dass die Prinzessin sich offenbar nicht um seine Gesundheit sorge. Erfolg war ihm mit seinem Werben nicht beschieden. Meritaton verließ ihre Familie nie, vermutlich nach Echnatons Tod machte sein Nachfolger Semenchkare sie zur Großen Königlichen Gemahlin. Aus Inschriften ist eine Tochter der Meritaton bekannt, die schlicht Meritaton tascherit (Meri-taton die Jüngere) genannt wurde. Ob das Kind je das Erwach-senenalter erreichte, ist unbekannt. Ihr Rang gegen Ende der Herrschaft Echnatons ist nur schwer zu fassen. Einerseits gibt es ein Relief, das Echnatons Nebenfrau Kija und deren Tochter .arstellt, auf dem Meritaton, ihre Mutter Nofretete und ihre Schwester Anchesenpaaton sich in einer Unterwerfungsgeste zr der Rivalin auf den Boden werfen. Andererseits aber »erbte« Meritaton, wohl nach Kijas Tod, den Maru Aten genannten Komplex mit einem großen Teich und schattigen Bäumen im SZiden der Stadt. Der Name der Vorbesitzerin wurde überall
und durch Meritatons Namen ersetzt. Vermutungen, dass V...eritaton vor ihrer Ehe mit Semenchkare mit Echnaton verhei--wet war, lassen sich nicht restlos beweisen. Auch dass sie nach
en Tod eine Zeitlang allein auf dem Thron Ägyptens saß, ist
eine von vielen Theorien aus der historisch dunklen Zeit am
de seiner Herrschaft.
Die zweite Tochter, Maketaton, kennen wir vor allem von der 1 LStellung ihres Todes im Familiengrab der Herrscherfamilie

in Achetaton. Auf dem Relief sieht man die trauernden Echnaton und Nofretete am Bett der Verstorbenen stehe: lebhaft klagen. Aus dem Sterbezimmer tritt eine Amn-einem Neugeborenen auf dem Arm, begleitet von eine:-nerin, die dem winzigen Kind mit einem Wedel Luft zuf.:._ ¬Allgemein interpretieren die Ägyptologen diese Szene sc Meritaton im Kindbett starb. Wer aber der Vater des war, konnte bislang nicht geklärt werden. Einige Forscher muten, Echnaton habe Maketaton wie auch ihre ältere S ter geehelicht und das Kind selbst gezeugt.
Auch die dritte Tochter, Anchesenpaaton, wurde zur eines Herrschers: Tutanchamun. Gemeinsam mit ihrem M nahm sie im Zuge der religiösen Gegenbewegung nach Tod Echnatons den Gott Amun in ihren Namen auf und fortan Anchesenamun. Auf sämtlichen Darstellungen im des Tutanchamun demonstriert das königliche Paar aber gleiche innige Zärtlichkeit, die auch Anchesenamuns Eltern offensichtlich zur Schau gestellt hatten. Nur Kinder waren beiden — möglicherweise — Halbgeschwistern nicht ver Bei den zwei Kindern, die mumifiziert im Grab ihres . nes gefunden wurden, handelt es sich um eine Frühgeburt dem 5. Schwangersiaftsmonat und eine Totgeburt aus 8. Monat. Möglicherweise war es jedoch gar nicht Anch paatons erste Ehe. Es wird spekuliert, dass sie bereits vor Eheschließung mit Tutanchamun eine Tochter gebar: An senpaaton tascherit, Anchesenpaaton die Jüngere. Auch steht wieder Echnaton im Verdacht, der Vater dieses Kindes wesen zu sein. Zwei Ringe, von denen einer sich heute im tischen Museum in Berlin befindet, deuten außerdem d hin, dass Anchesenamun nach Tutanchamuns Tod auch dessen Nachfolger Eje heiratete, obwohl dieser deutlich älter

sie war. Diese letzte Ehe hätte allerdings nur dazu gedient, Ejes dürftigen Machtanspruch auf den Thron zu stärken. Im Grab Ejes wird nur eine einzige Frau erwähnt, seine Hauptfrau Tij.
Die vierte Tochter hieß — aus unbekannten Gründen — wie ihre Mutter. Sie bekam den Namen Neferneferuaton, »Voll-kommen sind die Vollkommenheiten des Aton«, jenen Namen, den auch Nofretete sich ab dem 6. Regierungsjahr ihres Mannes gab. Um sie von ihrer Mutter unterscheiden zu können, kam bei ihr noch der Namenszusatz tascherit, die Jüngere, hinzu. Die beiden jüngsten Töchter, Neferneferure und Setepenre, tragen nicht mehr Aton in ihren Namen, sondern Re. Beide starben aber vermutlich im Kleinkindalter.
Nofretete war die große strahlende Herrscherin an der Seite Eichnatons. Doch die einzige Frau in seinem Leben war sie nicht. Zwar trug sie den Titel »Große Königliche Gemahlin« — Ezhnatons »Große geliebte Frau des Königs« war aber eine an-:ere: Kija. Nofretete tritt als Politikerin auf, als starke Frau. Kija regen spielte eine ganz andere Rolle. Nichts an ihr spricht :n Macht. Ihr Name wurde nie in einer Herrscherkartusche rschrieben, nie trägt sie eine Krone. Dafür hatte sie eine Vor-litze für Schmuck — sie trug gerne große, scheibenförmige Ohr-n_nze — und zeigte sich immer akkurat frisiert mit der gestuften 5,:kchenperücke Nubiens. Ihr Name taucht öfter auf persön-bznen Gegenständen wie Schminkröhrchen und Salbengefäßen als in öffentlichen Dokumenten aus Achetaton. Über Kijas trkunft ist viel spekuliert worden. Einige Forscher vermuten _nr die mitannische Prinzessin Taduchepa, die Echnaton nach zern Tod seines Vaters aus dessen Harem übernahm. Wer es zu ...cri.-ahrscheinlich fand, dass Echnaton eine Witwe seines Vaters 1.7 .Großen geliebten Frau« machte, sieht in ihr lieber eine der -.1171: 317 edlen Damen, die anlässlich der Hochzeit ihrer Herrin

Taduchepa nach Ägypten gefolgt waren. Der Grund für Vermutung liegt in der Hauptsache in ihrem Namen, de: eine Ägypterin höchst ungewöhnlich ist. Allerdings wies C' Aldred darauf hin, dass Kija auch eine Abwandlung des äg tischen Wortes ky sein könne — und nichts anderes bedeute »Äffchen«. Auch wenn Kija keine politischen Ambitionen hei genoss sie doch großes Ansehen in Achetaton. Echnaton ha ihr das Maru Aten bauen lassen sowie mindestens eine eie Kapelle im Tempel des Aton.
Eine dieser vielen Frauen schrieb einen bemerkenswer Brief an den Hethiterkönig uppiluliuma 1., als dieser gerade das ägyptische Grenzgebiet Amka eingefallen war: »Mein Ga ist gestorben. Einen eigenen Sohn aber habe ich nicht. Dir aber sagt man, dass Du viele Söhne besitzt. Wenn Du einen Sohn von Dir gibst, soll er mein Gatte werden. Niers aber werde ich einen meiner Diener nehmen und ihn zu n nem Gatten machen. Eine (solche) Befleckung fürchte ich!« war ein gewagter, aber äußerst cleverer Schachzug. Einen fre den Königssohn auf den ägyptischen Thron zu hieven kön tatsächlich dem Land Frieden geben und blutige Nachfol kriege — sowohl mit den Feinden Ägyptens als auch unter einheimischen Thronanwärtern selber — ersparen.
Nur geht aus dtn Text, der sogar in unterschiedlichen Ver. nen vorliegt, leider nicht hervor, wer die mutige Königswitwe nicht einmal, wer der verstorbene König war. Dahamunzu die Dame genannt, was aber nur die keilschriftliche Umsch des ägyptischen Titels ta-hemet-nesu, »Gemahlin des Könij wiedergibt. Der verstorbene Pharao wird als Nibhururia zeichnet. Unglücklicherweise sind die Thronnamen Echnat (Neb-cheperu-Ra) und Tutanchamuns (Nefer-cheperu-Re) so ähnlich, dass in diesem Fall beide in Frage kommen k

nen. Bis heute ist die Forschung sich nicht einig, wer also hin-ter Dahamunzu steht: Nofretete, Kija, Meritaton oder Anche-senamun.
Der Versuch, Ägypten auf diese Weise zu stabilisieren, ging jedenfalls gründlich nach hinten los. Zwar schickte Suppiluli-uma nach anfänglichem Zögern seinen Sohn Zannanza. Als ihn die Nachricht ereilte, dass sein Sprössling Ägypten nie erreicht, sondern auf dem Weg das Zeitliche gesegnet hatte, schloss er sofort: Das muss Mord gewesen sein! Offenbar wollte einer der ägyptischen Königskandidaten verhindern, dass ein auslän-discher Prinz ihm den Thron vor der Nase wegschnappt. Der Hethiterkönig nahm Rache und führte seine Soldaten auf einen Feldzug gegen das Land am Nil und nahm reichlich Gefangene. Mit den ägyptischen Kriegsgefangenen aber holte Suppiluliuma sich die Pest ins Land — der er nur wenig später selber zum Opfer fiel.
Das wohl größte Rätsel in der Nachfolgezeit Echnatons ist aber die Person des Semenchkare. Wie ein Phantom taucht er auf, lässt sich aber niemals so weit fassen, als dass man die Zeit `einer Herrschaft, deren Dauer, seine Herkunft oder auch nur s•tin Geschlecht bestimmen könnte. Es gibt weder eine Statue -och eine Stele, die seinen Namen trägt. Sein Grab ist ebenso _nbekannt wie seine Mumie. Immerhin sind die meisten For-
sich einig, dass Semenchkares Herrschaft nur kurz währte. )b »kurz« aber einen Zeitraum von wenigen Wochen oder eini-zen Jahren beschreibt, bleibt dabei offen. Eine Möglichkeit ist, ::ass er in der letzten Regierungsphase von Echnaton als dessen .123egent den Thron teilte, ihn aber niemals alleine innehatte, Ne:: er kurz vor dem Tod Echnatons ebenfalls verstarb. Andere
:scher, zu denen Nicholas Reeves zählt, halten ihn für Nofre-
_ die im 14. Regierungsjahr ihres Mannes zur Mitregentin

erhoben wurde, unter dem Thronnamen Semenchkare zunaz..-A mit ihm und nach seinem Tod allein weiterherrschte.
»Man baue mir ein Grab im Berg von Achetaton, wo Sonne aufgeht, in welchem meine Bestattung erfolgen soll nadi Millionen von Regierungsjubiläen«, hatte Echnaton ge4 dert. Dieses Grab trägt heute den wenig spektakulären Narb TA 62. Doch es ist leer. Schon unter Tutanchamun begar--.Le die Prachtbauten Achetatons einzustürzen. Keine prächnz=
ul
Wagen fuhren mehr die Hauptstraßen entlang, kein k"
des Wasser plätscherte mehr in den künstlichen Brunnen. Z besuchte Aton nach wie vor jeden Tag seine offenen Tempel doch es kam niemand mehr, um ihm die Ehre zu erweisen. Ae diesen desolaten Ruinen ließ Tutanchamun die Mumien seil Vorgänger holen. Sie sollten, wie alle Herrscher der 18. ID) tie, im Tal der Könige ruhen. Maketaton, Teje und entw den großen Echnaton selber oder seinen unmittelbaren Vorge ger Semenchkare überführte der junge König von Achetami zunächst in ein Grab, das im Tal der Könige in unmittelbze Nähe jener Stelle lag, an dem die Arbeiter bereits sein eigee aushoben: KV 55.
Im Jahr 1907 entdeckte es der Archäologe Edward A,
der im Auftrag voneheodore Davis im Tal grub. Das Grab wa offenbar niemals fertiggestellt und bereits in der Antike clurd eindringendes Wasser beschädigt worden. Darin lag in ein= goldenen Holzsarkophag eine schwerbeschädigte Mumie, ve Kanopenkrüge und die Reste eines vergoldeten Holzschreie Die Kanopenkrüge waren mit dem Kopf einer Frau verschlosst und hatten wohl ursprünglich Kija gehört, auf dem Holzschre las Ayrton, dass Echnaton ihn einst für Teje anfertigen 14 Auch vier magische Ziegel trugen den Namen Nefer-chepee Re-wa-en-Re, den Thronnamen Echnatons. Ursprünglich sei

ren es wohl tatsächlich mehrere Mumien gewesen, die hier vor-übergehend Schutz gefunden hatten - übrig war aber nur eine. Wessen war es?
Davis hegte keinen Zweifel daran, die sterblichen Überreste der Königin Teje gefunden zu haben, der Großen Königlichen Gemahlin von Amenophis III. und Mutter Echnatons. Der eine Arm war über der Brust gekreuzt, der andere ausgestreckt - die typische Haltung einer Königin. Auch die Hüften, fand Davis, seien eindeutig weiblich und weder seien Penis noch Hoden zu finden. Arthur Weigall von der Antikenbehörde schickte trotz-dem einige Wochen später die Knochen zur Untersuchung an den Mediziner Grafton Elliot Smith nach Kairo. »Sind Sie si¬cher, dass die Gebeine, die Sie mir geschickt haben, auch jene sind, die in dem Grab gefunden wurden?«, schrieb der an Wei-zall zurück. »Anstelle der Knochen einer alten Frau haben sie mir die eines jungen Mannes zukommen lassen. Da ist doch sicher irgendwo ein Fehler passiert.«
Smiths Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass der junge Mann etwa im Alter von 25 Jahren verstorben war. Dass Davis _-_n zuerst für weiblich gehalten hatte, war durchaus verständ-ch, denn die Hüften waren ungewöhnlich breit. Des Weiteren :Lagnostizierte Smith ein markantes herabhängendes Kinn und r_ne Schädelmissbildung aufgrund eines Wasserkopfes. Davis, 'reigall und Smith blieb nichts anderes übrig, als zu erklären, :.ass es sich dann ja wohl um die Mumie Echnatons handeln nasse. Dann entdeckte Howard Carter das Grab des Tutanch-:n- _n - und plötzlich hatte man eine Vergleichsmumie. Schnell
die Forscher gewisse Ähnlichkeiten zwischen Tutanch-
_in und der Mumie aus KV 55 fest: die Blutgruppe (A2) r-r_-_mte überein und auch die ungewöhnliche Schädelform fand 1,L.T.. bei beiden Herrschern. Doch immer noch stand das unge-

wöhnlich junge Sterbedatum des Mannes aus KV 55 im Ra_ - Schließlich formulierte der Ägyptologe Rex Engelbach im Jaz 1931 erstmals die Idee, dass es ja noch einen weiteren mögliche Kandidaten gab: den mysteriösen Semenchkare. Zwar wusst' niemand genau, in welchem Verwandtschaftsverhältnis er II Echnaton oder Tutanchamun stand. Aber eine enge Verwand' schaft mit den beiden schien nur allzu wahrscheinlich - uni jung gestorben war Semenchkare mit ziemlicher Sicherheit.
Diese elegante Lösung wurde erneut in Frage gestellt, als - genauere Untersuchung der Zähne und Röntgenaufnahmen Langknochen das wahre Alter des Verstorbenen ans Licht bra. ten. Er war nicht etwa mit 25 Jahren gestorben, sondern r_- destens ein ganzes Jahrzehnt später. Der damalige Direktor .1: ägyptischen Antikenbehörde und Leiter der Untersuchunzr Zahi Hawass verkündete stolz: »Wir können nun sagen - dass sich bei der Mumie aus Grab 55 nach den neuen Beweisen, na:. dem Alter von über 25 Jahren und den Inschriften um Echnt ton handeln kann.« Hawass hatte es sich zur Aufgabe gemac: den Stammbaum der königlichen Familie endgültig zu kläre Im Zuge der Untersuchungen kamen noch weitere Gemei samkeiten zwisch der Mumie aus KV 55 und Tutancham ans Licht. Beide litten an einer leichten Skoliose, waren r einer Gaumenspalte geboren und ihre Weisheitszähne hart nie den Kieferknochen durchbrochen. 2010 legte er mit eir DNA-Analyse nach. Nun schien unverrückbar festzusteht Die Mumie aus KV 55 ist ein Sohn von Amenophis III. und Vater von Tutanchamun. »Die Tests wurden auf einem Stand: durchgeführt, der sogar für einen FBI-Vaterschaftstest ausl reicht hätte«, prahlte Hawass. Auch die Mutter Tutancham präsentierte er gleich mit. Es ist die »Younger Lady« genan] Dame aus dem Grab KV 35, eine namentlich unbekannte Vt

schwester Echnatons. Die Akte Echnaton schien geschlossen, die Mumie aus KV 55 identifiziert.
Bald aber meldeten sich kritische Stimmen zu Wort. So ein-fach sei das alles gar nicht mit der Bestimmung von Mumien-DNA - zu bruchstückhaft seien die Erbinformationen, zu groß die Gefahr einer Kontamination durch das Erbgut all jener, durch deren Hände die Knochen in den vergangenen Jahrzehn-ten gewandert seien. Zwar sei die Mumie aus KV 55 der Vater Tutanchamuns Definitiv habe dieser Mann aber nicht die weib-liche Mumie KV21a gezeugt, die als Mutter der beiden Föten in Tutanchamuns Grab und damit als Anchesenamun identifiziert ist. Da jedoch Anchesenamun aus zahlreichen Darstellungen als Tochter des Echnaton und der Nofretete bekannt ist, kann die Mumie aus KV 55 nicht Echnaton sein. Es sei denn, Nofretete war ihrem Gatten untreu - aber die Tatsache, dass auf allen 5ffentlichen Darstellungen die Familienähnlichkeit zwischen
ater und Töchtern so betont wird, spricht doch sehr gegen ::üse Unterstellung.
Damit treibt der Stammbaum weitere Äste. Die Mumie aus 55 könnte durchaus ein Vollbruder Echnatons sein - und - _eher spricht nichts dagegen, ihn als Semenchkare anzuspre-_zen. Dann hätte Semenchkare mit der Younger Lady, Tochter Fizhnatons und Nofretetes, seine Nichte geheiratet und mit ihr _.:anchamun gezeugt. Der wiederum nahm mit Anchesen--.m seine Tante zur Frau - und zeugte die beiden Föten, die - _: ihm bestattet wurden. Damit bleibt nur noch ein großes ,rieimnis: Wo liegen die Mumien Echnatons und Nofretetes? Es ist ein berührender Gedanke, dass der junge Pharao Tut-.:liamun seine Angehörigen nach Theben überführte. Er selber -72 seinen Namen bereits von Tutanchaton zu Tutanchamun _ lden, das Land erholte sich langsam von den Repressionen,

mit denen der religiöse Wahnsinn Echnatons es lange Jahre beutelt hatte. Aber die Toten waren Tutanchamuns Familie. verhasst sie auch beim Volk und bei der Priesterschaft gewe sein mögen — für Tutanchamun waren sie so wichtig, dass sich vermutlich über viele Hindernisse hinwegsetzte und i Leichen aus den verfluchten Ruinen Achetatons an jenen brachte, der seit Jahrhunderten den ägyptischen Pharao' Ruhe und Sicherheit versprach — heim in das Tal der Könige.
Das Verhältnis von Ehefrauen zu ihren Schwiegermüttern ist oft schwierig. Es ist eine Machtfrage: Wer darf bestimmen? Wer bekommt recht? Wer hat das Sagen in der Familie? Ob und wie Nofretete und ihre Schwiegermutter Teje sich in Wahrheit verstanden, wissen wir nicht. Das Bild, das uns die erhaltenen 7amiliendarstellungen vorgaukeln, strotzt jedenfalls vor Har-monie. Auch wenn Nofretete und Teje niemals gemeinsam dar-zestellt sind, kennen wir doch Bilder von Echnaton sowohl mit seiner Mutter als auch mit seiner Frau — und beide behandelt =er Pharao mit großem Respekt und liebevoller Zuneigung.
Schaut man über die kleine echnatonische Familienidylle -_nweg auf den größeren politischen Rahmen der 18. Dynas-ze. bekommt die enge Verbindung zwischen den beiden Frauen paar noch mehr Gewicht. Immerhin könnte man diese Dy-
zu Recht als »Dynastie der starken Frauen« bezeichnen.
- Dn Hatschepsut hatte mit ihrer Machtübernahme einen
..ledenzfall gesetzt und sich als erste Frau der 18. Dynastie schlich auf dem Pharaonenthron behauptet. Teje hingegen ,1:11te rund zweihundert Jahre später einen anderen Weg — war
- auf ihre Art beinahe ebenso machtvoll. Nach der Krone
sie nie. Stets trat sie nur in einer einzigen Rolle auf, als
,--rau des Pharao Amenophis III. Diese Rolle aber definierte
J. Denn nun war es nicht mehr nur der Pharao, der Ge-

setze erließ, sondern ganz explizit der Herrscher und sei:, mahlin gemeinsam. Auch die diplomatische Korrespondenz 4 nicht mehr ausschließlich an Amenophis III. gerichtet, sena ebenso an die Frau an seiner Seite. Die Einbeziehung Teta die Regierungsgeschäfte des Pharao ging so weit, dass nach di Tod Amenophis' III. der mitannische König Tugratta dem ta gen Amenophis IV. empfahl, sich bei Fragen getrost an se Mutter zu wenden, denn sie sei mit allem vertraut, was auch verstorbene Pharao gewusst habe.
Mit dieser starken Mutter war Amenophis IV. aufgewa, sen, sie hatte sein Frauenbild maßgeblich geprägt. Und ni, nur seines — auch der Regierungsapparat und das ägyptis, Volk nahmen es nach über 30 Jahren Frauenpower neben u hinter dem Pharaonenthron als gegeben hin, dass ein Herrsc seine Macht mit der »Großen Königlichen Gemahlin« tei Als Amenophis IV. sich nun nach einer geeigneten Frau u sah — möglicherweise sogar mit Hilfe seiner Mutter — fiel se Wahl auf Nofretete. Sie war damals noch sehr jung, das v( Ausmaß ihrer Herrscherqualitäten konnte zu dem Zeitpo: noch niemand absehen. Aber eines ist sicher: Sie wird keine N schüchterte, graue Maus gewesen sein. Amenophis nahm s mit Nofretete ein Mädchen zur Frau, die das volle Poten besaß, seiner Mutter sehr ähnlich zu werden.
Die junge Königsgemahlin füllte den ihr zugedachten P scheinbar mit großer Leichtigkeit und Selbstverständlich] aus. Von Anfang an tritt sie groß und bedeutend auf Ihr P an der Seite ihres Gemahls ist nichts, worum sie jemals kämp musste. Es ist ein Platz, den ihre Schwiegermutter bereits sie vorbereitet hatte. Ohne Teje hätte es Nofretete nie gegeb
Amenophis III. hatte nicht, wie sonst üblich, eine sei Schwestern geheiratet, sondern sich ein bis dahin unbeka

tes Mädchen ohne königliches Blut zur Gemahlin genommen. Darin eiferte sein Sohn ihm nun nach. Wie und wo Ameno-phis IV. seine Nofretete fand, ist nicht bekannt. Während der Vater aber bei der Hochzeit deutlich auf den zahlreichen Ge-denkskarabäen verkündet hatte, dass Teje die Tochter von Juja und Tuja sei, obwohl diese keinerlei Verbindungen zum Kö-nigshaus vorweisen konnten, schweigt der Sohn sich über die Herkunft seiner Frau aus. Der einzige Hinweis auf ihre Kindheit stammt aus einer Zeit, als Nofretete bereits lange tot war. Im Grab von Tutanchamuns Nachfolger Eje trägt dessen Frau Tij den Titel »Menat Aat«: Große Amme der Nofretete. Einige For-scher haben deshalb vermutet, Nofretete sei ein Kind Ejes aus einer früheren Ehe und Tij somit ihre Stiefmutter. Belege für dieses konstruierte Verwandtschaftsverhältnis gibt es allerdings keine. Nofretete kommt aus dem Nichts.
Sie ist einfach da. Ihr Name ist Programm: »Die Schöne ist :kommen« bedeutet er. Woher sie kam oder wer sie zuvor war, spielt nun keine Rolle mehr. Lange waren Ägyptologen versucht, en dieses Namens in Nofretete eine ausländische Prinzessin sehen. Doch außer dem Namen gibt es dafür keine weite--. Anhaltspunkte. Außerdem wäre dann schwierig zu erklä-- warum sie mit Tij eine ägyptische Amme hatte. Als größte - _ oritin für diese Theorie galt Taduchepa, die Tochter jenes lannischen Königs Tugratta, der Amenophis IV. riet, gut auf -2 Mutter zu hören. In der Tat lebte Taduchepa genau vor Nase des jungen Königs. Sein Vater Amenophis III. hatte
· an Tugratta als Zeichen der Verbundenheit Mitannis mit -Dten als Ehefrau geschenkt bekommen. Allerdings erkrankte ältliche Pharao noch während der Verhandlungen um die ift. Taduchepa wurde trotzdem nach Ägypten geschickt. - Amenophis III. noch in der Lage war, die Ehe zu vollziehen,

als sie dort ankam, ist unbekannt. Taduchepa jedenfalls z den ihr zugedachten Platz im Harem des Pharao zugew und als Amenophis IV. nach dem Tod seines Vaters diesen rem erbte, erbte er Taduchepa gleich mit. So ist Taduchepa Sicherheit eine Frau von Amenophis IV. gewesen. Dass sie mit der »Schönen, die gekommen ist« identisch war, ist unwahrscheinlich. Vermutlich verbrachte Taduchepa den ihres Lebens still und unauffällig in der Ruhe des pharao Harems; froh, ihrem Schicksal im Bett eines alten, Mannes relativ glimpflich entkommen zu sein.
Die Eltern Nofretetes kennen wir zwar nicht — dafür aber kleine Schwester Mutnedjemet, auch Mutbelet oder Mu genannt. Sie taucht als viertes Mädchen zusammen mit den ältesten Töchtern Nofretetes auf einigen Reliefs in den G von Achetaton auf. In dem ungenutzten Grab des späteren rao Eje, auf dessen Wänden auch der Große Sonnengesang Aton geschrieben steht, wird ihre Verwandtschaft zu No dargelegt. Sie ist dort als »Schwester der Großen Gemahlin Königs« bezeichnet. Wie auch die Töchter Nofretetes trägt als Frisur die Seitenlocke, die sie als Kind kennzeichnet. ihre Körpergröße deutet an, dass sie ein wenig älter ist als Nichten. Mindester* vier Darstellungen zeigen sie in tung von zwei kleinwüchsigen Männern. Sogar die N von Mutnedjemets Begleitern kennen wir: Hemetniswern und Mutef-Pre. Die kleine Schwester der Königin, gefolgt ihren zwei kleinwüchsigen Spielgefährten, muss ein gewo ter Anblick für die Bewohner Achetatons gewesen sein. licherweise handelt es sich sogar bei einer Darstellung auf e. Stück Alabaster aus Tutanchamuns Grab um dieses seit Trio. Und noch etwas ist ungewöhnlich in Bezug auf Mutn jemet. Nie scheint sie bei der Verehrung Atons aktiv beteiligt ni

sein. Während Echnaton, Nofretete und ihre drei Töchter dem Gott Geschenke darbringen oder das Sistrum schwenken, steht Mutnedjemet nur unbeteiligt mit ihren beiden Begleitern da-neben. Einige Forscher vermuteten, dass sie sich dem Atonkult verweigerte. Möglich ist aber auch, dass es ihr als Außenseiterin gar nicht erlaubt war, entsprechende rituelle Handlungen für Aton vorzunehmen.
Etwa zu der Zeit, als die vierte Tochter Nofretetes und Ech-natons geboren wird, verschwindet Mutnedjemet sang- und klanglos von der Bildfläche. Jene, die in ihr eine Aton-Verwei-gerin sehen wollten, spekulierten, sie sei für ihre religiöse Ver-weigerungshaltung vom Hof verbannt und ins Exil geschickt worden. Für diese Theorie gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Ebenso gut kann sie einfach verstorben sein, oder sie wurde ver-neiratet und musste für ihre neue Rolle die Position als Spiel-
ameradin der Prinzessinnen aufgeben. Etliche Jahre später .aacht eine gewisse Mutnedjmet auf, als Gemahlin des Pharao -7-1aremhab. Diese wurde in der Vergangenheit öfter mit Nofre-.:e:es Schwester gleichgesetzt, die Schreibweise der ägyptischen H..:eroglyphen lässt diese Deutung durchaus zu. Allerdings Aar Mutnedjmet (»Die süße Mut«) ein so häufiger Mädchen¬- _:-ne in der 18. Dynastie, dass diese Interpretation sehr gewagt
Nofretete kommt, wenn auch in Begleitung ihrer Schwester, immer noch aus dem Nichts. Wir treffen sie zum ersten auf Reliefs in Privatgräbern aus Theben. Dort ist sie eine _ ze Frau, die noch deutlich hinter dem Pharao steht. Über Schönheit ist viel geschrieben worden. Spätere Funde aus -_u-na zeigen, dass Nofretete dabei gekonnt nachhalf. Die Aus-er entdeckten dort ihr Schminkset: ein blaues Schminktöpf-, und Kajalbehälter, auf denen in Einlegearbeiten der Name

Nofretetes steht. Ebenso wie der Einsatz von Make-up bei hochrangigen Frauen im alten Ägypten üblich, 7.. Körperbehaarung zu entfernen. Nicht nur die Schamhaare den abrasiert, um Ungeziefer und unangenehme Ge vermeiden, sondern auch das Haupthaar musste kom Die fehlende Haarpracht ersetzte Nofretete bei Bedarf der durch eine Krone oder durch eine Perücke. Davon mehrere, von der burschikosen »nubischen« Variante mit Nacken und längeren Vorderspitzen bis zur konservativ geren Haartracht, die ihre Schwiegermutter Teje favoris" nach Lust und Laune entweder mit glatten Haaren oder mit Locken.
Bemerkenswert ist auch die Kleidung der Königin. _ man sich die zahlreichen Darstellungen des pharaonischer_ milienlebens an, so könnte man glatt meinen, Nofretete die ihren hätten als überzeugte Nudisten gelebt. Nicht nu Herrscherin selbst, auch Echnaton und die Töchter e auf privaten wie auf öffentlichen Darstellungen oft mit dungsstücken, die rein gar nichts verbergen — wenn sie gleich ganz unbekleidet auftreten. Umhänge knotete No gern unter der Brust statt darüber. Und wenn sie etwas ü dann war der Stoff oeso dünn und eng am Körper anli dass er durchsichtig wirkte. Ob die königliche Familie sie sächlich nackt der Öffentlichkeit zeigte, sei aber dahinge Wahrscheinlicher ist, dass hinter dieser betonten Körperda_ lung eine beabsichtigte Bildsprache stand, deren Bedeutur. uns heute nur nicht mehr erschließt.
Kaum hatte Nofretete ihren Platz an der Seite des eingenommen, begann ihr Stern zu steigen. Schon zu der Ehe zeichnet sich ab, wie bereitwillig Amenophis IV. Frau an der Macht teilhaben lässt — eine Macht, die er selber

seit kurzer Zeit innehat. Eines der ersten Projekte seiner Herr-schaftszeit ist der Aau der neuen, dem Aton geweihten Tempel-anlagen in Karnak. Von diesem mächtigen Tempelbezirk sind heute lediglich die einzelnen talatat genannten Bausteine übrig, die nachfolgende Pharaonen in ihren eigenen Monumenten ver-bauen ließen. Die Rekonstruktion der Bilder an den Wänden dieser Tempelanlage aus den gefundenen talatat-Blöcken ergibt ein merkwürdiges Bild. Nicht etwa Amenophis IV. dominiert das Bildprogramm in diesem mächtigen Tempelkomplex des Aton, dem ersten großen Bauprojekt seiner Herrschaft — son-dern Nofretete. Eine aktuelle Zählung liegt leider nicht vor, aber auf den im Jahr 1976 bekannten talatat war lediglich 329 Mal der Name Amenophis' IV. zu lesen oder seine Person abgebil-det, 564 Mal dagegen wurde Nofretete erwähnt oder gezeigt.
Sicher kann dies allerdings auch ein Zufall sein, wenn die Ar-chäologen nun ausgerechnet jene Steine wiederfanden, die mit Nofretetes Namen oder Bild verziert waren, während die talatat mit Echnaton-Referenzen noch unentdeckt in einem späteren Bauwerk schlummern. Die meisten der wiederentdeckten Blö-zke stammen aus dem Haus des Benben — ein Teil der Anlage, der tatsächlich eher mit Nofretete assoziiert war.
Mit dem Umzug in die neue Hauptstadt Achetaton in seinem sanften Regierungsjahr änderte Amenophis IV. seinen Namen u Echnaton. Und auch Nofretete bekam zu diesem Zeitpunkt =irren neuen Namen. Mit Neferneferuaton Nofretete ist die Kö--igin künftig zu bezeichnen: Schön sind die Schönheiten des fron, die Schöne ist gekommen.
Sie ist gekommen — und hatte noch Großes vor sich. Denn seiner Religion des Aton errichtete Echnaton nicht nur ein :eues Glaubensgebäude, er schuf gleichzeitig auch ein riesi-Vakuum, das er mit neuen Inhalten füllen musste. Wo die


Ägypter zuvor viele Götter verehren konnten, von denen itzg seine ganz eigene Rolle und Funktion innehatte, thronte je: nur noch einzig und allein Aton über allen Lebensbereiche! Da er aber nicht für alle — oft auch gegensätzlichen — Belani des Lebens und Sterbens gleichzeitig verantwortlich gemad werden konnte, blieben viele Bereiche in dem neuen Glauben system unbesetzt.
Die Götter vor Echnatons Reformen hatten oft Triade gebildet, um im gemeinsamen Zusammenspiel eine größe Bandbreite an Bedürfnissen abdecken zu können. Prominn testes Beispiel für diese Rollenverteilung sind Osiris, Isis um Horus. Die Zwillinge Osiris und Isis sind Kinder der Hin melsgöttin Nut und des Erdgottes Geb. Osiris herrschte ein über Ober- und Unterägypten, während Geb seinem Brud Seth nur die Wüste als Herrschaftsbereich überließ. Unter Osii blühte und gedeihte das Land. Seth jedoch war neidisch um wollte selbst über die fruchtbaren Landstriche herrschen. B einem Fest trickste Seth Osiris aus und versenkte ihn in ein bleibeschwerten Holzkiste im Nil. Isis fand ihren Bruder w Ehemann, doch bevor sie ihn befreien konnte, entführte Se ihn erneut, zerteilte ihn in vierzehn Stücke und verstreute c Leichenteile in gz Ägypten. Isis machte sich erneut auf c Suche, sammelte mit Hilfe des Totengottes Anubis die eint, nen Teile auf und konnte sie tatsächlich mit ihrer Magie w vielen Zaubersprüchen wieder zusammensetzen. Mit dem tu dürftig zusammengeflickten Osiris gelang es Isis, ein Kind zeugen. Zum Regieren über Ägypten war der zerstückelte Gs aber nicht mehr in der Lage, er wurde fortan zum Herrscl über die Unterwelt. Isis aber gebar den Horus, der später Erwachsenenalter Rache am Mörder seines Vaters nahm u daraufhin über Ober- und Unterägypten regieren durfte. 1

diesem Mythos konnten viele Beziehungspaare auf ganz unter-schiedlichen Ebenen bedient werden: Oberwelt und Unterwelt, männlich und weiblich, zerstörend und schöpfend, guter Herr-scher und böser Herrscher, aber auch Vater und Sohn oder Op¬fer und Rächer. Einige Orte bildeten ihre eigenen Göttertriaden aus, in Theben bestand sie beispielsweise aus dem obersten Gott Amun, der Schöpfergöttin Mut und ihrem Sohn, dem Mond-gott Chons. In Memphis bildeten der Schöpfergott Ptah, die Löwengöttin Sachmet und deren Sohn Nefertem, der Lotus-gott, das Dreigestirn.
Diese Vielfalt entfiel mit der Verehrung des Aton als einzi-zem Gott. Selbst wenn Echnaton sich als Sohn des Aton dar-szeihe und damit dem göttlichen Familiengedanken treu blieb, hire ihm immer noch die weibliche Seite des Dreiecks. Der =ittliche Pharao brauchte eine Frau. Also machte er Nofretete :ar Göttin an seiner Seite. Eine mit dieser Gleichsetzung ein-: ergehende Schöpfungsgeschichte ist nicht überliefert. Auch eiche theologische Lehre Echnaton in Bezug auf seine eigene verbreiten ließ, wissen wir leider nicht. Aber auffal-z ist zumindest der Raum, den die Darstellungen der Herr¬_ -erfamilie einnahm. Während vorher vor allem die Gräber - Toten mit Abbildungen der Götter geschmückt waren, die hochgestellten Bewohner Achetatons nun familiäre :cidien von Echnaton, Nofretete und deren Töchtern an ihre :abwände malen. Möglicherweise liebäugelte der Pharao eine Leztlang mit einer Gleichsetzung von sich und Nofretete mit Zwillingsgötterpaar Schu und Tefnut, die beide von Aton .,u5 sich selbst heraus gezeugt wurden. Oft erscheinen der Gott das Herrscherpaar auf den Bildern tatsächlich als Dreieck zumindest als Pyramide, wobei die Sonnenscheibe an der vune, Echnaton und Nofretete je einen Eckpunkt bilden, zu-

sammengehalten von den schnurgeraden Strahlen Atons. auf kleinstem Raum findet dieses neue Familienbild mit.1..1 naton und Nofretete als Schu und Tefnut noch Platz, beisp weise auf einem Peitschengriff-Endstück aus blauer Fayence.. heute in Kopenhagen liegt. Darauf ist das Königspaar n lich gekennzeichnet — aber ihre Haltung verrät sie eindeutig Schu und Tefnut, die in einer Barke sitzend ihren Schöpfer, Sonnenscheibe, verehren.
In welcher Form Echnaton und Nofretete sich den U tanen letztendlich auch präsentierten, gemeinsam waren beiden in der Lage, ein wesentlich breiteres Spektrum an lichen Eigenschaften und Merkmalen abzudecken, als es alleine je gekonnt hätte. Dabei übernahm Aton die Rolle Schöpfergottes, aber auch die Töchter des Paares wurden oft diese Götter- / Herrscher-Gleichsetzung mit einbezogen — sei es auch nur als Symbol für die große Fruchtbarkeit des hui res. Wie weit Echnaton diese Vergöttlichung seiner Familie va antrieb, muss allerdings Spekulation bleiben. Verlangte er vag seinen Untertanen tatsächlich, dass sie für einen Kinderwunsd oder mit der Bitte um eine leichte Geburt seine Frau Nofreted anriefen, weil sie als neue weibliche Staatsgöttin nun für dia Belange zuständig war? Dass zumindest für diese elementare Bedürfnisse wohl Xch weiterhin eher die alten Götter wie Be und Taweret zuständig waren, zeigen die zahlreichen Funde 'u kleinen Statuetten der beiden Geburtsgottheiten in den Wohn häusern der Arbeiter von Achetaton.
Auffällig ist außerdem, dass mit der Geburt der ersten Tocinel Echnatons Mutter Teje fast völlig von der Bildfläche verschwi det. Ganz zu Beginn der Herrschaft ihres Sohnes treffen le sie beispielsweise noch auf einer Wandmalerei in Theben-Wce im Grab des Cheruef, dem Sedfest-Leiter Amenophis' III. Dm

opfert sie Seite an Seite mit ihrem Sohn Wein für Re-Harachte und Maat sowie Räucherwerk für Aton und Hathor. Es ist ihr letzter öffentlicher Auftritt, bevor Nofretete gänzlich den Platz an der Seite ihres Mannes für sich beansprucht. Teje lebte zwar mit Sicherheit noch eine ganze Weile, erfüllte aber nun keinerlei repräsentative Aufgaben dem Volk gegenüber mehr.
Dass sich bei den Untertanen Widerstand gegen diese Ver-göttlichung der Familie Echnatons regte, ist nur verständlich. Auch die Künstler drückten ihren Protest aus — wenn auch wahrscheinlich so, dass Echnaton ihn niemals zu Gesicht be-kam. In Amarna fanden die Ausgräber eine Reihe kleiner Kalk-steinfiguren von Affen, die ebenjene Darstellungen der Phara-onenfamilie karikieren. Die Äffchen essen, trinken, fahren im Streitwagen, musizieren und liebkosen ihre Jungen — ganz so, wie es sonst Echnaton und Nofretete so oft und gerne in aller Öffentlichkeit zelebrieren.
Nofretete war also die Göttin an Echnatons Seite. Inwieweit :eilten die beiden aber auch die ganz weltlichen Belange der Herrschaft miteinander? Blieb sie als seine Ehefrau letzten En-les doch hinter seinem Thron stehen? Saß sie neben ihm? Oder stellte sie sich gar vor ihren Mann, wenn es darum ging, das --and im Inneren zu regieren und nach außen hin zu repräsen-tieren? Es fällt auf, dass Nofretete in den Briefen des Archivs an Achetaton so gut wie nicht vorkommt. Während Teje dort affensichtlich als aktive Teilhaberin an Regierungsgeschäften an-esprochen wird, findet Nofretete kaum Erwähnung. Natürlich :-_12g dies daran liegen, dass lediglich Teile des Archivs gefunden wurden. Möglicherweise gibt die erhaltene Korrespondenz nur trzi verzerrtes Bild des tatsächlichen Briefwechsels wieder und 'ofretete beteiligte sich in Wahrheit doch aktiv an der Kom--_-_unikation mit fremden Herrschern. Solange wir dafür aber

keine konkreten Hinweise haben, müssen wir ihre Abwesenh: im Staatsarchiv als Auffälligkeit vermerken.
Nofretete mag keine Frau des geschriebenen Wortes gewes( sein. Aber sie war definitiv eine Frau der Bilder. Die Vokabe der Bildsprache wusste sie meisterhaft zu nutzen — und tat di auch im großen Stil. Ihre Präsenz im Aton-Heiligtum in Kam, gleich zu Beginn ihrer Ehe äußert sich sowohl in der Men der Darstellungen ihrer Person als auch in den Inhalten dies Bilder. Oft tritt sie gemeinsam mit ihrem Mann auf und hand( auch gemeinsam mit ihm. Auf vielen Darstellungen aus de Haus des Benben kommt die junge Königin aber auch ga alleine daher — und das bei Handlungen, die eigentlich nur e Pharao vornehmen darf. Ein Bild zeigt sie beispielsweise bei Darbringen der Maat. Die Maat war die fragile Ordnung d Welt, das Gleichgewicht der Gesellschaft oder auch Wahrh, und Recht. Zu den ganz wichtigen Aufgaben des Pharao g hörte, dafür zu sorgen, dass diese Maat erhalten und gepfle wurde. Indem er dieser Aufgabe entsprechend nachkam, gab seinem Volk die Sicherheit, dass die Welt nicht aus den Fug gerät. Wenn nun anstelle des Pharao seine Gemahlin die 1\42 darbringt, legt der Herrscher diese für Land und Volk eiernen( wichtige Angelegenheit in ihre Hände — und überträgt ihr c Verantwortung feiedas Wohlergehen des Landes.
Ein Motiv mit einem ähnlichen Hintergrund ist das sog nannte Erschlagen der Feinde. Bereits seit der ersten Dynas ist dies eine formelhafte Darstellung des Pharao, die ebenfa seine Bedeutung für den Schutz seiner Untertanen betont. ist unbesiegbar und verteidigt seine Untertanen gegen alle, c Ägypten Böses wollen. In den Bildern steht der Herrscher st, mit erhobener linker Hand vor mehreren Feinden, einen dav, hält er mit der rechten Hand am Haarschopf gepackt, bere

ihn zu erschlagen. Im Haus des Benben übernimmt Nofretete das Erschlagen der Feinde. Sie steht mit erhobener Hand vor ihnen und demonstriert damit, dass sie in der Lage ist, das Volk zu schützen. Ob das ägyptische Volk tatsächlich glaubte, die junge, fast permanent mit Töchtern schwangere Königin könne es vor Feinden verteidigen, sei dahingestellt. Aber zumindest sendeten die Bilder aus dem Aton-Heiligtum in Karnak eine klare Botschaft: Nofretete trägt Verantwortung.
Nicht nur die Wanddekorationen, auch das Statuenpro-gramm des Tempelareals macht stutzig — insbesondere jene Kolossalstatue, die Amenophis IV. ohne jede Andeutung von männlichen Genitalien darstellt. Während dieses Kunstwerk schon dafür herhalten musste, den Pharao für impotent oder homosexuell zu erklären, gibt es auch noch eine ganz andere Möglichkeit. Diese überlebensgroße Staue könnte, wie beispiels-,, eise der Ägyptologe Nicholas Reeves meint, auch gar nicht den .:nig darstellen — sondern Nofretete. Stimmt diese Deutung, hält die Königin schon zu Beginn ihrer Ehe erstaunlich fl Macht in den Händen — in Form von Krummstab und Gei-. die sonst nur der Pharao selber als Zeichen seiner Macht --a2en darf. Eine ganz ähnliche Botschaft von der Teilung der acht vermittelt die Sphingenallee der Anlage, wo die Gesichts-der Sphingen zur Hälfte denen des Königs und zur anderen
- denen der Königin entsprechen.
andererseits gibt es gerade aus der Zeit vom Beginn der Herr-Echnatons auch viele Beispiele, in denen die Königin
- klar hinter ihrem Gatten zurücktritt. Zwei im Vergleich
· _ssante Bilder zeigen sie gemeinsam mit Echnaton im
- :er der Erscheinung«, einem Balkon des Palastes, auf dem -errscherpaar sich dem Volk präsentierte oder von dem auch Belohnungen an ausgewählte Untertanen verteilen

konnte. Das Fenster der Erscheinung war ein beliebtes und ein Standard an vielen Grabwänden zur Zeit Echnarc: Ein frühes Beispiel stammt aus dem Grab des Wesirs Ramo! Ramose hatte bereits unter Echnatons Vater Amenophis ii gedient und war aufgrund seines Alters wahrscheinlich nie n: nach Achetaton umgezogen, sein Grab liegt noch in Thebe Als Dekoration für seine Grabkammer hat er das Königspa im Fenster der Erscheinung gewählt. Der Pharao steht deutlii vor seiner Frau und lehnt sich aktiv aus dem Fenster hem Nofretete ist wesentlich kleiner als er, bleibt passiv hinter ihre Mann stehen und schaut seiner Handlung zu. Nur ein klein Attribut kennzeichnet sie als Herrscherin: die Uräusschlange a der Stirn, Beschützerin von Königen und Göttern.
Auch im Grab des Eje werden Echnaton und Nofretete i Fenster der Erscheinung gezeigt. Mittlerweile hat die König ihrem Mann drei Töchter geboren, die sich alle eng an ih Mutter halten. Echnaton ist auf diesem Bild damit beschäft4 goldene Haisringe als Auszeichnung für Eje und seine Frau a dem Fenster zu reichen. Und diesmal steht Nofretete nic mehr passiv hinter ihm. Aus dem Gewusel ihrer Töchter hina beteiligt sie sich a4 der Zeremonie und streckt zwei Halsrin gleichzeitig aus dem Fenster. Sogar zwei der Töchter scheinen die Belohnung des treuen Eje involviert, Meritaton und Mals taton halten ebenfalls Goldschmuck in den Händen. Aber au im Grab des Eje reicht Nofretete mit ihrer dargestellten Grö nicht an Echnaton heran, sie bleibt einen guten Kopf kleir als ihr Mann.
Aus Amarna kennen wir aber auch Beispiele, die Nofren symbolisch über Echnaton stellen. Ein Relief von einem kl nen Hausaltar steht heute im Ägyptischen Museum in Berl Eigentlich sieht darauf alles ganz harmlos aus. Es zeigt die 1

nigliche Familie mit dreien ihrer Töchter. Echnaton und No¬fretete sitzen sich gegenüber, der Vater wiegt eine der Töchter zärtlich im Arm, eine weitere sitzt auf dem Schoß Nofretetes und zeigt zu ihm hinüber, eine dritte sitzt auf ihrer Schulter und hat den Arm um ihren Hals gelegt. Hinter Echnatons Hocker stapeln sich die Weinkrüge. Auf diese friedliche Sonntagvormit-tagsidylle scheint Aton mit seinen Strahlen, die Hände an deren Enden halten der königlichen Familie die lebensspendenden Anchzeichen vor die Gesichter. Nofretetes Oberkörper ist ein wenig kürzer als der Echnatons, damit reicht sie nicht ganz an seine Körpergröße heran. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich dann die Brisanz dieser Szene. Denn während Echnaton auf einem gewöhnlichen Hocker sitzt, thront Nofretete auf einem Stuhl, der mit dem Symbol »Vereinigung der beiden Länder« ;ema-taui) gekennzeichnet ist. üblicherweise feierten Pha-:Ionen das Vereinigungsfest bei der Thronbesteigung. Damit
ollten sie an die Einigung Ober- und Unterägyptens durch -Len mythischen Herrscher Menes erinnern, der erstmals beide _.:ichsteile friedlich und gleichberechtigt zusammenführte
sich in diese Tradition stellen. So harmlos diese Familien-
auch wirken mag: Es ist kaum denkbar, dass Nofretete sich
22illig auf Echnatons Stuhl setzte. Der Bildhauer, der dieses -...urbild schuf, wollte damit sagen, dass die Königin hier die
---zzierungsgeschäfte führt. Die Frage, ob er dies im Auftrag tat : i- aus eigener Motivation heraus auf die realen politischen - --3:-_ände hinweisen wollte, muss leider unbeantwortet bleiben.
in der Schriftform maßt Nofretete sich diesen Titel an und
als »Herrin beider Länder« oder »Gebieterin von Ober-
Unterägypten« betitelt. Es gibt zu denken, dass sie sogar
-  im Grab ihres Mannes darauf besteht, mit diesem macht-
itle:7: pharaonischen Titel bezeichnet zu werden.

Ein weiterer Hinweis auf die Macht, die Nofretete t__ lich in den Händen hielt, stammt aus dem Grab mit der mer 6 auf dem Nordfriedhof von Amarna. Es gehörte Pan dem »Ersten Diener des Aton in Achetaton; Zweiten Pro des Herren der beiden Länder, Nefer-cheperu-Re-wa (Echnaton)« — also durchaus einem Mann mit Gewicht in Stadt des Aton. Auf die Wand seiner Grabkammer ließ er'. fretete mit der Atef-Krone auf dem Kopf malen. Die Atef-symbolisierte ebenfalls die Herrschaft über beide Länder konnte vom Pharao zu bestimmten Anlässen statt der üblichen Doppelkrone getragen werden. Wie diese bestand auch aus der weißen, kegelförmigen Krone Oberägyptens. der zusätzlichen roten Krone Unterägyptens zierten die Krone allerdings zwei Maat-Straußenfedern an jeder S manchmal zusätzlich auch Widderhörner sowie Uräussc-gen und Sonnenscheiben. Das ägyptische Totenbuch bem - dass Osiris die Atef-Krone einst als Zeichen seiner Heus...-über die fruchtbare Nillandschaft verliehen bekam, aber andere Götter wie Chnum, Horus, Re, Amun oder Ptah 17 sie gelegentlich. Die übliche Liste der Träger umfasst also hi sächlich Götter, ab der 18. Dynastie auch Pharaonen — _-keine Königinnen.it einer Ausnahme: Hatschepsut w,--.-.:-.e Erste, die sich diese'e
rone von den Göttern borgte, um C. ---.7 ihren Anspruch auf die Herrschaft zu demonstrieren. N 1 —1--tete hatte also keine Scheu vor großen Symbolen. Sogar _-_--t—. Namen müssen die Bildhauer in Doppelkartuschen schreiben — ein Privileg, das sonst ebenfalls nur dem Pharao vorbe ist.
Wie aber sah Nofretete tatsächlich aus? Mit Sicherheit war eine Frau mit Stil. Neben der durchsichtigen Kleidung v. bald eine ganz eigene Kronen-Kreation ihr Markenzeichen,

Abwandlung der sogenannten Chepresch- oder auch Blauen Krone. Diese Kopfbedeckung taucht erstmals zum Ende der Zweiten Zwischenzeit auf Die Pharaonen tragen sie dabei zu zwei sehr unterschiedlichen Anlässen: entweder als Sieger über ihre Feinde oder als Säugling, der an der Brust einer Göttin gestillt wird. Auch Kindgottheiten wie zum Beispiel der kleine Horus werden mit der Chepresch-Krone dargestellt. Die ur-sprüngliche Form, die auch Echnaton gerne auf dem Kopf trug, war eine helmartige Konstruktion aus blauem Stoff oder Le¬der, die mit kleinen Goldscheiben und mit der Uräusschlange auf der Stirn verziert wurde. Nofretete wählte für sich nun ein ganz ähnliches Modell. Ihres ist ebenso wie das ihres Mannes .n der charakteristischen blauen Farbe gehalten, lediglich die Form weicht ab. Statt einer gebogenen Kappe trägt sie eine sich nach oben kegelförmig weitende Variante mit geraden Seiten-
inden. Als Schmuck kommen außerdem bunte Bänder hinzu, _ ren Enden im Nacken auf vielen Abbildungen lustig im Wind ,rtern.
Wir kennen zwar viele Porträts der Herrscherin. Aber bilde-sie — oder zumindest wenigstens einige von ihnen — auch die rklichkeit ab? Die Forschung unterscheidet ganz grob
zwi-en zwei Arten von Porträts, einer frühen und einer späten. .len frühen Bildnissen gleicht das Gesicht der Königin dem -f3 Mannes. Dies muss keinesfalls bedeuten, dass Nofretete Echnaton eng verwandt waren und damit eine sehr ähn-Physiognomie besaßen. Es war in der ägyptischen Kunst = - durchaus üblich, alle Porträts einer Zeit denjenigen des rschers anzupassen. Mitregenten ließen sich beispielsweise r durch eine etwas geringere Körpergröße und einen bei--Iden Namen vom Pharao unterscheiden, auch glichen die ,:ntszüge von Pharaonen, die gerade erst den Thron bestie-

gen hatten, oftmals noch eine Weile lang denen ihrer Vori-_-.= Dies galt durchaus auch für Ehefrauen: Nofretetes mutter Teje hatte bereits ihre Porträts auf diese Weise Mann Amenophis III. angepasst.
Aus dieser ersten Phase stammen beispielsweise die S aus dem Aton-Heiligtum in Karnak. Die Darstellungen tons und Nofretetes sehen sich so ähnlich, dass sie lange allesamt für Bildnisse des Echnaton gehalten wurden. In Bildnissen der ersten Phase treten sowohl der Pharao als seine Frau mit einer starken Gewichtung von Becken, Hüfte, Bauch und Oberschenkeln auf, während Obe und Unterschenkel eher schmal wirken. Auch die charakte sche Kopfform Echnatons mit dem unnatürlich langgezo,_ Schädel übernimmt Nofretete. Ihr Gesicht wirkt eckig, die pen sind voll, das Kinn tritt hervor, die Stirn flieht.
Allerdings deuten die Künstler durch kleine Details die terschiede zwischen den beiden an. Zum Beispiel lassen SM wie Joyce Tyldesley in ihrer Nofretete-Biographie beschre_n die Gewänder der beiden unterschiedlich aussehen: Nofrerem reicht meist bis auf den Boden, Echnatons endet, knapp bevi es den Boden berührt. Auch die Gewandfalten fallen anders_ b ihr senkrecht nach unten, bei ihm verlaufen sie eher horizor tal oder diagonal..
u den Unterscheidungsmerkmalen geie auch der Nacken, der bei Echnaton konvex, bei Nofretete ahd konkav gewölbt ist. Der Bauchnabel, von den Künstlern Ach tatons in der Regel als liegendes Oval dargestellt, sitzt meist b Nofretete höher als bei ihrem Mann. Und auch die Frise' der Hauptstadt unterschieden zwischen Männern und Fratz] Während sie bei den Damen die Perücken im Nacken im Ni' fretete-Stil anstuften, reichte bei den Herren ein gerader Schni als Abschluss.

Später, als das Paar bereits nach Achetaton umgezogen ist, emanzipiert Nofretete sich mit ihren Porträts. Ihr Gesicht be-kommt eigene Züge: die Lippen werden gerader, die Wangen-knochen betonter, die Wangen selber runder und die Stirn flieht nicht mehr. Ihr Hinterkopf schrumpft auf normale Größe, der Nacken sieht jetzt entspannter aus und nicht mehr krampfhaft durchgedrückt. Insgesamt wirkt ihre Erscheinung jetzt natür-!icher.
Die Ägyptologin Dorothea Arnold hat fünf unterschiedliche offizielle Porträttypen der Nofretete aus dieser späteren Zeit ..lentifiziert. Der Typus »Herrscherin«, wie beispielsweise in einem Kopf im Museum von Memphis mit der Inventarnum-mer JE 45547, der Nofretete wieder als »Herrin beider Länder :figt«, strahlt Entschlossenheit aus. Der Typus »Schönheit«, wie r: einem gelben Quarzitkopf in Berlin mit der Inventarnummer I 220, zeigt Nofretete als sanfte, schöne Königin. Der Typus
· Denkmal« ist für hochoffizielle Monumente wie den Grano¬: _,ritkopf in Berlin, Inventarnummer 21358, vorbehalten. Das -f rsporträt, wie die Berliner Standfigur mit der Inventarnum-- r r 21263, bildet die gereifte Königin ab. Und dann gibt es - ch den Typus des Idealbildnisses. Mit der Erschaffung dieses -:rättypus war der Künstler Thutmosis, der ihn schuf, so er-reich, dass dieses Bild auch heute, über 3000 Jahre später, jedem sofort in den Sinn kommt, der an Nofretete denkt. der Typus der weltberühmten und heißumstrittenen Büste rlin.
I= hei ist das Bildnis der Nofretete, das mit der Inventarnum-- 21300 im Ägyptischen Museum steht, strenggenommen
- - einmal ein Kunstwerk. Es ist eine Vorlage, ein Modell, ein
- -arf. Man könnte sogar sagen, es ist Abfall — denn als der
_der Thutmosis seine Werkstatt in Achetaton aufgab, seine

Sachen zusammenpackte und nach Memphis zog, da _ den Kopf der Nofretete zusammen mit etwa fünfzig weittr-= ihn wertlos gewordenen Stücken in eine kleine Abste versiegelte die Tür und überließ die aussortierten Teile Schicksal.
Thutmosis kannte die königliche Familie gut. Alle sie bei dem »Liebling des guten Gottes, Aufseher der und Bildhauer« Modell gesessen: schon Amenophis III.. Echnaton, Nofretete, Kija und auch die Prinzessinnen. _ natürlich hatte niemand bei Hofe die Zeit oder die G lange für einen Bildhauer stillzusitzen, bis dieser mit e Stein gehauenen Porträt fertig war. Also behalf Thutmosn mit Ton oder Wachsabdrücken. Von diesen fertigte er in Werkstatt, die im Ausgrabungsplan von Amarna die nung P47,2 trägt, Gipsabgüsse an. Waren die Porträtierten den Abgüssen zufrieden, übertrug er sie in Stein. Eine schicht gab dem Werk den letzten Schliff.
Diese Porträts waren gut transportierbar. Thutmosis auch seine Schüler konnten sie nun überall mit hinn und weitere Kopien nach ihrer Vorlage anfertigen. Das nierte für jedes Material, die Ausgräber fanden in der We Statuen, Köpfe und Bsten sowohl aus Kalkstein wie auch Quarzit oder Granit in allen möglichen Stufen der Vollen vom vorbearbeiteten Block bis hin zur fertigen Skulptur. glieder der königlichen Familie waren leicht zu erkennen: ihren Köpfen sind bereits die Ansätze für die entspreche Kronen ausgearbeitet. Auch die Büste der Nofretete war unbedingt fertig. Ihr rechtes Auge besteht aus Bergkristall einer fein eingeritzten Pupille, unterlegt mit schwarzer und befestigt mit Bienenwachs. Das linke Auge aber fehlt —nichts spricht dafür, dass es jemals eingesetzt war. Mögli

weise diente die leere Augenhöhle als Lehrbeispiel für Thutmo-sis' Schüler.
Der Meister also gab diese Werkstücke auf, als er Achetaton verließ. In Memphis würde nach dem Tod des ungeliebten Herr-schers bestimmt niemand mehr Bedarf an Porträts der Königsfa-milie haben. Der Hofbildhauer aber war ein ordentlicher Mann. Er warf seine Werke nicht einfach auf den Boden. Die Büste der Nofretete stellte er auf ein Holzregal, bevor er die Tür schloss. Dort stand sie, bis das Holz so morsch wurde, dass es nach-gab, die Büste hinunterfiel und mit dem Gesicht nach unten im Schutt des um sie herum zerfallenden Gebäudes liegen blieb.
So fand sie der deutsche Ausgräber Ludwig Borchardt am Nikolaustag des Jahres 1912. Obwohl es nur ein Modell ist, er-_:egt Borchardt von Anfang an dem charismatischen Charme _er Königin: »Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervor---,gend. Beschreiben nützt nichts, ansehen. [...] Jedes weitere -:ijort ist überflüßig«, notiert er nur kurz in seinem Grabungs-uzebuch. Damit beginnt ein archäologischer Kriminalfall, der
· heute, über einhundert Jahre nach dem Fund, die Bezie-
t _rigen zwischen Deutschland und Ägypten belastet.
Denn als Borchardt die Nofretete findet, ist noch lange nicht -'ärt, wem sie gehört. Die Grabungslizenz sieht vor, dass alle 50 : 50 mit dem damaligen ägyptischen Antikendienst ereilt werden müssen. Dessen Direktor war zu dem Zeit-Gaston Maspero, der aber beauftragte seinen Mitarbeiter Lefebvre, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Am -,anuar 1913 trafen sich Borchardt und Lefebvre. Der deut-d.=,e Archäologe hatte vorweg bereits zwei Haufen zusammen-72:1t. Der eine enthielt als Highlight einen Klappaltar, der die az.1..--,:xhe Familie im typischen Amarna-Stil zeigte. Der zweite 14,:_ste der Nofretete.


Was bei diesem Treffen geschah, werden wir wohl wissen. Möglicherweise hatte Borchardt Nofretete ab5_.1-mit Dreck beschmiert und sie als wertloses Übungssr_.: klariert. Vielleicht begeisterte Lefebvre sich als Wissens.- mehr für Hieroglyphen und geschriebene Sprache, wäh sich für die Skulpturen persönlich keine Begeisterung a nen konnte. Denkbar ist auch, dass Borchardt als g Verhandlungsführer Lefebvre davon überzeugen konnte., ein Klappaltar die Bestände des Kairoer Museums besser gänzen würde als ein Porträt, von dem sowieso bereits im Besitz des Museums waren. Am Ende jedenfalls en Lefebvre sich für den Haufen mit dem Klappaltar. Der inklusive der Büste, ging an die deutsche Ausgrabung.
Damit gehörte die Nofretete nun dem Berliner Ba händler James Simon. Der finanzierte nämlich die Aus mit 30 000 Mark im Jahr — dafür gingen alle Funde, welche deutschen Ausgräber ausführen durften, in seinen Besitz Simon stellte die Büste in seiner Villa in Berlin-Tiergarten. heutigen Sitz der Landesvertretung von Baden-Würnem_ auf. Doch Borchardt war äußerst unwohl bei der ganzen schichte. Er warnte den Geschäftsmann eindringlich davor. Stück einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. So blieb lange ausgesuchten eisten vorbehalten, darunter dem Wilhelm II., der gleich mehrmals kam und die Nofretete wunderte. 1920 hatte Simon sich offenbar an der schönen nigin sattgesehen, er schenkte sie dem Freistaat Preußen. %—Jahre später war es dann so weit. Nofretete trat, allen W gen Borchardts zum Trotz, an die Öffentlichkeit, sie wurde Glanzstück der Tell-el-Amarna-Ausstellung des Neuen M
Die Welt verfiel unmittelbar in eine Nofretete-Hysterie. Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können für

großen Auftritt. Zwei Jahre zuvor hatte die Entdeckung des Tutanchamungrabes bereits den großen Ägypten-Hype aus-gelöst. Und nun trat eine Frau auf die Bildfläche, eine wun-derschöne noch dazu, die den modebewussten Damen der »Roaring Twenties« vorgab, wie sie sich zu kleiden und zu schminken hatten, um auf dieser Welle mitzuschwimmen. Nicht nur in Berlin, sondern auch in London, Paris und New York wurde der Nofretete-Look zum letzten Schrei auf den wil¬den Partys der High Society. Hatte Borchardt dies geahnt, als er der schönen Königin am Nikolaustag 1912 den Staub vom Ge¬sicht wischte? Hatte er deshalb in der Verhandlung mit Lefebvre getrickst und betrogen? Hatte er deshalb Simon gemahnt, die Büste geheim zu halten?
Die ägyptische Antikenbehörde jedenfalls schäumte vor Wut. Sofort ließ sie sämtliche deutsche Grabungsaktivitäten im Land stoppen und forderte lautstark die Rückgabe der Nofretete. Zähneknirschend setzte das Berliner Museum sich an den Ver-- indlungstisch und begann mit Gesprächen über Tauschmög-2hkeiten. Die zogen sich in die Länge. 1933 schließlich hatte preußische Ministerpräsident Hermann Göring Erbarmen _ - versprach, die Büste zum Jahrestag des Regierungsantritts König Fuad I. zurückzugeben. Doch die schöne Königin _ -I:. mittlerweile einen neuen Verehrer gewonnen. Adolf Hitler _ arte die ägyptische Herrscherin zu einer deutschen Ikone: _ - werde den Kopf der Königin niemals aufgeben. Es ist ein terwerk, ein Juwel, ein wahrer Schatz«, ließ er verlauten 'lante sogar, ihr ein eigenes Museum zu bauen.
--_.72r die Geschichte nahm einen anderen Lauf. Statt in ein 2.ter-es Museum musste die Nofretete für die folgende Zeit der irren erst einmal in den Untergrund gehen. 1939 pack¬= Mitarbeiter des Neuen Museums sie in eine Kiste mit der

Nummer 28 und brachten sie in den Tresor der Reichsh:-Gendarmenmarkt. Als der 1941 dann auch zu unsicher wanderte die Kiste in den Flakbunker am Zoo. Von dz wurde sie zusammen mit weiteren Kunst- und Kultur' im März 1945 in einen Stollen des Salzbergwerkes Me - Thüringen verlegt, wo die Büste das Kriegsende erlebte uni 4. April in die Hände der Amerikaner fiel. Die packten sie der in eine Kiste, schrieben »die bunte Königin« daralr-schickten sie nach Wiesbaden zur zentralen Sammelsteig Kunst. Nach zehn Jahren in Wiesbaden kehrte die No.1 am 22. Juni 1956 in ihre zweite Heimat Berlin zurück. . Stationen in Dahlem, in Charlottenburg und im Alten Mi,s  hat sie heute wieder ihren eigenen Saal im Neuen Museum_ immer noch will Ägypten seine Königin zurückhaben. forderte der ehemalige Direktor der Antikenbehörde, Zahi wass, mehrmals nachdrücklich ihre Herausgabe.
Aber ist sie es wirklich? Um kaum ein Kunstwerk ranken - so viele Gerüchte und Verschwörungstheorien wie um die - der Nofretete. Ist sie möglicherweise gar kein ägyptisches nal, sondern eine Anfertigung nach den Wünschen Bor die er für die Präsentation einer Halskette in Auftrag gab? Büste im Neuen Museuite nur eine Kopie, die Hitler anfer-ließ, um die Ägypter auszutricksen — während er das 0 für seine Privatsammlung entwendete? Den Beweis, dass Büste in Berlin tatsächlich ein Werk ist, für das Nofretete Bildhauer Thutmosis vor über 3000 Jahren in Achetaton sönlich Modell saß, ist schwierig. Eine Fälschung nachzuxt - ist einfacher, als die Echtheit eines Originals zu verifizieren.
1992 wurde die Büste im CT-Scanner untersucht, 2006 weiteres Mal. Dabei konnten die Forscher genau ihren steinkern sowie die Nachbesserungen aus Stuck dokumen

Bei dem aufgetragenen Stuck handelt es sich, wie chemische Untersuchungen zeigten, um eine Gips-Anhydrit-Mischung, wie die meisten Künstler Achetatons sie für ihre Werke ver¬wendeten — eine chemische Zusammensetzung, die Ludwig Borchardt noch nicht gekannt haben kann. Eine chemische Datierung ist schwierig, da sowohl im Stein der Büste sowie in der Stuckschicht oder der Bemalung organisches Material Man¬gelware ist. 1997 fand der Ägyptologe Rolf Krauss im Magazin des Ägyptischen Museums eine Wachsprobe, die wahrscheinlich um 1920 aus dem Auge der Königin entnommen wurde. Sie ließ sich auf ein Alter von 3347 Jahren datieren — allerdings kann diese Probe in der Zeit zwischen 1920 und 1997 allen möglichen Verunreinigungen ausgesetzt gewesen sein, so dass die Datierung mit entsprechender Vorsicht zu genießen ist. Krauss wies außer-dem nach, dass die Büste mit Hilfe eines Rastersystems gefertigt worden war. Jedes Kästchen des Rasters ist nur 1,875 Zentime-:er breit, so erklärt sich die fast schon unheimlich anmutende Symmetrie des Gesichtes. Diese unnatürliche Symmetrie sollte __ns daran erinnern, dass das Bildnis der »Schönen, die gekom---.en ist«, nicht der Wirklichkeit entsprach. Stilistisch fällt dieses
Drträt des »Idealtypus« in jene Jahre, als das Gesicht Nofre-
dem ihres Mannes noch stark angeglichen war und sich
langsam mit eigenen Zügen emanzipierte. Wie Nofretete -_-_sächlich aussah — das wissen wir leider immer noch nicht.
Den Höhepunkt seiner Macht — und seiner Ehe — erlebte
Paar im 12. Regierungsjahr Echnatons, als sie ein großes
feiern, das in zwei Beamtengräbern in Amarna so lebhaft
-X-ort und Bild beschrieben wird. Ihr Leben scheint perfekt.
· - Verbündeten erweisen dem Herrscherpaar die Ehre und ..cerschütten sie mit Tributen und Geschenken. Um sie herum man alle sechs Töchter, gesund und munter. Es ist der letzte

öffentliche Auftritt, bei dem wir alle noch am Leben sehe - darauf stirbt Maketaton. Echnaton und Nofretete besta:- -zweitälteste Tochter im Familiengrab. Es steht schon :_ Noch sind die Wände zwar nicht bemalt, aber die Kan-_ warten bereits auf die Toten. An die noch leeren Wände die Künstler nun die trauernden Eltern — und das m% Kind, bei dessen Geburt Maketaton vermutlich starb.
Die Prinzessin bleibt nicht lange allein im Grab. Aus Amarna-Briefen im Archiv der Hauptstadt erfahren wir, in diesen Jahren die Pest im Osten wütet. Möglicherweise ten die Verbündeten Ägyptens aus diesen Regionen, als sie großen Fest nach Achetaton kamen, nicht nur Geschen den Pharao im Gepäck — sondern auch den Erreger 1-pestis. Weitere Personen verschwinden. Kijas Name ihrem Sonnentempel von dem Meritatons überschrieben. ward nicht mehr gesehen. Neferneferuaton tascherit. Tochter Echnatons und Nofretetes, steht nun auf den o len Bildnissen nicht mehr hinter ihren Eltern, wenn diese Aton verehren, ebenso wie die fünfte Tochter Nefern Möglicherweise starb Neferneferure sogar noch vor ihrer Schwester Maketato denn auf einer Szene im Familie auf der Maketaton noch zu sehen ist, ließen die Künstler Person nachträglich mit einer Gipsschicht aus dem Bild schwinden. Baby Setepenre kommt in dieser Szene sch:: nicht mehr vor.
Lange dachten die Forscher, auch Nofretete sei im S dieser nicht abreißen wollenden Familientragödien spurlos schwunden. Doch dann fanden Forscher der niederlän Katholischen Universität Löwen einen eindeutigen beweis. Im Dezember 2012 verkündeten sie im Rahmen Ausstellung »Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der

fretete«, dass sie im Steinbruch Deir Abu Hinnis eine Inschrift entdeckt hatten. Von hier kam das Baumaterial, mit dem die neue Hauptstadt Achetaton immer noch ständig versorgt wer¬den musste. Die Inschrift ist fest datiert auf den 15. Tag des 3. Monats im 16. Jahr der Herrschaft Echnatons, vermutlich das Jahr vor seinem Tod. In der dritten Zeile erwähnt sie die »Große Königliche Gemahlin, Geliebte, Herrin der beiden Län¬der, Neferneferuaton Nofretete«. Damit steht unweigerlich fest: Zu dieser Zeit — als die Forschung Nofretete schon lange für tot erklärt hatte — war sie noch so lebendig wie eh und je.
Als ihr Mann im folgenden Jahr verstarb, wurde sein Leich-nam in einem Sarkophag beigesetzt, dessen Fragmente die Aus-gräber im Familiengrab in Achetaton fanden. Die größten Teile des Stückes, das aus Rosengranit gearbeitet und ursprünglich 2,85 Meter lang, 1,25 Meter breit und 1,32 Meter hoch war, lie-gen heute im Garten des Kairoer Museums. An den vier Ecken stehen nicht, wie sonst bei Herrschersarkophagen üblich, die vier Schutzgöttinnen Isis, Nephthys, Neith und Selkis. Es ist viermal Nofretete, die dort unter den Strahlen Atons mit aus¬gebreiteten Armen ihren Gatten beschützt. Echnaton hatte alle Götter außer Aton entmachtet, sie konnten ihm nun auch kein sicheres Geleit ins Jenseits mehr gewähren. An ihre Stelle war im Ende seine Frau getreten.
Einen letzten Blick auf Nofretete erhaschen wir in der 40 Zentimeter hohen Standfigur mit der Inventarnummer 2: 263 des Ägyptischen Museums in Berlin, die Dorothea Ar¬nolds Darstellungstypus der älteren Nofretete entspricht. Die Kleine Statue gehörte, ebenso wie die berühmte Büste im selben Museum, zu jenen Stücken, die der Oberbildhauer Thutmosis
seiner Werkstatt zurückgelassen hatte. Wieder einmal hatte
»Schöne« dem Künstler Modell gestanden, doch zwischen

dem vor selbstbewusster Ausstrahlung vibrierenden B _ Nofretetes auf dem Höhepunkt ihrer Macht und dieser liegen etliche Jahre. Jahre, in denen die Königin ihre verloren hatte und in denen ihr Mann den Kampf um die machtstellung Atons mit immer härteren Maßnahmen Ia- musste. Man sieht es dem Bild an: Nofretete ist müde den. Wie früher trägt sie noch jenes durchsichtige Gewand_ ihren Körper schonungslos zeigt. Aber jetzt hängen die B der Bauch, von den sechs Schwangerschaften geweitet, sich vor. Auch im Gesicht haben die letzten Jahre ihre S hinterlassen. Die Mundwinkel gehen in tiefe Falten über, Wangen fallen flach und spannungslos nach innen. Die lichen Anzeichen des Alters kann auch das Make-up nicht ü tünchen, das als rote Pigmente auf den Lippen und in sch Farbe auf Augenlidern und Augenbrauen aufgetragen ist.
Doch Thutmosis zeigt nicht nur die Spuren des Alten, zeigt auch den ungebrochenen Stolz Nofretetes — und Macht, die sie nach wie vor ausübt. Auf ihrer Stirn ist heute noch ein Loch, wo die Uräusschlange, Beschützerin der P. onen, eingedübelt war, das Ende der Schlange windet sick der enganliegenden Haube. Schon seit Beginn ihrer Ehe diese Schlange fast immet an ihrem Kopfschmuck. Auch Füße sprechen von sonst männlicher Autorität. Sie stehen nebeneinander, sondern der linke Fuß ist leicht vorgesc Diese aktive Schrittstellung im Standporträt war ebenfalls Bildvokabel, die Pharaonen vorbehalten war.
Dies sind die beiden letzten Bilder der Nofretete, die a•ir ben. In der Statue ist sie, obwohl ihre Weiblichkeit beton Haltung und Attributen zum männlichen Herrscher gei Auf dem Sarkophag ihres Mannes, obwohl ihre Identität aus dische Herrscherin nicht verbergend, zur Göttin.
Wer war Tutanchamun wirklich? Seine Familienverhältnisse gleichen einem alten Puzzle, das man auf dem Dachboden ge-funden hat. Man beginnt, Teil um Teil zusammenzusetzen; zu-nächst in der Hoffnung, am Ende ein ganzes Bild auf dem Tisch liegen zu haben. Aber es wird immer deutlicher, wie viele Steine am Ende doch fehlen. Irgendwo in den vergangenen Jahrzehn¬ten sind sie abhandengekommen und nun unwiederbringlich verloren.
Schon die Puzzleteile für die Zeit vor Tutanchamuns Re-gierungsantritt fehlen. Echnaton war wohl schon vier Jahre lang tot, bevor Tutanchamun noch als Kleinkind zum Pharao wurde. Doch wer in diesen vier Jahren die Macht in Ägypten in den Händen hielt, haben die Ägyptologen bis heute nicht überzeugend klären können. Fest steht nur, dass der Herrscher zwischen Echnaton und Tutanchamun versuchte, die Politik sei-nes Vorgängers fortzuführen. Denn Tutanchamun bestieg noch _inter seinem Geburtsnamen den Thron: Tutanchaton. Auch die Frau, die bei dieser Gelegenheit zu seiner Großen Königlichen :emahlin gemacht wurde, hieß noch Anchesenpaaton. Und Juzhetaton war zu dem Zeitpunkt immer noch die Hauptstadt
Reiches.
Wahrscheinlich vergingen nach der Thronbesteigung drei ihre, bevor die Berater des Königs, die nun die Macht in den

Händen hielten, die große Wende einläuteten. Der Hof z-in das verhasste Achetaton auf und zog nach Memphis. Und =P. junge Pharao änderte seinen Namen. Aus Tutanchaton (»lebe> des Abbild des Aton«) wurde Tutanchamun (»lebendes AK des Amun« oder »zu Ehren des Amun«). Aus seiner Ge Anchesenpaaton (»sie lebt für / durch Aton«) wurde Anch amun (»sie lebt für / durch Amun«).
Was dann im ganzen Land geschah, beschreibt die nannte Restaurationsstele, die vor dem 3. Pylon der dam Front des Karnak-Tempels aufgestellt war:
»Es machte Seine Majestät Denkmäler für die Götter, indem er ihre Götterbilder aus echtem Elektrum vom Besten de Fremdländer bildete und ihre Allerheiligsten neu schuf als Denkmäler bis an die Grenzen der Ewigkeit, trefflich einge¬richtet mit Bedarf bis in die Unendlichkeit, und indem er ih¬nen Gottesopfer stiftete als tägliche reguläre Opfer und
Versorgung auf Erden ausstattete. Er gab mehr als früher war-_ er überschritt, was seit der Zeit der Vorfahren getan worde-_. war. (...) Er vermehrte ihre Altäre aus Gold, Silber, Bronze und Kupfer, ohne dass ein Ende war an allen Dingen. Er füllte ihre Arbeitshäuser mit Sklaven und Sklavinnen von den Lieferun¬gen -aus der Beute Seeer Majestät. Er vergrößerte alle Abgabe= für die Tempel, verdoppelt, verdreifacht und vervierfacht an Silber, Gold, Lapislazuli, Türkis und allerlei Edelsteinen, kö¬niglichem Leinen, weißem Leinen, buntem Leinen, Geschirr_ Harz, Fett, ... Weihrauch, Räucherwerk, Myrrhen, ohne dass es eine Grenze für alle guten Dinge gab.«
Tutanchamun gab den Göttern wieder, was sie in den Jahren Herrschaft Echnatons hatten entbehren müssen.

Das Land atmete auf Die alten Götter kehrten nach Ägypten zurück. Im Luxortempel lässt Tutanchamun die Dekoration der Kolonnade vollenden, Karnak erhält zwei neue Kapellen und an der großen Sphingenallee nehmen die Handwerker die Arbeiten wieder auf. In Medinet Habu entsteht der Totentempel des Pha¬rao, möglicherweise ein Bauwerk, das sein Vorgänger Semench-kare für sich begonnen hatte. Überall im Land, von Gizeh im Norden bis nach Nubien im Süden, gibt es nun Hinweise auf neue Bautätigkeiten.
Auch wenn die Stele Tutanchamun als Initiator dieser Rück¬kehr der Götter nennt, wird der junge Pharao selber eher mit kleinen Streitwagenmodellen gespielt als die Restauration des Landes geplant haben. Hinter seinem Thron zogen andere die Strippen der Macht. Sein unmittelbarer Nachfolger Eje trug den Titel »wahrer Schreiber des Königs« und führte mit Sicherheit bereits für Tutanchamun einen großen Teil der Regierungsge-i.läfte. Aber auch Haremhab, der nach Eje den Thron bestei-zen sollte, vereinte unter Tutanchamun bereits viele bedeutende Titel — er war Stellvertreter des Königs an der Spitze der beiden _ander, Oberbefehlshaber des Heeres, »oberster Mund des Lan--.Les«, Erbfürst und entschied als Obervermögensverwalter über zLe Ausgaben für neue Bauten. Damit standen an der Spitze des :_andes zwei starke Männer und ein schwaches Kind. Wer aber ,,ar dieser kleine Prinz, auf dessen Rücken Eje und Haremhab zem Land seine Götter zurückgaben?
Wirklich historisch gesichert ist durch alle bekannten In-:diriften und Gemälde nur eine einzige Person aus seinem Um¬,-eis: seine Große Königliche Gemahlin Anchesenamun. Ge¬meinsam mit ihrem Mann sitzt sie als Kolossalstatue im Tempel 'bin  Luxor, auf der Rückenlehne seines Throns steht sie vor ihm reibt ihn zärtlich mit Salböl ein, und auf einem Relief aus

I seinem Grab reicht sie ihm frisch gepflückte Blumen. Ihre
als Große Königliche Gemahlin Tutanchamuns ist fest defir Und zumindest in den öffentlichen Darstellungen hat sie ernstzunehmende Konkurrentin. Ob dies nun daran lag. die beiden tatsächlich glücklich miteinander waren, oder mehr daran, dass Tutanchamun noch zu jung war, um v. e.: _ Frauen seines Harems einen größeren Raum in seinem einzuräumen, darüber können wir nur spekulieren. Wenn Pharao jedenfalls später als Teenager doch gelegentlich die oder andere Frau aus dem Harem seiner Gemahlin vorzog, machte er in der Öffentlichkeit kein großes Aufheben So hatten es ihm schließlich seine Vorgänger Echnaton Amenophis III. mit ihren Ehefrauen Nofretete und Teje lebt.
Anchesenamuns Leben ist bereits seit ihrer Geburt histo extrem gut dokumentiert. Immerhin stand sie ihre Kindheit und Jugend hindurch als Tochter von Echnaton Nofretete im Rampenlicht Achetatons. Wieder und wieder ten die Künstler sie und ihre Schwestern im Kreise der Far-Als drittes Kind ihrer Eltern kam sie unter dem Namen An senpaaton wahrscheinlich im vierten Regierungsjahr Ech zur Welt, vermutlich liech in Theben kurz vor dem Umzug Achetaton. Damit wurde sie mitten in den großen Umb hineingeboren, den Echnaton seinem Land zumutete. als Kleinkind musste sie gemeinsam mit ihren Eltern und - Geschwistern repräsentative Aufgaben wahrnehmen. Eine frühesten Bilder stammt aus dem unbenutzten Grab des Ele Achetaton. Es ist die Szene, in der Echnaton und Nofretete dem Fenster der Erscheinung heraus Eje und seine Frau Teje Gold beschenken. Die beiden älteren Mädchen reichen ebenfalls goldene Ringe aus dem Fenster, nur Anchesen

ist noch zu klein. Sie steht vor ihrer Mutter und versucht, deren Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die Jahre zwischen ihren Kindertagen in Achetaton und ih-rer späteren Ehe mit Tutanchamun sind dagegen dunkel. Ge¬gen Ende der Regierungszeit Echnatons taucht ein Kind mit dem Namen Anchesenpaaton tascherit auf: Anchesenpaaton die Jüngere. Sie wird als »Tochter der Großen Königlichen Ge-mahlin« angesprochen. Da aber Nofretete bereits eine Tochter namens Anchesenpaaton hatte, vermuteten einige Historiker, Echnaton habe ebendiese Tochter ebenfalls zur Großen Kö-niglichen Gemahlin erhoben und mit ihr eine weitere Tochter zezeugt. Was aus der jüngeren Anchesenpaaton wird, ist nicht 7ekannt — sie verschwindet sofort wieder aus der Öffentlichkeit. Die ältere Anchesenpaaton dagegen tritt wenig später als Frau Tdtanchamuns aus dem Dunkel ihrer Teenagerjahre heraus.
Im Gegensatz zur Herkunft seiner Großen Königlichen Ge----.ahlin bleibt die Tutanchamuns mysteriös. Das Familienalbum -..lhetatons zeigt kein einziges Kinderbild von ihm — zumindest ines, das ihn beim Namen nennt. Nur in Hermopolis fand der e ausche Archäologe Günther Roeder bereits während der Gra¬- __ngskampagne 1929 bis 1939 einen Block mit seinem Namen _-__:auf. »Sohn des Königs von seinem Leibe, von ihm geliebt, _;-anchu-Aton« wird er darauf genannt. Nur wer dieser König ,-ar, der den kleinen Tutanchamun liebte, erfahren wir nicht. spricht zwar nichts dagegen, die starkbeschädigte Inschrift so _lesen, dass es sich bei dem besagten Erzeuger um Echnaton
· — eindeutig belegen lässt es sich aber auch nicht. Das - also alles, was wir nach Auswertung sämtlicher Inschriften - Bilder mit Sicherheit sagen können: Tutanchamun war der in eines Pharao. Und seine Große Königliche Gemahlin An-- e, enpaaton war die Tochter Echnatons und Nofretetes.

Zum Glück haben wir jedoch Tutanchamuns Leichr und damit sein Erbgut. So bleibt es den Genetikern über dem Puzzle weitere Steine hinzuzufügen. Zwischen Sep 2007 und Oktober 2009 untersuchte ein international senschaftlerteam unter der Leitung von Zahi Hawass. damaligen Direktor des Supreme Council of Antiquities. Mumien, die unter dem dringenden Verdacht standen_ Familienmitglieder Tutanchamuns zu sein. Das Erbgut.-fünf älteren Pharaonen, darunter Thutmosis I., Thutrn und Hatschepsut, diente zusätzlich als Vergleichsbasis. der DNA untersuchten sie auch mögliche Krankheiten thropologische Merkmale, die Rückschlüsse auf eine Ve schalt zulassen.
Nun ist es ein ambitioniertes Projekt, die Erbinforma einer 3500 Jahre alten Mumie bestimmen zu wollen. Feil  sorgfältig der Leichnam konserviert wurde, die DNA ist langer Zeit stark fragmentiert. Hinzu kommt, dass in der gangenheit bei der Behandlung der Mumien keinerlei maßnahmen getroffen wurden. Damit bot jede Untersu und jede Bewegung, jeder Kontakt mit Wissenschaftlern Besuchern, weitere Möglichkeiten zur Verunreinigung mit dernem Erbgut. Nietend kann garantieren, dass die Ergeb der Untersuchung von Tutanchamun tatsächlich dessen E. zeigen — oder vielleicht das Howard Carters. Um solche Pa-zu verhindern, entnahm das Team zumindest Kontrollps : von jedem eigenen Mitarbeiter. Und die Proben der Mc -¬durften nicht von der Oberfläche entnommen werden, d. - die Gefahr der Verunreinigung durch fremdes Erbgut am .‘,.-ten ist. Stattdessen holten die Forscher jeweils mehrere 1)7 aus dem Inneren der Knochen. Die Proben wurden dar - zwei unterschiedlichen, voneinander unabhängig arbeite

Laboren untersucht — eines im Kairoer Museum, ein anderes an der Kairoer Universität.
Seit dieser Untersuchung steht nun fest: Die Mumie, die im Januar 1907 von Edward R. Ayrton im Grab KV 55 entdeckt wurde, ist der Vater Tutanchamuns. Nur wer ist die Mumie aus KV 55? Mit Sicherheit ist sie ein Sohn von Amenophis III. und der Älteren Dame aus Grab KV 35, die üblicherweise als Teje identifiziert wird. Hawass' Team ist felsenfest davon überzeugt, es hier mit Echnaton zu tun zu haben. Doch diese Zuweisung ist stark umstritten — ebenso gut könnte sie ein Vollbruder Ech-natons sein, vielleicht sogar der mysteriöse Semenchkare.
Auch Tutanchamuns Mutter ist nun bekannt. Es ist die als Jüngere Dame bezeichnete Frau, deren Mumie zusammen mit der Tejes im Grab KV 35 gefunden wurde. Ihren Namen ken¬nen wir nicht. Wohl aber ihre Eltern: Es waren, ebenso wie bei der Mumie aus KV 55, Amenophis III. und die Ältere Dame aus KV 35 — Tutanchamuns Eltern waren Vollgeschwister. Nur mit welcher seiner Schwestern zeugte sein Vater Tutanchamun? Die beiden ältesten Schwestern, Sitamun und Isis, waren mit Si-cherheit Große Königliche Gemahlinnen von Amenophis III., Tutanchamuns Großvater sowohl väterlicher- als auch mütter-licherseits. Möglicherweise nahm Amenophis III. auch noch eine drittälteste Tochter, Henut-tau-nebu, zur Frau. Doch alle .rei verschwanden aus der Öffentlichkeit, als Echnaton den Thron bestieg, wahrscheinlich verlebten sie den Rest ihrer Tage _.behelligt im königlichen Harem. Die Forscher des Tutankh-Lmun Family Projects kommen zu dem Schluss, dass die Jüngere 7.>ime aus KV35 eine jüngere Schwester Echnatons, also ent--z.der Nebet-tah oder Baketaton sein muss. Von Nebet-tah ist
:lig bekannt, außer dass sie eine Tochter von Amenophis III. 71 Teje war. Das ist für Baketaton dagegen nicht einmal sicher,

sie wird aber im Grab von Huja, dem Vermögensverwa_:::-Haremsvorsteher von Teje, als »Tochter des Königs, von Leibe, die er liebt, Baketaton« vorgestellt. Da Echnaton aiis bender Vater in diesem Fall nicht in Frage kommt, Web( Amenophis III. übrig.
Wer auch immer sie war, die Untersuchung der J Dame brachte jedenfalls erschreckende Details zu ihrem ans Tageslicht. Ihre Mumie ist in einem schlechten Z Brustkorb klafft ein riesiges Loch, auf der linken Gesich sind der Mund und die Wange weggerissen. Die Verl galten immer als das Werk von Grabräubern, die auf der nach Schätzen mit der Mumie nicht eben pfleglich gen waren. Doch auf den CT-Scans der Mumie im des Tutankhamun Family Projects entdeckten die Fo grausiges Detail. Um die Gesichtswunde hatte sich ein erguss gebildet. Das kann aber nur geschehen sein, wenn Blut, als die Wunde entstand, noch pulsierte — und die J" Dame somit noch am Leben war. Irgendjemand oder - etwas muss ihr das Gesicht regelrecht zerfleischt haben. Ob Verletzung so schwer war, dass sie daran starb, oder ob e eine von vielen Wunden war, kann nicht mehr geklärt Aber auf jeden Fall starb sie kurz danach — bevor der Blut,.. sich wieder auflösen kotnte. Wer oder was hat ihr diese fassbare Grausamkeit zugefügt? Sah Tutanchamun seine \' sterben? Eins jedenfalls steht fest. Jene Idylle, die sein Leben den Reliefs und Darstellungen in seinem Grab charakte die Spaziergänge im Garten, die Jagdausflüge am Nil —Tutanchamuns Kindheit war alles andere als idyllisch. Sie traumatisch gewesen sein.
Bis hierhin sind die Familienbande Tutanchamuns noch übersichtlich. Dann aber kommt der Punkt, an dem die

den Puzzleteile zum Problem werden, da ohne sie nichts mehr so recht zueinander passen will. Wie selbstverständlich gingen die Ägyptologen immer davon aus, dass die beiden Föten im Grab Tutanchamuns von ihm und seiner Großen Königlichen Gemahlin Anchesenamun gezeugt wurden. Kindermumien sind zwar im Tal der Könige keine Seltenheit, doch dass Früh-oder Totgeburten ihren Weg in die Familiengräber fanden, ist dann doch ungewöhnlich. Gesichert aber war die Vaterschaft Tutanchamuns vor den DNA-Tests keineswegs. In seinem Grab lagen so viele Gegenstände, die offensichtlich anderen Familien-mitgliedern gehört hatten und noch aus den Tagen in Achetaton stammten, dass auch die beiden toten Mädchen durchaus »Fa-milienerbstücke« gewesen sein könnten. Die Tests, die im Rah-men des Tutankhamun Family Projects durchgeführt wurden, brachten nun aber Gewissheit: Tutanchamun ist tatsächlich der Vater der beiden kleinen Mädchen.
Und auch die Mutter konnte ermittelt werden, es ist die Mu-mie A aus dem Grab KV 21. Als Giovanni Battista Belzoni das Grab im Jahr 1817 entdeckte, waren die beiden Mumien, die sich darin befanden, noch in einem sehr guten Zustand. »Es sind Frauen«, schrieb Belzoni, »und ihr Haar ist ziemlich lang -nd gut erhalten, auch wenn es sich leicht vom Kopf löst, wenn man ein wenig daran zieht.« Von diesem Haar, das Tutanch-Lmun einst streichelte, ist heute nichts mehr erhalten — der Kopf :er Mumie fehlt. Vandalismus und Wasserschäden haben ihr stark zugesetzt, außer dem Kopf ging auch ein Unterschenkel verloren. Als sie starb, muss die Frau noch jung gewesen sein, zenn ihre Gelenke zeigen keinerlei altersbedingte Abnutzungs-tzscheinungen. Schön war ihr kurzes Leben allerdings nicht. -renn sie überhaupt laufen konnte, dann nur unter großen amerzen, denn beide Füße waren stark fehlgebildet. Aufgrund

des schlechten Erhaltungszustandes war auch die Bestir-ihres Erbgutes nicht sehr erfolgreich. Vor allem aber g den Forschern nicht nachzuweisen, dass die Mumie KV eine Tochter der Mumie aus KV 55 ist. Damit ergeben sick mehrere Möglichkeiten. Wenn die Mumie aus KV 55 lich Echnaton ist, dann zeugte Tutanchamun die beiden aus seinem Grab mit einer anderen Frau als seiner Großen niglichen Gemahlin Anchesenamun. Wenn es sich aber be Mumie KV 21A tatsächlich um Anchesenamun handelt -kann die Munie aus KV 55 nicht Echnaton sein. Vorauss, für diese Annahmen ist, dass Nofretete ihren Mann nicht und alle Kinder des Paares tatsächlich auch Echnatons r waren.
Auch die zweite weibliche Mumie in dem Grab, KV litt unter stark deformierten Füßen. Sie war um die 45 alt, als sie starb, und zu Lebzeiten etwas größer als die rni-r. 1,62 Meter eher zierliche KV 21A. Beide Frauen gehörtet denfalls zur Herrscherfamilie, denn bei beiden Mumien 1.2£ rechte Arm längs der Körperseite, während der linke Arm der Brust angewinkelt und die Hand zusammengeballt v.-balsamierte man in der 18. Dynastie nur Königinnen ein. die Jüngere Dame ade KV 35 trug die Arme auf diese Art Weise zusammengeschnürt. Zahi Hawass vermutet, bei der. den Mumien KV 21B und KV 21A könnte es sich mögli weise um Nofretete und eine ihrer Töchter handeln - Gr-für diese Zuordnung nennt er allerdings nicht.
Dem Stammbaum zufolge, den Hawass aufgrund der E nisse des Tutankhamun Family Projects rekonstruierte, ist Tutanchamun das Kind von Echnaton (KV 55) und der J-ren Dame (KV 35YL, für »Younger Lady«), die wiederum Kinder von Amenophis III. (KV 35) und Teje (KV 35EL.

»Elder Lady«) sind. Die Identifizierung von Teje gilt als sicher, ihr Erbgut weist sie als Tochter der beiden Mumien aus dem Grab KV 46 aus. Die Inschriften in diesem fast ungestörten Grab lassen keinen Zweifel daran, dass die beiden Juja und Tuja sind — die historisch gut belegten Eltern von Teje. In Bezug auf Tutanchamuns Ehe und Nachkommenschaft aber bleibt Ha-wass vage. Zu Recht, denn mit absoluter Sicherheit wissen wir nur, dass Tutanchamun der Sohn eines Königs und der brutal ermordeten Jüngeren Dame aus KV35 sowie der Vater der bei-den Föten in seinem Grab war.
Es gibt jedoch noch eine andere Möglichkeit, das Puzzle von Tutanchamuns Stammbaum zu legen. Die einzelnen Puzzle-teile sind in diesem Fall die Allele, alternative Formen eines Gens, die auf bestimmten Genorten sitzen. Allele kommen in Paaren daher, wobei jeweils ein Allel von der Mutter und eins vom Vater vererbt wird. Kurz nach der Veröffentlichung von Hawass' Team legte die Gründerin und Herausgeberin der mitt-lerweile eingestellten Zeitschrift Egyptological, Kate Phizacker-Iey, eine andere Stammbaum-Variante vor. Sie schaute sich vor allem den Genort D7S820 bei den beiden Föten an. Das eine Mädchen trägt dort die Allele 10 und 13, das andere 6 und 15. Da Tutanchamun an entsprechender Stelle die Allele 10 und 15 -.lagt, müssen die beiden Kinder 6 und 13 von ihrer Mutter
erbt haben. Leider ist die DNA der Mumie KV 21A so stark zerstört, dass die entsprechenden Allele nicht bestimmt werden sonnten. Wenn nun aber, wie Hawass' postuliert, die Mumie
KV 55 Echnaton und damit der Vater von KV 21A ist, dann
:isste eines von seinen Allelen am Genort D7S820 entweder
oder 13 sein. Die Mumie aus KV 55 trägt aber an diesem
7 die Doppelallele 15,15, er kann somit nicht der Großvater
itterlicherseits der beiden Föten sein.

Nach weiteren Abgleichungen der Allele an sechs verE-z, nen Genorten in der Familie Tutanchamuns stellt P ihren alternativen Stammbaum vor: Juja und Tuja, folget hatten neben Teje noch einen Sohn, möglicherweise dem teren Pharao Eje. Dieser wiederum war der Vater N wie einige Ägyptologen ebenfalls schon länger vermuren_ hätte Echnaton seine Cousine geheiratet. Weiterhin Phizackerley einen weiteren Bruder Echnatons, mögli Semenchkare, der seine Nichte (die Jüngere Dame) und mit ihr Tutanchamun zeugte. Der wiederum he. Anchensenamun dann seine Tante. In diesem Stamm sen alle von Hawass' Team bestimmten Allele, ohne dass kannte Familienmitglieder ergänzt werden müssten. . gilt auch hier: Dieser Stammbaum ist zwar möglich, .... sen lässt er sich aber nicht.
Die Blutsbande zwischen Tutanchamun und der 1\1_7:1:: dem Grab KV 55 sind allerdings schon länger bekam.: im Jahr 1966 hatte Ronald George Harrison von der of Liverpool zwei Proben aus Ägypten nach Großbr: mitnehmen dürfen: einen Zeh der Mumie aus KV 55 winzige Hautprobe vom Rücken Tutanchamuns. Seiness gen Mitarbeiter Robert Connolly gab er damals den Blutgruppe der Mumie aus KV 55 zu bestimmen, das war die Blutgruppe A2/MN. Der Zeh war für diese mung groß genug gewesen. Die winzigen Gewebekrümel Tutanchamuns Rücken aber reichten für die damaligen den nicht aus. Gerade einmal 10 Milligramm brachten die Waage, ein Hundertstel der benötigten Menge.
Doch Connolly hatte eine Idee. Die Blutgruppe wird die Ausprägung bestimmter Antigene auf den roten perchen definiert. Wenn man nun die Antigene aus einer

von der Mumie dazu bringen könnte, sich an frische rote Blut-körperchen zu binden, so würde man eine neue Probe erhalten, die sich deutlich besser untersuchen ließe als die vertrockneten Zellen des antiken Gewebes.
Zunächst probierte er seine Idee an einer anonymen Mumie aus den Beständen der Universität aus. Nun brauchte er für sein Experiment nur noch frische rote Blutkörperchen. Con-nolly selber war Träger der Blutgruppe 0, die sich durch die Abwesenheit von Antigenen auszeichnet — und damit hervor-ragend für das Andocken fremder Antigene eignet. Also griff er beherzt zur Nadel und bot den Mumien-Antigenen seine eigenen roten Blutkörperchen an. Es funktionierte: Mit den so zu neuem Leben erweckten Antigenen ließ sich die Blutgruppe der Mumie problemlos bestimmen. Würde der Trick auch mit den Antigenen Tutanchamuns funktionieren? Diesmal besorgte Connolly sich Spenderblut der Blutgruppe 0 vom britischen Bluttransfusionsdienst. Und wieder dockten die alten Anti-gene an die frischen roten Blutkörperchen an, in genügender Zahl für eine Untersuchung. Tutanchamun hatte ebenfalls die Blutgruppe A2/MN. Für Ägypter ist dies eine sehr seltene Blut-.,:ruppe — und doch entsprach sie genau derjenigen der Mumie aus dem Grab KV 55. Harrison und Connolly vermuteten in
rer Veröffentlichung der Ergebnisse in der Zeitschrift Nature, 1.33s Tutanchamun und sein Blutsverwandter aus KV 55, den sie _.s Semenchkare ansprachen, Brüder seien.
Nach jetzigem Stand ist also das Puzzle um Tutanchamuns
· :ammbaum nicht endgültig lösbar. Trotz aller Bemühungen _-1c1 trotz des außergewöhnlichen Fundes von Tutanchamuns
:abkammer — immerhin der reichsten und vollständigsten, die
in Ägypten gefunden wurde — ist die Zeit zwischen den Pha--a3nen Echnaton und Haremhab geschichtlich immer noch ein


dunkler Fleck. Das würde sich aber schlagartig ändern. 7-.11s.,. neue Mumie aus diesen Jahren gefunden werden sollte. einem einzigen neuen Puzzleteil könnten viele der s schaftlichen Bindungen in ganz unterschiedliche Ri geklärt werden.
Bei der Untersuchung von Tutanchamun fand Hawaiis nicht nur menschliches Erbgut. Auch Parasiten hatten - Mumie ihre DNA hinterlassen. Tutanchamun litt — wie seine Urgroßeltern Juja und Tuja sowie noch eine w mie aus dem Sammelgrab von Deir el-Bahari — an Mahr  junge Pharao trug den einzelligen Parasiten Plasmodium_ rum in sich — Erreger der Malaria tropica, der für den 2%! gefährlichsten Art der Tropenkrankheit. Noch für 2006 die Weltgesundheitsorganisation, dass von rund 24- _ nen Fällen von Malaria tropica jenes Jahres fast 88100g: asi tödlichen Ausgang nahmen. Im Zuge der Krankheit Bewusstseinsstörungen, Krämpfe, Fieber, Durchfälle und renversagen auftreten. Wie schwer Tutanchamun unter Malariainfektion litt und ob die Krankheit mit zu seine= beitrug, kann niemand sagen. Allerdings infizierte er skds. auch Tuja, nicht nur nmal mit Plasmodium falciparum_ dem gleich mehrmals. Hawass und seine Kollegen be bei der Untersuchung fleckige Stellen auf der linken 11:-des Pharao. Die könnten, schreiben sie irr ihrer Verb lichung, von einem entzündeten Moskitostich stammen. dings könnten sie ebenso gut von Leishmaniose, der Pest Fahrlässigkeiten bei der Einbalsamierung verursacht sein.
Das warme, feuchte Klima in den Schilfgürteln des ufers ist eine ideale Brutstätte für die Anopheles-Mücke, Weibchen den tückischen Erreger auf den Menschen üba

gen können. Schon im 5. Jahrhundert vor Christus beschrieb der griechische Schriftsteller Herodot, dass die Mückenplage in Ägypten so unangenehm sei, dass die Menschen dort unter Netzen schliefen. Archäologische Funde bestätigen dies: Wahr-scheinlich hing auch an dem großen Holzrahmen, den Ausgrä-ber im Schachtgrab der Königin Hetepheres aus der 4. Dynastie fanden, ein solches Moskitonetz — er war ein Geschenk ihres Ehegatten Snofru. Wer aber in Malariagebieten aufwächst, ent-wickelt oft teilweise eine Immunität gegen die Krankheit. So wurden Juja und Tuja, obwohl beide mit Malaria infiziert wa¬ren, mindestens 50 Jahre alt. Auch bei Tutanchamun können die Infektionen vergleichsweise harmlos verlaufen sein, mög-licherweise bekam er sie nicht einmal mit.
Denn Tutanchamun hatte mit noch viel schwerwiegenderen Krankheiten zu kämpfen. Besonders schlimm stand es um seine Füße. Der rechte Fuß war zum sogenannten Plattfuß verformt, der linke dagegen zum Klumpfuß: Der Bogen wölbte sich hö-her als normal, zusätzlich war der Vorderfuß nach oben und innen verdreht. Besonders die Zehen sahen übel aus, sie wa¬ren von Knochennekrosen zerfressen. Die Schmerzen, die die¬ser Zustand verursachte, glich der Pharao vermutlich mit einer stärkeren Belastung des rechten Fußes aus — was letztendlich zum Plattfuß führte. Das Bild aus seiner Grabkammer, das ihn Deim Spaziergang im Garten mit Anchesenamun zeigt, wird die schmerzhafte Wahrheit abgebildet haben: Der Pharao konnte s=ch nur auf Krücken fortbewegen. Das erklärt auch, warum
ward Carter in Tutanchamuns Grab über 130 Gehhilfen
ld. Dem Zustand seiner Zehen nach könnte dort durchaus 1_:ch zum Todeszeitpunkt noch eine akute Entzündung von Knochen und Weichteilen geschwärt haben. Tutanchamun --rIte dieses Schicksal also mit der Mutter seiner Kinder und der
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Mumie KV 21B. Diese drei waren übrigens nicht dit
Familienmitglieder der 18. Dynastie mit schwerverform= ßen. Schon Amenophis III. litt an einem Klumpfuß ui mosis II., Ehemann der Hatschepsut, an einem a Hohlfuß.
Die Künstler in Achetaton gaben sich so große N Königsfamilie mit ihren deformierten Proportionen len: überbetonte Bäuche, Hüften und Oberschenkel. dünnen Arme und Unterschenkel sowie die lan Schädel. Wenn diese Verformungen die Realität abbilden ten — warum zeigten sie dann nicht auch die verformten Oder waren die Körperformen Echnatons und seiner gar nicht so grotesk, wie die Künstler sie malten? Auch Frage versuchte das Team um Hawass zu klären.
In der Vergangenheit hatten einige Forscher vermutet, naton und seine Nachkommen litten am Marfan-Syn den Symptomen gehören unter anderem eine Dolich lie — eine senkrechte überentwicklung des Kopfes —. Trichter- oder Kielbrust, eine deformierte Wirbelsäule und breites Becken, auch an einer Gaumenspalte können die troffenen leiden. Von einer Dolichocephalie sprechen N ziner, wenn der cephglsche Index — die maximale Breite Schädels multipliziert mit 100 und geteilt durch die m Länge — kleiner als 75 ist. Tutanchamuns Schädel hat den lischen Index 83,9, die Mumie seines Vaters 81,0. Damit Tutanchamun sogar über dem Normbereich, sein Schädel eher gedrungen als länglich. Allerdings fanden die Forscher sächlich Familienmitglieder, die an einer Dolichocephalie Tutanchamuns Urgroßvater Juja hatte einen cephalischen von nur 70,3. Auch die Schädel von Thutmosis II. und von Mumie aus dem Grab in Deir el-Bahari, die ebenfalls an M

litt, waren etwas länglicher als normal mit cephalischen Indices von 73,4 und 74,3.
Wie Tutanchamuns Brust aussah, lässt sich leider heute nicht mehr feststellen: Der vordere Teil des Brustkorbs fehlt. Gleiches gilt für das Becken, es fehlt komplett. Das Becken der Mumie aus KV 55 ist zumindest in Stücken erhalten. Eine Rekonstruk-tion aus den erhaltenen Teilen ergab allerdings keine Anzeichen für ein außergewöhnlich breites Becken. Tutanchamuns Wir-belsäule war hingegen tatsächlich deformiert. Allerdings wölbte sie sich nur ein wenig nach außen, die Forscher diagnostizierten ihm eine leichte Kyphoskoliose — einen kleinen Buckel. Und auch eine Gaumenspalte fanden sie sowohl bei Tutanchamun als auch bei der Mumie aus KV 55. Bei beiden war sie aber so schwach ausgeprägt, dass sie wahrscheinlich kaum wahrgenom-men wurde.
Nicht einmal vor dem Penis des Pharao machte Hawass' Team halt, sie nahmen ihn ebenfalls unter die Lupe. Das gute Stück war zwischenzeitlich verlorengegangen: Zwar war es auf Röntgenaufnahmen von 1926 noch vorhanden — auf Aufnah---nen von 1968 jedoch fehlte es. Glücklicherweise fanden die --Torscher es im Zuge der neuen Untersuchungen wieder. Der naraonenpenis lag friedlich im Sandbett, auf dem die Mumie :--;_thte. Und war, wie die Forscher feststellten, »gut entwickelt«.
Mit den Ergebnissen der CT-Scans konnten die Forscher -n nicht nur das Marfan-Syndrom ausschließen, sondern auch
ch eine ganze Reihe anderer Krankheiten, die Tutanchamun -nd seiner Familie im Laufe der Jahrzehnte angedichtet wor-zen waren. Der Pharao litt weder am Antley-Bixler-Syndrom - -ch an Gynäkomastie oder Kraniosynostose. Sowohl Tutanch-
n als auch die Mumie aus KV 55 waren, wenn auch mit
:en Schönheitsfehlern, ganz normale Männer. Dass die bei-
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den Töchter Tutanchamuns bereits vor ihrer Geburt verstar.-...=. lag mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht an einer Erbkrarilig,
sondern an der in der Familie praktizierten Inzucht.
Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung der E nisse legten die beiden Wissenschaftler Christian Ti und Christian Meyer vom Bernhard-Nocht-Institut für penmedizin in Hamburg eine weitere Theorie zu seinem vor. Sie vermuten, dass der junge Pharao an den Folgen Sichelzellenanämie starb. Wenn Träger dieser Erbkrankheit sirr zum Beispiel körperlich anstrengen oder sonstwie unter Saant• stoffmangel leiden, verklumpen die roten Blutkörperchen. Dee Klumpen verstopfen kleine Blutgefäße, es kommt zu Dur,33-blutungsstörungen und Entzündungen. Interessanterweise slad Betroffene, bei denen nur eines der beiden Hämoglobin-Crem verändert ist, weitgehend immun gegen Malaria. Daher ist e Sichelzellenanämie in Malariagebieten weit verbreitet.
Vor allem der Zustand von Tutanchamuns linkem Fuß fiel die beiden Forscher aufmerken. Dieses fortgeschrittene
von Knochennekrose, Knochen- und GelenkentzüncL - sei typisch für eine Extremität, deren feine Gefäße nur ur_I _ reichend durchblutet sind. Auch das fliehende Kinn und - ausgeprägten Überess, die schon auf den alten Röntgena __-nahmen deutlich zu erkennen waren, seien häufig bei Patt , - ten mit Sichelzellenanämie zu beobachten. Leider gibt Ha« keine Maße für den »gut entwickelten« Penis Tutanchamuns uni sondern belässt es bei dieser sehr vagen Beschreibung. De® sollte »gut entwickelt« bedeuten, dass er beim Tode des Pharan erigiert war, könnte das ein Zeichen für Priapismus sein — einn schmerzhafte Dauererektion, die ebenfalls ein häufiges Leiden bei Patienten mit Sichelzellenanämie ist. Die beiden Harn burger Forscher geben in ihrer Veröffentlichung zu, dass ihn

Priapismus-Interpretation rein spekulativ ist. Doch ein paar Jahre später, Ende des Jahres 2013, veröffentlichte die renom¬mierte Ägyptologin Salima Ikram von der American University in Kairo im Fachjournal Etudes et Travaux ein pikantes Detail: Tatsächlich wurde Tutanchamun mit erigiertem Penis bestattet. Die Einbalsamierer beließen ihn sogar aufgerichtet im 90-Grad-Winkel. Tutanchamun sei, so Ikram, die einzige ihr bekannte Mumie mit Erektion.
Damit hat die These von Timmann und Meyer eine solide Basis. Zumal Ägypten ein Gebiet ist, in dem Sichelzellenanämie häufig auftritt. In den ägyptischen Oasen leiden sogar neun bis 22 Prozent aller Einwohner daran. Und das ist keine neue Ent-wicklung, bereits in prädynastischen Mumien konnten Forscher die Krankheit nachweisen. Weitere Untersuchungen in dieser Richtung werden an der Mumie Tutanchamuns in absehbarer Zeit allerdings nicht stattfinden. Das Angebot einer Zusam-menarbeit von Timmann und Meyer mit der ägyptischen Al--frtumsbehörde wurde in einem Brief von Hawass an Christian :.leyer pauschal abgelehnt.
Was aber brachte letztendlich dem jungen Pharao im Alter an nur 18 bis 20 Jahren den Tod? Im Jahr 1989 wirbelte der amerikanische Mumienexperte Bob Brier von der amerikani-;dien Long Island University mit einer gewagten These viel 2..:aub auf: Der Pharao, folgerte er, sei ermordet worden. Den angeblichen Beweis für seine Vermutung hatte er auf einer alten - —fnahme von Harrison aus dem Jahr 1968 gefunden. Dort z.en zwei abgesplitterte Knochenstücke im Inneren des Schä-If_s zu erkennen. Diese Verletzung, so Brier in seinem Buch Der -dfall Tutanchamun, sei durch einen schweren Schlag auf den — -.:erkopf entstanden. Spätestens bei der computertomogra-: r_Khen Untersuchung erwies sich die Mordtheorie allerdings

als falsche Fährte. Die Splitter befanden sich zwar im
des Kopfes — es fehlte aber auf der Außenseite des Schädels entsprechend beschädigte Stelle, die durch einen Schlag zw-weise hätte entstehen müssen. Der eine stammt vom o Wirbel, der andere von der Kante des Foramen magnum.. großen Loch an der Schädelbasis. Beides sind Stellen, d_e zu Lebzeiten selbst mit einem unglücklich abgerutschten • _¬nicht hätte erreichen können — wohl aber bei der Behal-einer Mumie. Außerdem sind in Tutanchamuns Schäde_ der Einbalsamierungsflüssigkeit zu sehen. Sie liegen in kleinen, ausgetrockneten Pfützen auf der Oberseite des dels und unten am Hinterkopf, dort, wo die Schwerkraft zusammenfließen ließ. Die Knochensplitter aber sind lose —können sich frei im Kopf bewegen, wenn der Schädel hin her geschüttelt wird. Wären sie vor dem Tod — und damit der Einbalsamierung — vom Knochen abgesplittert, dann ren sie in einer der Pfützen festgeklebt. So können sie nur Kopfinnere gekommen sein, als die Flüssigkeit schon so -% trocknet war, dass sie die Splitter nicht mehr festkleben Howard Carter, merkt Hawass in seiner Publikation an. ebenfalls für diese Beschä4gung verantwortlich gewesen
Auch das riesige Loch in Tutanchamuns Brust würde wass gerne Carter in die Schuhe schieben. Auf den ersten aufnahmen liegen an jener Stelle noch eine große H und eine Perlenkette. Heute aber fehlen das Brustbein und vorderen Stücke der Rippen. Auf den neuen Aufnahr.--_-1-dem Computertomographen ist deutlich zu erkenne:-sie abgesägt wurden, die Bruchkanten sind glatt. Irger zwischen den Fotoaufnahmen der Mumie aus dem Ja:_- und der Röntgenuntersuchung im Jahr 1967 muss dis entstanden sein. Und nicht nur das Brustbein und die fehlen. Auch der Schmuck, der auf ihnen lag, ist heute spurlos verschwunden.
Allerdings zeigten die computertomographischen Scans eine Verletzung, die bis dahin noch niemandem aufgefallen war: Tutanchamun hatte kurz vor seinem Tod einen Bruch am linken Oberschenkel erlitten. Und anders als bei den anderen Brüchen an seinen Knochen waren hier die Enden so zersplittert, wie ein Knochen nur brechen kann, wenn er noch frisch ist. Außer¬dem hatte sich in der Bruchstelle Einbalsamierungsflüssigkeit festgesetzt. Der Bruch muss also bereits existiert haben, als die Einbalsamierer sich ans Werk machten.
Bald überschlugen sich die Spekulationen. Der Schweizer Mumienexperte Frank Rühli vom Anatomischen Institut der Universität Zürich tippte auf einen Reitunfall mit tödlichen Folgen. Ein wichtiges Blutgefäß könne verletzt worden sein, was innerhalb weniger Tage zur Blutvergiftung und damit zum Tod führte — eine unter Reitern durchaus übliche Verletzung. Der Direktor der Egypt Exploration Society, Chris Naunton, kam zu zem Schluss, Tutanchamun sei Opfer eines Streitwagenunfalls eworden. Gemeinsam mit Autounfallexperten des britischen Cranfield Instituts für Sicherheit, Risiken und Verlässlichkeit s _mulierte er am Rechner mögliche Crash-Test-Szenarien. Ein Streitwagen, folgerte das Team, sei dem Pharao in die Seite ge-st, als dieser auf allen vieren am Boden kroch, und zerschmet-:ene ihm dabei die Rippen und das Becken.
Es sollte stutzig machen, dass Tutanchamun unter keinen _-anständen ein aktiver Sportler gewesen sein kann. Mit seinem ter-Drmierten, dauerhaft entzündeten Fuß konnte er sich nur i. _raspelnd fortbewegen. Mit diesem Handicap ist es für einen irsonsten gesunden jungen Mann schwer, sich unter Eigenver-,:-_-_ulden den Oberschenkel zu brechen. Der Schaft des Ober-


schenkels ist sehr kräftig ausgebildet und stabil, er kar.:- - unter großer Krafteinwirkung splittern. Ein einfaches Stc—reicht dafür kaum aus. Entweder setzte sich der Pharao also seiner Bewegungseinschränkung gefährlichen Situationen stieg etwa aufs Pferd oder fuhr im Streitwagen — oder die letzung wurde ihm durch Fremdeinwirkung zugefügt. einen kräftigen Angreifer, der ihm körperliche Gewalt wollte, konnte der König mit dem Klumpfuß sich nicht Wehr setzen.
Tutanchamun starb in der Mitte des Winters, als die peraturen am Nil erträglich waren. Irgendwann zwischen Dezember 1324 vor Christus und Mitte Februar 1323 Christus tat der Pharao, das lebende Abbild des Amun, letzten Atemzug. Das genaue Datum war einfach zu err Seine Mumie war mit Blumen geschmückt, die Mitte März Anfang Mai blühen. Da die Prozedur der Einbalsamierung zig Tage in Anspruch nahm, muss Tutanchamun entsp siebzig Tage, bevor diese Blumen für ihn gepflückt wurden.. storben sein.
Wer war bei ihm an diesem Wintertag? Hielt An amun seine Hand? Oder war er umgeben von Menschen, an seinem Tod mitge*irkt hatten? Schrie er vor Schrn Oder hatten die Ärzte ihm schmerzstillende und betäu Mittel verabreicht? Wie ein Gottkönig wird Tutanchamun denfalls kaum noch gewirkt haben. Die zertrümmerten dürften dem ohnehin geschundenen Körper den letzten Würde auch noch geraubt haben. Die vereiterten Zehen derten einen säuerlichen Geruch ab. Wenn in der Tod tatsächlich auch noch sein Penis erigiert war, muss der nam Tutanchamuns ein geradezu grotesker Anblick sein. Doch der Schein musste gewahrt werden. Kaum hatte

Pharao diese Welt verlassen, begann die Nachricht sich wie ein Lauffeuer in den Gängen des Palastes und von dort aus weiter durch die Straßen zu verbreiten. Und bald wusste es das ganze Land: »Der Falke ist zum Himmel geflogen!«
Was dann geschah, kennen wir aus der Beschreibung des grie-chischen Schriftstellers Herodot im 5. Jahrhundert vor Chris-tus. Zu dem Zeitpunkt war Tutanchamun zwar bereits knapp tausend Jahre tot — die Einbalsamierungstechniken hatten sich aber in dieser Zeit nur noch unwesentlich verändert. »Es gibt besondere Leute, die (die Einbalsamierung) berufsmäßig aus-üben«, schreibt Herodot. »Die vornehmste Art ist folgende. Zunächst wird mittels eines eisernen Hakens das Gehirn durch die Nasenlöcher herausgeleitet, teils auch mittels eingegossener Flüssigkeiten.« Dies war der komplizierteste Teil der Prozedur. Denn der Kopf des Verstorbenen musste unter allen Umstän-den intakt bleiben, damit die Götter ihn beim Totengericht er-kennen würden. Also erfanden die ägyptischen Einbalsamierer die minimalinvasive Chirurgie. Sie durchstießen durch die Na-senlöcher das Siebbein und schnitten die Hirnhaut auf. In die Öffnung führten sie einen Haken und verquirlten das Gehirn, bis es die Konsistenz von dickflüssigem Brei hatte. Bald half die natürliche Verwesung nach. Die Masse wurde noch flüssiger and konnte nun durch das von außen unsichtbare Loch in die Nase abfließen. War der Schädel leer, füllten die Mumifizierer 7n mit duftendem Öl.
»Dann macht man mit einem scharfen aithiopischen Stein 21nen Schnitt in die Weiche und nimmt die ganzen Eingeweide _:raus«, fährt Herodot fort. »Sie werden gereinigt, mit Palm--Ä-ein und dann mit geriebenen Spezereien durchspült. Dann wird der Magen mit reiner geriebener Myrrhe, mit Kasia und znderem Räucherwerk, jedoch nicht mit Weihrauch, gefüllt

und zugenäht.« Das Herz blieb im Körper zurück. D.- - ni Totengericht, so der Glaube, wog der Gott Anubis es Feder der Maat auf. Nur wenn es leichter als diese war. der Tote Einzug ins Jenseits halten. Auch die Nierer. die Einbalsamierer im Körper — wahrscheinlich war Funktion dieses Organs nicht ganz klar.
Der nächste Schritt war ein ausgiebiges Salzbad: »Nun sie die Leiche ganz in Natronlauge, siebzig Tage lang. als siebzig Tage darf es nicht dauern«, schreibt Herodoc.. tron ist ein natürlich vorkommendes Salzgemisch. Die samierer Tutanchamuns bezogen es aus dem nach ihm ten »Wadi Natrim«, einem Ausläufer der Sahara etwa südöstlich der Hafenstadt Alexandria. Die Mischung aus verschiedenen Natriumsalzen, wobei den größten Natriumkarbonat (Na2CO3) ausmacht. Außerdem en 17 % NaHCO3 (Natriumhydrogencarbonat) und etwas (Natriumchlorid) sowie Na2SO4 (Natriumsulfat). Die an Salz, die für eine Mumifizierung benötigt wurden. enorm. Als eine Forschergruppe um Frank Rühli vom . mischen Institut der Universität Zürich im Labor ein ägyptischen Methoden r4mifizierte, benötigten sie diese eine Extremität schon 60 Kilogramm Natronsalze
War der Körper vom Salz völlig ausgetrocknet, kosmetisch wiederhergerichtet werden. Die Haut bekamt Kurpackung aus reichhaltigem Salböl, damit sie wieder wurde. Den hohlen Brustraum und Bauch füllten die mierer mit Leinenwickeln, Sägespänen oder sonstigem terial, vermischt mit wohlduftenden Gewürzen, Harzest Bienenwachs. Die erweiterten Nasenlöcher wurden wi stopft, im Fall von Tutanchamun mit ölgetränkten Le. den. Nur wenige Jahrzehnte später nahmen bei Ramses 11-

Einbalsamierer zu diesem Zweck — aus welchen Gründen auch immer — Pfefferkörner.
Und auch die Augäpfel sahen nach dem Ausdörren nicht mehr hübsch aus. Abhilfe schaffte hier, was den Einbalsamie-rern gerade in die Hände fiel: kleine Leinensäckchen, Zwiebeln, zur Not auch Steine. Damit die Fingernägel nicht abfielen, band man sie mit Schnüren fest. Tutanchamun musste allerdings nicht mit festgeschnürten Nägeln ins Jenseits, er bekam Hülsen aus Gold um Finger und Zehen.
Wir kennen sogar eine Werkstatt der Einbalsamierer. Am 10. März 2005 entdeckte ein US-amerikanisches Archäolo¬genteam der University of Memphis unter der Leitung des Ägyptologen Otto Schaden nur 14,5 Meter vom Eingang des Tutanchamungrabes entfernt einen weiteren Schacht. Seit der Entdeckung von KV 62, dem Grab Tutanchamuns, war dies das f:ste neugefundene Grab im Tal der Könige und erhielt dem¬-.ach die laufende Nummer KV 63. Darin fanden die Forscher _-_sgesamt sieben anthropoide Särge, darunter der eines Kindes _nd eines Jugendlichen. Nur Mumien suchten sie vergeblich. :attdessen lagen in den Särgen Mumifizierungsmaterial und Eestattungsgegenstände wie Halsschmuck oder Kissen. Au-
rdem fanden die Archäologen 28 beschriftete Tonkrüge mit Natron, Getreidesamen, Kohle, verschiedenen Tonwaren und v..einen Tierknochen.
Besonders interessant war der Inhalt des Kruges Nummer 13. a_-in lag eine Ansammlung von Holzlatten, die zusammenge-
- tatsächlich ein Bett ergaben. Doch es war keine gewöhn¬- .7 Schlafstätte. Ein Körper, der auf dieser 1,70 Meter lan-
- :Konstruktion zu liegen kam, wurde nur von vier dünnen _:_erbalken getragen. Bequem kann das nicht gewesen sein. wer auf diesem Bett lag, störte sich nicht an den harten

Holzbalken — er war tot. Denn die Liege diente nicht sondern der Einbalsamierung. Über den Freiraum sämtliche Körper- und Einbalsamierungsflüssigkeiten dert abtropfen. Diese Liege ist das einzige bekannte S Art.
Eine Einbalsamierung war eine kostspielige Angel denn die Einbalsamierer waren hochbezahlte Spezi Grieche Diodorus schrieb noch im 1. Jahrhundert vor über die Kosten der Prozedur. 20 Minen mussten die . rigen allein schon für eine Einbalsamierung mittlerer hinlegen — in der damaligen Zeit ein kleines Vermöget. viel die Einbalsamierung eines Pharao kostete, ist leider bekannt.
Trotz aller Professionalität gibt es jedoch an der Tutanchamuns auch Anzeichen dafür, dass die Einb ein wenig geschlampt haben — oder unter großem arbeiten mussten.
Die erste Vermutung, dass etwas nicht ganz stimmte, bereits Howard Carter. Er beschrieb den einbalsamierten nam als »charred wreck«, als verkohltes Wrack. 1968 sc dann auch Robert Connoliedieser Meinung an. Die ste Überreste des Pharao, ließ Connolly verlauten, sähen ob sie verbrannt seien. Tatsächlich existieren diese alten die Harrison damals aus Ägypten ausführen durfte, noch Chris Naunton, der auch die Theorie zum Tod durch Streitwagenunfall aufgestellt hatte, untersuchte sie erneut. meinsam mit dem Archäologen Matthew Ponting bet er sie mit dem Elektronenmikroskop und unterzog sie im 2013 weiteren chemischen Tests. Tatsächlich: Das Gewebe sehr hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen.
Nur wer war schuld an dem Zustand der Mumie? H


tatsächlich die Einbalsamierer Fehler begangen? Oder war es Carter selber gewesen, der die Mumie röstete? Als der Entde¬cker des Grabes den Sarkophag öffnete, fand er Tutanchamun fest darin einzementiert. Die Einbalsamierer waren mit ihren Konservierungsstoffen nicht eben sparsam umgegangen. Sie hatten so viel davon in und über den toten Pharao gekippt, dass die Flüssigkeiten ausgetreten waren und sich in der Sargwanne gesammelt hatten. In den kommenden Jahrtausenden waren sie ausgehärtet — zu einer dicken Schicht Superkleber. Zunächst hatte Carter versucht, diese Schicht aufzuweichen, indem er den Sarkophag in die pralle ägyptische Mittagssonne stellte. Als das nichts half, griffen er und der Mediziner Douglas Derry zu roher Gewalt. Sie zersägten den Körper, trennten Kopf, Arme und Beine ab und brachen die Teile einzeln aus der Masse her¬aus. Was dann noch im Sarg festklebte, schabten sie mit heißen Messern von den Winden. Könnten sie nicht auch mit ihren Kruden Methoden die Verbrennungen verursacht haben? Eher unwahrscheinlich, fand Naunton. Um die sterblichen Pharao-nenreste so zuzurichten, wie sie heute aussehen, waren Tempera-7:Iren um die 500 Grad Celsius notwendig. Carter wird aber bei gier Verzweiflung mit seinen Methoden kaum über 200 Grad ...-elsius gekommen sein.
Eine der Substanzen aber, die Tutanchamuns Einbalsamie--,- in rauen Mengen verwendet hatten, war Leinöl. Das aus _einsamen gewonnene Öl, das heute als Nahrungsmittel, in der
· -: 3metikindustrie und als Farb- und Anstrichmittel genutzt
hat eine unangenehme Eigenschaft. Ist es der Raumluft Besetzt, lagert sich Luftsauerstoff an die Doppelbindung der .sättigten Fettsäuren an und die einzelnen Moleküle vernet-
sich. Dabei können hohe Temperaturen entstehen. Maler-4c-_-iinge lernen zum Beispiel schnell, dass sie in der Werkstatt

niemals in Leinöl getränkte Pinsel oder Tücher her_I-lassen dürfen — sonst steht die Werkstatt in Flammen.
Je größer die in Leinöl getränkte Oberfläche, desto s die Hitzeentwicklung. Ein Pharaonenkörper hat eine große Oberfläche. Naunton tränkte also große Leinenti Leinöl und wickelte die ölfeuchten Tücher noch einmal in sches Leinen. Ein Thermometer im Inneren der Pakete ze den Temperaturanstieg auf. Nach nur einer Stunde her:-¬dort bereits Temperaturen um 360 Grad Celsius. Das begann schwarz zu werden, Rauch stieg auf und Glut entlang der Ränder. Ganz entsprach dies allerdings nimm Bedingungen im Sarkophag. Dort war nicht genügend stoff vorhanden, um den Prozess so schnell voranzu _ Vielmehr wird die Mumie des Pharao über einen längt -raum von vielleicht Tagen oder Wochen langsam vor geköchelt haben, wie in einem gigantischen Schongarropi.
Dieser Garprozess, vermutete Naunton, sei allerdings das Resultat von Unwissenheit seitens der Einbalsamieren ja immerhin zu den besten des Landes gezählt haben v. sondern von Zeitdruck Hätten sie den Leichnam Schicht für Schicht, mit den Ölen bestrichen und diese nen lassen, wäre nichts passiert. Da sie aber die Mumie noch von Leinöl triefend in den Sarg legen mussten, zu der fatalen chemischen Reaktion kommen.
Nach seinem Tod war Tutanchamun also in aller Eile samiert worden. Was mag in den 70 Tagen, die diese dauerte, in Ägypten passiert sein? Auf der Wand der mer ist es Eje, der die Mundöffnungszeremonie durc sich damit als rechtmäßiger Nachfolger präsentiert. der Übergang zwischen den beiden Herrschern wirklich wie die Bilder an den Winden den Betrachter glaub

wollen? Waren bei seiner Beisetzung Menschen anwesend, die ihn geliebt hatten? Mutter und Vater hatte er trotz seiner Ju¬gend schon lange nicht mehr. Aber begleitete wenigstens An-chesenamun seinen Sarg — oder war sie aus dem Weg geschafft worden? Auf die Hast bei der Beisetzung deuten schließlich mehrere Hinweise. Gab es überhaupt eine ordentliche Beiset-zungszeremonie? Oder wurde die von Öl noch triefende Mumie Tutanchamuns bei Nacht und Nebel in das Grab geschafft? Die Spuren sprechen für sich: Träger brachten den Leichnam in die nur halbfertige Kammer und begannen, sie in die — nur teil¬weise für ihn angefertigten — Sarkophage zu betten. Als die Ze-henspitzen des letzten Holzsarkophags zu weit vorstanden, griff ein beherzter Arbeiter zum Beil und schlug den herausragenden Teil einfach ab. So ganz passte der Deckel des nun folgenden Steinsarkophags noch immer nicht, er brach beim Absenken auf das Unterteil entzwei. Der Schaden wurde nur hastig mit erwas Gips repariert. Über diese Verzögerungen muss es spät geworden sein. In der Eile setzten die Arbeiter den äußersten Schrein um die Sarkophage falsch zusammen und hämmerten mit Gewalt die einzelnen Teile passend. Für einen ägyptischen ?harao, für den jede Geste und jedes Bild ein Schritt auf dem ,orrekten Weg ins Jenseits war, bedeutete diese Schlamperei :ie Verdammnis. Die restlichen Kammern von Tutanchamuns grab ließ Eje mit dem alten Gerümpel aus Achetaton füllen. Er -•-•-u-d wohl große Erleichterung verspürt haben, als am Ende die
-.ester ihre Siegel auf die Tür drückten und damit die letzte
- peilvolle Erinnerung an die Zeit Echnatons in die unterirdi-
· en Kammern verbannten.
Tutanchamun hat sich nicht selber ins Grab gelegt. Es ist für uns zwar nur allzu verlockend, sich genau dies vorzustellen — wie der junge Pharao höchstpersönlich den Bau des Grabes überwachte, wie er die Motive für die Wandmalereien aussuchte und deren Entstehung an den Wänden der Grabkammer in regelmäßigen Abständen inspizierte, wie er Stück für Stück aus seinem eige¬nen Besitz und den Erbstücken seiner Familie auswählte und für sich entschied: »Diese Truhe, dieses Gewand, diesen Spa¬zierstock möchte ich einst, wenn ich tot bin, im Jenseits bei mir haben.« Einige wenige Gegenstände scheint er tatsächlich selber als Grabbeigabe deklariert zu haben. Was sonst, wenn nicht sehr persönliche Motive des Königs, sollte dafür gesorgt haben, dass eine Haarlocke der Teje ihren Weg in das Grab fand? Nun gibt es durchaus Gräber in der ägyptischen Geschichte, bei denen wir davon ausgehen können, dass sie vom darin Bestatteten von Anfang bis Ende mitsamt den Beigaben strikt durchgeplant wurden. Bei Tutanchamun aber ist das eher unwahrscheinlich. Sowohl für den überwiegenden Teil der Ausstattung als auch für die Grabanlage selber war es keinesfalls er, der die Entscheidun-
n traf. Tutanchamun hatte — als toter junger König, dessen ursächlicher Einfluss auf die Geschicke Ägyptens ohnehin eher gering gewesen war — schlichtweg keinerlei Entscheidungsbe-
is mehr. Die lag nach seinem Tod in den Händen ande-

rer. Das Grab des jungen Pharao wurde zum Spielball für d Propaganda seiner Nachfolger. Wer waren die Männer, die f ihn diese Entscheidungen trafen? Wer bestimmte, wo und Tutanchamun beigesetzt wurde? Wer bereitete die Kulisse vc in der Howard Carter ihn 1922 fand?
Die Suche nach den Antworten auf diese Fragen beginnt einem Grab in Sakkara, dem großen Friedhof der Stadt Mer phis. Hierher zog Tutanchamun mit seinen Beratern um, als die verhasste Stadt seines Vaters, Achetaton, verließ. Von Mer phis aus sollte das Reich in eine neue, friedlichere Ära gefül werden. Unmittelbar nach der Ankunft begannen die Beamt des Hofstaates, sich dort einzurichten — und zwar für eine se lange Zeit. Für eine so lange Zeit, dass eine der ersten Ma nahmen war, mit dem Bau der aufwendigen Grabanlagen beginnen, in denen die ägyptische Elite gedachte, sich nach de Tod zur ewigen Ruhe zu betten.
Zu jenen, die schon kurz nach der Ankunft in Mempl die Bauarbeiten für ein Grab in Auftrag gaben, gehörte au ein Mann namens Haremhab. Insgesamt sollte das Grab d Bauphasen durchlaufen und zu einer recht ansehnlichen A lage wachsen. Zu diesem frühen Zeitpunkt aber waren die Plä noch bescheidener. Wie auch das benachbarte Grab des Ramc bestand der Grablemplex des Haremhab zu Anfang aus ein Kapelle mit zwei Höfen. Und doch hob es sich entschieden vc Ramoses Grab ab, denn Haremhab gab deutlich mehr Ge aus — er ließ seinen Innenhof mit Kalkstein pflastern, verldeid( und mit 16 Säulen dekorieren.
Oberste Priorität bei den Bauarbeiten hatte die kleine Gra kapelle. Denn sollte der Eigentümer der Grabanlage frühzeli sterben, musste sie bereits den Leichnam aufnehmen könne Alle anderen Teile des Grabes konnten warten. Auf den Arcl

tekturteilen der ersten Bauphase, auf den Wänden der Grab-kapelle und im Innenhof fanden die Archäologen, als sie das Grab 1975 entdeckten und 1979 ausgruben, denn auch die ein-zige Erwähnung von Haremhabs erster Frau Amenia. Mit ihr wollte er dort bestattet werden. Doch es sollte anders kommen. Amenia starb schon kurz nach dem Umzug nach Memphis. Von ihrer Beisetzung im Raum F der Grabanlage zeugen die Reste eines verrotteten Holzsarkophags, eine schwarze, klebrige Masse daneben — und ein paar Amphorenscherben. Die Inschriften auf diesen Scherben datieren den frühen Todeszeitpunkt Amenias. Sie stammen aus dem ersten Regierungsjahr Tutanchamuns, und zumindest eine der Amphoren wurde auf dem »Weingut des Aton in Heliopolis« befüllt, das noch zu den Stammlieferan-ten der ehemaligen Hauptstadt Achetaton gehört hatte.
Auf den Wänden der Kapelle und im Innenhof wird nicht nur Amenia erwähnt, sondern natürlich auch Haremhab — mit zenau jenen Titeln, die er zu diesem frühen Zeitpunkt trug: Er war »Erbprinz« und »königlicher Schreiber«. Diese hohen Aus-zeichnungen bestätigen außerdem zwei Statuen, die Haremhab ls Schreiber zeigen, eine davon stammt aus Memphis und steht -eure im Metropolitan Museum of Art in New York, die an-ziere stammt aus Karnak und ist heute im Museum in Kairo sehen. Auf der New Yorker Statue erklärt Haremhab auch, -1s dies bedeutet: »Ich bin jemand, der Gesetze für den König sdegt und den Höflingen Befehle erteilt, da ich jemand bin, Z27 gilt reden kann.«
Haremhab trat also kurz nach dem Umzug in die neue Memphis selbstbewusst und ganz offiziell als Erb-Tutanchamuns auf, als zweiter Mann im Staat. Sollte der ,L-ze König sterben, bevor er eigene Kinder zeugen konnte, üe es ihm zustehen, den Pharaonenthron zu besteigen. Die

Titel Haremhabs aus seinem Grab in Memphis decken sk folglich mit dem, was er später zum Zeitpunkt seiner tatsäd lichen Thronbesteigung auf einer Krönungsstele verlauten lass Der König, heißt es dort über die frühen Jahre unter Tutand amun, »freute sich über die Wahl Haremhabs zu seinem Nad folger«. Weiterhin trug Haremhab in jenen frühen Tagen d Titel »oberster Befehlshaber des Landes«, »Erbprinz des ganze Landes« und »ältester Sohn des Horus«.
Fast zehn Jahre lang wartete Haremhab in dieser Positioi Während Tutanchamun zum jungen Mann heranwuchs un zwei Kinder zeugte, die jedoch tot geboren wurden, führte remhab ihm seine Kriege, beriet ihn — und war bereit, jederze die Nachfolge anzutreten, falls dies notwendig würde. Als dann aber so weit war, als Tutanchamun tatsächlich das Zei liche segnete, fehlt weit und breit jede Spur von Haremha In den Wandmalereien in der Grabkammer Tutanchamuns i er völlig abwesend. Den aktiven Part der Mundöffnungsz,er monie, jenes Rituals, das vom Nachfolger des Pharao durcl geführt werden muss, übernimmt der ältere Berater Eje. Ur während andere hohe Würdenträger an Tutanchamuns Hof w der Schatzhausvorsteher Maya oder ein gewisser Nachtmin, d, als »Großer Trupptvorsteher« im Militär dem Befehl des H remhab untergeordnet war, für den toten König eifrig Uschebt stifteten, gibt es im ganzen Grab keinen Gegenstand, den se bis dahin designierter Nachfolger und enger Berater Haremlu ihm mitgab.
Wo war Haremhab? Was war geschehen? Wie konnte E den Platz einnehmen, auf den Haremhab zehn Jahre lang g wartet hatte — und das auch noch scheinbar ohne Kämpfe ur ohne Blutvergießen? Was hatte Eje in jenem Augenblick, d Haremhab nicht vorweisen konnte? Vermutlich werden

nie wissen, was genau in jenen Tagen und Wochen geschah. Aber auf ein interessantes Detail wies der Ägyptologe Wolfgang Helck bereits zu Beginn der 1970er Jahre hin: Um den Zeit-punkt, als Tutanchamun starb, brodelte in Nordsyrien ein Kon-flikt zwischen dem Hethiterreich und Ägypten. Und in den war Haremhab als Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee mit Si-cherheit involviert. Immerhin prahlte er über sich selber auf den Wänden des Innenhofes seiner Grabanlage in Sakkara: »Überall im Land der Hethiter kannte man seinen Namen.«
Interessant wird an dieser Stelle auch wieder der Brief der mysteriösen Königswitwe Dahamunzu an den Hethiterkönig Suppiluliuma I.: »Mein Gatte ist gestorben. Einen eigenen Sohn aber habe ich nicht. Von Dir aber sagt man, dass Du viele Söhne besitzt. Wenn Du mir einen Sohn von Dir gibst, soll er mein Gatte werden. Niemals aber werde ich einen meiner Diener nehmen und ihn zu meinem Gatten machen. Eine (solche) Be-ieckung fürchte ich!« Dahamunzu ist lediglich die keilschrift-che Fassung des ägyptischen Titels ta-hemet-nesu, »Gemahlin ±es Königs«. Noch konnte die Forschung nicht klären, welche Königin diese gewagten Zeilen verfasste. Eine Kandidatin aber
auf jeden Fall Anchesenamun, die Witwe Tutanchamuns. Sehen wir in ihr die Verfasserin dieses Briefes, bekommen ihre 71:orte auf einmal einen ganz konkreten Hintergrund. »Niemals :,.-ger werde ich einen meiner Diener nehmen und ihn zu mei-:tem Gatten machen. Eine (solche) Befleckung fürchte ich!« uzte  die Schreiberin hier einen konkreten »Diener« im Sinn? rill" es Anchesenamun, die fürchtete, nun dem Protokoll nach --EL-ernhab ehelichen zu müssen — für den sie eine große Abnei-,..Z..ZZ verspürte?
-:-iaremhab kämpfte in Nordsyrien unter Einsatz seines Le-/ens gegen Suppiluliuma. Anchesenamun bat um dessen Sohn,

damit Frieden herrschen könne. Größer hätte der Affront den designierten Nachfolger ihres verstorbenen Gatten sein können. So gilt denn auch Haremhab als einer der scheinlichen Drahtzieher hinter der Ermordung des h schen Prinzen Zannanza, der auf dem Weg zu seiner kü Ehefrau verstarb.
Als Haremhab nach Ägypten zurückkehrte, war jede
alles zu spät. Auch wenn es ihm gelingen sollte, Zannanza dem Weg zu räumen, hatte in der Zwischenzeit Eje den Tn bestiegen — und herrschte mit Anchesenamuns Zustimmung. Die Beweislage ist dünn. Aber davon, dass Eje und die Witwe Tutanchamuns mehr verband als die Nähe zum verstorbenen Pharao, erzählen zwei Ringe. Den ersten, einen Fingerring ain blauer Fayence, entdeckte Percy Newberry im Jahr 1931 bell' Stöbern durch die Antiquitätenläden Kairos. Er sah ihn Lif Geschäft eines gewissen Robert Blanchart und war sofort ei trisiert.
Zu Hause am Schreibtisch griff er zu Feder und Papier uni setzte umgehend einen Brief an Howard Carter auf: »Mein lie ber Carter, es wird Sie interessieren, dass ich gerade einen Fun gerring bei Blancharts entdeckt habe, auf dem die Karmscif von Anchesenamuvieben dem Namen von König Eje abgebil det ist«, schrieb Newberry. »Das kann nur bedeuten, dass Köni Eje Anchesenamun, die Witwe Tutanchamuns, geheiratet hi Der Ring besteht aus blauer Fayence und wurde irgendwo im Ostdelta gefunden.« Am liebsten wäre Newberry der Sache sc fort auf den Grund gegangen — aber zwischen Kairo und def Tal der Könige liegen rund 600 Kilometer. Also fragte er Carla »Gibt es irgendeine Möglichkeit für Sie, in das schimmernde zu gehen und sich das Grab von König Eje anzusehen? Wen Sie wirklich dorthingehen, gäbe es da einen sehr interessante

Punkt, der abgeklärt werden müsste: An einer Wand der Sarg-kammer waren Figuren von König Eje und seiner Königin Tij abgebildet.« An dieser Stelle fügte Newberry dem Brief eine grobe Zeichnung der Szene bei. »Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, ob es eine Figur hinter Tij gibt? Und ist die Kartusche groß genug für den Namen Anchesenamun?« Sicherheitshalber malte Newberry hier die Namenskartusche in den Brief. »Meine Aufzeichnungen zu diesem Grab vor einigen Jahren helfen mir hier nicht weiter und es wäre sehr interessant, wenn das geklärt werden könnte. Wenn Sie Zeit haben, gehen Sie doch hin, es würde nicht lange dauern. Hätte ich selbst die Zeit, nach Luxor zu gehen, würde ich es selbst tun, aber ich werde hier vor Ende Mai nicht fertig. Wann werden Sie nach Kairo kommen? Mit all anserer Liebe und den besten Wünschen für Sie, stets der Ihre, ?ercy E. Newberry«.
Leider scheint Newberry den Ring nicht erworben zu ha-en — er gilt heute als verschollen. Allerdings kaufte das Ägyp-sche Museum in Berlin Anfang der 1970er Jahre ein ähnliches Stück, es trägt heute die Inventarnummer 34 316. Viel ist nicht :Der diesen Ring bekannt. Wo er herkommt, ist ebenso unbe-nannt wie der Grund, warum er überhaupt angefertigt wurde. lasammen mit dem verschwundenen Ring, den Newberry LT: Geschäft Blancharts sah, ist es der einzige Hinweis auf eine -ge Verbindung von Eje und Anchesenamun. Einige Forscher .:..einten, diese gemeinsame Nennung der Namen auf einem _--_g könne nur bedeuten, dass Eje seinen Herrschaftsanspruch indem er Tutanchamuns Witwe zur Frau nahm. Doch eine Heirat so wichtig gewesen wäre, hätte Eje viel öf-deutlicher und an prominenterer Stelle darauf hingewiesen. --1.--ters Antwort auf Newberrys Brief ist zwar nicht überliefert, e muss aber gelautet haben: »Lieber Newberry, ich konnte

leider weder eine Figur noch eine Kartusche finden.« In s nem Grab — dessen Wände ja eine wichtige Leinwand für Pn paganda darstellten — erwähnt Eje Anchesenamun mit keine Wort. Dort räumt er nur seiner Ehefrau Tij einen Platz e:. Trotzdem gab es, das zeigen die Ringe, zwischen dem alten E und der blutjungen Anchesenamun ein Band. Wenn auch nid unbedingt das der Ehe, so hatten die beiden zumindest eine Pakt.
Als Haremhab also nach Ägypten zurückkehrte, wartete j denfalls kein Thron auf ihn. Auf dem saß Eje — entweder und dauerhaft oder als vorübergehender Platzhalter, bis Anchesenamuns Bitten hin Suppiluliuma einen seiner Sölu schicken würde. Und die Witwe Tutanchamuns stand him dem neuen Herrscher. Sie hatte eine klare Entscheidung getrc fen — gegen Haremhab.
Eje aber hatte, als er die Macht am Nil übernahm, seine lx ten Tage schon lange hinter sich. Drei Pharaonen, zwei religid Richtungswechsel und zwei Umzüge der Hauptstadt hatte miterlebt, zu großen Teilen sogar selber aus dem Hintergruß orchestriert. Die meiste Zeit über saß er dabei ganz dicht a Zentrum der Macht, in unmittelbarer Nähe erst Echnatoi später Tutanchani+ms. Geboren wurde Eje wahrscheinlich Achmin. Die Regierungszeit Amenophis' III., zu deren Begial er das Licht der Welt erblickte, waren bedeutende Jahre für c oberägyptische Stadt am Ostufer des Nils. Von hier stammt die Eltern von Teje, der Großen Königlichen Gemahlin d Pharao, Juja und Tuja. Oft wurde vermutet, dass Eje mit die Familie verwandt gewesen sein muss, etwa ein Sohn Jujas w Tujas und damit Nofretetes Bruder. Das würde erklären, waru er als Außenseiter schon früh im Leben wichtige Positionen a Pharaonenhof übernehmen konnte — Positionen, die im Üb


gen schon Juja vor ihm innegehabt hatte. Einige Ägyptologen gingen gar so weit, eine Familienähnlichkeit in den offiziellen Porträts Ejes und dem Gesicht der sehr gut erhaltenen Mumie Jujas entdeckt haben zu wollen.
Doch konkrete Belege gibt es für diese Theorie keine. Im Ge-genteil: Wäre Eje mit der königlichen Familie verwandt, hätte er diesen Umstand stark betont. Gerade bei der Machtübernahme nach dem Tod Tutanchamuns hätte Eje sich jeder noch so dün-nen Verwandtschaftsbeziehung zur Herrscherfamilie gerühmt, um seiner Herrschaft einen legitimen Anstrich zu geben. Doch mit keiner Silbe erwähnt er Teje oder deren Eltern.
Auch für den Vater der Nofretete wurde Eje von einigen Ägyptologen gehalten, da seine Frau Tij den Titel »Große Amme (Menat Aat) der Nofretete« trug. Nofretete, vermuteten sie, sei eine Tochter aus erster Ehe mit einer unbekannten Frau, Tij habe dann die Rolle der Stiefmutter für Nofretete übernom-men. Auch hier ist es aber wieder unwahrscheinlich, dass Eje i•elbst seine Tochter mit keinem Wort erwähnt, während seine 7-au sich mehrfach mit dem Titel der Amme brüstet. Vielleicht startete Eje seine Karriere bereits unter Arne-- :his III., mit Sicherheit jedoch beginnt sein Stern mit der :..1htübernahme Echnatons zu steigen. Während der Pharao neue Hauptstadt Achetaton ausbaut, baut Eje an seiner _.- :Tiere. Er ist jetzt, wie schon Juja vor ihm, »Aufseher der iglichen Pferde« und damit Befehlshaber der Streitwagen-- _ :pe des Königs. De facto bedeutete dieser Titel eine hohe .:ärische Auszeichnung. Auch »Festleiter der Neunheit« und delträger zur Rechten des Königs« darf er sich nennen. Der =eiträger war keineswegs ein fächelnder Sklave, sondern _ - in diesem Amt an einer ganz besonderen Position: sehr - beim König und damit in ständiger Gesprächsnähe. Dazu

passt, dass Eje auch als persönlicher Schreiber Echnatons gierte.
Der wichtigste Titel aber war ihm derjenige des »Gottva ebenfalls eine Auszeichnung, die schon Juja getragen hatte_ genau dieser Titel bezeichnete, weiß allerdings niemand_ Juja ihn trug, versuchten einige, ihn mit »Schwiegervate: Königs« zu übersetzen und Eje damit zum Vater Nofretetes machen, was aber aus oben genannten Gründen wenig pla erscheint. Eje jedenfalls bedeutete es so viel, »Gottvater« zu dass er später als König diesen Titel beibehielt und weit führte, eingebunden in seine Namenskartusche.
In Achetaton stand Eje ganz vorne in der ersten Reihe Macht. Etwa im neunten Herrschaftsjahr Echnatons begann dann, sich Gedanken um die Zukunft — oder besser: um Tod — zu machen und sein Grab zu bauen. Der Plan &Kn-sehr ambitioniert, das schönste Beamtengrab Amarnas sollte werden. Der Plan sah eine riesige Halle vor, die von 24 Papi bündelsäulen gestützt wird. Die fertiggestellten Wanddek tionen glühen auch heute noch förmlich von der Verehrung noi den Pharao und dessen neue Religion. Auf der rechten Wzld des Eingangskorridors prangt die einzige bekannte Version am Großen Sonnenges' ngs des Echnaton, den er angeblich s..4 ber verfasste. Keine Frage: Eje trat hier in seinem Grab als an eifrigste Anhänger des neuen Kultes auf.
Das sicherte ihm die Gunst des Pharao. Der beschenkte sei. nen Aufseher der Pferde und Wedelträger zur Rechten nicht n mit Amt und Würden, sondern auch mit großen Mengen Go,id Auch das ließ Eje in seinem Grab auf die Wände malen: 5 selber und seine Frau Tij stehen unter dem Fenster der Erschei nung, aus dem heraus Echnaton, Nofretete und die drei ältal ten Töchter des Paares ihnen großzügig goldenen Schmuck uni

Gefäße zuwerfen. Dass Tij dabei hinter ihrem Mann steht und ebenfalls die Reichtümer in Empfang nimmt, ist ungewöhnlich. Denn auch wenn die Königin sich oft gleichberechtigt neben Echnaton zeigte, blieben Beamtenfrauen in Amarna eher im Hintergrund. Wenn sie überhaupt erwähnt werden, dann deut-lich im Rang unter ihrem Mann. Ob Eje mit der Gleichstellung seiner Frau sich den Gepflogenheiten der königlichen Familie angleichen wollte oder ob Tij als Nofretetes alte Amme tatsäch-lich einen sehr hohen Status in Achetaton genoss, darüber kön-nen wir nur spekulieren.
Nicht nur in Bildern, auch in Worten gibt sich Eje keineswegs bescheiden. »Der Wedelträger zur Rechten des Königs, Vorste-her aller Pferde des Königs, wahrhaft geliebter Schreiber des Königs, Gottvater Eje, der das Leben wiederholen möge, er sagt: Ich bin der Gelobte seines Herrn täglich. Größer ist meine Gunst in (diesem) Jahre als in einem anderen wegen der Größe meiner sehr großen Trefflichkeit für sein Herz«, prahlt Eje an seiner Grabwand. Und für die Nachwelt hält er ganz konkrete
ipps parat: »0 ein jeder, der auf Erden lebt und alle kom-menden Generationen: Ich sage euch den Weg des Lebens und zeuge euch die Gunstbeweise, und so werdet ihr meinen Na-- tn lesen und was ich getan habe. Ich war ein Wahrhaftiger auf
-len. Verehret den lebenden Aton, so dass ihr fest im Leben
,.bt. Sagt zu ihm: Lass den Herrscher gesund sein, so dass er
h die Gunstbeweise verdoppelt.«
Doch dann starb Echnaton. Kaum war er tot, endete nicht _ - die Vormachtstellung Atons im ägyptischen Reich — auch
Enthusiasmus, den Eje dieser Religion entgegengebracht — t erlosch jäh. Er stoppte den Bau seines Grabes und entließ
--.:Deiter. Von den geplanten 24 prächtigen Papyrusbündel-_ im standen gerade einmal die ersten vier des Mittelganges.

Was an Reliefs der Ostwand schon fertig war, blieb unben-,iis Es gab jetzt Wichtigeres, als den Tod zu planen. Tutancharia war erst neun Jahre alt und nicht in der Lage, das Land allein zu regieren. Unter seiner Herrschaft begann die Rückkehr in alten Ordnung, zu den alten Göttern. Das vernachlässigte Lau musste wiederaufgebaut werden. Die Veränderungen zu mei tern, die unter der Herrschaft Tutanchamuns in die Wege leitet und zu großen Teilen auch ausgeführt wurden, war ein gewaltige Aufgabe. Geleistet haben sie im Wesentlichen zim Männer: Eje und Haremhab. Doch für die Dauer von Tutand amuns Herrschaft standen die beiden im Schatten hinter da 'Thron. Selten in der Geschichte blieben Männer, die einen großen Wandel in die Wege leiteten, so unsichtbar.
Sporadisch jedoch lugt Eje auf offiziellen Darstellungen hi ter dem Thron hervor. Auf drei Reliefblöcken aus Karnak, d Archäologen im Westturm des 9. Pylons verbaut fanden, steht hinter Tutanchamun und assistiert ihm bei einer Kulthandlan Und auf einem Blattgoldfragment aus Theben-West steht E am linken Bildrand und verehrt seinen König, während der begleitet von Anchesenamun — die Feinde Ägyptens erschlägt
Zum Ende der Regierungszeit Tutanchamuns beginnt E dann einen Titel % benutzen, der möglicherweise doch da auf hindeuten könnte, dass die Machtübernahme nach Tu anchamuns Tod lange im Voraus geplant war. Auf mehren Architraven aus Karnak wird er nun als »ältester Königssoli angesprochen. Auch ein Skarabäus, der heute in einer Schwein Privatsammlung liegt, bezeichnet ihn so. Was genau aber dies Titel bedeutete, bleibt unklar. Tutanchamuns Sohn kann d um viele Jahrzehnte ältere Eje nicht sein, ebenso wenig der d Töchtervaters Echnaton. Und selbst Amenophis III. hätte ein ältesten Sohn wohl kaum verschwiegen. Es kann also nur e


formeller Titel gewesen sein, mit dem Eje sich hier schmückte. Und doch war es ein Titel, mit dem Eje offenbar begann, einen Herrschaftsanspruch vorzubereiten.
Jahrzehntelang war Eje Diener gewesen - zunächst unter Echnaton, später unter Tutanchamun. Als Tutanchamun starb, wurde aus dem Diener ein Herrscher. Wie er diese neue Rolle ausfüllte, ist nur schwer zu fassen. Fast alle Nennungen seines Namens, alle Bilder, alle Darstellungen wurden später von Ha-remhab getilgt oder usurpiert. Vier Jahre blieben Eje, um der Nachwelt seinen Stempel aufzudrücken. Trotz dieser relativ kur-zen Zeit scheint er doch den Bau einer stattlichen Anzahl von Denkmälern in Auftrag gegeben zu haben. Eine Stele, die heute im Louvre steht, nennt einen Totentempel Ejes in Abydos, von dem heute allerdings keine Spur mehr zu finden ist. In seiner Heimat Achmin gab er einen Tempel für den Fruchtbarkeitsgott Min in Auftrag. Die Restaurierungsarbeiten an den Tempeln der alten Götter, die unter Tutanchamun begonnen hatten, setzte er ebenfalls fort. Eine Weihinschrift in den hinteren Räumen des 7._uxortempels kündet von der Instandsetzung in diesem Bereich:
Werk des) (Königs), das er gemacht hat, als sein Denkmal für ieinen Vater Amun-Re, vor den seiner Ip.t, (nämlich) das Er-zeuern für ihn sein großes herrliches Tor ...« Sogar im fernen Nubien wurde für Eje gebaut. Der Vizekönig von Kusch - Ver-,-alter der nubischen Provinzen - namens Paser I. errichtete ihm
Felsenkapelle zwischen Abu Hoda und Faras.
Zu seinem Vorgänger Tutanchamun scheint Eje ein ambi-ientes Verhältnis gehabt zu haben. Zum einen erwies er dem :-_fieren Vorgänger wenigstens ein Mindestmaß an Ehrerbie----2. Das zeigt nicht nur Tutanchamuns - wenn auch beschei-
nes - Begräbnis im Tal der Könige, sondern ebenfalls ein -fzipel in Karnak, von dem heute nur noch einige Architrav-

blöcke erhalten sind. Das als »Millionenjahrhaus« bezeig_al Bauwerk war ein Tempel für den Königskult. Die InscluM nennen aber nicht nur seinen Erbauer Eje allein, sondern ei wähnen ihn Seite an Seite mit Tutanchamun.
Auch den Totentempel seines Vorgängers in Theben-117e ließ Eje unangetastet. Zumindest als nacktes Bauwerk.
er wird seinem Vorgänger kaum mehr übrig gelassen haben die bloßen Tempelmauern. Die riesigen Kolossalstatuen Quarzit aber, die Tutanchamuns Tempel hätten schmücken len, schaffte Eje in seinen eigenen Neubau. Als Haremhab Tempel später übernahm, beanspruchte er dann diese übe* bensgroßen Statuen für sich — und ließ die Namen ein zwei Mal überschreiben. Dieser Neubau war als eine Säulenhalle el drei inneren Räumen und Nebenkammern angelegt. Auf dl Südseite stand im dritten Hof ein kleiner Palast. Dieser Td des Bauwerks lässt sich eindeutig Eje zuordnen, weil unter aa Gebäudeecken und anderen wichtigen Punkten Opfergaze deponiert wurden. Außerdem verwendeten die Arbeiter Zimd die mit Ejes Namen gestempelt waren. Als Haremhab spe den Tempel für sich beanspruchte und ihn umbauen ließ, brai ben zumindest dien außen nicht sichtbaren Opfergaben umi Namensstempel seines Vorgängers erhalten. So konnten di Archäologen den ursprünglichen Auftraggeber identifiziere obwohl äußerlich nichts von ihm übrig blieb.
Eje wusste wahrscheinlich, dass ihm nicht viele Jahre BI dem Thron vergönnt sein würden. Er war alt und sein Thron anspruch stand auf äußerst wackeligen Beinen. Also bemüh er sich früh um einen Nachfolger — und der hieß nicht Ha remhab, sondern Nachtmin. Schon zu Beginn seiner Herrsclui gewährte Eje dem Nachtmin besondere Privilegien, um ihn am die Rolle als sein Nachfolger vorzubereiten. Wir treffen ihn zta

ersten Mal bei der Beisetzung Tutanchamuns, fünf Uschebtis durfte er dem verstorbenen Pharao stiften und mit ins Grab geben. Darauf zählt er genauestens seine Titel und Funktionen auf: Nachtmin war, als Eje Pharao wurde, »Diener, der den Na-men seines Herrn lebendig hält«, »wahrer Diener, der seinem Herren nützlich ist«, »Diener, der von seinem Herren geliebt wird«, aber auch »Heerführer des Herrn beider Länder«, »Kö-niglicher Schreiber« und, wie Eje bereits vor ihm, »Wedelträger zur Rechten des Königs«. Die Uschebtis lassen keinen Zweifel aufkommen: Nachtmin war ein Mann mit Potential.
Besonders interessant ist das Fragment einer Doppelstatue, die einst wahrscheinlich Nachtmin und seine Frau darstellte. Sie ist etwas jünger als die Uschebtis und wurde wahrschein¬lich zur Regierungszeit Ejes angefertigt. Auf dem Rückenpfeiler dieses Monuments wird Nachtmin nicht nur wie einst Harem-hab »Iripat« (Kronprinz) genannt, sondern sogar als sa-nisut-stnsu bezeichnet, als Königssohn. Es ist das einzige Mal, dass tr diesen Titel tragen darf. Vermutlich war es also ein Ehrentitel .11c1 keine tatsächliche Blutsverwandtschaftsbezeichnung. Aller-:_:ngs gibt es durchaus Hinweise, dass Nachtmin wie Eje aus Aamin stammen könnte. Seine Mutter war nämlich nicht nur Sängerin der Isis«, sondern auch »Anbeterin des Min«, jenes F-ruchtbarkeitsgottes, dessen religiöses Zentrum in Achmin lag. _V_5glicherweise stammte er also tatsächlich aus dem weiteren
miliären Umfeld Ejes. Viel mehr ist über Nachtmin nicht be-tannt. Es blieb nichts von ihm übrig: Als Haremhab an die vuz-ht kam, ließ er jede Erinnerung an Nachtmin ebenso aus-Tiheren wie die an Eje.
:a seiner kurzen Regierungszeit musste Eje natürlich nicht seinen Nachfolger aufbauen, sondern auch ein neues Grab Auftrag geben. Sein ambitioniertes Beamtengrab hatte er

schließlich mit dem Atonkult in Achetaton zurückgela, Einige Zeit wurde vermutet, dass er ursprünglich das Gmi. KV 62 für sich anlegen ließ — jenes Grab, in dem er am E1 Tutanchamun bestattete. Tutanchamuns Grab sei dagf-z2.-eigentlich das im Westtal gelegene WV 23 (»WV« steh: - »West Valley«) gewesen, das aber habe Eje im Tausch für skr. - ansprucht. Beide Gräber sind sich in der Dekoration sehr : lich, möglicherweise wurden sie sogar von demselben Küns-rx ausgemalt. Auf der Nordostwand von WV 23 sind, wie aucz KV 62, zwölf Paviane zu sehen, von denen jeder eine Stunde ad Nacht symbolisiert.
Schon 1816 hatte Giovanni Battista Belzoni das Grab ermi deckt und seinen Namen sowie das Datum in einem Graffii im Eingangsbereich verewigt. Der Fund war reiner Zufall. »(licl verdankte ihn) einzig dem Glück und nicht absichtlicher Fix schung«, gab er zu, »denn ich begab mich in diese Berge ich Westtals) lediglich zur Untersuchung diverser Stellen, an dem nach dem Regen das Wasser von der Wüste herunterkommt Belzoni war schwer enttäuscht von seiner Entdeckung, denn di Grab schien — bis auf einen völlig zertrümmerten Sarkophag ausgeraubt und leer zu sein. Die Meinung hielt sich hartnäckii »(WV 23) enthält einen zerbrochenen Sarkophag und ein pa schlechte Felsenge4älde von seltsam kurz geratenen und unp ziösen Proportionen. Was die Ära des Königs betrifft, so komm ich lediglich feststellen, dass er vor Ramses II. geherrscht ha vermutlich eine ganze Weile vor ihm«, notierte John Garda Wilkinson bei einer späteren Inspektion. Fast ein Jahrhunde nach der Entdeckung durch Belzoni, im Jahr 1908, ließ Howai Carter dann die traurigen Reste aus dem Grab räumen und ii Kairoer Museum bringen. Weitere Untersuchungen führte ab auch er nicht durch; wem das Grab gehörte, blieb unbekannt

Erst 1972 nahm sich der Ägyptologe Otto Schaden von der US-amerikanischen University of Minnesota des Grabes an und untersuchte es gründlicher als seine Vorgänger. Die scheinen allerdings nicht mehr getan als nur kurz mit der Fackel oder Taschenlampe hineingeleuchtet zu haben, denn Schaden wurde zu seiner Überraschung schnell fündig. In der linken hinteren Ecke der Grabkammer lag der Deckel des Sarkophags — unbe-schädigt. Und darauf war zu lesen, wer hier einst bestattet lag: Eje.
Außer dem Sarkophagdeckel fand Schaden noch so einigen Krimskrams: Fragmente eines hölzernen Sarkophags oder einer Kiste, Teilchen von Goldfolie, eine Schüssel, den Boden eines Bechers, den Bart einer Uschebti-Figur, die Hand einer Statue, riinf dünne Scheiben aus Kupferblech, verziert mit Rosetten und Sternen, sowie eine vergoldete Kupferrosette, die vermutlich von einem Bahrtuch stammt. Zwischen dem Schutt auf dem Boden _Igen auch menschliche Knochen verstreut: ein halbes Becken, in Wirbelknochen, Teile eines Schädels und ein Kieferknochen mit Zähnen. Die Zähne zeigten eindeutige Verschleißspuren, müssen also einem älteren Menschen gehört haben. Nun starb Eje zwar im fortgeschrittenen Alter, doch trotzdem bezweifelte 3tto Schaden, dass es seine Knochen waren, die er im Grab
V 23 entdeckt hatte. Aufgrund des Beckenknochens urteilte - vielmehr, dass es sich um die sterblichen Überreste einer Frau indeln müsse.
Genauer wurden diese Knochen nie untersucht. Allerdings =.7-zIlten Edward Wente vom Oriental Institute und James Har-
ein Orthopäde von der University of Michigan, die These
dass es sich bei der als Amenophis III. identifizierten Mu-r_e aus der Sammelbestattung in Deir el-Bahari in Wahrheit 127: Eje handeln könnte. Die schweren Verletzungen, die dieser

Mumie post mortem zugefügt wurden, interpretierten sie Folge von Haremhabs Rachefeldzug gegen seinen Vorgänge der ihn nach Tutanchamuns Tod um den Thron gebracht han Diese Ansicht wurde allerdings kaum von anderen Forsche' geteilt. Einer neuen Spur ging in jüngerer Zeit Nicholas Re ves nach. Er glaubt, Goldfolien, die im Grab KV 58 gefunde wurden, könnten einst ein Streitwagengeschirr Ejes verziert h ben und aus seinem Grab stammen. Auf den Folien sind nid nur die Namen Ejes sowohl in der Form vor als auch nach de Thronbesteigung, sondern auch die Namen Tutanchamuns un Anchesenamuns zu lesen. Ejes Mumie könne zeitweise, so Reg ves, bei einer Umbestattung in KV 58 gelandet sein. Damit in aber die Mumie Ejes nach heutigem Kenntnisstand immer nod unbekannt. Wurde sie möglicherweise bis zur Unkenntlichkei zerstört? Oder liegt sie noch irgendwo unentdeckt im Tal de Könige?
Ohne Mumie lässt sich auch keine Todesursache feststd len. Wir wissen nicht, ob Eje altersbedingt friedlich in sein= Bett starb — oder ob jener Mann seine Hände im Spiel harne der bereits vier Jahre zuvor auf dem ägyptischen Thron hant sitzen wollen: Haremhab. Die Geschichtsschreibung schweig sich aus über Ejes fiede. Es fällt aber auf, wie sorgfältig orcher, triert Haremhabs Regierungsantritt scheint. Das Jahr 1319 v^a§ Christus, in dem Haremhab die Macht am Nil übernahm, was ein ganz besonderes Jahr. Denn in jenem Jahr endete ein this-Zyklus: jener Zeitraum, den der hellste Stern am Hi Sirius, braucht, um mit seinem heliakischen Aufgang e den 365-Tage-Kalender zu durchlaufen. 1456 Jahre war es dass Ägypten dieses Fest zuletzt gefeiert hatte. Am 6. Juli 13 war es nun wieder so weit: Sirius zeigte sich erst in der zwö Nachtstunde des letzten Tages des alten Jahres. Nur eine S

später schlachteten die Priester die Opfertiere, das neue Jahr hatte begonnen.
Haremhabs große Stunde war gekommen. Er machte sich auf nach Karnak, um dort die Zustimmung Amuns zu holen. Die sei, ließ er in seinem Krönungstext erklären, allerdings nur eine reine Formalie: »Horus, Neb-hut-nesu, ist mein leiblicher Vater, der mich schuf. Er kannte den Tag, an dem Amun zustimmen wird, ihm sein Königtum zu geben. Haremhabs Gott Horus, Neb-hut-nesu, erhob ihn als seinen Sohn vor der Menschheit, da er wünschte, seinen Schritt zu weiten, bis der Tag kommt, an dem er sein Amt empfängt.« Jener Tag, an dem Amun zu¬stimmte, war der 19. August 1319 vor Christus.
Haremhab hat niemals versucht, eine familiäre Bindung an das Herrscherhaus vorzutäuschen. Mit dem inzestuösen Clan der 18. Dynastie wollte er nicht verwandt sein. Stattdessen wendete er einen Trick an, der zuvor schon für Hatschepsut funktioniert hatte: Er berief sich auf seine göttliche Abstam¬mung. Horus Neb-hut-nesu (»Herr von Hut-nesu«) habe ihn _:zeugt, eine lokale Form des Gottes Horus, der in Haremhabs :--ieimatort Hut-nesu verehrt wurde. Doch interessanterweise :richt er im Text seiner Krönungsstele trotzdem nicht mit Taranchamun. Im Gegenteil: Der Pharao, lässt Haremhab ver-c2aiden, habe sehr wohl bemerkt, dass Horus Neb-hut-nesu
an zu seiner Regierungszeit Haremhab auf seine Rolle als --:_frrscher vorbereite. Doch statt in ihm einen Konkurrenten zu men, »war Tutanchamun zufrieden mit dieser Wahl und freute
Aus diesem Grund, so der Text der Stele, habe Tutanch-- -an ihn zum Erbprinzen gemacht und Haremhab viele Jahre 4.7.2 das Land als Stellvertreter des Pharao regieren lassen. Nicht
die Höflinge, sondern auch die Monarchen fremder Länder .i11-en daraufhin mit ihm Geschäfte geführt.

Nun kann ein Pharao auf einem Monument, das seine He schaft legitimieren soll, natürlich viel behaupten. Doch die T und Ämter, die auf der Krönungsstele genannt werden, d sich auffälligerweise mit jenen, die er bereits in seinem C-;11-in Sakkara trägt. Das Grab auf dem Friedhof von Sakkara stammt definitiv noch aus der Regierungszeit Tutanchamu: ¬lange bevor Haremhab selber zum Pharao aufstieg. Nach se2,:r Thronbesteigung aber wurden die Arbeiten nicht fortgegl. denn danach konzentrierten sich alle Arbeiten auf sein Grab - Tal der Könige, das ihm mit dem Pharaonentitel zustand. wenn Haremhab also eine Verwandtschaft mit Tutanch ablehnte, betonte er doch — auch noch als Pharao — die ve Nähe zu ihm.
Im Krönungstext vergleicht Haremhab sich auch mit Gott Thot: »Alle seine (Haremhabs) Pläne sind (so ausb ciert) wie der Gang des Ibis, (...) er erfreut sich an der gleich dem Geschnäbelten«, und, wie Thot, »erwacht er j Morgen, um die Maat darzubringen.« Diese ungewöh Gleichsetzung mit Thot, die sonst von keinem anderen P bekannt ist, klingt bereits früher in einem Text aus Hare Sakkara-Grab an. D2ert wird Thot angerufen mit den Wo »Mögest Du den königlichen Schreiber Haremhab sicher an Seite des Herrschers stehen lassen, so wie Du an der Seite Herrn der Welt (Re) stehst, so wie Du für ihn sorgtest, als aus dem Mutterleib kam.« Die Rollen sind hier klar ve Tutanchamun repräsentiert den Sonnengott Re auf Erden, remhab aber seinen Erzieher und Beschützer Thot.
Re und Thot begegnen uns auch in einer Geschichte, die erw-mals auf der Innenseite des Äußersten Schreins von Tutanch-amun selbst erzählt wird: dem Buch der Himmelskuh. Re, d einst die Menschen mit seinen Tränen geschaffen hatte, war 2..t

geworden, heißt es da. Er fühlte sich schwach und gebrechlich. Die Menschen aber scherten sich nicht länger um ihren Schöp¬fer. Sie versagten ihm die Gebete, verspeisten die Opfertiere selbst, taten, was sie wollten, und begannen sogar, offen gegen die Götter zu rebellieren. Da wurde Re wütend und beschloss, die Menschen zu vernichten. Die anderen Götter stimmten sei¬nem Plan zu und beauftragten die Göttin Hathor in ihrer Lö¬wengestalt Sachmet, das Urteil zu vollstrecken. Sachmet liebte diese Arbeit. Sie geriet in einen Blutrausch und schlachtete alle Menschen, die sie finden konnte. Bald färbte der Nil sich rot vom Blut ihrer Opfer. Da überkam Re Mitleid mit seinen Ge¬schöpfen. Doch alleine konnte er Sachmet nicht mehr aufhal¬ten, also bat er verzweifelt den weisen Gott Thot um Hilfe. Und Thot ersann eine List. Gemeinsam mit Re färbte er 7000 Maß Bier mit Ocker rot ein und goss sie über die Welt aus. Sach¬met hielt die Flut für Blut und begann, gierig alles aufzutrin-,fn. Bald brach sie sturzbetrunken zusammen und fiel in tiefen _Szlilaf. Als sie ihren Rausch ausgeschlafen hatte, erwachte sie ,:eder in der Form der sanftmütigen Hathor und der Spuk war zrbei. Die übriggebliebenen Menschen aber waren geläutert
lebten fortan voller Ehrfurcht vor den Göttern. Nur Re ec lite nun nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Er zog sich auf
Rücken der Himmelskuh zurück und überließ die Erde den .tenschen. Die Aufsicht über sie aber übertrug er dem weisen
- der die Welt vor Vernichtung und Chaos gerettet hatte. Auf der mythologischen Ebene steht die Geschichte für den 42zruch der Nacht, wenn der müde, scheidende Sonnengott Mondgott Thot die Verantwortung für die Mensch-mc: überträgt. Wenn sich nun aber Haremhab am Ende der
· Dynastie an ganz prominenten Stellen mit Thot gleichsetzt, mmt diese Geschichte einen neuen Beigeschmack. Der

»Sonnenkönig« Echnaton hatte das Land in blutiges Chaos g stürzt. Der Thot-gleiche Haremhab aber sorgte nun mit Un sicht und Weisheit dafür, dass wieder Frieden einkehren konn in Agypten.
Seine neuen Gesetze ließ Haremhab im ganzen Land verbre ten. Eine Abschrift des sogenannten Edikts des Haremhab Fan Gaston Maspero 1882 vor dem zehnten Pylon im Tempel va Karnak, eine weitere stammt aus Abydos. Der Text macht gar deutlich: Mit dem neuen Pharao war nicht zu spaßen. Er ordne die staatliche Verwaltung neu, besetzte die Gerichtshöfe um un schaffte neue Gesetze gegen Missstände und Korruption. W sich als Privatmann unrechtmäßig ein Boot oder einen Sklave aneignete, wer Tierhäute stahl, wer illegale Steuern auf priv. tes Weideland erhob oder wer bei den Steuern betrog, wurt ins Exil geschickt — nachdem man ihm zuvor die Nase abg schnitten hatte. War es ein Soldat, der Tierhäute stahl, bestan die Strafe aus hundert Peitschenhieben und fünf offenen Ww den. Zwar gewährte Haremhab, mehr noch als seine Vorgänge Tutanchamun und Eje, der Amun-Priesterschaft wieder ihre ak Macht, allerdings traf er Vorsorge, dass ihm die Priester lov blieben. Er besetzte die entscheidenden Posten innerhalb ihn Gemeinschaft mit' ehemaligen Militärangehörigen, die jahn lang unter ihm gedient hatten, als er noch Oberbefehlshabd der ägyptischen Streitkräfte war. Auf den Feldzügen hatten die Männer Seite an Seite mit Haremhab gekämpft — ihrer Tree konnte er sich sicher sein.
Außer der Wiederherstellung der alten Ordnung hatte FL remhab noch ein weiteres großes Ziel: Er wollte die Erinnerur an seinen Vorgänger Eje und alle, die mit ihm gemeinsame S che gemacht hatten, für immer und ewig vom Erdboden tilge] Wahrscheinlich war er es, der den Befehl gab, Ejes Grab im T
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der Könige aufzubrechen und zu verwüsten, den Sarkophag in kleine Stücke zu schlagen. Und nicht nur im Grab, auch überall im Land, wo auch immer Eje gebaut und seinen Namen hin-terlassen hatte, rückten Männer mit Meißeln an und radierten die Namenskartuschen und Darstellungen Ejes aus. Den To-tentempel, den Eje in Medinet Habu zu bauen begonnen hatte, riss Haremhab an sich und ließ ihn in seinem Namen weiter-bauen. Die Kolossalstatuen, die schon Eje von seinem Vorgän-ger Tutanchamun gestohlen hatte, wurden erneut geändert und trugen nun Haremhabs Namen.
Ähnlich brutal ging der neue Pharao mit dem Andenken Nachtmins um. Was aus dem designierten Nachfolger Ejes wurde, erfahren wir nicht. Vielleicht starb er bereits vor Eje, vielleicht aber auch mit ihm zusammen. Sein Name wurde ebenso getilgt wie der Ejes, seine Statuen zerschlagen. Und noch eine Person traf der Hass Haremhabs: Anchesenamun, die möglicherweise die treibende Kraft hinter der Entmach--_ung Haremhabs unmittelbar nach dem Tod Tutanchamuns gewesen war. Die Krönungsstele ihres Mannes zeigte sie ur-Trünglich hinter Tutanchamun als seine Große Königliche Gemahlin. Haremhab ließ diese Stele umarbeiten und ersetzte rie Namenskartuschen Tutanchamuns durch seine eigenen. An-att aber auch den Namen Anchesenamuns durch den seiner eigenen Frau, Mutnedjmet, zu ersetzen, wurden die Figuren _er Königin brutal ausgehackt. Die Krönungsstele ist einer der
. --enigen Fälle, in denen Haremhab sich am Eigentum Tutanch-L-nuns vergriff. Während er die Erinnerung an Eje vehement I ..smerzte, schonte er sonst das Eigentum Tutanchamuns. Sein :aime blieb stehen, seine Bilder unversehrt. Schließlich war er
§ gewesen, unter dessen Regierung Haremhab zum Erbprin-i_rn aufgestiegen war. Seine Loyalität und Dankbarkeit wirkten

noch lange über den Tod des Kindkönigs hinaus. Letztenzz, verdanken wir es Haremhab, dass Howard Carter das ungest.5! Grab Tutanchamuns finden konnte. Hätte Haremhab nig schützend seine Hand über das Andenken Tutanchamuns a halten, dann hätte Carter KV 62 ebenso leer vorgefunder. einst Belzoni WV 23.
Harernhab riss aber nicht nur die Bauwerke seiner unge,c ten Vorgänger ab, er baute auch selbst. Dabei kam es ihm gute, dass mit dem Schutt der abgerissenen Tempel nun re..m lich Material fiir neue Bauprojekte zur Verfügung stand D Talatat-Steine von Echnatons Sonnentempel in Karnak wurme zu neuen Pylonen im Namen Haremhabs. Dabei machte sa niemand die Mühe, vorher noch den Namen des SonnenkC1-4 auszumeißeln — im Inneren der Pylone würde ihn ja nierr_La mehr sehen können. Diese Nachlässigkeit freute die Arcrje logen, die einen großen Teil ihres Wissens über Echnaton diesen wiederholt verbauten Blöcken des Sonnentempels zi konnten.
Vielerorts führte Haremhab aber auch Bauvorhaben Vorgänger weiter und stellte sie in seinem eigenen Namen f So vollendete er die Mittelkolonnade des großen Säulensaals Tempel von Karnale. die einst Amenophis III. in Auftrag ben hatte. In Luxor vollendete er eine Kolonnade. Neue Bauau entstanden dagegen in Sakkara und Memphis, ebenso wie Fd sentempel in Dschabal as-Silsila und am Gebel Adda.
Außenpolitisch tat sich dagegen nicht viel. Niemand die ägyptische Armee so gut wie Haremhab. Er wird folglid gute Gründe gehabt haben, das Militär umzugestalten. Dlj Norden bekam einen eigenen Befehlshaber, der Süden ebeisl Möglicherweise versuchte er damit, die Armee zu dezentralisil ren und Machtbefugnisse Einzelner — möglicher Widersacher.

zu beschneiden. Nur kurz nach der Thronbesteigung unternahm Haremhab einen Feldzug gegen Nubien — ein Ereignis, das er auf den Wänden des neu gebauten Felsentempels in Dschabal as-Silsila festhalten ließ. Damit demonstrierte er gleich zu Be-ginn seiner Regierung Stärke gegen den südlichen Nachbarn. Offenbar funktionierte der Schachzug, denn für den Rest seiner Regierungszeit blieb es relativ ruhig dort. Auch schickte er, wie Hatschepsut vor ihm, eine Expedition in das sagenumwobene Land Punt.
An der Hethiterfront war unter Haremhab Ruhe einge-kehrt. Das lag allerdings weniger an einem freundlichen Ver-hältnis zu den verhassten Nachbarn, sondern eher daran, dass die Pest im Hethiterreich wütete. König uppiluliuma war zu beschäftigt damit, die Seuche und die damit einhergehenden Unruhen in seinem Reich zu bekämpfen, um sich mit seinem alten Feind Haremhab auseinanderzusetzen. Erst spät in seiner Regierungszeit zog Haremhab dann gegen Suppiluliumas Sohn and Nachfolger Murgili; ein Feldzug, der ihn in die Region von Karkerng — heute in der türkischen Provinz Gaziantep nahe der syrischen Grenze — führte. Von dieser militärischen Expe-dition gibt es ein ungewöhnliches Zeugnis: eine Granitschale,
e vermutlich aus Memphis stammt und 1973 im Kunsthandel Lzfrauchte. Der Stalloberst Sen-nefer hatte sie anfertigen und
einem Gebet beschriften lassen. Die Schale ist datiert in zas -Regierungsjahr 16 des Haremhab, des Herrschers, zur Zeit .::_nes ersten Siegeszuges von Byblos bis zum Land des elenden ---Liptlings von Karkernig«. Von dieser militärischen Ausein---Dzersetzung berichten auch die Annalen des Murgili. In Kar-
heißt es dort, habe es einen Aufstand gegeben. Der ägyp-:sz:-.e Pharao sei den Aufständischen zu Hilfe geeilt, konnte zer zurückgeschlagen werden.

Nachdem Haremhab erfolgreich das Land im Inneren s uzte-lisiert hatte und außenpolitisch außer kleineren Auseinanderser-zungen auch nicht viel passierte, blieb nur noch die Nachfair»e zu regeln. Eine lange Reihe seiner Vorgänger war ohne Thronfink. ger gestorben: Weder Echnaton noch möglicherweise Semenchm kare noch Tutanchamun noch Eje hatten mit einem von Ami akzeptierten, gut vorbereiteten Nachfolger in Warteposition da Zeitliche gesegnet. Das plante Haremhab anders. Seine erl. Frau, Amenia, war unglücklicherweise schon zu Beginn der Rci gierung Tutanchamuns verstorben. Wahrscheinlich bereits klag darauf, auf jeden Fall aber bevor er selber Pharao wurde, ebes lichte Haremhab seine zweite Frau namens Mutnedjmet. Einig Forscher wollten in ihr gerne die Schwester Nofretetes seheni, die ebenfalls Mutnedjmet hieß. Allerdings war dies zu Zehe% der 18. Dynastie ein äußerst beliebter Name, und nirgendwo gibt es — außer der Namensgleichheit — einen Hinweis darau4 dass Haremhabs Mutnedjmet auch Nofretetes Mutnedjmet war
Nur konnte Mutnedjmet Haremhab ebenso wenig wie ihn Vorgängerin einen männlichen Erben schenken — zumindew keinen, der lange genug überlebte, um irgendwo auch nur ew wähnt zu werden. I r Leichnam lag, wie auch der Amenias. ei Haremhabs Grab in akkara. Der britische Ägyptologe Geoffiej Martin identifizierte sie eindeutig als Haremhabs zweite Frag anhand einer Vase aus Alabaster und Statuenfragmenten, dir zusammen mit ihrer Mumie in dem Grab lagen. Die Vase trte ihren Namen und ihre Titel: Erbprinzessin, Große Königlich" Gemahlin, Herrin von Ober- und Unterägypten, Sängerin Hathor und Sängerin Amuns.
Ihren Sarkophag hatten Grabräuber aus der Grabkam am Boden eines Schachtes in die Säulenhalle gezerrt und dii Knochen verstreut. Doch genug von ihr war noch erhalten, wo

von einem harten Leben an der Seite des Pharao zu erzählen. Schon früh hatte sie sämtliche Zähne verloren und konnte sich den Großteil ihres Lebens nur von Brei und Flüssigkeiten er-nähren. Zu den gefundenen Knochen gehörte das Becken. Es bestätigt Haremhabs Versuche, einen Erben in die Welt zu set-zen, Mutnedjmet hatte nachweislich mehrere Kinder geboren. Vielleicht aber waren sie alle schon bei der Geburt gestorben —so wie ihr letztes. Dieses Kind wurde ihr zum Verhängnis. Die winzigen Knochen des Babys fanden die Ausgräber mit ihren vermengt, vermutlich starben beide bei der Geburt.
Da er keine eigenen Kinder auf seine Nachfolge vorbereiten konnte, schenkte er seine Gunst einem jungen Mann namens Paramessu. Der Sohn eines Truppenkommandanten stammte aus einer angesehenen Familie im Nildelta. Seine Karriere be-,-ann er als einfacher Offizier, dann aber arbeitete er sich rasch zum Truppen- und Festungskommandanten empor und gehörte iiaremhabs Generalstab an. Paramessu zählte zu jenen Männern, die der neue Pharao als Amunpriester einsetzte, um sich die Lo¬yalität dieser wichtigen Posten zu sichern. Schließlich ernannte Haremhab ihn zum General der Streitwagentruppe und zum "resir — damit war er faktisch sein Vertreter sowohl in Ober- als auch in Unterägypten und gleich nach dem Pharao der mäch-este Mann im Staat. Ob Haremhab aber auch so weit ging, r_n zum Erbprinzen zu bestimmen, ist nicht sicher. Zwar trug
diesen Titel — allerdings schmückte er sich möglicherweise ach erst nachträglich damit, als Haremhab bereits tot war und ru-n nicht mehr widersprechen konnte. Auf zwei Sarkophagen,
Paramessu noch in seiner Funktion als Wesir in Auftrag gab, wurde der Titel des Erbprinzen jedenfalls erst später ergänzt.
Auch Haremhab selber hatte ja die Pläne und Umstände für
eigenes Begräbnis mehrmals ändern müssen. Als Erstes war

da sein altes Grab in Sakkara, das er einst unter Tutanchanne begonnen hatte und in dem nun Amenia und Mutnedjmet gen. Noch unter Eje wurden die Arbeiten daran fortgesetzt — nu allerdings nannten die in diesen Jahren neu hinzukommende Inschriften ihn nicht mehr »Erbprinz«. Mit der Thronbeste gung aber gab er den Bau auf und überließ das Grab seine Frauen. Als Pharao stand ihm ein Platz im Tal der Könige zz Er wählte sich einen knapp oberhalb des antiken Talgrunde auf der nördlichen Seite im westlichen Abzweig des südwesrlid verlaufenden, zentralen Wadis. Haremhabs Grab unterscheide sich in einigen Dingen deutlich von den Ruhestätten seiner Vag Bänger. Wie im Leben so machte er auch im Tod das eindeutig Statement: Ich bin anders! Statt wie bislang üblich einer Wi dung nach rechts zu folgen, verschiebt sich die Hauptachse de Grabes mit der Nummer KV 57 nur leicht nach rechts. Diel begradigte Hauptachse übernahmen die späteren Pharaone der 19. und 20. Dynastie als stilistisches Merkmal für ihre Gei ber. Aber nicht nur in der Architektur, auch in der Dekoratiag ging Haremhab neue Wege. Erstmals sind in seinem Grab *II Wände mit kolorierten Flachreliefs geschmückt statt einfad nur bemalt. Und das traditionelle Jenseitsbuch Amduat ersetrz er durch das erst sper populär werdende Pfortenbuch, das hie zum ersten Mal auftaucht.
Am 22. Februar 1908 entdeckte der britische Ägyptologe FJ ward Russel Ayrton das Grab, als er im Auftrag des amerilcani schen Millionärs Theodore Davis im Tal der Könige unterm war. Allerdings hatten Grabräuber bereits ganze Arbeit gelte tet. Von der ursprünglichen Ausstattung fand Ayrton ledigid Trümmer, so von lebensgroßen Wächtergestalten, mehrere Liegen, Modellbooten, Stühlen und den Kanopenkrügen. Sie .irr gen zwischen Unmengen von Bauschutt und vertrockneten

mengirlanden. Auch an dem Sarkophag aus Rosengranit hatten die Eindringlinge ihre Zerstörungswut ausgelassen, der Deckel war zerschlagen. Darin lagen ein Schädel und einige Knochen. Allerdings gehörten sie wohl zu mehreren Individuen — und ob eines davon tatsächlich Haremhab war, wird sich wohl nie mehr herausfinden lassen. Eigentlich plante Ayrton, das Grab und die Funde darin detailliert zu veröffentlichen. Doch dazu kam es nie. Selbst seine Aufzeichnungen sind heute verschwunden.
Der Journalist Arthur Weigall jedenfalls zeigte sich ergriffen im Angesicht der Verwüstung im Grab: »... hier, wo lebhafte und gut erhaltene Wandgemälde auf einen bunten Haufen zer¬schlagener Holz- und Knochenfragmente herabblicken, spürt man, wie hart des Geschickes Mächte mit den Toten verfahren. Wie weit schien der große Kampf zwischen Amun und Aton; wie vergeblich all die Anstrengungen, die Haremhab so ruhm¬reich meisterte!«
Wieder einmal kam der Tod zu früh. Als Haremhab starb,
w aren die Dekorationen der Wände seines Grabes noch nicht Dllendet. Die Macht am Nil übernahm nun sein Vertrauter Wesir Paramessu. Auch wenn Haremhab mit vielem, was seine -.3rgänger begonnen hatten, brach, betrachtete er doch zeit sei¬:: s Lebens seine Herrschaft als Fortsetzung ihrer Regierungen. i_nders Paramessu, der als Ramses I. in die Geschichte einge-
§ tri sollte. Mit ihm begann die Zählung einer neuen Dynas-7-f. Lange Zeit sollte dem Begründer der 19. Dynastie auf dem
-Iron nicht mehr bleiben, er war bei Regierungsantritt bereits
50 Jahre alt. Doch um seine Nachfolge brauchte er sich izzne Sorgen zu machen. Ramses I. hatte, als er Pharao wurde, r Sethos I. nicht nur einen Sohn, sondern sogar einen Enkel: Te umses II., der unter dem Beinamen »der Große« zu einem der bedeutendsten Herrscher Ägyptens werden sollte.
Für einen Archäologen, der bei seiner Arbeit penibel jeden noch so kleinen Stein in Fundlage einzeichnete, waren die Angaben zu seiner eigenen Person erstaunlich unpräzise. »Geboren am 9. Mai 1873« reichte Howard Carter als sein Geburtsdatum für den Eintrag in das Who'sWho ein, das Personenlexikon der bri¬tischen Gesellschaft. Tatsächlich aber hatte der Mann, der spä¬ter im Alter von 48 Jahren das Grab Tutanchamuns entdecken sollte, erst 1874 das Licht der Welt erblickt. Jedes Jahr wieder bat die Who'sWho-Redaktion erneut um eine Bestätigung und gegebenenfalls Änderung der biographischen Angaben — und Jahr um Jahr nickte Carter das falsche Geburtsdatum ab, ohne es zu korrigieren. Erst nach seinem Tod entdeckte seine Nichte Phyllis Walker zufällig beim Blick auf seine Geburtsurkunde, dass sämtliche Zeitungsberichte und Nachrufe von diesem Ein-trag abgeschrieben und ihn ein Jahr älter gemacht hatten, als er tatsächlich war. »Es ist seltsam, dass Carter sein Alter nicht kannte«, merkte sein Kollege Alan Gardiner an. »Ich bin mir meines nur allzu deutlich bewusst.«
Das falsche Geburtsdatum blieb nicht die einzige Ungenauig-keit in dem kurzen Who'sWho-Absatz zu seinem Leben. Geboren sei er in Swaffham, gab Carter dort weiterhin an, einem kleinen Ort in der Grafschaft Norfolk. Sowohl seine Geburtsurkunde als auch autobiographische Notizen späterer Zeit aber verraten,

wo Carter tatsächlich geboren wurde: nicht in Swaffham, große Teile seiner Kindheit verbrachte, sondern in 10 Rich 7,-race in Earl's Court, einem Stadtteil des Londoner
Kensington and Chelsea. Howard Carter kam als elftes 1C.:_rxJ seiner Eltern zur Welt, drei seiner Brüder waren allerdings zuvria im Säuglingsalter verstorben. Sein Vater Samuel Carter arbei:ez als Zeichner, auf Anfrage malte er Porträts und Tiere der reichn Nachbarschaft in seinem Heimatdorf Swaffham. Doch er -...z.-terhielt noch einen zweiten Job in London, als Tierzeichner die Illustrated London News. Für diese Arbeit leistete die Farn_it sich das »Stadthaus« in Earl's Court — mit großen Käfigen Garten, in denen Samuel Carter verschiedene Tiere als Übur....e objekte für seine Zeichnungen hielt. In seinen biographisIm Notizen romantisiert Carter das elterliche Domizil. Ein mütliches altes Haus« sei es gewesen, mit einem »wunder.:-.2 ren Garten mit schönen Bäumen und Gehegen voller Tier-4 Seine Geburt verlegte er trotzdem nach Swaffham. Viellei schien der »Landsitz« in der Nachbarschaft begüterter Adlizt dem Entdecker des Tutanchamun-Grabes einfach ein angerne senerer Herkunftsort als die beengten Verhältnisse in dem =II Geschwistern und Tieren vollgestopften Stadthaus in London.
Der kleine Howard kränkelte als Kind so sehr, dass seine 3 tern ihn nicht in tlie Schule, sondern zu seinen Tanten nad Swaffham schickten und ihn zu Hause unterrichten ließe: Der Verzicht auf Schulkameraden und Freunde prägte ihn den Rest seines Lebens. Selbst auf dem Zenit, als berühmtem Ägyptologe der Welt, sollten ihn noch Minderwertigkeitskrm plexe plagen. Vor fachlichen Auseinandersetzungen mit snitie: ten Archäologen scheute er, der weder eine ordentliche Schi noch Universitätsausbildung absolvieren durfte, sich gewahii Seine Bedenken kamen nicht von ungefähr. Auch wenn Carla

später viel schrieb, seine Rechtschreibung richtete sich auch als Erwachsener oft noch nach Gehör statt nach grammatischen Regeln, die Zeichensetzung folgte einer gewissen Willkür.
Das Schreiben war offenbar nicht sein Talent. Doch eine andere Begabung kristallisierte sich schon früh heraus: Carter hatte das väterliche Zeichentalent geerbt. Der Beruf seines Va-ters prägte ihn von Beginn an. Auch in späteren Jahren schaute er noch bewundernd auf das zurück, was er auf dem Skizzen-block seines Vaters täglich entstehen sah: »Als Tiermaler von einigem Ruhm (...) war er einer der sichersten Zeichner, die ich je kennenlernte. Seine Kenntnisse in vergleichender Anatomie und seine Erinnerungen an Formen waren unübertroffen. Er konnte mit Leichtigkeit jedes Tier in der Bewegung perspekti¬visch aus dem Gedächtnis malen.«
Howard war nicht das einzige der Carter-Kinder, das dieses Talent geerbt hatte. Zwei seiner Brüder, William und Verney, sollten sich später ihren Lebensunterhalt ebenfalls mit dem Zeichnen verdienen. William malte im Laufe der Zeit mehrere sehr schöne Porträts von seinem jüngsten Bruder Howard. Im Museum von Swaffham hängt eines davon, das ihn als Acht-jährigen zeigt. In der Zeichnung fängt William nicht nur die markanten Gesichtszüge ein, sondern auch den skeptischen, zurückgezogenen und zugleich sehr aufmerksamen Blick, mit dem Carter auch auf späteren Fotos noch in die Kamera schaut. Seine einzige Schwester Amy malte Miniaturen. Und ein weite¬rer Bruder, Edgar, lebte die künstlerische Ader als Designer von Uhrzeigern und Zifferblättern aus.
Bereits als Junge wurde Howard Carter künstlerisch geför¬dert, vor allem von der wohlhabenden Lady Amherst. Wahr¬scheinlich lernte er die Amhersts auf deren Anwesen in Didling-ton kennen, unweit des väterlichen Hauses in Swaffham. Die

Familie hatte etwas, das den jungen Howard faszinierte: eir Sammlung ägyptischer Schätze. »(Die Sammlung) erweckte e, Verlangen in mir nach diesem Land«, schrieb Carter in seine autobiographischen Skizzen, »nach der Reinheit seines blaue Himmels, seinen blassen luftigen Hügeln, seinen Tälern, die y: angesammelten Schätzen des Altertums strotzen.«
Bei den Amhersts lernte Howard Carter auch seinen Mem( kennen, den nur sechs Jahre älteren Percy Newberry. Dieser a beitete im Auftrag des Egypt Exploration Fund in Beni Hasses wo während der Ersten Zwischenzeit und dem Mittleren Reic die Gaufürsten ihre Toten in ausgemalten Felsengräbern beig setzt hatten. Newberrys Arbeit bestand hauptsächlich darin, d Wandmalereien aufzunehmen — und für das Kolorieren sein Zeichnungen brauchte er jemanden, der mit Buntstiften ur Wasserfarben vertraut war. Lady Amherst empfahl dem Ägyi tologen jenen jungen Mann, der sich so sehr für ihre Sammlur begeisterte.
Howard Carter war gerade 17 1/2 Jahre alt — und heilfroh, se nem Schicksal als Haus- und Hofmaler des britischen Landade entfliehen zu können. »Um Geld zu verdienen, hatte ich darr begonnen, Porträts von zahmen Papageien, Katzen und biss gen, stinkenden Schoßhündchen zu malen«, schrieb er spät über die Anfänge seiner Karriere. »Auch wenn ich immer e großer Liebhaber von Vögeln und Tieren war — schließlich b ich mit ihnen aufgewachsen — so hasste ich doch diese gar besondere Spezies, die man Schoßhunde nennt.« Um sich a seine Reise vorzubereiten, verbrachte Carter den Sommer ur Frühherbst des Jahres 1891 im British Museum und malte Sir durch dessen Bestände.
Ende Oktober kam der junge Zeichner in Ägypten Schnell erkannte Newberry sein Talent und ließ ihn nicht ni

Zeichnungen ausfüllen, sondern auch eigene anfertigen. Voller Enthusiasmus kopierte Carter nun die Wandmalereien, die an vielen Stellen vor Staub und Dreck aus vier Jahrtausenden und den Resten ausgehärteter Hornissennester kaum noch zu erken-nen waren. Nachts schliefen die Forscher an dem einzigen Platz, der kühl genug war: in den Grabtempeln. Ein Schlafplatz, den sie sich mit Fledermäusen teilen mussten.
Bald wurde klar: Der 17-jährige Carter hatte noch weitaus mehr Talente als nur das Zeichnen. Er begeisterte sich für die Bilder, die er kopierte. Wer waren diese Götter mit den Tierköp-fen? Und was bedeuteten die seltsamen Schriftzeichen? Wenn Carter eines gewohnt war, dann, sich selbst etwas beizubringen. Also beschäftigte er sich nebenbei mit der ägyptischen Kultur und brachte sich das Lesen der Hieroglyphen bei. Was andere in Oxford oder Cambridge gepaukt hatten, lernte Carter im Feld.
Und zwar in so rasendem Tempo, dass der britische Archäo-loge Sir William Matthew Flinders Petrie bereits im Winter den jungen Carter von Newberry »ausborgte« — nicht als Zeichner, sondern als Ausgräber. Petrie war ein außergewöhnlicher, aber auch sehr schwieriger Mensch. Wie Carter hatten auch seine Eltern ihn zu Hause erzogen, eine Schule hat er nie besucht. Al-:erdings war sein Vater ein Elektroingenieur und seine Mutter, TDchter des Australien-Vermessers Matthew Flinders, war Ägyp-:ologin und sprach sechs Sprachen fließend. Flinders Petrie gilt Ls Begründer der systematischen Feldarchäologie in Ägypten — szatt einfach nur nach Schätzen zu wühlen, grub er als Erster mit 7._odernen wissenschaftlichen Methoden. Doch wer für ihn ar-Dfiten wollte, musste einiges in Kauf nehmen. Der Tag begann
:t dem Schrillen seiner Trillerpfeife. Trödeln war bei der Arbeit .ezenso verboten wie singen. Zudem war das Leben im Camp
artanisch. Über die Verpflegung auf der Grabung hieß es: »Bei

Petrie lebte man von Sardinen, und wenn man die Sardinen gi gessen hatte, aß man die Dose.« In den Genuss der Petrie'sche Dosendiät kam später auch der britische Offizier, Archäolog Geheimagent und Schriftsteller T. E. Lawrence, besser bekam als Lawrence von Arabien. Er notierte amüsiert, dass ihm ai der Grabung in Tarkhan am Westufer des Nils »Dosenbohne gemischt mit Mumienteilen und Amuletten in der Suppe« vo gesetzt wurden. Der erste Eindruck, den Howard Carter vc Flinder Petries Kochkünsten bekam, war dagegen noch übern schend positiv. Nach einem ersten Besuch von Newberry un Carter auf Petries Grabung notierte der junge angehende A chäologe begeistert, es gab dort »heiße Linsensuppe, pochier Eier, heißen Kaffee, Pfannkuchen und Kirschmarmelade!«.
Hielt man sich an die Regeln im Camp und maulte nicl über das Essen, konnte man viel von Flinders Petrie lernen. A' ßerdem führte er neue Methoden am Nil ein. Er zahlte seine einheimischen Grabungshelfern eine Prämie für jeden Fun( Das war damals absolut unüblich, so aber konnte Flinders Petr sichergehen, dass seine Arbeiter ihm die Funde präsentierten und nicht irgendwelchen zwielichtigen Kunsthändlern.
1891 grub Flinders Petrie in Amarna — der Hauptstadt d( »Ketzergottes« Mitlaton. Die Grabung erregte das Interes: von William Tyssen-Amherst — der ehemalige Swaffhami Nachbar der Familie Carter und guter Bekannter von Per( Newberry. Tyssen-Amherst und Flinders Petrie handelten eine Deal aus. Der Kunstsammler würde die Ausgrabung final ziell mit 200 Pfund unterstützen — und im Gegenzug einig der gefundenen Stücke für seine Sammlung erhalten. Flinde Petrie wollte zwar das Geld — sich jedoch nicht mit Tyssei Amherst persönlich auseinandersetzen müssen. Also suchte nach einem jungen Ausgräber, der im Auftrag des Kunstsamn

lers, aber unter seiner Kontrolle eigenständige Ausgrabungen vornehmen könne. Die Wahl fiel, wahrscheinlich unterstützt durch Newberry, auf Howard Carter. Die Arbeit mit Flinders Petrie sollte Carter nachhaltig prägen. »Das Zusammentreffen mit Flinders Petrie, einem Mann mit einfachen Vorlieben, aber auch mit kritischem Urteilsvermögen, aus dem er das Selbst-vertrauen und die Kraft schöpfte, archäologische Probleme zu lösen, bleibt eine der beeindruckendsten Begebenheiten meines Lebens«, schrieb er selber über diese Zeit. Trotz aller generellen zwischenmenschlichen Defizite respektierten und schätzten sich die beiden schwierigen Männer. Carter fühlte sich verstanden: »Abgesehen vom Ausmaß und der Genauigkeit seines Wissens erfreuten mich als Künstlersohn vielleicht seine Anerkennung der Künste am meisten.«
Als Carter am 2. Januar des Jahres 1892 in Amarna ankommt, ist er immer noch keine 18 Jahre alt. Als Erstes muss er allerdings seine Unterkunft selber bauen. Der spartanische Flinders Petrie beschreibt später in seinem Bericht zu den Ausgrabungen, wie so etwas geht: »Solche Räume können sehr schnell errichtet wer-den, für eine Hütte mit den Maßen zwölf mal acht Fuß benötigt es nur wenige Stunden. Die Ziegel können für zehn Pence das
ausend gekauft werden; die Jungs machen einen großen Lehm-Kuchen, eine Reihe Ziegel wird auf den Boden gelegt, eine Reihe :_e_hm darüber gegossen, eine weitere Reihe Ziegel in den Lehm __drückt, so dass sie zusammenpassen, und so entsteht schnell
_ne Mauer aus Bindern, die von gelegentlichen Lagen Läufern 7.-.rützt wird. Das Dach wird aus Brettern gemacht, bedeckt -_-_:t Hirsestengeln, um es gegen die Sonne zu schützen; und die
tte ist fertig für den Gebrauch, mit einem Stück Tuch über zem Eingang. So eine Unterkunft ist wesentlich besser als ein 1..f.r; und als wir den Ort wieder verließen, stellten wir fest, dass

jeder Einheimische sich so große Sorgen machte, wir könnte das Baumaterial jemand anderem geben, dass wir Angebote b kamen für all unsere Ziegel, Bretter und das Stroh, die fast de Neupreis deckten.«
Carter baute seine Hütte am 3. Januar. Stühle oder Tiscl betrachtete Flinders Petrie als verschwenderischen Luxus, w unter ihm arbeitete, musste sich mit Kisten als Mobiliar b gnügen. Er teilte Carter seinen Monatsvorrat an Lebensmittel in Dosen zu und ermahnte ihn, auf keinen Fall die leeren D1 sen im Müll zu entsorgen — sie dienten auf der Grabung a Fund- und Sortierbehältnisse. Dienstpersonal gab es nicht. »k muss mein eigenes Bett machen, den Dreck wegräumen, meh Mahlzeiten vorbereiten, kochen und spülen«, schreibt Carter sein Tagebuch.
Eine Woche lang nimmt Flinders Petrie seinen neuen Schül an die Hand, und am 12. Januar beginnt der ehemalige Hilf zeichner Howard Carter seine Arbeit als eigenständiger Au gräber. In seinem Tagebuch notiert Flinders Petrie währer dieser Tage seinen ersten Eindruck von dem jungen Man »Mr Carter ist ein gutmütiger Junge, dessen Interessen ga und gar im Zeichen und in der Geschichte liegen; er begin mit dem Graben nur, weil er gerade zur Hand und bequem f Mr Amherst ist; und es wird mir nichts bringen, ihn als Ausgi ber auszubilden.« Dass diese Einschätzung nach nur wenig Tagen vorschnell getroffen war, sollte Flinders Petrie später m, ken. Und Howard Carter empfand Dankbarkeit für die ha Schule, durch die der ältere Kollege ihn schickte. In seinen au biographischen Skizzen schrieb er: »Das Training bei Petrie wi rend der monatelangen harten Arbeit verwandelte mich w in eine Art Forscher — systematisch graben und untersuchen
Bisweilen wurde Flinders Petrie sogar nahezu menschli


Anfang Mai erreichte ein Telegramm an Howard Carter die Grabung. Flinders Petrie drückte es dem jüngeren Kollegen in die Hand und sagte ihm »mit einem Ausdruck unbeschreib-licher Trauer« in der Stimme, er solle in seine Hütte gehen, um es dort zu lesen. Samuel John Carter war gestorben — genau eine Woche vor dem 18. Geburtstag seines Sohnes. Die Nachricht stürzte Howard Carter in eine Sinnkrise. Der sonst so zielstre-bige junge Mann fragte sich plötzlich, »was in aller Welt ich in einem anderen Beruf suchte als dem, den mich mein Vater gelehrt hatte ... War es wirklich besser, zwischen staubigen Hü-geln und den Überresten vergangener Zeiten zu graben, mein eigenes Zimmermädchen zu sein, Dosenmahlzeiten einzuneh-men und mich wie ein Dienstbote zu fühlen?«
Die düsteren Gedanken legten sich aber, sobald Carter sich wieder voll in die Arbeit stürzte. Vielleicht ein wenig zu enthu-siastisch — denn nach einigen Wochen begannen die Belastung und vor allem die Hitze des nun beginnenden ägyptischen Som-mers Carter zuzusetzen. Und nicht nur ihm, auch der sonst so zihe Flinders Petrie kränkelte zusehends. Ein vorbeireisender 7. tischer Arzt diagnostizierte den beiden Workaholics Erschöp-_ag und verschrieb »Valentines Fleischextrakt, Sekt und To-=c«. Doch die halfen nicht weiter. Flinders Petrie beschloss, fürs Erste die Zelte abzubrechen und nach England zurückzukeh-ren. Carter beugte sich der Zwangspause nur unwillig. Kaum urte er britischen Boden betreten, sehnte er sich schon wieder -Lizach, an den Nil zurückkehren zu dürfen.
Zum Glück blieb nicht viel Zeit, um Trübsal zu blasen. Flin-zer.s Petrie brauchte Carter in London, wo es galt, die Fundstü-aus Amarna zu sortieren und eine Ausstellung vorzuberei--er- Und Anfang Dezember war es wieder so weit. Carter packte Sachen und reiste zurück nach Ägypten, um dort unter

Newberry die Arbeiten in Beni Hassan wieder aufzunehrr. die er für die Ausgrabung in Amarna unterbrochen hatte.
war er glücklich. »Ich kenne keinen gesünderen oder schöne Platz«, schrieb er in sein Tagebuch. »Von der Felsterrasse a sieht man die großartige Natur. (...) Dieser Anblick einer gedämpfte Farben getauchten Landschaft, kühl im Gegens zum goldenen Leuchten des Abendhimmels, bietet wahrha ein Bild des Landes der Verheißung.« Heftige Regenfälle Z Va gen die kleine britische Truppe allerdings bald zum Unizi nach El-Bersha, ein paar Kilometer nilaufwärts. Hier lagen d Gräber der Fürsten des Hasengaus, mit denen Carter eben bereits bestens vertraut war. In seiner Freizeit zog er mit seine Zeichenblock in die Natur und malte Tiere. Mitunter nahm auch eine Schrotflinte mit. Aber Carter war kein guter Schütz Die Versuche, auf diese Weise den Speiseplan zu bereichern. ei deten abrupt, als er eine Wildgans nur anschoss und er ihr beim Sterben in die Augen schauen musste. Carter schämte sich sei und ließ die Flinte fortan zu Hause. Trotzdem müssen Wa Jagdausflüge etwas in ihm berührt haben, denn im Who, gab er Jahre später als einziges Hobby »Jagd« an.
1893 schickte der Egypt Exploration Fund Carter nach [XI el-Bahari, wo der Seweizer Ägyptologe Henri Edouard N den Totentempel der Königin Hatschepsut freilegte. Na galt gemeinhin als fahrlässiger Schatzsucher, der bei »A arbeiten« gerne mal den einen oder anderen Fund unwei zerstörte, wenn dieser ihm nicht wichtig genug erschien. konnte schließlich durchsetzen, dass dem Kollegen der von trainierte Carter als Zeichner zur Seite gestellt wurde. So, er, könne das Schlimmste verhindert werden. Der Egypt ploration Fund sah in Carter zu diesem Zeitpunkt bereits nur einen der besten Zeichner Ägyptens, sondern auch

erfahrenen Ägyptologen — dabei hatte der seinen 20. Geburtstag noch nicht gefeiert. Sechs Jahre lang blieb Carter bei Naville in Deir el-Bahari. Hier durfte er machen, was er am besten konnte: Zeichnen. Mit der Freiheit, die Naville ihm gewährte, entwi¬ckelte er seine eigene Technik und seinen eigenen Stil für das Ko¬pieren ägyptischer Kunst, der die Wissenschaft über Jahrzehnte prägen sollte. Auch wenn Howard Carters Zeichnungen zu den besten Dokumentationen ägyptischer Werke zählen, gefielen seine Arbeiten nicht jedermann. Thomas Hoving, der zehn Jahre lang von 1967 bis 1977 dem New Yorker Metropolitan Museum of Art als Direktor vorstand, ließ kein gutes Haar an Carter. Über die Einstellung als Zeichner bei Naville fällte er in seinem Buch Der Goldene Pharao ein vernichtendes Urteil: »Der Zeich¬ner Carter (...) schien prädestiniert für diese Tätigkeit: ruhig, zurückhaltend, in Anwesenheit Höhergestellter etwas unsicher und ein äußerst hingebungsvoller Arbeiter. Gerade die Tatsache, dass seine Aquarelltechnik keinerlei stilistische Eigenwilligkeit zeigte, machte den jungen Künstler für die Aufgabe geeignet. Er konzentrierte seinen Blick und seine Finger völlig auf die maß-stabgerechte und farbentreue Wiedergabe der Objekte. Eine Anzahl Aquarelle Howard Carters sind im Metropolitan Mu-seum ausgestellt. Sie offenbaren peinliche Genauigkeit, große Originaltreue — und Leblosigkeit.«
Carter zeichnete nicht nur für Naville, er übernahm auch immer wieder Restaurierungsarbeiten. Und in seiner Freizeit :Lachte er immer noch das, was er bereits in El-Bersha getan -uzte — er streifte, meist mit dem Zeichenblock bewaffnet, z...:rch die umliegende Landschaft. Wildvögel gab es in Deir el--4.hari allerdings nicht. Dafür zog es Carter immer wieder in die :enachbarten Täler: das Tal der Könige im Nordwesten und das 71.. der Königinnen im Südwesten. Während seine Altersgenos-

sen daheim in England ihre Tage damit verbrachten, Part-. besuchen, gesellschaftliche Kontakte zu knüpfen und mögli Heiratskandidaten zu finden, durchstreifte er lieber die un lichen, glühend heißen Täler mit den Gräbern längst versto ner Könige. So oft und so lange, bis er jeden Stein kannte.
Mit dem Jahrhundert gingen auch die Arbeiten in Deir Bahari zu Ende und die dort arbeitenden Ägyptologen wurzeln
für neue Posten frei. Gaston Maspero, Direktor der ägyp Altertümerverwaltung, holte sich den nun 25-jährigen und bot ihm eine äußerst prestigeträchtige Stelle an: Ins für die Denkmäler von Oberägypten und Nubien mit Am in Luxor. Sein erster Arbeitstag war der 1. Januar 1900. begann damit, erst einmal gründlich in »seinem« Tal der Kö aufzuräumen. Er ließ den Schutt aus den Gräbern entfernen. gegen Wasser abdichten, die Schlösser austauschen und den ten Eselställen den schon so lange notwendigen neuen verpassen. Bald rollten zudem riesige Kabeltrommeln durch Tal. Die sechs bekannten Königsgräber sollten endlich el sches Licht bekommen.
Im März widmete er sich einer Aufgabe, die er schon ger auf dem Plan hatte. Bereits 1898 war auf dem He' zu seinem Haus seife Pferd mit einem Huf in ein Bode getreten und gestürzt. Statt gleich wieder aufzusteigen und terzureiten, hatte Carter das mysteriöse Loch untersucht —grobes Mauerwerk entdeckt. »Ich vermutete, dass es eine Öffnung im Talboden handelte, die zu einem unter schen Gewölbe oder Grab führte«, notierte er. Damals hatt., ville den jungen Kollegen allerdings nur ausgelacht. Nun Carter ihm beweisen, dass er recht gehabt hatte. Er stellte derte Arbeiter ein, die zunächst rund 3000 Kubikmeter S - beiseiteschaffen mussten. Schließlich entdeckte sein Vor

am Fuß eines senkrechten Schachtes eine versiegelte Falltür. Carter war sich sicher: Dies musste ein unberührtes Grab sein. Für den Tag der Öffnung waren illustre Gäste geladen. Neben Maspero erschienen der Earl of Cromer als britischer General-konsul und der ägyptische Premierminister Mustafa Pascha. Um die Herren an den Grund des Schachtes transportieren zu können, hatte Carter eigens einen fahrbaren Korb installieren lassen.
Was dann folgte, hielt Carter in seinem Tagebuch fest: »Ich hatte alles vorbereitet. Der langersehnte Augenblick war gekom-men. Wir waren bereit, das Geheimnis hinter dem Mauerwerk zu lüften. Der Vorarbeiter und ich fuhren hinab, und wir ent¬fernten gemeinsam die schweren Kalksteinplatten, eine nach der anderen. Endlich war die Tür offen. Sie führte direkt in einen kleinen Raum, der teilweise mit Steinstückchen gefüllt war, so, wie der ägyptische Maurer ihn seinerzeit hinterlassen hatte. An-sonsten war die Kammer, bis auf einige Tonkrüge und Holz-stücke, leer. Zunächst dachte ich, es müsse noch eine Tür zu einer weiteren Kammer geben, aber eine flüchtige Untersuchung zeigte, dass nichts dergleichen der Fall war. Ich war bestürzt.« -Howard Carter musste seine erste große Pleite hinnehmen.
In diesen Jahren besaß der amerikanische Rechtsanwalt und Millionär Theodore Monroe Davis aus Newport, Rhode Island, zie Grabungslizenz für das Tal der Könige. Für ihn führte Car¬-er mehrere Ausgrabungen durch, die ihn bald wieder auf an-zere Gedanken brachten. Zwischen 1902 und 1904 entdeckte r7 für Davis die Gräber der Pharaonen Thutmosis IV. aus der
S. Dynastie und Merenptah aus der 19. Dynastie. Auch die uze Ruhestätte von Hatschepsut fand er, in deren Totentempel :älter nur wenige Jahre zuvor für Naville noch die Wandmale--nen abgezeichnet hatte. Das Grab, das heute die Bezeichnung

KV 20 trägt, wurde möglicherweise für Hatschepsuts Vater gelegt und von der Herrscherin erweitert. Sein Sarg stand neb ihrem — allerdings enthielten beide keine Mumien mehr. Led lich ein Zahn war im Grab verblieben.
Die Reihe von Enttäuschungen machte den Einzelgänger der folgenden Zeit nicht gerade geselliger. Carter kaufte si ein Boot und fuhr in seinen freien Stunden damit durch Schilfgürtel des Nil. Dort lag er dann, getarnt mit Stroh, stu denlang bewegungslos und beobachtete Pelikane. Wenn es ih doch nach Gesellschaft verlangte, mied er die europäischen C lehrten und ging stattdessen ins Kaffeehaus, das seine Arbi ter ebenfalls frequentierten. Mittlerweile sprach er so fließe] Arabisch, dass die Ägypter ihn als einen der ihren akzeptierte Bei diesen Gesprächen im Kaffeehaus lernte er viel über c jahrtausendealte Gewerbe der Grabräuberei im Tal der König Bald wusste kaum jemand besser über die Familienclans c Plünderer Bescheid als der Inspektor für die Denkmäler 19 Oberägypten und Nubien höchstpersönlich.
Das Wissen konnte ihm jedoch gefährlich werden. Als nt unter seiner Aufsicht die Mumie von Amenophis II. aus 1 sen Grab gestohlewurde, zögerte er keinen Augenblick, soft die üblichen Verdächtigen vor das Gericht in Luxor zu zerre Doch es mangelte an Beweisen, das Gericht sprach sie frei. D Wohlwollen der Einheimischen hatte Carter sich mit dieser A tion jedoch verspielt, zu eng waren die Familienbande im 1 der Könige gewebt, zu verzweigt die Kanäle der Bestechung und Schweigegelder. Carter sah sich plötzlich mit unverhohl ner Feindseligkeit konfrontiert. Maspero blieb keine Wahl, musste Carter retten, indem er ihn dort herausholte und ih ein neues Inspektorat zuwies: Mittel- und Unterägypten n Wohnsitz in Sakkara.


Was Carter eigentlich gar nicht behagte — aus seinem ge-liebten Tal entfernt zu werden —, war in Wahrheit noch einmal ein gewaltiger Aufstieg. Hier lagen die ältesten Pharaonen aus dem Morgengrauen der ägyptischen Geschichte begraben unter klobigen Stufenpyramiden, aber auch Gräber aus jüngerer Zeit. Dazu kamen riesige Tierfriedhöfe. Den wohl beeindruckends¬ten hatte rund ein halbes Jahrhundert zuvor der Franzose Au¬guste Mariette entdeckt: das Serapeum, die letzte Ruhestätte der heiligen Apisstiere. Starb eines der Tiere in den oberirdischen Staulungen des Tempels, wurde es mit der gleichen Sorgfalt für die Ewigkeit vorbereitet wie die Pharaonen. Dafür stand im Tempelbezirk sogar ein eigenes Balsamierungshaus. Unter der Anlage zog sich ein Gang mit Nischen, in denen die Stiere in Granitsarkophage gebettet wurden. Mariette fand 28 Grabni-schen mit 24 Sarkophagen. Jeder Einzelne wog 70 bis 80 Ton-len, es sind die größten bekannten Sarkophage des gesamten Altertums. Wenn es in Ägypten noch Schätze zu finden gab, riann in Sakkara — und nicht in den leeren Löchern im Tal der Könige. Dreimal hatte Flinders Petrie sich um eine Grabungs-
· :onzession für Sakkara bemüht — dreimal war er abgewiesen orden. Dies sollte nun Howard Carters neues Revier werden. Die Episode in Sakkara währte jedoch nicht lange. Am 8. Ja¬- _iar 1905 kam es im Haus Mariettes zu einem unschönen Zwi-..:henfall mit einer Gruppe französischer Touristen. Die waren ,::non nicht mehr ganz nüchtern, als sie Eintritt ins Serapeum erlangten. Einige von ihnen weigerten sich, für die Tickets zu mahlen. Die Aufseher waren strengstens angewiesen, mög-lst keinen Streit mit ausländischen Besuchern vom Zaun _ Drechen, und ließen sie gewähren. Doch damit nicht genug. erzen wollten sie für die stockdunklen unterirdischen Gänge _n Stiertempels haben, pöbelten sie. Als die Aufseher ihnen

mitteilten, dass sie keine Kerzen hätten, forderten die restlic:_fl
Al Franzosen ihr Geld zurück. Und zwar handgreiflich, einer walk ihnen riss einem Aufseher sogar den Fez vom Kopf, warf ihn den Boden und trampelte darauf herum. Als der herbeigeruhet- iel Howard Carter vor Ort eintraf, hielten die Franzosen das Haug besetzt. Nun war Carter zwar vieles, aber gewiss kein Diplom. EinWort gab das andere, und als die französischen Besu anfingen, mit Stühlen zu werfen, erteilte Carter seinen den Befehl, sich endlich zu wehren — und zwar ausdrüc auch mit den »Nabuts«, den Schlagstöcken. Am Ende m die Polizei anrücken und die beiden Parteien trennen.
Carter nahm seine Leute in Schutz. »Ich möchte den sehern zu ihrem Verhalten während der Schlägerei mein drückliches Lob aussprechen«, beendete er seinen offizie Bericht an Gaston Maspero. Die Franzosen erzählten indes etre, ganz andere Geschichte. Natürlich hätten sie Eintrittskarten kauft, nur die Kinder habe man umsonst eintreten lassen —Nachfrage waren die gekauften Tickets allerdings nicht mehr auffindbar. Außerdem seien sie bewusst von Carters »BeduinetrA angegriffen worden ed hätten nur versucht, die Frauen unall Kinder ihrer Gruppe vor den Aggressionen zu schützen. giebig schilderten sie in der Zeitung L'Egypte am 12. Januar erlittenen Blessuren: Der Hauptbuchhalter einer Gasgesellschäte sei blutüberströmt mit einem Schädelbruch zu Boden gesunken ein Dekorateur der königlichen Paläste erhielt einen schwer Schlag mit dem Nabut auf seinen Rücken. Und überhaupt sich niemand darum gekümmert, einen Arzt zu rufen!
Die Angelegenheit entwickelte sich zum diplomatischen lemma. Maspero versuchte zu retten, was zu retten war, drängte Carter zu einer Entschuldigung bei den Franzosen. Dell jedoch weigerte sich standhaft. Er fühlte sich im Recht, eumel

Entschuldigung kam nicht in Frage. Auf seinem Posten in Sak-kara konnte Maspero Carter unter diesen Umständen nicht las-sen. Er versuchte es mit einem Kniff. Das Gebiet wurde aufge-teilt: Sakkara ging an den Flinders-Petrie-Schüler James Quibell, Carter sollte das Delta bekommen. Doch Carters Stolz konnte das nicht hinnehmen. Er reichte dreieinhalb Monate Urlaub ein und kündigte anschließend seinen neuen Ersatzposten.
Unterschlupf fand Howard Carter in seinem Tal — und zwar zunächst ausgerechnet bei jenem Wachmann, den er damals des Diebstahls der Mumie Amenophis' II. bezichtigt hatte. Wäh¬rend der Monate in Sakkara war offenbar genügend Gras über die Sache gewachsen. Drei Jahre lang schmollte Carter. Er hielt sich mit dem Verkauf von Aquarellen über Wasser und führte reiche Touristen auf Winterurlaub durch das Tal der Könige. Gelegentlich schob ihm Flinders Petrie den einen oder anderen Auftrag für die Bebilderung von Ausstellungskatalogen zu. So fand ihn im Winter 1907 Lord Carnarvon, als er nach einem Ausgräber suchte, mit dessen Hilfe er sein neues Hobby, die Ägyptologie, betreiben könne. Aber diese Geschichte soll in einem anderen Kapitel erzählt werden.
* * *
Carters Halsstarrigkeit, Bockigkeit und seine Arroganz sollten ..iun noch öfter zum Verhängnis werden. Diese Charaktereigen-haften waren es letztendlich auch, die dazu führten, dass ihm Jahre später von den ägyptischen Behörden der Zutritt zu -zem Grab verwehrt wurde, dessen Fund ihn so berühmt ge¬macht hat. Ende März 1924 fand er sich in England wieder — .-utschnaubend, bitter und wieder einmal ohne feste Anstel-_lg. Die britischen Kollegen waren schon lange auf höfliche

Distanz zu dem Ausgräber gegangen, den sie mangels einer - mellen Ausbildung nie wirklich zu einem der ihren gezählt _ ten. Vor dieser unterkühlten Atmosphäre zu Hause floh Car:, so schnell es ihm möglich war. Er ging nach Amerika — wo
mehr zählten als Herkunft oder akademische Grade. Eine \l tragsreise sollte es werden, auf der er vor allem auch dem .\ ropolitan Museum of Art in New York einen Besuch absta:-:t wollte, das ihn bei der Dokumentation des Grabes so tatkr.r:._ unterstützt hatte. Sein Kollege Arthur Mace sah dem gar= eher skeptisch entgegen: »Die ganze Sache mit den Vorträgen ziemlich heikel«, vertraute er sich einem Freund an. »Ich g 21111 nicht, dass Carter jemals einen gehalten hat, und er hat nid die geringste Ahnung, wie man dabei vorgeht.«
Amerika feiert ihn wie einen Popstar. Kaum hatte Car« am Karfreitag, dem 18. April, in New York im noblen Walclou Astoria eingecheckt, ging es auch schon los: Noch ehe Os= vorüber war, hatte er bereits zweimal im Metropolitan Muse _-of Art gesprochen. Am 23. April hielt er den ersten öffentlic- Vortrag in der Carnegie Hall. Trotz des exorbitant unversch.L_-: ten Preises von fünf Dollar für ein Ticket hätten die Veranst,—.7 leicht doppelt so viele davon verkaufen können, wie Zub.: - in den Saal passte Alle wollten den Entdecker des Tuta_-___. amun-Grabes sehen. Und hören: Entgegen aller Erwartung: brillierte Carter auf der Bühne. Mit sprühendem Charme, la nigen Anekdoten und einem Feuerwerk von 350 Dias hielt g sein Publikum bei Laune. Im Licht der Scheinwerfer
Carter zum mitreißenden Entertainer auf. Nichts erinnerte den Eigenbrötler, den Wutkopf, den schwierigen Misanthrort:-. der nur einen Monat zuvor gekränkt und mit eingekniffen;: Schwanz nach Großbritannien zurückgekehrt war.
Und das war erst der Anfang. Nach New York eroberte

Boston, Baltimore, Detroit, Chicago, Philadelphia, Pittsburgh, Cincinnati, Cleveland und schließlich sogar Kanada. Jeder Vor-trag war schon lange im Voraus ausverkauft, oft redete er am Folgetag noch ein weiteres Mal. Howard Carter war ein großer Bewunderer Charlie Chaplins. Vielleicht veranlasste ihn diese Verehrung des amerikanischen Komikers, sogar einige komische Elemente in seinem Vortrag auszuprobieren. Sein Publikum dankte es ihm mit schallendem Gelächter. Nach zwei Wochen hatte Carter 10 000 Pfund verdient — für damalige Verhältnisse ein riesiges Vermögen, zuletzt hatten seine Einkünfte in Ägyp-ten bei 500 Pfund pro Jahr gelegen.
Erst lange nach Carters Tod wurden die Aufzeichnungen sei-nes Agenten Lee Keedick aus diesen Tagen veröffentlicht. Sie zeigen die Schattenseite der Howard-Carter-Tournee. Überheb-. ch und hochmütig ließ Carter keine Gelegenheit aus, an allem ..ind jedem herumzunörgeln. So manches Mal stieg Keedick in diesen Momenten die Schamesröte ins Gesicht. »Nichts liebte 2r mehr als einen handfesten Meinungsstreit, sei es auch über
ie nebensächlichsten Dinge oder mit Kindern«, beklagte der trent sich über Carters Starallüren. »Taxifahrer, Hotelportiers, Ezsenbahnschaffner, Oberkellner und kleine Blumenmädchen,
alle mussten seine Schimpftiraden anhören und seine bis-
Jen Bemerkungen über sich ergehen lassen. (...) Selbst die —okomotivführer kamen nicht ungeschoren davon. Auf langen 2_2isen begab Carter sich gewöhnlich während des ersten Haltes :ich vorne zur Lokomotive und fragte den Führer, bei wem r7 Fahren gelernt habe, denn dies sei die übelste Fahrt seines
bens, so schlecht habe er die Maschine gesteuert. Dadurch :-eichte er jedoch nur, dass der Beleidigte jetzt erst recht wie
raste.« Carter schien es regelrechtes Vergnügen zu berei-
r-_ seine Umwelt rechthaberisch zu belehren. »Einmal, auf der

Reise von Montreal nach Ottawa, las er auf der Menükarte c kanadischen Speisewagens, man bitte um Stellungnahme, der Gast mit Speisen und Bedienung zufrieden gewesen sei. Speisekarte war sehr groß; doch Carter bekam es fertig, sie ; beiden Seiten mit verärgerten und kindischen Protesten vc zuschreiben; man solle eben kein Speisewagenunternehm betreiben, wenn man weder Ahnung davon noch Talent 1-besäße. Es machte ihm einen Riesenspaß, die Karte sorgfäl zusammenzufalten und persönlich an den Direktor der Ges( schaff zu adressieren.«
Am 18. Mai verlieh die Universität Yale Carter die Ehrende torwürde. Es war die erste und einzige akademische Anerke nung, die er jemals bekommen sollte. Während er sich jedo im Schein seines Ruhms sonnte, zogen in Ägypten schon ersten Gewitterwolken auf. Nach dem Abzug Carters aus dc Tal der Könige übernahmen Mitarbeiter des ägyptischen A tikendirektors Pierre Lacau die Arbeiten an dem Grab. Im 5 genannten Lunchgrab, das Carters Team als Kantine und I ger gedient hatte, fanden sie die Skulptur eines wunderschön Kindskopfes, mit ziemlicher Sicherheit Tutanchamun, der a einer blauen Lotelüte aufsteigt. Das »herausragende Objc der Kunst Echnatons« lag gut versteckt in einer leeren IU weinkiste des Londoner Lebensmittelhändlers Fortnum & son — und war nicht registriert. Die Aufregung war riesig. E Ägyptologe und spätere Direktor des Metropolitan Musew of Art Herbert E. Winlock — zu dem Zeitpunkt einer der sh nigen Freunde, die Carter noch in Ägypten verblieben waren versuchte, ihn zu warnen. Er schickte Carter ein Telegranu Damit die Presse es nicht abfangen würde, verschlüsselte den Text in einem Zahlencode, den die Mitarbeiter des Men politan Museums in Luxor für Notfälle bereithielten. »Zu I
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rem Schutz Aussage von Lacau und Engelbach (Anm.: Leiter des Ägyptischen Museums in Kairo), Sie hätten es im Auftrag von Lord Carnarvon 1923 als Echnaton gekauft«, informiert er den Freund. »Nicht bekannt, ob dies für die Wahrheit ge-halten wird.« Carter reagierte prompt und lieferte eine windige Erklärung — der Fund stamme aus dem Schutt der ersten Räu-mungsphase und sei beiseitegelegt worden, damit er restau-riert werden könne. Damit gaben sich die ägyptischen Behör-den zwar zufrieden — doch Carters Glaubwürdigkeit hatte erste Risse bekommen.
Trotzdem kühlten sich die Gemüter im Laufe des Jahres so weit ab, dass Howard Carter Ende des Jahres ins Tal der Könige zurückkehren konnte. Allerdings unter weitaus schlechteren Be-dingungen als zuvor. Sämtliche Funde gehörten nun dem Land lgypten. Lady Carnarvon wurde zwar eine Entschädigung für die Summen zugesichert, die ihr verstorbener Mann in die Suche nach dem Grab investiert hatte, diese beinhaltete jedoch keine Kunstgegenstände. Trotz allem war Carter froh und glücklich, Nieder am Grab sein zu dürfen. Die Amerika-Tour hatte ihm zutgetan. Vor allem war er umgänglicher geworden. Das beka-men die 12 300 Besucher zu spüren, die das Grab im Laufe des -ihres besuchten. Carter führte sie persönlich durch die Kam-mern und bespaßte sie gutgelaunt mit Teilen seines Vortrags.
Am Ende aber holte seine misanthrope Grundstimmung ihn .:oder ein. Gereizt und depressiv keilte er verbal gegen jeden i_s. In seinen Tagebüchern hielt er zusehends detailliertere Be-,mwerden fest. Die ägyptischen Inspektoren nervten ihn mit ::-en Fragen. Die Besucher fand er kaum mehr erträglich. Vor z_em, wenn sie prominent waren und damit mehr Aufmerk-..1.--nkeit einforderten: »Unsere Arbeit wurde zeitweilig wegen :f" Ankunft des schwedischen Kronprinzen eingestellt, dem

ich mich während seines dreitägigen Besuchs widmen musste Seine Freizeit verbrachte er mittlerweile auch nicht mehr in d freien Natur. Stattdessen saß er im Foyer des Winter Palace H tels, das ihm neben seinem eigenen Haus zum zweiten Wohnsi geworden war, wie ein verstaubtes Stück Inventar.
Eines jedenfalls unterließ Howard Carter: die wissenschaf liche Veröffentlichung der Funde. Zwar erschienen in Zusar menarbeit mit Arthur Mace drei ausführliche Bände mit sch nen Fotos und kurzen Beschreibungen ausgewählter Stüc sowie ein kleinerer mit einer Zusammenfassung. Die wisse schaftliche Auswertung des Materials nahm Carter aber nic einmal in Angriff. Einer der größten Kritiker in dieser Hinsic war Alan Gardiner, der Autor jenes umfangreichen Gramm tikwerkes, nach dem noch heute alle Studenten der Ägyptol gie die Hieroglyphen lernen. Das Ausbleiben der wissenscha. lichen Publikation wurde immer wieder zum Thema zwisch den beiden Männern. In einem Leserbrief an die Times krat2 Gardiner heftig an Carters Ego: »Alle Ägyptologen warten jet zuversichtlich auf eine detaillierte Publikation, umso mehr, Mr Carter der beste lebende archäologische Zeichner ist.« D öffentliche Seitenhieb auf seine fehlende Ausbildung muss sie für Carter angefüllt haben wie ein Zahnarztbohrer, der de Nerv zu nahe kommt. Selbst nach Carters Tod machte Garc ner das Ausbleiben der Publikation noch zum Thema. »Sch( 1926 sagte Carter mir, dass die Kosten einer solchen Veröffer lichung seiner Schätzung nach 30 000 Pfund betragen würder beschwerte er sich noch 1950. »Wer würde heutzutage eine sc che Publikation finanzieren?«
Trotz der ausbleibenden Veröffentlichung arbeitete Howa Carter rund neun Jahre lang in dem Grab Tutanchamuns. Dar aber war es unweigerlich leergeräumt. Am 17. März 1931 verli


ßen 39 letzte Kisten mit Grabinventar das Tal der Könige. Die Times bedachte das Ende der Arbeiten mit einem Leitartikel: »Tutanchamun — Der letzte Abschnitt« lautete die Überschrift. Das Rührstück feierte den Entdecker und Ausgräber ein letztes mal: »Mr Howard Carter, der Held, genießt jetzt die Genug¬tuung, sein Werk vollendet zu sehen.« Genossen hat Carter in seinem Leben allerdings nur wenig — und seinen Ruhestand ganz gewiss nicht. Zurück in London muss er zunächst ins Krankenhaus, um ein Blasenleiden auszukurieren. Dabei dia¬gnostizieren die Ärzte bei ihm ein Hodgkin-Lymphom, einen bösartigen Tumor des Lymphsystems.
Der hält ihn nicht davon ab, in den letzten Jahren seines Lebens immer wieder nach Ägypten zu reisen. Nach wie vor führt er Besucher durch »sein« Grab. Als Faruq I. 1936 mit nur 16 Jahren den ägyptischen Thron besteigt, fällt es Carter zu, den 'ungen Monarchen durch das Tal der Könige zu geleiten. Im Tross ist auch Faruqs späterer Biograph Adel Sabit. »Howard Carter ist eine kraftvolle und energiegeladene Persönlichkeit, aber grantig im Umgang mit Menschen«, schreibt dieser über Sie Tour mit dem Archäologen. »Touristen begegnet er mit der stärksten Abneigung. Carter kann trotzdem ein charmanter und iiteressanter Mann sein, wenn er nicht gerade Verwünschun-zen gegen die Altertümerverwaltung der ägyptischen Regierung ausstößt.« Während der Führung verrät Howard Carter dem angen ägyptischen König ein Geheimnis. Er wisse, behauptet :7. wo das Grab Alexanders des Großen läge. Nur wo das sei, --olle er nicht sagen: »Das Geheimnis wird mit mir sterben.«
Der Tod kam knapp drei Jahre später, am 2. März 1939. Als :atter in seiner Londoner Wohnung stirbt, ist seine Nichte - \ -Ilis Walker bei ihm. Herzversagen und Lymphdrüsenkrebs `_reibt der Arzt auf den Totenschein. Die Beerdigung auf dem

Putney-Vale-Friedhof vier Tage später ist dünn besucr.: ßer Phyllis Walker kommen aus der Familie nur sein B. William und sein Neffe Samuel John. Aber auch Lady- E Beauchamp steht am Grab, die Tochter Lord Carnarvons Archäologen hingegen bleiben fern. Nicht einmal einen K_ oder ein Trauergebinde schicken sie. Dafür lässt seine N trotzig in seinen Grabstein meißeln:
HOWARD CARTER
Archäologe und Ägyptologe
geboren 9. Mai 1874 — gestorben 2. März 1939
Sein Haus in Ägypten samt Inhalt vermacht Howard dem New Yorker Metropolitan Museum of Art — es ist immer noch mit den Originalmöbeln eingerichtet und zu den Touristenattraktionen in der Umgebung des Tals Könige. Seinen langjährigen Diener Abd el-Aal Ahmed bedenkt er mit 150 Pfund. Der Rest seines Besitzes gehr Phyllis Walker. Das Erbe, das die junge Frau damit antritt, kein leichtes. Bereits 1931, als er sein Testament niedersc mahnte Carter: »... end ich rate ihr dringend, hinsichtlich Verkaufs irgendwelcher ägyptischer Antiquitäten, die in Vermächtnis enthalten sind, meine Testamentsvollstrecker konsultieren.« Die Warnung war dringend notwendig g denn einige der Stücke in seinem Besitz waren extrem h Namenskartuschen oder andere Zeichen ließen keinen Zsg. offen. Sie konnten eigentlich nur von einem Ort stammen aus dem Grab des Tutanchamun, unregistriert, unveröffen Mit anderen Worten: gestohlen. Carters Nachlassverwalter. dar Fotograf des Metropolitan Museum of Art Harry Burton, steine eine Liste der fraglichen Stücke zusammen: eine grünblaue

serne Kopfstütze, ein großer Uschebti aus grüner Fayence, ein Paar Uschebtis aus Lapislazuli, ein kleines Libationsgefäß, ein Scheingefäß aus Fayence, ein Amulett, acht goldköpfige Nägel, drei goldene Geschirrverzierungen und ein Metallzapfen.
Hatte Carter, der laut Antikengesetz ohne Hoffnung auf Entschädigung alle Funde dem ägyptischen Staat ausliefern musste, sich heimlich bedient, weil es ihm seiner persönlichen Überzeugung nach zustand, selber einige Stücke zu besitzen? Oder stammten sie vielleicht aus dem Erbe Carnarvons — und Carter hatte sie all die Jahre geheim gehalten, um den Ruf seines alten Freundes zu schützen? Fest steht, dass sowohl Carter als auch Carnarvon immer recht großzügig mit den Funden um-gegangen waren. Bei einer Party kurz vor Weihnachten 1922 reichte Carnarvon ungeniert Funde aus dem Grab unter den Gästen herum. Auf Carters Schreibtisch zu Hause in London stand offen für jeden sichtbar eine Uschebti-Figur Tutanch-amuns.
Harry Burton fühlte sich überfordert. Der Nachlassverwalter wandte sich an Percy Newberry und der wiederum suchte Rat bei Alan Gardiner. Korrekt wie Gardiner war, wandte der sich wiederum ans Außenministerium — doch das hatte angesichts des just aufziehenden Zweiten Weltkrieges ganz andere Sorgen als die Uschebtis eines längst verstorbenen Pharaos. Untersekre-tär Laskey notiert in seinen Aufzeichnungen: »Ich nehme an, die Gegenstände müssen zurückgegeben werden. (...) Ich würde sie Feber in die Themse fallen lassen.« Der Kairoer Museumsdirek-:Dr Reginald Engelbach bot an, die Stücke einfach heimlich in L-2n Museumsbestand aufzunehmen. Burton selbst dachte eher 12. das Metropolitan Museum of Art in New York, dem Phyllis 7:31ker die Gegenstände ja — natürlich unter strengster Geheim-
tung »schenken oder verkaufen« könne.

Schließlich schrieb Phyllis Walker selbst im März 1946 t Brief an den Generaldirektor des ägyptischen Antikendie:-V.tienne Drioton — und endlich wollte tatsächlich jemand fragwürdigen Schätze haben. Drioton wandte sich an Faruq persönlich, der sich spontan anbot, bei der Rüc behilflich zu sein. Walker sollte die Stücke versiegelt dem tischen Konsulat in London übergeben, von wo aus sie in die Hände des Königs weitergeleitet würden. Trotzdem es noch über sechs Jahre dauern, bis die Kunstwerke hei ten. Erst am 12. Oktober 1946 schrieb Phyllis Walker an Newberry, die »Objekte« seien nun endlich wieder in Äg. wo König Faruq persönlich sie dem Ägyptischen Museum Kairo aushändigte.
Als Alan Gardiner von der Transaktion erfuhr, zeigte der allerdings wenig erstaunt. »Ja natürlich, ich wusste alles über Übergabe der Stücke aus dem Grab an die ägyptische Botschili Ich hatte dies Carter selbst die ganze Zeit empfohlen«, bernerim er gegenüber Newberry. Offensichtlich hatte Carter also zu Lebzeiten nach Wegen gesucht, die fraglichen Gege unauffällig wieder iihr Heimatland zurückzuschaffen.
Bis heute aber tauchen mehr und mehr Objekte auf, die ei noch viel schlimmeren Verdacht schüren: Die Gegens auf Burtons Liste könnten nur die Spitze eines Eisbergs sen sein. Besonders schwer wiegen die Anschuldigungen ehemaligen Direktors des Metropolitan Museum of Art ih Hoving. Zum einen befänden sich Gegenstände im Besitz Museums, gab Hoving zu, die zum Zwecke wissenschafdial Analysen dort hingelangt waren: eine Schale mit eingetrockme ter Balsamierungsflüssigkeit, zwei vergoldete Holzsplitter vierten Sarkophag, ein Stück Leichentuch, Mattenstücke v Fußboden und ein Stückchen Quarzit vom Sargdeckel. Aber ei

nennt noch weitere Stücke aus dem Museumsbestand, die eben-falls wahrscheinlich aus dem Grab des Tutanchamun stammen und die beim besten Willen nicht mehr als »Kleinkram« durch-gehen — sondern in den Katalogen durchweg als »Meisterwerke« bezeichnet werden. Eines davon ist ein Ring aus massivem Gold — verziert mit dem Namen des Pharao. Den Unterlagen des Museums zufolge wurde er 1915 auf dem Kairoer Antiken-markt erworben — allerdings kam er erst 1922, kurz nach der Graböffnung, in die Museumsbestände. Auch ein Spielzeug aus Elfenbein gehört dazu — ein kleiner, im Lauf dargestellter Hund. Drückt man einen Hebel an seinem Bauch, öffnet sich das Maul. Und ein besonders persönliches Stück ist eine Schreibtafel aus Elfenbein mit zugehöriger Farbpalette. »Prinzessin Meritaton« steht darauf eingraviert, »geliebt und geboren von der Großen Königlichen Gemahlin, Neferneferuaton Nofretete, die bis in alle Zeiten leben möge«. Mit diesem Schreibgerät malte einst die älteste Tochter Echnatons ihre Hieroglyphen. Sie stammt aus dem Nachlass Lord Carnarvons. Als man Carter fragte, wo sie denn herkomme, antwortete dieser nur lapidar »aus dem Grab des Amenophis«.
Carnarvons Sammlung gelangte bereits 1926 nach dem Tod _es Lords an das Museum. Der hatte eigentlich in seinem Tes-urnent dem British Museum das Vorkaufsrecht gewährt. Doch sein Nachlassverwalter hatte offenbar andere Pläne. Der Direk-= r des British Museum bekam eines Morgens um 10.00 Uhr 3e:such. Er habe die Möglichkeit, die Carnarvon'sche Samm-ung anzukaufen, offerierte man ihm. Allerdings müsse er bis 7 . 00 Uhr desselben Tages eine Zusage machen und den vollen afpreis auf den Tisch legen. So gerne der Direktor die Samm---2 dem Museum zugeführt hätte — das war innerhalb dieser izuppen Zeit schlicht nicht möglich. So ging die Sammlung an

das Metropolitan Museum of Art nach New York — wo man • mit dem Bezahlen alle Zeit der Welt lassen durfte.
Das Metropolitan Museum of Art ist allerdings nicht am einzige Museum, das vermutlich aus dem Grab Tutanch
stammende Stücke sein Eigen nennt. Im Brooklyn M
in New York liegt ein Salböllöffel, der als Granatapfel g
ist — das Vorderteil lässt sich mit einer Klappe verschließen. dor mit die kostbare Flüssigkeit nicht herausschwappt. Er gelanete über einen Londoner Händler, der weitere Stücke aus dmo Nachlass Carnarvons verkaufte, nach New York — ebenso wie eine Mädchenstatuette, ein Fayencekragen und eine Vase am blauem Glas. Hoving zitiert in seinem Buch einen Mitarbeil ter der Ägyptischen Abteilung des Museums, der, als man du 1978 fragte, ob die Gegenstände möglicherweise aus dem Grab Tutanchamuns stammen könnten, nur lachend geantwortet !wo ben soll: »Woher denn sonst?« Das Cleveland Museum besitz eine Katze aus schwarzem Hämatit, die einst Howard Car= gehörte und stilistisch unzweifelhaft zu den Gegenständen ami dem Grab gehört. Und der Louvre in Paris zählt einen Uschebei aus weißer Fayence zu seinen Ausstellungsstücken — markieo mit dem Thronnamen Tutanchamuns.
In seinen Tagebehern vermerkte Howard Carter nicht nm die Ereignisse, die mit dem Grab des Pharao im Zusammen hang standen, sondern auch seine anderen Aktivitäten. Und zt denen gehörte ein reger Handel mit Antiken. Für 100 Pfund notierte er im Dezember 1922, habe er Antiquitäten gekauft Die Einnahmen für Verkäufe dagegen beliefen sich auf sato 435 Pfund — was in etwa der Verdoppelung seines damaliger Jahresgehalts entsprach. Heute wäre es unvorstellbar, dass eii Archäologe Kunstgegenstände fragwürdiger Herkunft kauft Uni verkauft. Für Howard Carter aber bot sich mit dem Antiken


handel immer wieder eine bequeme Einnahmequelle. Die briti-sche High Society, mit der er so rege verkehrte, wünschte sich —besonders zu Zeiten des Ägypten-Hypes unmittelbar nach dem Auffinden des Grabes — Stücke aus dem Tal der Könige zum Schmuck ihrer Gemächer. Und Carter war mit seinen engen Verbindungen zu den ägyptischen Händlern derjenige, der sie ihnen beschaffen konnte. Möglicherweise gerieten in diesen Kisten mit Privateinkäufen für seine Freunde auch Stücke aus dem Grab des Tutanchamun nach England.
Zu den Hinterlassenschaften Carters gehörten neben Mö-beln und Kunstwerken aber auch die Unterlagen der Arbeiten im Grab Tutanchamuns: Karteikarten, Notizen, Fotos, Listen und persönliche Aufzeichnungen. Phyllis Walker übergab den gesamten Schriftbestand 1946 dem Griffith Institute der Uni-versität Oxford. Auf der Website des Instituts ist heute der Großteil online einsehbar. Am Griffith Institute sitzt auch einer z..fr wenigen, die an die Unschuld Carters glauben. Kaum je---.and hat sich so ausführlich mit Carters Leben beschäftigt wie ilomfr Mäkle, der ehemalige Archivar des Instituts. Er verwal--..fze 40 Jahre lang die Aufzeichnungen Carters. Mälek glaubt - _cht daran, dass der Ausgräber Gegenstände aus den Kammern : -.:wendete. So ein Diebstahl passe nicht ins Bild. Jemand, der -.2 Carter zehn Jahre seines Lebens darauf verwendete, jedes -ch so kleine Detail akribisch zu dokumentieren, hätte nie--.s in großem Stil Teile des Schatzes einfach so verschwinden .j. en, verteidigt er den Ausgräber. »Ich bin einer der wenigen, 7-t alles gelesen hat, was Carter hinterlassen hat«, sagte er 2011 nem Interview. »Es spricht nichts dafür, dass Carter der Typ war. «
-nmerhin wurde mittlerweile auch der schäbige alte Grab-, -. Howard Carters auf dem Putney-Vale-Friedhof durch

einen neuen aus poliertem schwarzem Granit ersetzt. D. sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie sie ihn 1922 - - gelernt hatte — als Entdecker des Pharaonengrabes voller derbarer Dinge«. Statt seiner Geburts- und Sterbedaten auf dem Stein jetzt unter dem Namen eine andere Zeile: - tologe, Entdecker des Grabes von Tutanchamun, 1922. _ ergänzt wird das Ensemble von einer Inschrift auf einem basterkelch in Lotusform aus dem Pharaonengrab, den C als »Wunschbecher« bezeichnet hatte:
»Möge dein Ka leben, mögest du Millionen von Jahren t7-bringen, du, der du Theben liebst, du sitzt mit dem Gesicht Nordwind, deine Augen erblicken Glückseligkeit.«
Auf der neuen Einfassung des Grabes aber steht jener Satz, auch auf dem goldenen Sarkophag des Tutanchamun zu ist. Die Worte hatten bei Howard Carter einen tiefen Ein hinterlassen: »Nur mit Mühe konnten wir unsere Gedanken lösen von der Pracht des dahingegangenen Pharao und se letzten Bitte auf dem Sarg, die sich uns in das Herz geschri hatte: >0 Mutter Nut! Breite deine Flügel über mich aus wie unvergänglichen Sterne.<«
Als das Jahr 1907 zu Ende ging, saß Howard Carter in Luxor und schmollte. Seinen Job als Inspektor für die Denkmäler im Delta hatte er drei Jahre zuvor wütend hingeschmissen, der Verkauf von Aquarellen und gelegentliche Touristenführungen brachten seitdem gerade genug Geld, um ihm das Leben in ten zu ermöglichen. Da meldete sich Gaston Maspero, der Direktor der ägyptischen Antikenbehörde, bei dem arbeitslo¬sen Ausgräber. Er wolle ihm jemanden vorstellen, der eine Gra-ungslizenz, großen Enthusiasmus und viel Geld besäße, dem t, aber an Erfahrung und archäologischem Hintergrundwissen mangele: Lord George Edward Stanhope Molyneux Herbert,
Earl of Carnarvon.
Zwei Männer hätten unterschiedlicher nicht sein können als 1 irrer und Carnarvon. Doch aus dem ersten Treffen der bei-ün wurde eine enge Freundschaft und eine 16 Jahre währende Zusammenarbeit, die sowohl lange magere, fundlose Jahre wie auch die berauschende Entdeckung des Tutanchamun-Grabes :eschadet überstanden. George Carnarvon war eine schil-Gestalt des britischen Adels. Aufgewachsen war er in - zhclere Castle, dem Sitz seiner Familie. Zuschauer der erfolg¬_ -.en britischen Fernsehserie »Downton Abbey« kennen das esen bestens - es dient als Kulisse für das Historiendrama. TV-Serie spielt sogar in den Jahren zwischen 1912 und



1925, also just jener Zeitspanne, in der Carnarvon und Car( nach dem Grab des Tutanchamun suchten und es schließli, fanden.
Carnarvon — von seiner Familie »Porchy« genannt nach s, nem Titel Lord Porchester, der ihm als ältester Sohn seines N ters zustand — wuchs im Schatten des 4. Lord of Carnarvon Sein Vater hatte bereits im Grundschulalter begeistert Horn Vergil, Horaz und Herodot studiert, war ein angesehener NI streitbarer Politiker und zeitweise sogar Vizekönig von Irlan Porchy dagegen galt bei seinen Lehrern als faul und langsai Zumindest teilte er nicht die Leidenschaft seines Vaters für c griechischen und römischen Schriftsteller, sondern beschäftii sich lieber mit Sport und dem Sammeln unterschiedlichsi Dinge. Als die Familie ihn auf das Nobelinternat Eton schick bewahrte er in seinem Pult nicht etwa Rechen- und Gramrr tikbücher auf — sondern eine Schlange, die er ein ganzes Schi jahr lang darin wohnen ließ.
Mit 19 Jahren schrieb Carnarvon sich im Trinity Cone in Cambridge ein. Aber auch dort fand er das Leben in c Studentenstadt iwressanter als die Studieninhalte. Seine Sa melleidenschaft konzentrierte sich nun auf die erotischen Stic und Zeichnungen des belgischen Graphikers Felicien Rops, unter anderem den zunächst zensierten Gedichtband Les Fle du Mal von Charles Baudelaire illustriert hatte. »Ich furch dass er damals öfter bei den Rennen in Newmarket als bei d Vorlesungen gesehen wurde«, bekennt seine Schwester La Burghclere in einer biographischen Skizze, die nach seineml im Anhang des Ausgrabungsberichtes veröffentlicht wurde.
Nach der Schule begab er sich erst einmal auf Weltreise —Segelboot fuhr er nach Südamerika, später bereiste er Aust lien, Japan und Südafrika. Am 26. Juni 1895 — seinem neunui



zwanzigsten Geburtstag — heiratete Carnarvon Almina Victoria Maria Wombwell, Tochter des Barons Alfred de Rothschild. Seine Frau tolerierte seine Hobbys und seine Leidenschaften mit Gelassenheit. Nach wie vor liebte der Lord schnelle Pferde, schnelle Yachten und die Jagd. Vor allem aber liebte er Autos —eine Liebe, die sein Leben verändern sollte. Noch bevor sie in Großbritannien zugelassen waren, besaß Carnarvon mehrere Automobile in Frankreich. Und als man mit den neumodischen Motorkutschen endlich auch über die englischen Landstraßen preschen durfte, war er einer der Ersten, die diesem neuen Hobby frönten: Sein Auto trug die Zulassungsnummer drei. .kngstlicher als seine Frau war seine Schwester Lady Burghclere. Sie machte ihm Vorwürfe, er riskiere mit der motorisierten Ra-serei sein Leben. »Hältst du mich für einen Narren?«, lachte ihr Bruder daraufhin. »Beim Autofahren liegt die Gefahr hinter der Ecke, und ich nehme niemals eine Ecke schnell.«
Keine Ecke, sondern eine Gerade sollte Lord Carnarvon denn szhließlich auch zum Verhängnis werden. Sie führte durch den zzutschen Hintertaunus geradewegs auf Bad Schwalbach zu. :larnarvon war mit seinem langjährigen Chauffeur Edward Tmtman unterwegs, saß aber selber am Steuer. Den Spaß, das 1tomobil selber zu lenken, wollte der Lord sich, wie so oft, -_cht nehmen lassen. Plötzlich tauchte eine Senke auf, die aus :27 Entfernung nicht einsehbar gewesen war, und am Boden Senke versperrten zwei Ochsenkarren den Weg. Carnarvon :.--suchte auszuweichen, lenkte dabei aber den Wagen in einen c.tinhaufen. Zwei Reifen platzten, das Auto überschlug sich .L7.d landete in einem Graben — genau auf seiner Lordschaft. .."--zzman hatte mehr Glück, er wurde bei dem Unfall heraus-hleudert. Schnell eilte er seinem Herrn zur Hilfe, der mit dem Kopf im Schlamm lag. Einem Feldarbeiter,

der den Unfall beobachtet hatte, schnappte er die Wasserflascia weg und schüttete sie beherzt Carnarvon ins Gesicht.
Die kalte Dusche holte den Lord wieder ins Leben zurüd Doch es stand nicht gut um ihn. Zu einer schweren Gehirr schütterung kamen schlimme Verbrennungen an den Beine und der Bruch eines Handgelenks. Auch Gaumen und Kiels waren arg lädiert. Zudem verlor Carnarvon vorübergehend da Augenlicht. Das nasse Klima seiner Heimat war fortan Gift ihn. Zu Hause könne er nicht genesen, urteilten seine Ära und schickten ihn über die Wintermonate dorthin, wo ganz tiert kein Regen fallen würde: in den trockenen Wüstensan Ägyptens. Abgeschnitten vom High-Society-Leben England suchte Carnarvon nach einer neuen Beschäftigung. Warm nicht wieder den alten Kindheitstraum aufleben lassen — un Ausgräber werden?
Gaston Maspero erteilte Lord Carnarvon eine Grabung lizenz. »Ich muss gestehen, dass ich zu dieser Zeit absolut kü.:-Ahnung von der Ausgräberei hatte«, gab der frischgebackfr Selfmade-Archäologe freimütig zu. »Deshalb bekam ich v.:: eine Stelle oben irSheik Abd-el-Qurna zugewiesen; so wo—: man wohl vermeiden, dass ich Unfug anstellte.« Kaum han Carnarvon den Spaten in den Sand gestoßen, fand er auc schon einen Grabschacht. Enthusiastisch informierte er Ma pero — doch ein kurzer Blick genügte, um festzustellen, ci2. Carnarvons großartiger Fund lediglich ein unvollendetes Gra war. Trotzdem buddelte der Lord sechs weitere Wochen mit w getrübtem Eifer weiter. Immerhin fand er dabei eine mumil zierte Katze, die er stolz dem Kairoer Museum schenkte.
So konnte Maspero Carnarvon nicht weitermachen lassen. i brauchte jemanden, der den archäologischen Enthusiasmus d Adligen in vernünftige Bahnen lenken konnte. Und Howa2

Carter brauchte einen Job. Es sollte ein perfektes Match werden. Carnarvon konnte mit Carter einen der besten Ausgräber Ägyp-tens für sich gewinnen, und Carter bekam mit der Möglichkeit, wieder ausgraben zu können, seinen Lebensinhalt zurück. Und sie ergänzten sich nicht nur bei archäologischen Vorhaben. Zwi-schen den beiden Außenseitern Carter und Carnarvon entstand auch rasch eine enge Freundschaft.
Dem konnten auch die unzähligen Enttäuschungen und Fehlschläge der kommenden Jahre keinen Abbruch tun. Mas-pero schickte die zwei nach Theben-West, wo sie zeitweise bis zu 270 Arbeiter für sich graben ließen. Carter blieb ständig vor Ort, während der Lord zwischen England und Ägypten pen¬delte. Mal fanden sie ein leeres Grab, mal das Grab einer armen Familie, die sich keine Beigaben leisten konnte. Ein vielverspre-zhender Grabfund entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Sull für Esel. 1912 wollten sie ihr Glück im Nildelta versuchen,
o laut einer römischen Inschrift der Ort Xois gelegen hatte. Doch dort wimmelte es so von Kobras, dass eine geordnete Aus-zzabung unmöglich war. Nach nur zwei Wochen ergriffen sie
Flucht vor den Giftschlangen.
Schließlich bekamen die beiden die Chance, im Tal der Kö-zage zu graben. Nach zwölf Jahren Ausgrabungen war Theodore --)ZiViS, Inhaber der Grabungskonzession, fest davon überzeugt, =iss dort außer heißem Wüstensand nichts mehr zu finden sein v-:rde. Im Winter 1913/1914 war er endlich bereit, seine Kon-ssion abzugeben — ein Moment, auf den Howard Carter seit langer Zeit gewartet hatte. Tatsächlich bekam Carnarvon ze Grabungserlaubnis zugesprochen, doch die Saison war
zu weit fortgeschritten für größere Unternehmungen und vertröstete sich auf das kommende Jahr. Doch dann er-ss in den Sommermonaten, während in Ägypten alle Ar-

beiten brach lagen, in Sarajevo ein bosnischer Terrorist den terreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und c Welt versank im Krieg. Dies Ereignis hätte ferner nicht se können, und doch hatte es weitreichende Konsequenzen für c Arbeit im Tal der Könige. Die Geldgeber gaben ihr Geld ni für den Krieg aus, und die sprachgewandten Ausgräber übt setzten als Dolmetscher zwischen den Briten und den aral schen Stämmen. Auch Howard Carter meldete sich und b den ägyptischen Behörden seine Dienste an. Doch obwohl fließend Arabisch sprach, hatte niemand rechtes Interesse an s nem Hilfsangebot. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als n dem Geld, das Carnarvon ihm zuvor schon bereitgestellt hat hier und da kleinere Arbeiten im Tal durchzuführen. Der gro Krieg fand ohne Howard Carter statt.
Die Vorarbeiten zahlten sich aus. Carter musste nicht einn das Kriegsende abwarten, bevor er sich endlich mit allen Kr ten seinem Tal widmen konnte. »Im Herbst 1917 eröffnet wir unseren wirklichen Feldzug im Tal«, schrieb er später in Veröffentlichung der Grabungsergebnisse. Nur wo sollten mit der Suche nach unentdeckten Gräbern beginnen? Der den des Tals war-fedeckt von unübersichtlichen Schutthüg( mit dem Auswurf früherer Grabungen. Und niemand hatte s, jemals die Mühe gemacht, auf einem Plan festzuhalten, wer 1 reits wann und wo nach was gesucht hatte. »Ich schlug Lt Carnarvon vor, als Ausgang ein durch die Gräber Ramses ] Merenptahs und Ramses VI. bestimmtes Dreieck zu nehme berichtete Carter. »Es war allerdings ein verzweifeltes Unt nehmen, da die Stelle bis hoch hinauf von ungeheuren auf worfenen Schuttmassen bedeckt war. Aber ich hatte Grund glauben, dass der Grund darunter nie angerührt worden v und ich war überzeugt, dort ein Grab zu finden.«

In der ersten Saison wühlten die Arbeiter sich bis an den Rand des Grabes von Ramses VI. vor. Dort fanden sie Arbei¬terhütten aus der Zeit, als das Grab gebaut wurde. Und diese Hütten standen auf einer Halde großer Feuersteinknollen — üb-licherweise ein sicherer Hinweis auf die Nähe eines Grabes, bei dessen Aushub diese Steine aus der Tiefe an die Oberfläche ge-holt wurden. Da die Hütten auf den Knollen standen, musste das unbekannte Grab älter als das von Ramses VI. sein, dem fünften Pharao der 20. Dynastie. Lag hier der gesuchte Tut-anchamun, der zu den Herrschern der 18. Dynastie zählte? Um das herauszufinden, müsste man allerdings den Zugang zum bei den Besuchern beliebten Grab Ramses' VI. sperren — und sich die gesamte Grabungskampagne lang mit den nörgelnden Touristen herumplagen, die sich doch auf die eine oder andere Art Zutritt verschaffen wollten. Die Vorstellung war dem Mi¬santhropen Howard Carter ein Graus: »Deshalb beschlossen wir, eine günstigere Gelegenheit abzuwarten.« Sein Instinkt aber war richtig gewesen. Tutanchamun lag unter genau diesem Berg Feuersteinknollen. Carters Menschenscheu aber sollte dem Pharao nun noch weitere fünf ungestörte Jahre bescheren.
In diesen fünf Jahren suchten die beiden Briten das gesamte abgesteckte Dreieck ab. Jeder Schutthaufen wurde erneut um-zewühlt, jeder Freiraum zwischen den bekannten Gräbern bis auf den Felsen freigelegt. Obwohl sich Davis' Einschätzung, lass im Tal der Könige nichts mehr zu holen sei, zu bestätigen klien, waren es wohl trotzdem die glücklichsten Jahre in Ho¬ward Carters Leben. Er lebte und arbeitete in seinem Tal — er war zu Hause. Auch für die Ägypter war er viel mehr als nur t.:n Ausgräber. Er war auch eine von allen akzeptierte Autorität,
man um Rat fragte und in Notsituationen herbeirief. Dass
mitunter recht abenteuerlich zugehen konnte, beschreibt er

im Grabungsbericht. Eines Nachmittags wurde es unruhig ir. Dorf Grabräuber hätten, kam die Nachricht, an einer einsame: und wenigbesuchten Stelle der Westseite des Hügels oberhal des Königstals ein Grab gefunden. Sofort schulterte ein zwei ter Trupp zwielichtiger Gestalten seine Waffen und machte sic auf, der ersten Gruppe den Fund abzujagen. Bei einem lebhai ten Gefecht gelang es den Nachzüglern, die erste Truppe zu vel treiben. Aber diese schwor Rache. Die Dorfältesten bangten ur den Frieden. Da durch den Krieg sich sowohl Polizei als auc Wachleute im Tal rar machten, baten die Dorfältesten die eir zige Institution um Hilfe, der sie zutrauten, die rivalisierende Banden gemaßregelt zu kriegen: Howard Carter.
Seine Beschreibung der Ereignisse liest sich wie ein Aber teuerroman: »Es war schon spät am Nachmittag«, berichtet e »Eilig sammelte ich die wenigen meiner Arbeiter, die der mil tärischen Aushebung entgangen waren, und machte mich m der nötigen Ausrüstung zum Tatort auf den Weg, ein Unte nehmen, das einen Aufstieg von über 600 Metern Höhe auf d Hügel von Kurna bei Mondschein mit sich brachte. Es war Mi ternacht, als wir auf dem Schauplatz ankamen und der Führ mir das Ende des eils zeigte, das an einem senkrechten Felse hinabhing. Wenn wir hinhorchten, konnten wir die Räuber ta sächlich arbeiten hören; ich schnitt erst ihr Seil und damit d Mittel zum Entkommen ab und ließ mich, nachdem ich ei eigenes, gutes, starkes Seil befestigt hatte, über den Felsen hü unter.« Carter gefiel sich durchaus in der Rolle des räuberjagei den Grabbeschützers: »Sich um Mitternacht an einem Seil ein Nest voll geschäftiger Grabräuber hinunterzulassen, ist e Zeitvertreib, dem es wenigstens nicht an Reiz mangelt«, schie er als Geständnis in seinen Bericht ein. »Acht Mann waren der Arbeit, und als ich unten ankam, gab es ein paar ungemi

liche Augenblicke. Ich stellte ihnen die Wahl, sich mittels mei¬nes Seils davonzumachen oder ohne Seil zu bleiben, wo sie wa¬ren; schließlich nahmen sie Vernunft an und entfernten sich.« Den Rest der Nacht hielt Carter Wache.
Bis sie bei ihrem Vorhaben gestört wurden, hatten die Räu¬ber bereits einen 30 Meter langen Tunnel in den Grabschacht hineingebohrt — gerade groß genug, dass ein Mann sich hin-durchzwängen konnte. Nun wollte Carter natürlich wissen, wie es dahinter weiterging. Die Lage des Grabes war einzigartig. Wollte man den langen Auf- und Abstieg vermeiden, blieb nur der direkte Weg: mit dem Flaschenzug direkt hinab ins Tal. Für die Beförderung von Personen installierte Carter ein Netz. Als seine Arbeiter nach drei Wochen das Grab freigelegt hatten, fan¬den sie wieder nur eine Enttäuschung. Es war ein unvollendetes Grab mit einem unvollendeten Sarkophag darin. Hatschepsut hatte es sich anlegen lassen, als sie noch Königsgemahlin war. :hr eigentliches Grab, in dem sie nach der Zeit ihrer Alleinherr¬schaft als Pharao bestattet worden war, hatte Carter bereits 1903 .:nten im Tal gefunden — geplündert, wie das aller anderen Pha¬raonen auch. »Hätte sie sich an ihren ersten Plan gehalten, sie
äre besser dran gewesen«, urteilte Carter bissig. »An dieser ver-r,Drgenen Stelle hätte ihre Mumie eine leidliche Aussicht gehabt, zer Ruhestörung zu entgehen; im Tal gab es keine. Ein König
zllte sie sein, so wurde ihr das Schicksal eines Königs zuteil.«
Fünf Winter lang wühlte Carter sich durch das Tal. Er war . sicher, dass dort noch ein Königsgrab nur darauf wartete,
ihm entdeckt zu werden. Und zwar nicht das Grab ir-zrzdeines Königs — sondern das des Tutanchamun. Seine feste - zerzeugung ruhte auf vier Hinweisen, die bereits Theodore
is gefunden hatte, als er noch die Grabungskonzession für zis Tal der Könige hielt. Der erste war ein kleiner hellblauer




Fayencebecher mit dem Thronnamen Tutanchamuns dara Nebcheperure. Davis' Arbeiter hatten ihn unter einem groß Felsen gefunden. Unweit davon lag ein kleines Schachtgrab. die Arbeiter es aushoben, fanden sie in einer Kammer, die f bis zur Decke mit Schlamm gefüllt war, ein zerbrochenes Kä chen mit Stücken von Goldplättchen. Auch hier tauchte wiec der Name des Pharao auf — Tutanchamun, diesmal gemein: mit dem Namen seiner Gemahlin Anchesenamun. Auf ein( der goldenen Stücke war der Pharao dabei zu sehen, wie er sei Feinde erschlug. »Aller Schutz des Lebens steht hinter ihm, N Re«, beschrieben die nebenstehenden Hieroglyphen das Bi Für Davis war die Sache damit recht eindeutig. Das kleine t bedeutende Schachtgrab war die Ruhestätte des kleinen unl deutenden Pharao Tutanchamun. »Einfach lächerlich«, urtei Carter über die Schlussfolgerung des Kollegen. Der Form na könnte es sich um das Grab eines Angestellten des ramessi schen Königshofes handeln, niemals aber um das eines Phai der 18. Dynastie.
Den dritten und wichtigsten Hinweis auf das Grab Tutanchamun abi; entdeckte sein amerikanischer Kollege H bert Winlock — in einem Lagerraum in Davis' Wohnhaus. handelte sich um Tongefäße, die er in einem Schacht unweit Grabes von Ramses VI. gefunden hatte. Scheinbar enthielt sie nichts weiter als Müll: Leinen, Tierknochen, Blumenkrän zwei kleine Besen, Säckchen mit einer pudrigen Substanz u eine Miniaturbegräbnismaske. »Enttäuschend!«, urteilte Da über den Fund und ließ die Gefäße im Lagerraum verschw den. Erst Jahre später entdeckte sie dort Herbert Winlock bat darum, sie zu Hause am Metropolitan Museum of Art tersuchen zu dürfen. Schnell stellte er fest, dass Davis die Üt reste von Tutanchamuns Begräbniszeremonie gefunden ha


Bei dem Puder handelte es sich um Natron von der Einbal-samierung des Pharao. Die Tierknochen waren die Überreste des Totenmahls. Minutiös rekonstruierte Winlock die letzte Zeremonie. Acht Personen hatten daran teilgenommen, um den Kopf trugen sie Blumenkränze und Leinenbinden. Eines dieser Stirnbänder nannte das sechste Jahr der Herrschaft des Tutanchamun — das letzte bekannte Datum seiner Lebenszeit. Die Teilnehmer verspeisten zu Ehren des verstorbenen Pharao fünf Enten, einige Regenpfeifer sowie eine Hammelkeule und spülten das Mahl mit Bier und Wein hinunter. Um keine Spu-ren im Grab zu hinterlassen, fegten sie anschließend mit den kleinen Besen ihre Spuren fort. Nichts durfte von den Lebenden im Grab bleiben, und so vergruben sie die Reste der Mahlzeit sowie das Geschirr in einem eigens ausgehobenen Loch in der Nähe des Eingangs.
Auch der vierte und letzte Hinweis deutete auf jene Spitze des Dreiecks, die Carter ganz zu Beginn der Suche im Tal vorschnell -ieder verlassen hatte. Es war das Mumienversteck KV 55. Car-r hielt die darin liegende männliche Mumie für Echnaton. Dass Tutanchamun selbst für ihre Überführung und Wieder-:estattung verantwortlich war, können wir mit ziemlicher Si-:::frheit daraus schließen, dass eine Anzahl seiner Tonsiegel hier __-sanden wurden«, folgerte Carter. Und wo der Ketzerkönig da konnte auch sein Nachfolger nicht weit sein.
Carnarvon indes zeigte weniger Optimismus als Carter. Nach Krieg war alles teurer geworden. Die Kosten für sein Anwe-r: und die Löhne seiner Angestellten verschlangen mehr Geld zuvor. Der Lord fühlte sich alt, müde und krank. Seine Toch-ady Evelyn Herbert berichtete, dass er zu dem Zeitpunkt :gis so schwach war, dass er kaum noch ein Buch zu halten mochte.  Und die Grabungen der vergangenen fünf Jahre hat-

ten nur bestätigt, was der inzwischen verstorbene Maspero ihn prophezeit hatte: Im Tal der Könige ist nichts mehr zu holen Es war an der Zeit aufzugeben. Als Carter in Highclere Cas--15 ankam und mit dem Lord die Pläne für die kommende Saii,1 besprechen wollte, eröffnete dieser ihm, dass es keine wei:, -geben würde. Was genau die beiden Männer in den folgen Tagen besprachen, weiß niemand. Alan Gardiner zufolge sd Carter seinem Freund am Ende wütend entgegengeschleuz
haben: »Wenn du nicht mitziehst, mache ich allein -
Und erst da, als Carter drohte, die kommende Kampagne -_ eigener Tasche zu finanzieren, ließ der Lord sich noch ein _a mitreißen. Aber hätte der Sohn eines Zeichners tatsäch_ eine ganze teure Grabungskampagne aus eigener Tasche
len können? Vielleicht waren die Einkünfte aus seinem
Handel mit Antiquitäten doch höher gewesen als vermutet_ 1-seinen regelmäßigen Kunden gehörten mittlerweile naml-_a_-: Sammler sowohl in England als auch in den USA. Es ist ..iDe auch möglich, dass Carter die weiteren Arbeiten gar nicht SAE finanzieren wollte —sondern darauf spekulierte, dass das Memo politan Museum otArt die Grabungskonzession übernehme würde. Herbert Winlock teilte spätestens seit der Untersuchte der Gefäße mit dem Abfall des Totenmahls Carters feste elzeg zeugung, dass Tutanchamun ganz in der Nähe vom Grab Ran ses' VI. liegen müsse. Und in zwei Briefen aus jenen Tagen lie& Carter wissen, »dass das Museum bereit wäre, seine Grabunfeszi tigkeit auf gewisse Teile des Tals auszudehnen«. Was auch immo Carter tatsächlich an Argumenten vorbrachte — sie reichten mg um Lord Carnarvon zur Finanzierung einer allerletzten Sam zu bewegen.
Konnte es Zufall sein, dass seine Arbeiter nur drei Tage 'lad Beginn der letzten Grabungskampagne auf die Eingangssture

stießen? Das Timing scheint zu perfekt: Immer wieder wurden Vermutungen laut, Carter hätte möglicherweise schon länger gewusst, wo das Grab zu finden war. Doch eine solche Entde¬ckung wäre im Tal der Könige — wo schon jeder mögliche Ver¬dacht eines Fundes Grabräuberfehden oder Massenschlägereien auslösen konnte — kaum geheim zu halten gewesen. Und Carter suchte seit vielen Jahren nach dem Grab des Tutanchamun. Wel¬chen Grund sollte er gehabt haben, den Fund zu verschweigen?
Die Grabungssaison 1922/23 war jedenfalls, in mehrerlei Hin¬sicht die letzte Chance. Es war die letzte finanzierte Kampagne und die letzte noch nicht untersuchte Ecke des von Carter ab¬gesteckten Dreiecks. Immerhin war es eine vielversprechende Stelle: »Ich hatte stets eine Art abergläubischen Gefühls, dass zerade in dieser Ecke des Tals einer der fehlenden Könige, mög-_icherweise Tutanchamun, gefunden werden könne«, schreibt Carter in seinem Grabungsbericht. Also rang er sich dazu durch,
diesmal mit den Ramsesgrabtouristen aufzunehmen, und be-
nn 1. November damit, die Grundrisse der alten Arbeiter-
::ütten aufzunehmen, um sie dann abzureißen.
Der 4. November begann mit einer außergewöhnlichen Stille. ein Schaufeln, kein Hacken, keine lauten Rufe unter den Ar-:eitern. Als Carter auf der Grabung erschien, ahnte er, was dies -_eß: ein Fund. Und zwar einer, der so bedeutend war, dass alle zre Werkzeuge fallen gelassen hatten, zusammengekommen .aren — und staunten. Tatsächlich: »Man begrüßte mich mit Nachricht, dass unter der ersten Hütte, die man in Angriff znommen hatte, eine in den Felsen gehauene Stufe gefunden erden war.« So schrieb Carter es in der offiziellen Version im -abungsbericht nieder. Auf seiner Vortragsreise durch die USA -.ge Jahre später erzählte er jedoch eine andere Geschichte. _ ,:zufolge machte ein Junge, der als Wasserträger arbeitete, die

große Entdeckung. Wenn gerade niemand Wasser brauch grub auch er voller kindlichem Eifer wie die Erwachsenen r einem Stock im Sand — abseits der offiziellen Grabungsfläd »Plötzlich stieß er auf etwas Hartes, grub fieberhaft weiter u legte eine Steinstufe frei. Sein Herz hörte beinahe auf zu sch gen. Schnell bedeckte er die Stufe wieder mit Sand, damit Konkurrenz nichts merkte.« Dann erst rannte er angeblich Howard Carter und berichtete ihm atemlos von seiner Ei deckung.
Der aber blieb zunächst skeptisch. Zu oft hatte er bere herbe Enttäuschungen hinnehmen müssen, leere oder geplii derte Gräber entdeckt. Bevor er also irgendetwas unternah ließ er die Stufen vollständig freilegen. Es war ein qualvol Tag für Howard Carter. Natürlich hoffte er inständig, doch unversehrtes Grab gefunden zu haben. Und wiesen nicht a Zeichen auf den so lange gesuchten Tutanchamun? Mit jec freigelegten Stufe regten sich in ihm neue Zweifel — und ne Hoffnung. Die Stufen führten fast senkrecht in den Felsen hi ein. So hatte man nur in der 18. Dynastie die Gräber geht später in der 19.4iend 20. Dynastie lagen die Eingänge wa gerecht. Allerdings war die Öffnung sehr klein — zu klein f einen Pharao. Könnte hier eine hochgestellte Person vom H der 18. Dynastie liegen? Gräber für Nichtmitglieder der König familie gab es im Tal der Könige aber erst seit der 19. Dynast Den ganzen folgenden Tag legten die Arbeiter Stufe um Sn. frei: »Bei Sonnenuntergang wurde am Fuß der zwölften Sn. der obere Teil einer verschlossenen, mit Mörtel bestrichen und versiegelten Tür sichtbar«, notierte Carter. »Eine versiege Tür ... Es war also wirklich wahr!«
Statt Antworten brachte die Tür allerdings nur weitere F: gen. Kein Königsname verriet ihm, wer hinter der Tür lieg

könnte. Siegel gab es zwar genug an der Tür. Doch sie zeigten alle nur den Schakalgott Anubis mit neun Gefangenen — das Zeichen der Königstotenstadt. An der oberen Ecke der Tür war ein wenig Mörtel abgebröckelt, dahinter kam ein hölzerner Balken zum Vorschein. Carter bohrte ein Loch hinein, gerade zroß genug, um eine Taschenlampe hindurchzuschieben. In ih-rem Lichtstrahl sah er Geröll, vom Boden bis zur Decke. Die Wächter der toten Pharaonen hatten den Gang damit angefüllt, am möglichen Grabräubern die Arbeit zu erschweren — und damit leider auch den Ausgräbern. Carter beschloss schweren Herzens, auf Carnarvon zu warten. Gleich am nächsten Morgen izhickte er ein Telegramm an den Lord: »Habe endlich wun-zerbare Entdeckung im Tal gemacht; ein großartiges Grab mit -nbeschädigten Siegeln; bis zu ihrer Ankunft alles wieder zuge-zezkt. Gratuliere.« Dann gab er seinen Arbeitern den Befehl, :_e freigelegten Treppenstufen wieder mit Erde aufzufüllen und zeri Eingang so zu tarnen, dass auch moderne Grabräuber ihn
finden würden. »Bis zum Abend desselben Tages wurden ih:: fertig, also gerade 48 Stunden seit der Entdeckung der ers-:27. Stufe«, schreibt Carter im Grabungsbericht. »Das Grab war ,1.-:5chwunden. Wie der Boden jetzt aussah, war dort nie ein
gewesen, und es wurde mir selbst manchmal schwer, mir a3zureden, dass das Ganze nicht ein Traum gewesen war.«
Zweier Dinge konnte Carter sich sicher sein. Er hatte das :-ib einer wichtigen Person entdeckt — davon zeugten die offi-en Siegel der Totenwächter. Und über dem Eingang standen a Arbeiterhütten der 20. Dynastie. Spätestens seit dieser Zeit w .-i2s Grab also von keinem Menschen mehr betreten worden. Howard Carter doch an der Tür nicht oben am Balken l_och gebohrt, sondern stattdessen weiter unten etwas sorg-,-_.zer gearbeitet und nur wenige Zentimeter mehr freigelegt.

Dann hätte er eine Antwort auf alle seine Fragen gehabt. Dei dort, kurz über dem Boden, prangte jetzt immer noch unei deckt ein Siegel mit den Hieroglyphen für Nebcheperure — d Thronnamen Tutanchamuns.
So aber schmorte er in ungeduldiger Neugierde, während auf Carnarvon wartete. Der hatte sein Kommen für den 20. N vember angekündigt. In der Zwischenzeit gab es viel zu tu Umgehend bestellte Carter in Kairo Kabel und Glühlampe Glücklicherweise gab es bereits Strom im Grab von Ramses V dessen Steckdosen würde man anzapfen können. Außerde sandte er eine Nachricht an Arthur Callender und bat ihn. schnell wie möglich zu kommen. Der stämmige britische A chäologe hatte bereits öfter mit Carter zusammengearbeitet ur galt als »einer der wenigen, die mit Carter länger zusanuni sein konnten, ohne aus der Haut zu fahren«. Tatsächlich lig Callender alles stehen und liegen und eilte, so schnell er konni von seiner eigenen Ausgrabung in Armant ins Tal der König Nun war alles vorbereitet. Am Abend des 18. November bra Carter auf nach Ltor, um letzte Besorgungen in der Stadt erledigen und zwei Tage später Lord Carnarvon mitsamt sein Tochter Lady Evelyn in Empfang zu nehmen.
Arthur Callender begann indes mit der erneuten Freilegt/1 der Stufen. Am 24. November war es so weit: Die ganze TreN lag nun frei, sechzehn Stufen insgesamt. Und auch der ante Teil der Tür war nun erstmals vom Schutt befreit. Hier encllie prangten die Siegelabdrücke, die zu finden Howard Carter sehr gehofft hatte. Die Zweifel der letzten zwei Wochen schss-3, den dahin und wichen triumphaler Freude: »Hatten wir. w fast sicher schien, das Grab dieses schattenhaften Herrsche gefunden, dessen Regierungszeit mit einem der interessantem Abschnitte der ganzen ägyptischen Geschichte zusammenfieLi


hatten wir allerdings das Recht, uns zu beglückwünschen«, hält Carter im Grabungsbericht fest.
Bald wurde allerdings klar, warum die Siegelabdrücke nur auf dem unteren Teil der Tür zu finden waren. Im oberen Teil waren mehrere Steine entfernt und die Öffnung dann erneut versiegelt worden — allerdings nicht mit dem Siegel des Pha¬rao, sondern von den Totenwächtern des Tals. Das konnte nur eines bedeuten: Jemand war in das Grab eingedrungen. Auch der Zustand des Ganges, in den Howard Carter bereits mit der Taschenlampe gespäht hatte, schien darauf hinzudeuten. Unter¬schiedliche Schichten Schutt sowie herumliegende Gegenstände zeigten den Ausgräbern: Dies war kein unberührtes Pharaonen-grab, sondern ein geschändeter Ort.
Noch wussten Carter und Carnarvon nicht, was sie am Ende des Ganges erwarten würde. Natürlich wünscht sich jeder Aus-zräber, ein ungestörtes Grab zu finden. Aber gerade die Tatsa-2he, dass dieses Grab offensichtlich gestört worden war, kam ih¬- fn jetzt erst einmal sehr gelegen. Denn seit kurzem besagte ein -.euer Erlass des Generaldirektors der Altertümerverwaltung, _erre Lacau, Nachfolger des gutmütigen Gaston Maspero, dass 2 Antikenbehörde beim Neufund eines unberührten Grabes .:_as Recht habe, alle für sie interessanten Funde für das Land -_:-..vpten zu beanspruchen. Im Ernstfall bedeutete diese Neure-_,_ung, dass die Ausgräber leer ausgingen. Unter Maspero hatte sich meist darauf geeinigt, fair halbe-halbe zu machen
—:ei der alte Direktor oft auch noch beide Augen zudrückte. das Grab allerdings nicht unberührt, sondern gestört, galt neue Zugriffsrecht der Antikenbehörde nicht. PI-lichtschuldig hatte Carter zur Öffnung der ersten Tür auch Engelbach eingeladen, den Generalinspektor der Altertü-- frwaltung. Prompt war es zum Streit zwischen den beiden

Männern gekommen. Engelbach, dem Carter und Carnaroz insgeheim den respektlosen Spitznamen »die Forelle« verpm
hatten, bestand darauf, auch bei allen weiteren Türöffnunge dabei zu sein. Carter pochte indes darauf, dass in der Grabung konzession ausdrücklich vermerkt sei, der Entdecker eines Ge bes habe das Recht, dieses auch als Erster zu betreten. Da hing der ersten Tür nur ein verschütteter Gang lag, zog Enge: zunächst unverrichteter Dinge wieder ab. Allerdings nicht. - _¬von Carter mehrmals deutlich darauf hingewiesen zu \\
dass dieses Grab ja sowieso in keinem Falle unberührt se. damit die Altertümerverwaltung gefälligst Abstand von seil Entdeckung zu halten habe.
Als die Arbeiter am Nachmittag des 26. November zda Meter hinter der ersten Tür auf eine weitere stießen, war Re Engelbach nicht anwesend. Und niemandem wäre in den Sm gekommen, ihn zu benachrichtigen und auf ihn zu war= Zumal Carter mittlerweile fest davon überzeugt war, gar ix Grab gefunden zu haben, sondern lediglich ein Versteck Eingang mit seinen Treppenstufen, dem Gang und den
glich zu sehr jener 4rabanlage KV 55, in der Davis einige J21:22 zuvor vermeintlich Echnaton gefunden hatte. Trotzdem line die Spannung fast unerträglich: »Langsam, verzweifelt langsam so schien es uns, wurden die Geröllreste aus dem Gang forme schafft«, erinnert sich Carter im Grabungsbericht. Schließad lag die Tür frei. Carter brach eine kleine Öffnung in der lir oberen Ecke heraus. Das Erste, was nach über 3000 Jahren a die Kammer eindrang, war eine Eisenstange. Vorsichtig saz cherte Carter damit herum, stieß aber auf keinen Widerstand Der Raum dahinter war folglich nicht mit Geröll gefüllt 3-.1 der Gang, sondern leer. Konnte man die Luft in der
atmen? Die Flamme einer Kerze vor der Öffnung erlosch n_mz

  es musste also genügend Sauerstoff vorhanden sein. Mutiger geworden erweiterte Carter das Loch, machte es groß genug für die Hand mit der Kerze darin — und seinen Kopf. »Zuerst konnte ich nichts sehen, da die aus der Kammer entweichende heiße Luft das Licht der Kerze zum Flackern brachte«, schreibt er über den Moment, der in die Geschichte eingehen sollte. »Als meine Augen sich aber an das Licht gewöhnten, tauchten bald mehr Einzelheiten im Inneren der Kammer aus dem Nebel auf, seltsame Tiere, Statuen und Gold — überall glänzendes, schim-merndes Gold! Für den Augenblick — den anderen, die neben mir standen, muss es wie eine Ewigkeit erschienen sein — war ich
· or Verwunderung stumm. Als Lord Carnarvon die Ungewiss-neit nicht länger ertragen konnte und ängstlich fragte: >Können Sie etwas sehen?<, war alles, was ich herausbringen konnte: >Ja, wunderbare Dinge!< Dann erweiterten wir das Loch und führ-:en eine elektrische Lampe ein.«
Nachdem auch Lord Carnarvon, Lady Evelyn und Arthur Callender einen Blick in die Kammer getan hatten, schreibt larter, verschlossen die vier das Loch, instruierten die Wach-:er für die Nacht, stiegen auf ihre Esel und ritten »schweigsam .:nd in Gedanken versunken« ins Tal hinunter heimwärts. Das Schweigen löste sich erst, als sie in Carters Haus beisammen-ußen. Dann aber überschlugen sich die Spekulationen. »Bis --Lei in die Nacht hinein erörterten wir die Möglichkeiten, was
- es hinter dieser Tür liegen könnte. Eine einzelne Kammer
- : dem Sarg des Königs? Das war das wenigste, was wir er-
ten Aber warum nur eine Kammer? Warum nicht
-f Reihe von Gängen und Kammern, die, wie sonst im Tal, 7- einem allerinnersten Schrein, der Sargkammer, führten? So - nte es sein, und doch war das Grab, nach seinem Grundriss - -rteilen, den anderen Gräbern ganz unähnlich. Visionen von

Kammer über Kammer, jede gleich der ersten, die wir geseh hatten, von Gegenständen überfüllt, zogen in Gedanken an u vorüber und ließen uns atemlos zurück. Dann kam der C danke an die Plünderer wieder. War er ihnen gelungen, dur diese dritte Tür hindurchzudringen? Aus der Entfernung sah ganz unbeschädigt aus — und war dem so, was hatten wir da für Aussichten, die Mumie des Königs unversehrt zu finden? 1 glaube, in dieser Nacht schliefen wir alle nur wenig.«
Howard Carter gab sich sehr viel Mühe, im Grabungsl richt die angespannten Diskussionen dieser Nacht zu schilde In Wahrheit aber geschahen in dieser Nacht vom 26. auf d 27. November 1922 ganz andere Dinge. Carter, Carnarvc Lady Evelyn und Callender kehrten heimlich zum Grab zurät Sie brachen ein Loch in die Mauer, groß genug, dass auch c korpulente Callender hindurchsteigen konnte. Dann inspizii ten sie das Grab — nicht nur die Vorkammer, sondern auch c Seitenräume und die Grabkammer mit dem großen golden Schrein darin. Erst in den frühen Morgenstunden verließen das Grab und versiegelten die äußere Tür erneut, um ihre Sp ren zu verwischen.' Den Durchbruch, den sie durch die Wal zur Grabkammer hatten schlagen müssen, verschlossen sie ebe falls und tarnten ihn nur flüchtig mit einem Korbdeckel. C schlafen hat in dieser Nacht jedenfalls tatsächlich keiner. Geheimniskrämerei fiel Lord Carnarvon schwer. Zu 29. November, dem Tag der offiziellen Öffnung, war auch se Halbbruder Mervyn Herbert angereist. In seinem Tagebuch n tierte er: »(mein Bruder) flüsterte etwas zu Evelyn und sagte, solle es mir erzählen. Das tat sie, unter dem strengsten Verspo chen der Verschwiegenheit. Hier ist das Geheimnis. Sie war beide schon zuvor in der zweiten Kammer gewesen! Nach c Entdeckung hatten sie nicht widerstehen können — sie harr



ein kleines Loch in die Wand gemacht (das sie danach wieder füllten (mit dem Deckel eines Korbes)) und waren hindurch-geklettert. Die einzigen anderen, die davon wussten, waren die Arbeiter.«
Kurze Zeit später verplapperte sich Lord Carnarvon sogar in aller Öffentlichkeit. In einem Artikel in der London Times vom 11. Dezember gibt er unumwunden zu, dass er selber, seine Tochter und Carter noch am selben Abend das kleine Loch vergrößerten und in die Kammer einstiegen. Allerdings beschränkt er sich in seinem Geständnis auf das Betreten der Vorkammer — den Einbruch in die Sargkammer verschweigt er. Als später dann Carters Grabungsbericht erschien, war Carnar-vons Schilderung schon lange wieder aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden.
Einmal vergessen, kam, solange Howard Carter lebte, das Ge-heimnis auch nicht mehr an die Öffentlichkeit. Heute allerdings bestätigen weitere unabhängige Quellen die Wahrheit über diese Nacht. Der Erste, der erneut plauderte, war der Chemiker Alfred Lucas. Er stieß zwar erst kurz vor Weihnachten zum Grabungs-7:22.111, kümmerte sich dann aber die kommenden zehn Jahre als Restaurator für Howard Carter um die oft sehr schwierige Erhaltung der fragilen Fundstücke aus dem Grab. 1947 veröf-7-tridichte Lucas drei kurze Aufsätze in dem Mitteilungsblatt der 4...zyptischen Altertümerverwaltung, den Annales du Service des -!_ntiquiM de l'Egypte. Sie handeln von jenem Loch, durch das
e vier nächtlichen Eindringlinge in die Sargkammer stiegen. ranz offen schreibt Lucas in einem der Aufsätze: »Als ich das _gab am 30. Dezember zum ersten Mal sah, war das Loch durch
Tablett oder einen Deckel aus Schilf und einige Schilfrohre feckt, die Mr Carter davorgestellt hatte.« In einem etwas spä--fren Aufsatz greift er das Thema erneut auf: »Im Gegensatz zu

der Öffnung im äußeren Zugang wurde das Loch nicht von amten der Totenstadt, sondern von Mr Carter geschlossen und neu versiegelt. Kurz nachdem ich mit Mr Carter zu arbeiten begann, zeigte er mir die verschlossene und wiederversiegd Stelle, und als ich sagte, es sehe nicht wie eine alte Arbeit a gab er zu, es sei auch keine alte Arbeit, und er habe es getan.. Von Lucas' Veröffentlichungen nahm allerdings niemand No¬tiz. Carters Schilderung der Ereignisse sollte noch viele weiter Jahre die offizielle Version bleiben.
Erst 1978 griff Thomas Hoving in seinem Buch Der Gotiesit Pharao die Anschuldigung wieder auf. Des Weiteren erwähnt es Aufzeichnungen, die Lord Carnarvon kurz nach dem 26. No-vember gemacht haben soll. Ursprünglich waren sie als Norizei für einen Aufsatz gedacht, der aber nie erschien. Hoving fand sie im Archiv der Ägyptischen Abteilung des Metropolitan `, .._-seum of Art. Leider zitiert er nicht wörtlich aus den Aufzc.r_--nungen Carnarvons, sondern erwähnt nur, dass Howard
ihnen zufolge in jener Nacht eine Öffnung gemacht haben
die gerade groß genug war, dass die vier Anwesenden sich einigen Schwierigkeiten« hindurchzwängen konnten. Aual wenn Carnarvon bni, seinen vorherigen Schilderungen Anhin Callender nicht erwähnt, geht aus diesen Notizen doch eindo> tig hervor, dass er ebenfalls anwesend war.
Den jüngsten Beitrag zu den »Enthüllungen« lieferte der Bt liner Ägyptologe Rolf Krauss. Er verwies auf ein Detail auf Tafel 29 B im dritten Band des Grabungsberichtes. Auf de Foto ist das wilde Durcheinander in der Vorkammer von c:-. Tür aus zu sehen. Carter selber versah diese Abbildung dem Hinweis »Beachte die Fußspuren der Einbrecher auf de:-weißen Bogenkasten«. Es bleibt allerdings rätselhaft, wieso Eindringling sich mit vollem Gewicht auf den schräg auf eine-

Haufen liegenden Kasten gestellt haben sollte, dessen Deckel nicht einmal sonderlich stabil wirkt. Handelt es sich bei den dunklen Spuren auf dem weißen Deckel aber tatsächlich um einen Fußabdruck, dann bestimmt nicht um den einer altägyp-tischen Sandale. Wie die aussahen, weiß man sehr gut aus ar-chäologischen Funden — es waren Zehentrenner mit glatter, durchgehender Sohle. Tutanchamun selber besaß sogar ein Paar aus purem Gold. Eines aber hatten die Ägypter bestimmt nicht unter ihren Füßen: Absätze wie das Modell, das für die Spuren auf Tafel 29 B verantwortlich war. Krauss vermutet, dass es sich dabei vielmehr um Abdrücke handelt, die ein britischer Her-renschuh in der Nacht vom 26. auf den 27. November 1922 hinterließ.
Die Ausgräber setzten die offizielle Graböffnung für den 29. November fest und verschickten Einladungen an den Pro-vinzgouverneur Abd el Aziz Bay Jehia, an den Bezirkspolizei-chef Mohammed Bay Fahmy und an den Berichterstatter der London Times, Arthur Merton, als einzigen Vertreter der Presse. ?ierre Lacau von der Altertümerverwaltung und sein britischer Stellvertreter Paul Tottenham fehlten ebenso wie der britische Hohe Kommissar Lord Allenby, Letzterer schickte aber immer-rin seine Frau. Nachdem alle einen Blick in die Kammer — jetzt :Nerehs mit elektrischem Licht ausgestrahlt — geworfen hatten,
d Lady Evelyn zum Picknick am Grab von Ramses VI. Der iiichtigste Anwesende an diesem Tag war wohl Arthur Merton. Bereits am folgenden Tag erschien sein »von Depeschenläufern :_rekt aus dem Tal der Königsgräber« übermittelter Bericht. Un-
der Schlagzeile: »Ein ägyptischer Schatz! Großer Fund in 7-_eben: Lord Carnarvons lange Suche«, widmete die Times dem
des Tutanchamun eine ganze Doppelseite. Große Teile des 4....-tikels hatte Howard Carter Merton handschriftlich schon mit


der Einladung zukommen lassen — er wollte sicherstellen, dass die Öffentlichkeit von Anfang an richtig informiert wurde. Al¬len anderen Presseorganen blieb nichts anderes übrig, als von der Times — und damit in diesem Fall Carters eigener Version —abzuschreiben.
Es gibt mit Sicherheit viele Gelegenheiten, Howard Carter Vorwürfe zu machen. In einer Hinsicht aber hat er sich den allergrößten Respekt verdient. Statt nun schnell die Kammern auszuräumen, um möglichst zügig die Schätze ans Licht zu ho-len, bremste er allen Enthusiasmus. Die geduldige, sorgfältip. Dokumentation jedes einzelnen Gegenstandes aus dem
war damals alles andere als selbstverständlich. Doch es solz., zehn Jahre dauern, bis der letzte Fund das Grab verließ. So langt nahm Carter sich Zeit, jeden noch so kleinen Blumenstrat« jedes noch so unbedeutende Salbentöpfchen an Ort und Ste__, zu fotografieren, zu dokumentieren und wenn notwendig restaurieren, bevor es überhaupt berührt werden durfte. Dieser Akribie ist es zu verdanken, dass auch heute noch viele seiner Handgriffe nachvollziehbar sind.
Dafür brauchte er nun so rasch wie möglich zwei Dinge: ton-nenweise Material te Kollegen, die bereit waren, mit ihm na arbeiten. Bis er beides zusammenhatte, sollte niemand das Grab erneut betreten. Also gab er ihm zunächst den bestmöglichen Schutz: Er ließ es wieder zuschütten. Dann fuhr Carter nach Kairo auf Einkaufstour: eine schwere Eisentür, Fotomaterial Chemikalien, Verpackungskisten, 32 Ballen Leinwand, zwei Ki-lometer Watte, ebenso viele Binden — und ein Ford AutomobiL
Während er noch in Kairo seine Einkäufe tätigte, erreich= ihn ein Glückwunschtelegramm von Albert Lythgoe, dem Ku¬rator der Ägyptischen Abteilung am Metropolitan Museum oi Art. Lythgoe grub zu dem Zeitpunkt — nur durch einen Berg

n Carter getrennt — ebenfalls in Theben. Das war die Gele-genheit, um Hilfe zu bitten. Zaghaft fragte Carter an, ob er den Fotografen Harry Burton ausleihen dürfe. Die Antwort kam postwendend, und Carter lobte sie als »Beispiel selbstloser wis-senschaftlicher Mitarbeit«: »Nur zu erfreut, in jeder Weise zu helfen. Bitte über Burton und jedes andere Mitglied unseres Stabes zu verfügen.« Aus eins wurden vier: Außer Burton sie-delten bald auch die erfahrenen Zeichner Lindsley Hall und Walter Hauser sowie der Ausgräber Arthur Mace ins Tal der Könige über. Zu dem Team gesellte sich ebenfalls noch im De-zember der Chemiker Alfred Lucas, der unschätzbare Dienste bei der Konservierung der Funde leisten sollte. Alan Gardiner, weltweit führender Experte im Lesen der Hieroglyphen, sagte spontan seine Hilfe für alle im Grab gefundenen Inschriften zu, desgleichen tat James Breasted für die Siegelabdrücke. Während Weihnachten näher rückte, wurde es so langsam voll im Tal. Zu¬mal die Amerikaner nicht alleine kamen, sondern ihre Frauen mitbrachten. Als Mace' Frau Winifred und seine Tochter Mar-taret im Tal eintrafen, hatten die beiden Damen ein Kamel im Schlepptau — auf dessen Rücken ein Klavier festgebunden war.
Die Stille, die am Morgen der Entdeckung im Tal geherrscht Zarte, sollte für lange Zeit die letzte ruhige Stunde gewesen sein. Mit der Veröffentlichung des Grabfundes in der Times war es,
sei plötzlich ein Scheinwerfer eingeschaltet, der nun Tag _nd Nacht das Tal der Könige in helles Licht tauchte — und ze Weltöffentlichkeit schaute zu. Jede Bewegung der Ausgräber wurde notiert, kommentiert und interpretiert. »Für Altertums-
rschung allgemeines Interesse — das war für die meisten von 1---s neu und verwirrend«, schreibt Carter im Grabungsbericht, rz dem »Besuchern und Presse« sogar ein eigenes Kapitel gewid-nea: ist. »Was der Grund oder die verschiedenen Gründe (für

diese Aufmerksamkeit) auch sein mögen, gewiss ist, dass keit Macht der Welt uns mehr vor dem Licht der Öffentlichke schützen konnte, das jetzt auf uns niederstrahlte, seit das ers Telegramm an die Times veröffentlicht war. Wir waren hilf"( und mussten uns damit abfinden, so gut wir konnten.«
Bald begann eine »wahre Sintflut« von Post die Ausgräb, zu überschwemmen. »Mit Glückwunschbriefen fing es an«, b schwerte sich Carter. Dann folgten Angebote, Hilfe zu leiste vom Grundrisszeichnen bis zu den Diensten eines Kammerdi ners, Ersuchen um Andenken — selbst einige wenige Sandkörn vom Äußeren des Grabes würden nur zu dankbar angenomme werden —, Angebote von phantastischen Geldsummen für d Berechtigung von Filmaufnahmen bis zum Patent für Kleide moden, Ratschläge zum Konservieren der Altertümer und d beste Verfahren, böse Geister und Naturgewalten zu beschwid tigen, Zeitungsausschnitte, kurze Abhandlungen, vermeindi( witzige Mitteilungen, strenge Anklagen wegen Entweihun Ansprüche auf Verwandtschaft — »gewiss sind sie der Vetter, d 1893 in Camber411 wohnte und von dem wir seitdem nie e was hörten«. Den Vogel schoss ein Briefeschreiber ab, der si, höflich erkundigte, ob die Entdeckung des Tutanchamun-Gi bes vielleicht neues Licht auf die Kongogräuel werfen würde, t denen die Belgier zwischen 1888 und 1908 über die Hälfte c rund 18 Millionen Kongolesen verstümmelt, vergewaltigt oc getötet hatten.
Es blieb nicht bei Briefen. Immer mehr Leute reisten p( sönlich an, um ihre Anliegen vorzutragen oder auch einfa nur, um einmal am Grab gewesen zu sein. Die Hotels in Lug mussten in ihren Gärten Zelte aufbauen, um zusätzliche Gä beherbergen zu können. Schon in den frühen Morgenstund( wenn es noch kühl war, zogen die ersten Besucher ins Tal u

positionierten sich. Besonders beliebt waren die Plätze auf einer niedrigen Mauer, die den oberen Rand des Grabeingangs ein-fasste. Um diese Plätze gab es mitunter sogar heftiges Gerangel: »Manchmal waren wir wirklich in Angst, dass die ganze Mauer nachgeben und die Besuchermenge in das offene Grab stürzen würde.« Wer einen der begehrten Plätze ergattert hatte, machte es sich gemütlich. »Dort saßen sie den ganzen Morgen, lasen, unterhielten sich, strickten, machten Aufnahmen vom Grab und voneinander.« Kam jedoch der Ruf aus dem Grab, dass ein neues Fundstück herausgebracht würde, war es vorbei mit der Idylle. Dann flogen Bücher und Strickzeug beiseite, »die ganze Batterie der Apparate machte die >Rohre frei< und wurde auf den Eingang gerichtet.«
Am liebsten wären natürlich alle Besucher auch in das Grab hinuntergestiegen. Die meisten waren von weither angereist und nahmen ganz selbstverständlich an, dass ihr Besuch will-kommen sein würde und die Ausgräber sie nur allzu gerne im Grab herumführten. Entsprechend pampig reagierten viele, wenn ihnen der Zutritt verwehrt blieb. Mit Touristen im Grab wäre die Arbeit jedoch unmöglich gewesen. Es war ohnehin schon eng, und bereits ohne Besucher drängten sich die Arbeiter .ind Ausgräber in den engen Kammern, die ja zudem auch noch :nit hochempfindlichen Funden vollgestellt waren. Ein Fehltritt, _nd eine über 3000 Jahre alte Truhe konnte zu Bruch gehen. ain unbedachtes Anlehnen an die Wand, und die kostbaren Malereien konnten unwiederbringlich in Mitleidenschaft gezo-zen werden. Die Vorstellung, unkontrollierbare Menschenmas-K-n in das Grab zu lassen, war ein Horror für Carter. Außerdem i•Are dann ein konzentriertes Arbeiten gar nicht mehr möglich ze-0.-esen: »Was würde ein Chemiker denken, wenn wir ihn bit-
wollten, einen schwierigen Versuch abzubrechen, um uns

in seinem Laboratorium herumzuführen?«, regt Carter sich i Grabungsbericht auf. »Was würde ein Chirurg sagen, wenn m ihn mitten in einer Operation unterbräche! Und der Krank Was würde um alles in der Welt ein Geschäftsmann sagen — vi mehr was würde er nicht sagen —, wenn nacheinander zehn NI schiedene Gesellschaften im Lauf des Vormittags zu ihm käme von denen jede erwartete, in seinen Räumen herumgeführt werden?«
Noch angespannter war das Verhältnis zur Presse. Zunäd gab es noch Termine, zu denen alle Medienvertreter geladen e ren. Als aber die zweite Grabungssaison begann, entschloss Lo Carnarvon sich dazu, nur noch einen einzigen Journalisten das Grab zu lassen: Arthur Merton, Kairoer Korrespondent c London Times und einer der wenigen echten Freunde How Carters. Der Deal kostete die Times 5000 Pfund in bar sov 75 Prozent aller Erlöse aus den Nebenrechten. Dafür bekam die Exklusivrechte für Texte und Bilder — und Arthur Meru stieg in den Rang eines Grabungsteammitglieds mit uneint schränktem Zugang zu allen Arbeiten am und im Grab ai Die Konkurrenz war entsetzt — und rüstete zum Gegenangri Der Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters, Valenri Williams, schickte seine Frau auf die Grabung. Mit unschi digem Augenaufschlag bat sie Arthur Merton, sie als alleins hende Dame nach Hause zu begleiten. Der, ganz Gentlerna gab seinen Posten am Grab auf und ging seiner Verpflichtui einer Lady gegenüber nach — während in der Zwischenzeit i Ehemann versuchte, sich Zutritt zum Grab zu verschaffen. _1 die skrupellosen Ehepartner sahen, dass sie vor Ort nicht wein kommen würden, versuchten sie, sich an Lord Carnarvon anzumachen. Sie passten im Januar 1923 in Monte Carlo c »S S Adriatic« ab, auf der Carnarvon und Lady Evelyn nach Ak

andria reisten, und freundeten sich gezielt mit seiner Lordschaft an. Tatsächlich verstanden die vier sich prächtig, verbrachten viel Zeit miteinander, führten intensive Gespräche und nann-ten sich am Ende der Reise sogar alle beim Vornamen. Kaum aber hatten sie wieder Fuß auf festen Boden gesetzt, war es aus mit der Freundschaft. Er denke überhaupt nicht daran, seine kostbare Zeit mit Störenfrieden von der Presse zu vergeuden, ließ Lord Carnarvon die Williams wissen: »Die Times erhält die Neuigkeiten. Wenn andere Zeitungen sie wollen, können sie sie von der Times abschreiben.«
Der Daily Express versuchte es auf noch anderem Weg. Er _,;_hickte den Reiseschriftsteller Henry Morton, der in Luxor Brandreden hielt und Stimmung gegen das britisch-amerikani-.3.1e Grabungsteam machte: Die Ägypter sollten ihre Pharaonen _nd deren Schätze besser vor den gierigen Ausländern schützen.
· `_Lr seiner Hetzkampagne erreichte er in Bezug auf den Nach-- ..-:-Itenfluss nichts. Dafür aber tat er Antikendirektor Pierre _.__au einen großen Gefallen, der mit Fortgang der Arbeiten -In Grab immer weniger Verständnis für das in seinen Augen ez.:)istische Verhalten von Carter und Carnarvon aufbringen _ r_nte.
Lord Carnarvon beschloss, gar keine Zeitungen mehr zu le-Es ging ihm nicht gut. Die Entdeckung des Grabes hatte ---. zwar Ruhm gebracht, finanziell aber bis auf den Deal mit Times keine Vorteile. Insgesamt 40 000 Pfund hatte er über vergangenen sechzehn Jahre in die Suche nach dem toten irao versenkt — in der damaligen Zeit mehr als nur ein kleines -mögen. Und die Situation hatte sich mit dem Auffinden des -:Des keineswegs verbessert. Im Gegenteil: die Kosten stiegen edem neuen Arbeiter und jeder neuen Konservierungs---.ahme explosionsartig. Wenn nun Lacau lautstark darauf

bestand, alle Funde aus dem Grab für sein Kairoer Museum
Beschlag nehmen zu wollen, er aber leer ausgehen sollte, dai war das für seine Lordschaft wie ein rotes Tuch vor der N2
eines nervösen Stieres. Carnarvon fühlte sich von Tag zu Tag g reizter und schwächer. Schließlich begannen in immer kürzer Abständen, seine Zähne auszufallen. Die mörderische Mittag hitze im Tal, die oft bis auf 40 Grad kletterte, konnte er kau noch ertragen.
Anfang März, die Grabungssaison war fast zu Ende, wollte noch einmal persönlich mit Lacau reden. Wenige Tage vor d Abreise stach ihn ein Moskito am Kinn. Carnarvon schenk der kleinen Pustel keine weitere Beachtung. Unvorsichtige weise glitt er mit dem Messer darüber hinweg, als er sich i] Bad seiner Suite im Winter Palace Hotel in Luxor rasierte. I) Lord ärgerte sich. Statt die Wunde zu desinfizieren, ließ er s ungehalten ausbluten. Die Reise nach Kairo stand unter eines schlechten Stern. Lacau lag mit einer Grippe im Bett und Re gerte sich, Carnarvon zu empfangen. Nach wenigen Tagen wl auch der nicht meiier in der Lage aufzustehen. Die Lymphdri sen waren stark angeschwollen, schwere Fieberkrämpfe schüre ten seinen geschwächten Körper. Von dem infizierten Moskix stich breitete sich eine Blutvergiftung aus. Drei Wochen lan kämpfte Carnarvon gegen die Infektion. Während er sich flehq in seinem Bett wälzte, beschlossen das staatliche Ministerium und Lacaus Altertümerverwaltung, alle Entscheidungen übe eine Änderung des bestehenden Antikengesetzes bis 1924 aufn schieben. Mindestens ein weiteres Jahr lang würde es also kein Sicherheit darüber geben, wem die Funde aus dem Grab geheim ten. Es sollte die letzte Nachricht sein, die Carnarvon erreich• In den frühen Morgenstunden des 5. April 1923 starb Geoq Edward Stanhope Molyneux Herbert, 5. Earl of Carnarme

Howard Carter hatte mit Carnarvon nicht nur einen Freund verloren, sondern auch den geschickten Diplomaten an seiner Seite. Nun war er alleine den Besuchern, der Presse, der Altertü-merverwaltung und den ägyptischen Beamten ausgeliefert.
Die Grabungskonzession war mit dem Tode Carnarvons auf dessen Frau übergegangen. Lacau witterte nun die Gelegen¬heit, ohne den Widerstand des Lords seine Forderungen leich¬ter durchdrücken zu können. Zumal sich im Winter 1923 die politischen Fähnchen gedreht hatten. Bei den Wahlen hatte der Premierminister Sad Zaghlul Pascha triumphiert, die Mehrheit der Ministerposten im ägyptischen Kabinett war fortan mit ra-dikal-nationalistischen Wafdisten besetzt. Die neue Regierung brachte nicht das geringste Verständnis für die Bedürfnisse rei-cher Ausländer auf, sondern forderte, ägyptische Kulturgüter in eptischen Händen zu behalten. Der schlimmste Wechsel aber war der auf dem Posten des Ministers für öffentliche Arbeiten, :_acaus direktem Vorgesetzten. Das Amt übernahm Marcos Bey Henna. Der sture, rechthaberische Minister hatte vor Beginn
iner politischen Karriere vier Jahre wegen Landesverrat im ,:efängnis gesessen und genoss nun Märtyrerstatus — ein Mann, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte. Archäologie inter-
sierte ihn keinen Deut, außer als interessantes Spiel, um den zehassten Ausländern seine neue Macht vor Augen zu führen.
n schlimmerer Gegner hätte Howard Carter kaum gegenüber--2-eten können.
Für die Grabungssaison 1923/24 stand die Öffnung des gol-ztnen Schreins mit der Mumie des Pharao auf dem Plan. Es war schwieriges Unterfangen, denn die Kammer war so eng, dass ,Lch mit den Deckeln und Seitenwänden des Schreins und der :.ickophage kaum manövrieren ließ. Marcos Bey Henna nötigte _./..-ter, ihm jedes Detail des Zeitplans vorzulegen — nur, um es

dann genüsslich zu verschieben oder gleich ganz zu ve Zähneknirschend arbeiteten die Ausgräber sich unter Bedingungen bis zu dem Granitsarkophag vor. Am 12. war es so weit. Um 15.00 Uhr begannen die Arbeiter, mit schenzügen den fast zwei Tonnen schweren Sarkop
in die Höhe zu ziehen. Zunächst sahen die Anwesend= ein Gewirr von feinen Leinentüchern. Doch darunter es: Gold! Vorsichtig schob Carter das brüchige, alte Leinen seite — und die Anwesenden schauten sprachlos in das ve Antlitz des Pharao. Carter soll später gesagt haben, er hak' diesem Augenblick andächtiger Stille den »geisterhaften der einstigen Trauernden« vernommen. Arthur Merton große Worte für die Leser der London Times: »Während reiche emporstiegen und vergingen, Kriege und Ka
das Weltgeschehen erschütterten, Eroberungen das Gesidiir Erde veränderten, Zivilisationen sich erhoben, aufblüht= wieder versanken, Religionen gestiftet und durch andere verdrängt wurden, ruhte wenige Meter unter der Erde, dir hundertelang tagtäglich von Menschenfüßen begangen unbeachtet und vergelyn von allen dieser König in einen den, einer Erhabenheit, wie nur der Tod und das Grab sie Menschen verleihen können.«
Im Glanz des goldenen Sarkophages schien kurzfriszig Streit vergessen. Für den nächsten Tag hatte Carter eine tigung für die Vertreter der ägyptischen Presse vorgesehen den ausländischen Medien durfte nach wie vor nur M die Times das Grab betreten. Am Nachmittag sollten Frauen und Familien der Grabungsmitarbeiter den des Pharao sehen dürfen. Bevor die Besucher eintrafen. Carter eine Botschaft von Marcos Bey Henna. Den der Wissenschaftler sei der Zutritt zum Grab nicht

Um sicherzustellen, dass sein Verbot eingehalten würde, habe er Polizisten zum Grab entsandt.
Diese Anordnung war der letzte Tropfen, den es noch ge-braucht hatte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Howard Carter tobte. Die gesamte Mannschaft, der mittlerweile fast alle namhaften ausländischen Wissenschaftler mit Bezug zu Ägyp-ten angehörten, begab sich zum »Kriegsrat« in das Winter Palace Hotel in Luxor. Carter rannte aufgebracht im Hotelzimmer auf und ab, während er eine wutschnaubende Antwort nach der anderen verfasste. Schließlich gelang es den Kollegen, ihn davon zu überzeugen, dass eine sachliche Erklärung ohne beleidigende Anschuldigungen der diplomatisch geschicktere Schachzug sei. Jas Schreiben, das Carter daraufhin am Schwarzen Brett des Hotels veröffentlichte, ist zwar nüchtern gehalten — sein Inhalt aber um so explosiver:
»Mitteilung!
Aufgrund der unmöglichen Beschränkungen und Unhöflichkei¬ten vonseiten des Ministeriums für öffentliche Arbeiten und der Altertiimerverwaltung weigern sich meine Mitarbeiter, die wissen-schaftliche Eiforschung des Grabes von Tutanchamun fortzusetzen. Ich sehe mich daher gezwungen, der Öffentlichkeit bekanntzu¬geben, dass das Grab unmittelbar nach dem Besuch der Presse am iyutigen Morgen zwischen 10 und 12 Uhr geschlossen und die Arbeit abgebrochen wird.
Howard Carter«
.-_-_ inneren des Grabes schwebte nach wie vor der Sarkophag-von Tauen gehalten in der Luft. Carter aber begab sich Grab, verschloss die schwere Eisentür sowie das Labor und die Schlüssel an sich. Er war sich sicher, dass diese Aktion

das Ministerium und die Altertümerverwaltung zur Besinnun bringen würde. Das Grab war schon lange zum internationale Prestigeobjekt gewoiden, die Welt verfolgte nach wie vor aten los jede Bewegung der Ausgräber. Und ägyptische Archäologe die mit den Arbeiten hätten fortfahren können, gab es kein Seine Gegner, war Carter sich sicher, mussten die bittere NI schlucken: er oder keiner!
Marcos Bey Henna aber muss beim Lesen der Zeilen vor Va gnügen laut gelacht haben. Nun hatte er Carter genau dor wo er ihn haben wollte — aus dem Grab. Seine Antwort — i der Formulierung ebenso knapp und schlicht — erreichte Grabungsteam zwei Tage später: »Das Grab des Tutanchamu ist bis auf weiteres geschlossen. Der Zutritt ist weder MT Ca ter und seinen Mitarbeitern noch Mitgliedern der Verwalt-_-oder anderen Personen gestattet. Dies gilt sowohl für das G`i des Tutanchamun als auch für das Grab Nr. 15, das als Laboes torium benutzt wird.« Der Anordnung schickte er bewaffne Polizisten hinterher. Mit Sägen und Zangen entfernten sie Ca ters Schlösser und4rsetzten sie durch eigene.
Was in Howard Carter in diesen Tagen vorging, können la nur ahnen. Die entsprechenden Seiten in seinem Tagebuch fel len, sie wurden nachträglich herausgerissen. Vielleicht schäm er sich selber für seine unkontrollierte Wut, die ihm den Zurri zu jenem Grab kostete, auf dessen Entdeckung er fast sein samtes Leben lang hingearbeitet hatte. Vielleicht aber wollte ih auch jemand, der ihm nahestand, schützen — und vemichin nach seinem Tod seine eigene Version dieses dunkelsten Kapitels  seiner Lebensgeschichte.
Sie ist zweifelsohne eines der bekanntesten Kunstwerke der lt. Aber der Wert der goldenen Totenmaske Tutanchamuns _asst sich nicht einmal annähernd schätzen. Allein der Mate¬rialwert ist beachtlich: Zwei dicke Goldbleche von zusammen :0,23 Kilogramm Gewicht verarbeitete der Künstler in der Kopfbedeckung für die Mumie des Pharao. Über einen halben '.1eter hoch ist das gewaltige Stück und fast 40 Zentimeter t. Doch nicht alles ist pure Pracht. An anderer Stelle wurde rkwürdigerweise gespart. Die auffälligen blauen Streifen des - iglichen Nemes-Kopftuches sind nicht etwa aus echtem La-sondern aus einer sehr viel billigeren Imitation — aus _.em Glas. Echten Lapislazuli verwendete der Künstler nur - die kleinen Wappentiere Ober- und Unterägyptens — den r und die Kobra — auf der Stirn des Königs. Auch im Hals-ist Lapislazuli verarbeitet.
Xer gab den Auftrag für dieses Stück? Wer sagte: »Mach es - Ihtig — aber nimm, wo möglich, die billigeren Steine?« Und - war es, der den Künstler aussuchte? Einen Goldschmied, nicht etwa im Amarna-Stil aus der Zeit von Echnatons --schalt arbeitete, sondern sich künstlerisch an sehr konser-. en Vorbildern aus der schon 30 Jahre zurückliegenden Re¬- .ngszeit Amenophis' III. orientierte?
den wahren Wert der Maske ausmacht, ist nicht der

Materialwert, sondern ihre kulturelle Bedeutung. Das gc.zzui Antlitz des jungen Pharao, dargestellt als Unterweltsgott Civi ris, steht heute synonym für das alte Ägypten. Wer in die sidian-Augen dieser Maske schaut, sieht darin pharao Reichtum. Sie ist das wunderbarste Ding aller »wunde Dinge«, die Howard Carter bei seinem ersten Blick in das versprach. Sie prangt auf zahllosen Büchern, Katalogen Zeitschriftencovern — aber ebenso auch auf T-Shirts, chern, Radiergummis oder Gesichtscremes, die Faltenst und mehr Feuchtigkeit für die Haut versprechen.
Die goldene Totenmaske des Tutanchamun ist nur eine insgesamt 5398 Kostbarkeiten, die dem Pharao mit ins gegeben wurden. Sie ist das Stück, das alle anderen in den ten stellt. Und zwar in einen tiefen Schatten: Bis heute nur zwei Drittel aller Funde aus dem Grab wissenschaftlich tersucht, geschweige denn ausgestellt. Von dem letzten gibt es lediglich die alten, vergilbten Karteikarten, auf Howard Carter vor fast einem Jahrhundert seine Notize:- hielt. Und viele dieser Gegenstände sind mindestens ge rätselhaft wie die berühmte Totenmaske. Das Grab, das der-. senschaftlichen Natiten KV 62 — als 62. gefundenes Grab :7 der Könige, engl. Kings' Valley — trägt, ist zwar die präc:- nze! und einzige annähernd ungestörte Grabstätte, die je im Ägypten gefunden wurde. Doch statt Antworten zu brir2=6, warf sie vor allem neue Fragen auf. Nichts an diesem Gr.c.: stimmig, nichts will so richtig zueinander passen.
Schon bevor Howard Carter die erste Tür aufbrach, ten ihm erste Ungereimtheiten Kopfzerbrechen. Für ein raonengrab schien der Eingang viel zu klein. Der erste Eindi bestätigte sich später, als der Ausgräber tatsächlich alle vermaß. Mit allen Kammern und Gängen hat das Grab

Tutanchamun eine Grundfläche von nur 109,83 m2 — und ist damit vergleichsweise winzig. Schon sein Nalfolger Eje ließ sich in einem doppelt so großen Grab mit 212,22 m2 Grund-fläche beisetzen. Sethos I., zweiter Herrscher der 19. Dynastie, stand nur wenig später mit 649,04 m2 sogar fast die sechsfache Grundfläche zur Verfügung. Das Grab KV 62 hingegen liegt mit seinen bescheideneren Maßen eher in einem Bereich mit dem heimlich eingerichteten Versteck KV 55 mit 84,3 m2 Grundflä-zhe oder dem Privatgrab des hochrangigen Beamten Tuja und seiner Gemahlin Juja, den Urgroßeltern Tutanchamuns (KV 46 mit 62,36 m2).
War KV 62 vielleicht ursprünglich auch als Privatgrab ange-=,-:T worden? Privatgräber hatten üblicherweise nur eine Kam-
r. konnte das Grab Tutanchamuns immerhin mehr bie-
-,-.. Die 16 Stufen zählende Treppe und der dahinterliegende
· rridor führen zunächst zu einer Vorkammer. Von ihr zweigt Westen eine merkwürdig schräg abgewinkelte Seitenkam--- = r ab sowie im Norden die eigentliche Grabkammer. Beide _sänge waren, als Carter zum ersten Mal das Grab betrat, ver-:zeit. Die Grabkammer liegt nicht auf einem Bodenniveau mit 1:7 Vorkammer, sondern etwa einen Meter tiefer. Zur Schatz--- nmer, die auf der Ostseite von der Grabkammer abzweigt,
- rt dann allerdings wieder eine Treppenstufe hinauf auf das
· eau der Vorkammer. Möglich wäre, dass KV 62 zunächst als -.cheidenes Ein-Kammer-Grab angelegt, dann aber für Tut-
- :1-iamun ausgebaut und um weitere Seitenkammern ergänzt _:de. Das würde den »gestückelten« Eindruck erklären, den unterschiedlich orientierten Kammern machen.
Carter selber stellte bereits 1922 fest, dass das Grab des _il.nchamun nicht nur von der Größe, sondern ebenfalls so--1 von der Ausführung als auch von der Anlage her dem

Mumienversteck KV 55 gleicht — und beide Gräber aucz in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen. Troruif--r  und bleibt es ein Königsgrab, wie die französische 4, gin Christiane Desroches-Noblecourt bemerkte: »Man höchstens einwenden, dass diese Räumlichkeiten wohl den Herrscher vorgesehen waren, aber immerhin waren sie zur Verfügung gestellt worden, dass sie keine Fund setze der königlichen Grabbauweise jener Epoche verl Wer auch immer diese letzte Ruhestätte für Tutanchamun reitstellte, bemühte sich wenigstens, einen gewissen S zu wahren. Vielleicht wurde der Pharao nicht gerade mit größtmöglichen Pomp bestattet — aber eben auch nicht wandlos verscharrt.
Auf jeden Fall scheint Eile geboten gewesen zu sein. _ den Wänden der Grabkammer wurden keine weiteren W' geglättet, verputzt oder gar dekoriert. Sogar die roten metzmarkierungen sind an einigen Stelen noch sichtbar. ti einmal mit dem Besen fegten die Arbeiter nach den I Meißelschlägen durch die Kammern: Als Howard Carter Räume betrat, bemerkte er auf dem Boden noch die 1 Kalksteinsplitter ihres Werkes. Und in der nordöstlichen der Grabkammerdecktefand er »Spuren von Ruß wie von Öllampe oder Fackel«. Auch die Künstler, als sie die Wände malten, scheinen also nicht saubergemacht, sondern das nach Beendigung der Arbeiten nur so schnell wie möglich lassen zu haben.
Viel hatten sie sowieso nicht zu tun. Statt des üppigen programms, wie es in anderen Gräbern zu bestaunen ist. be-malten die Künstler lediglich die Wände der Grabkammer se i-ber — und auch die nicht ganz bis zum Boden. Die Decke b ebenfalls undekoriert — anders als zum Beispiel im Grab KV 35

des Pharao Amenophis II., an dessen Decke jede Menge Sterne auf einem schwarzblauen Himmel funkelten.
Die Bildergeschichte, die auf den Wänden der Grabkammer dargestellt ist, beginnt auf der Ostwand. Die Mumie Tutanch-amuns liegt auf einem Schlitten, der von zwölf Personen gezo-gen wird. Dieses Bild ist einzigartig: In keinem anderen Königs-grab wird die tatsächliche Beerdigung gezeigt. Auf der folgenden Nordwand beginnt die Vorbereitung der Reise des Pharao in das Jenseits. Zunächst führt Tutanchamuns Nachfolger Eje die Mundöffnungszeremonie durch. Tutanchamun selber tritt als Osiris auf, während die Bekleidung Ejes — ein Pantherfell — ihn als Sem-Priester kennzeichnet. Seiner neuen Rolle als König entsprechend trägt er bereits die blaue Krone. Auch diese Dar-stellung ist einzigartig für ein ägyptisches Grab. Möglicherweise
b Eje sie in Auftrag, um seinen Machtanspruch zu festigen — zenn er stand schließlich nicht in der Erbfolge auf den ägypti-szhen Thron, unter Tutanchamun hatte er lediglich als Wesir -:nd »Wahrer Schreiber des Königs« gedient. Um den Thronan-spruch nach dem Tod seines Vorgängers zu verdeutlichen, ließ er zusätzlich seine neue Position in Hieroglyphen festhalten: SG' Ra (»Sohn des Re«) und Nisut biti (»König von Ober- und
nterägypten«) steht vor seinen Namenskartuschen neben der Figur.
In der nächsten Szene tritt Tutanchamun vor die Himmels-z5rtin Nut. Die Hieroglyphen erklären auch hier die Bedeutung Aals. Sie ist die »Herrin des Himmels, Geliebte der Götter, die seiner Nase und damit seinem Atem Gesundheit und Leben rDt.« Die letzte Szene schließlich lässt Tutanchamun und sein 4C,i. das ihm wie ein Schatten folgt, vor den Unterweltsgott Dsiris treten. Warmherzig umarmt Osiris Tutanchamun, den .vollkommenen Gott, Herr beider Länder, Herr der Erschei-

nungen, dem Leben gegeben sei, ewig und von unendliche: Dauer« zur Begrüßung.
Am wichtigsten aber ist die Westwand der Grabkammer. Auf ihr ist eine Kurzfassung des Amduat gemalt, des »Buches von dem, was im Jenseits (Duat) ist«. Es gilt als eine Art Reisefüh-rer für verstorbene Pharaonen: Beschrieben wird die Fahrt de Sonnengottes Re auf einer Barke durch die zwölf Nachtstunde Erst wenn er sie alle erfolgreich durchquert hat, kann die Sonne wieder aufgehen — und der Pharao wiedergeboren werden. In seiner vollen Länge ist das Amduat ein beeindruckendes Werk, über 900 göttlichen Wesen begegnet Re auf seiner Nachtfahrt_ In den Gräbern anderer Pharaonen vor Tutanchamun, so zum Beispiel in denen von Thutmosis III. oder Amenophis prangt die Vollversion des Amduat an den Wänden. Im Grab Tutanchamuns aber musste eine abgespeckte Form ausreichen. Die fünf Götter Maa, Nebet-uba, Heru, Ka-Shu und Nei schreiten der Sonnenbarke voraus. Darunter hocken in drei mai vier Feldern zwölf Paviane, jeder für eine Nachtstunde.
Bei der Wandbemalung stellt sich, wie schon bei der To-tenmaske, wieder die Frage: Wer beauftragte die Künstler und nach welchen Kriteren? Denn es waren nicht nur verschiedene Künstler, sondern zudem auch noch Maler unterschiedlicher Schulen. An der Südwand arbeiteten Künstler, die in der klas-sischen Methode ausgebildet waren — sie verwendeten für die Konstruktion ihrer Figuren ein traditionelles 18-feldriges Ras¬ter. An den übrigen Wänden aber wurden die Figuren nicht mit dem 18-feldrigen Raster entworfen, sondern mit einem 20-feldrigen — so wie es die Künstler in Echnatons Hauptstadt Achetaton angewandt hatten.
Howard Carter vermutete, dass die Wände der Kammer erst bemalt werden konnten, nachdem der Pharao mitsamt seinen

Sarkophagen im Grab lag und alle Schreine um ihn herum aufgebaut waren. Denn erst dann konnte die letzte Wand, die Trennwand zwischen Vor- und Grabkammer, überhaupt er-nchtet werden. Das aber würde bedeuten, dass die Künstler in walvoller Enge und bei extrem schlechten Lichtverhältnissen
dem schmalen Gang arbeiten mussten, der dann zwischen außerster Schreinwand und Kammerwand noch verblieb. Er ;.Aber beschreibt die Enge im Grabungsbericht: »Wir stießen ..,ns die Köpfe, klemmten uns die Finger, mussten uns rein- und ausquetschen wie die Wiesel und in allen möglichen peinlichen ti5rperhaltungen arbeiten.« Wäre es den Künstlern ebenso er-zangen, würde dies die rohe Ausführung der Malereien erklären. :_-nd auch den Schimmelpilzbefall führt Carter auf die eilige Fertigstellung des Grabes zurück. Man habe nach Beendigung :can Mörtel und der Farbe nicht genügend Zeit zum Trocknen geben, sondern hastig das Grab verschlossen. »Die Feuchtig-szit des Mörtels lieferte den Keimen Nahrung, nachdem die Kammer versiegelt war«, folgert Carter. Am Ende verließen die Künstler die Grabkammer durch einen schmalen Durchgang
der Südwand.
Mindestens genauso spannend wie die Frage nach dem Auf-- ,-zeber der Künstler ist die Frage nach der Person, welche die ahl an Gegenständen traf, die den König auf seiner letzten - :_se begleiten sollten. Es ist ein wildes Sammelsurium. Einige men aus Tutanchamuns Besitz und erfuhren mit Sicherheit _ -__ebz,eiten des Königs auch regen Gebrauch. Der Inhalt der —_alten Truhe Nr. 21 beispielsweise bestand vornehmlich aus ztlegter Kinderkleidung des Pharao. Anderes wurde speziell min Grab gefertigt. Dazu gehört ein Paar Holzsandalen, die : Rinde, Leder und Blattgold verziert sind. Auf den Sohlen - = asiatische und nubische Gefangene abgebildet: Mit jedem

Schritt dieser Schuhe hätte der Pharao seine Feinde mit Füf getreten und zermalmt. Die fragile Arbeit aber ist unbeschade Tutanchamun hat dieses Schuhwerk nie getragen.
Das Merkwürdigste jedoch sind die vielen Gegenstände, weder für den lebendigen noch für den toten Pharao bestirr waren — sondern ganz anderen Personen gehörten. Noch w:.; rend der Freilegung des Ganges zum Grab hinunter, bevor H ward Carter es überhaupt öffnen und die »wunderbaren Dini sehen konnte, wunderte er sich schon über die offensichtlic Häufung fremder Artefakte: »In den unteren Schuttschichte die die Treppe bedeckten, fanden wir eine große Menge Sche ben und zerbrochene Kästen, Letztere mit den Namen Echn tons, Sakeres und Tutanchamuns, und was noch aufregend war, einen Skarabäus von Thutmosis III. und ein Stück ein anderen mit dem Namen Amenophis' III. Warum dieses G misch von Namen?«, sorgte er sich. Das Ganze sähe wenig nach einem Herrschergrab aus als vielmehr wie »eine Sammlui der verschiedensten Gegenstände aus dem Besitz von Könige der 18. Dynastie (...), die Tutanchamun von El-Amarna herr bracht und hier zu ihrer Sicherheit verwahrt hatte.«
Der britische Ägyptologe Thomas Garnet Henry James. ei Schüler Alan Gardiners, merkte an, der Inhalt des Grabes wir wie »eine willkürliche Ansammlung von Gegenständen aus des Palast und den königlichen Magazinen«. Er ging sogar so w zu fragen: »Bot etwa ein königliches Begräbnis die Gelegenhei sich der Gegenstände zu entledigen, die nicht mehr benötig aber dennoch nicht weggeworfen werden durften?«
Merkwürdig ist in der Tat, dass selbst intimste Gegenständ ursprünglich gar nicht für Tutanchamun gefertigt worden ren. Einer der Kästen, der inmitten des Gewirrs im Grabeinpai lag, war mit einer Liste seines ursprünglichen Inhalts versehe:"


Leinentücher. Den Namen nach, die auf dem Kistendeckel prangten, gehörten sie Echnaton und seinen beiden Töchtern Neferneferuaton und Meritaton. Was ist die Geschichte hinter dieser Kiste? Dass Tutanchamun die Kleidung seines Vorgän-gers und dessen Töchtern auftrug, erscheint mehr als unwahr-scheinlich.
Nicht einmal alle seine Sarkophage scheinen allein für ihn angefertigt worden zu sein.
So trägt zum Beispiel der mittlere der drei Holzsarkophage eindeutig andere Gesichtszüge als die anderen beiden. Und sch die goldenen Mumienbänder, die um die Mumie gewi-=,:elt waren, sollten ursprünglich einen anderen Pharao binden.
e tragen den Thronnamen Ancheperure des Pharao Neferne-- ff-ruaton — des mysteriösen Vorgängers von Tutanchamun, den
· vir möglicherweise als Semenchkare kennen. Warum dieser die
ander nicht selbst brauchte, kann wohl nie geklärt werden. -.Der wir wissen, dass er eine gänzlich andere Figur hatte als —...ranchamun. Die Mumienbänder, die für Neferneferuaton J-2.-_-:.frtigt wurden, waren für seinen Nachfolger viel zu groß. Die Bestatter mussten Stücke heraustrennen und sie neu zu-sammensetzen, damit sie dem schmächtigeren Tutanchamun nisten.
Doch damit nicht genug. Nicht einmal die vor der Einbal-urnierung entfernten Eingeweide des Tutanchamun lagerten in eigenen Gefäßen. Der goldene Kanopenschrein, in dem _ ,-er, Lunge, Magen und Därme des Pharao aufbewahrt wur-zählt indes zu den beeindruckendsten Gegenständen im Howard Carter bezeichnete ihn als »ein Monument, man nicht so leicht vergisst«. Mit seinen fast zwei Metern - rie, über 1,5 Metern Länge und 1,22 Metern Breite bietet er - :71 imposanten Anblick. Seine Oberfläche ist komplett mit

Gold überzogen. Den oberen Abschluss bilden 54 zum Ang aufgerichtete Uräusschlangen, verziert mit blauem, rotem u grünem Glas und goldenen Sonnenscheiben auf den Köpf Während die Schlangen nach außen gerichtet sind, besch zen die vier Göttinnen Isis, Nephthys, Selkis und Neith d Schrein nach innen, indem sie schützend mit ausgebreitet Flügeln davorstehen. Ihre Gesichter sind vom Betrachter a und dem Schrein zugewandt, die Köpfe leicht zur Seite gedrel Diese Haltung, die von der sonst üblichen Frontaldarstellu abweicht, ist ein einmaliger Bruch mit der ägyptischen Kun tradition — allein dieser Umstand macht das Stück zu etwas ga. Besonderem.
In dem vergoldeten Holzschrein steckt die eigentliche K nopentruhe, die aus einem Kalzitblock gehauen wurde. Med beschützen die vier Göttinnen nach innen gewandt die Eing weide des Pharao, diesmal umarmen sie allerdings die Eckt der Truhe. Das Innere des Blocks ist in vier Fächer geteilt. i denen die eigentlichen Kanopen steckten: Gefäße mit mensd lichem Kopfaufsatz. Die Verschachtelung erreicht hier nun if ren Höhepunkt. Statt direkt in den Kanopenkrügen liegen ci Eingeweide noch einmal in vier Miniatursarkophagen aus sog' dem Gold. Auf jedtm dieser 39 Zentimeter großen Sarkophag' ist vermerkt, welcher Sohn des Gottes Horus welches Organ bewacht: Amset die Leber, Hapi die Lungen, Duamutef da Magen und Kebechsenuef die Därme.
Es hätte also alles in allem eine prächtige Beisetzung der Löw niglichen Organe sein können. Allerdings müssen ziemlich ritt' Dinge ziemlich schiefgelaufen sein — denn an diesem opulentem Monument ist fast nichts so, wie es sein soll. Die Namensim tuschen im Inneren der Särge tragen zwar den Namen Tutandm amuns. Ursprünglich war dort aber ein anderer Name eingza


viert: Anchcheperure, der Thronname Neferneferuatons. Auch sehen die Gesichter der Miniatursärge den sonstigen Porträts Tutanchamuns gar nicht ähnlich — die obere Gesichtspartie ist breiter. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht allerdings zur Physio-momie des mittleren Sarkophags, der ja ebenfalls nicht die be-Kannten Gesichtszüge Tutanchamuns trägt und wahrscheinlich
r einen anderen Herrscher gefertigt wurde. Auch die Kalzit-:..'eckel der Kanopenkrüge zeigen nicht Tutanchamun — sie pas¬sen allerdings zu den Porträts der Miniatursärge.
Wäre hier lediglich ein prächtiger Kanopenschrein für einen anderen Herrscher verwendet worden, dann gäbe es schon ge-nügend Ungereimtheiten. Doch der Schrein gibt noch weitere Rätsel auf. Mindestens einer der Sargdeckel wurde nachträglich angefertigt — er passt nicht einmal genau auf das Unterteil des Miniatursarges. Und offenbar befüllten die Bestatter die Krüge E.b. hastig, dass ihnen unverzeihliche Schlampereien unterliefen. S..-hon Howard Carter bemerkte, dass die Einbalsamierungsflüs-eit nicht in allen Fächern der Truhe gleichmäßig verteilt ist. A:s Erstes wurde das südöstliche Fach mit dem schwarzen Harz dann das südwestliche und das nordwestliche. Als das 7i:rdöstliche an der Reihe war, blieb nicht genügend Harz üb¬- nur ein kleiner Rest bedeckt den Boden des Faches. Das alles wäre noch zu verzeihen gewesen. Dann aber setzten Bestatter den Schrein falsch zusammen. Sie vertauschten die ---_sitionen der Göttinnen. Isis, Nephthys, Selkis und Neith sind eis einem Horussohn zugeordnet: Selkis dem Kebechsenuef —. Westen, Isis Amset im Süden, Neith Duamutef im Osten Nephthys Hapi im Norden. Hier aber steht nun Selkis im n und Isis im Westen, Neith im Norden und Nephthys im _ ::n. So konnte keine von ihnen den richtigen Horussohn _.7zen. Eine ähnliche Verwechslung war bereits beim Befüllen

der Fächer geschehen, auch hier sind zwei der Miniatursa »I ihrer Position vertauscht.
Was war geschehen? Was hatte verhindert, dass Anch perure Neferneferuatons Eingeweide in dem monumen Schrein bestattet wurden? Hatte er sich zu Lebzeiten neuen, noch prachtvolleren bauen lassen? Oder blieben se Leichnam nach dem Tod die Ehren verwehrt, die einer:: 3:> niglichen Toten zustanden? Und warum bewahrte man d_esn Schrein nach seinem Tod auf? Behielt man ihn für Tutanz> amun? Oder starb der Pharao so früh, dass er noch kein" eigenen hatte in Auftrag geben können? Wer erinnerte Lid' nach dem Tod des Tutanchamun an den Schrein des Neferndie ruaton, der irgendwo unbenutzt in einem Lager stand? Wabe scheinlich hatte das Holz des kostbaren Stückes sich sogar e der Zwischenzeit verzogen. Als Howard Carter den Boden zmm den Schrein herum untersuchte, entdeckte er Holzspäne. bei letzten Hobelarbeiten an dem äußeren Schrein angefa waren — womöglich, um die verzogenen Teile wieder passend zurechtzuhobeln. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, da nach den Boden aufzufegen. War es eigentlich eine Schand für den Verstorben n, im Kanopenschrein seines Vorgängen bestattet zu werden? Oder hatten die Herrscher der 18. Dynal tie ein anderes Verhältnis zu Besitz — egal, ob von Lebendes oder von Toten? Was uns heute als Tabu gilt — die Verwendung von Begräbnisgerät eines Toten für einen anderen —, empfan den die alten Ägypter möglicherweise überhaupt nicht all solches.
Von Echnaton erbte Tutanchamun kein unbenutztes Bestani tungsgerät. Dafür nahm er andere Erbstücke von ihm mit in Grab. Unter den Schmuckstücken befanden sich zwei gros Pektorale, die mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der Schau

Kammer Echnatons stammten und erst nachträglich mit dem Namen Tutanchamuns versehen wurden. Ähnliches gilt für einen Anhänger aus Fayence. Bei einem mit Goldfolie überzo-zenen Fächer machte man sich nicht einmal mehr die Mühe, Echnatons Namen zu ersetzen, seine Namenskartusche ist nach wie vor zu lesen.
Ein im Vergleich recht unscheinbares Erbstück Echnatons wirft wieder die Frage auf, wie selbstverständlich die Weiterver-wertung benutzter Stücke aus den Beständen der Vorgänger für einen Pharao war. Um den Körper des Schakalgottes Anubis, :essen Statue den Kanopenschrein bewachte, lag eine Decke zzapiert. Wie im alten Ägypten üblich, hatte der Hersteller :Je mit einem Datum versehen: siebentes Regierungsjahr des 1z_arao Echnaton. Hatte diese Leinendecke aus der Zeit seines
:rgängers all die Jahre in Tutanchamuns Wäschetruhen gele-zren. bis die Einrichter des Grabes beschlossen, sie sei die ideale 7-...e-deckung für Anubis?
Eines der berührendsten Stücke in der gesamten Grabans-zs.:rung ist eine geflochtene Haarsträhne. Sie gehörte allerdings sz___--ier jungen, hübschen Prinzessin — sondern Teje, der Mut-Echnatons. Erstaunlich ist vor allem die direkte, enge Ver-h.ndung zwischen Tutanchamun und der alten Frau, die mit ::im Fundstück deutlich wird — oder besser mit seiner Ver-zsckung. Die äußere Schicht ist ein 78 Zentimeter großer Sar-c1-.ag, schwarz bemalt und mit Gold dekoriert. Darin steckt -17_ zweiter Sarkophag, dieser ist komplett mit Gold überzogen. wurde mit so viel Einbalsamierungsflüssigkeit übergossen, —s3 er unwiederbringlich in der äußeren Hülle festgeklebt ist — -zu- ier Deckel lässt sich noch öffnen. Der Text auf dem Deckel sr ein Gebet an die Himmelsgöttin Nut: »Oh, meine Mutter! .i,..:=Tne über mich, gib mir einen Platz unter den unvergäng-

lichen Sternen, die in Dir sind, damit ich nicht wieder ster±x muss.«
Als Howard Carter diesen Sarg öffnete, fand er darin ei Leinenbündel und einen weiteren kleinen Sarkophag. In d Leinentücher waren Perlenreste und eine Kette gewickelt ei hockender Pharao aus purem Gold. Vermutlich soll die kleiet Figur Tutanchamun selbst darstellen. In dem Sarkophag abi lag noch ein weiterer, nur 12,5 Zentimeter groß, sorgfältig i Leinen gewickelt und einbalsamiert. Die Inschriften preise die »Große Königliche Gemahlin Teje«. In ihm lag schließbi die zu einem kleinen Zopf geflochtene Strähne aus »kastarLen braunem« Haar. Was mag die Geschichte zu dieser Haarlote sein? Bekam Tutanchamun sie direkt von Teje? Er muss noch ei Kleinkind gewesen sein, als sie 1338 vor unserer Zeitrechnum starb. Gehörte die Locke also vielleicht ursprünglich Tejes Sok Echnaton oder sogar ihrem Ehemann Amenophis III. und leci erst als Erbstück in Tutanchamuns Besitz? Warum bewahrte sie dann auf — und ließ sie so aufwendig in verschachtelten %8 gen einbalsamieren? Wenn die Haarlocke aber nur ein E_:-_.As rungsstück war, wieso legte er dann die kleine goldene von sich selbst mit hinzu? Wie bei kaum einem anderen aus dem gesamten bestand an Grabbeigaben wird hier die-son Tutanchamuns sichtbar. Nicht der Pharao — sondern Mensch, der eine Familie hatte, mit der er Gespräche fliiL Ausflüge machte oder gemeinsame Mahlzeiten einnahm.
Vielleicht musizierte die königliche Familie auch ge sam. Einige Musikinstrumente haben ihren Weg in das gefunden. Die beiden prächtigsten sind zwei Trompeten, aus Silber und eine aus Bronze. Sie sind sehr fragil, d stützten eingeschobene Holzblöcke die Instrumente. Anders moderne Trompeten haben sie keine Ventile — daher ist die

zahl der Töne auf die Naturtöne beschränkt, die sich durch un-terschiedliches Anblasen erzeugen lassen. Melodisch klang das nicht, eignete sich aber hervorragend für Signale und Fanfaren. Am 16. April 1939 hörten geschätzte 150 Millionen Menschen zu, als James Tappern, ein Bandmusiker der britischen Armee, die beiden Trompeten in einer Übertragung der BBC spielte. Die Silbertrompete überstand diesen Einsatz nicht — das Blech riss ein. Zwar wurde sie danach repariert, hat aber viel von ihrer einstigen Klangqualität eingebüßt.
Der frühere ägyptische Antikendirektor Zahi Hawass und die leitende Kuratorin der Sektion Tutanchamun im Ägypti-schen Museum in Kairo, Hala Hassan, sind überzeugt, dass die beiden Instrumente verflucht sind: Werden sie gespielt, zieht ein Krieg herauf. Unheimliche Anzeichen sollten schon beim :sten Mal warnen. Nur fünf Minuten vor dem BBC-Auftritt el in Kairo der Strom aus — Tappern spielte die Trompeten :ei Kerzenlicht. Fünf Monate später trat Großbritannien in den Zweiten Weltkrieg ein. Angeblich wurden die Trompeten erneut )67 gespielt — und prompt brach der Sechs-Tage-Krieg aus,
- dem Ägypten gemeinsam mit Jordanien und Syrien gegen 7ael kämpfte. Und 1990 sollen die Instrumente bei weiteren flegenheiten den Golfkrieg ebenso heraufbeschworen haben :e im Jahr 2011 die Ägyptische Revolution.
Ob Tutanchamun die beiden Trompeten selbst spielte, kann idirlich niemand wissen, ebenso wenig wie bei den anderen
- rrumenten in seinem Grab. Die beiden Sistra beispielsweise,
- er eine Art zeremonielle Rasseln als Musikinstrumente, wur-ze 71 traditionell von Frauen geschüttelt. Es ist also sogar eher - -.wahrscheinlich, dass Tutanchamun damit Musik machte. ---zh die elfenbeinernen Klappern in Form von Armen mit - inden daran gehörten Frauen — und zwar, laut ihrer Inschrift,

Echnatons Mutter Teje und seiner ältesten Tochter Meriur. deren Namen in Kartuschen auf jeweils einem der Arme stens
Ein weiteres Stück mit Tejes Namen ist eine Kalzitvase- a der sie gemeinsam mit ihrem Gemahl Amenophis III. genau wird. Es ist die einzige Vase, die beide Namen dieses Herrst paares gemeinsam nennt, drei weitere tragen nur den Ni von Amenophis III. Überhaupt gehören die Kalzitvasen ßail scheinlich zu den ältesten Objekten im Grab. Einige nenneaa ursprünglichen Besitzer sogar Thutmosis III., den Urgroßwal von Amenophis III.
Aus dem Besitz Amenophis' III. stammt auch ein krug, den Tutanchamun mit ins Grab bekam — samt Hier drängt sich allerdings die Frage auf, ob das Getränk Zeitpunkt seiner Beisetzung überhaupt noch genießbar war wenn ja, warum er dann ausgerechnet Wein aus dem Al seines Vorvorgängers auf dem Pharaonenthron auf die Reise mitnahm.
Das breite Spektrum an Grabbeigaben aus dem Besitz Amenophis III. ergänzt eine Schreibpalette. Von diesen bekam Tutanchamun nicht weniger als 15 mit ins Grab — licherweise, um im Jenseits die Aufgabe zu erfüllen, die Pyramidentexten etem König nach seinem Tod zugedacht als Schreiber an der Seite des Sonnengottes Re zu dienen der Paletten hatte Tutanchamun zu Lebzeiten schon selbst nutzt. Sie trugen seinen Namen und waren eindeutig g erkennbar an den eingetrockneten Farbresten. Andere, Glaspalette mit der Fundnummer 367n, waren dagegen nutzte Spezialanfertigungen für die Grabausstattung. Und Palette von Amenophis III. war nicht das einzige Sch sil, das aus dem Besitz anderer Mitglieder der Pharaon stammte. Eine Elfenbeinpalette hatte Echnatons zwei.


Töchter Maketaton gehört, die bereits als Kind verstorben war. Eine andere Schreibpalette trägt den Namen seiner ältesten Tochter Meritaton. Das schöne Stück hatte sechs kleine Ver-tiefungen für unterschiedliche Farben, in allen sind noch die eingetrockneten Reste zu sehen. Als das Grab Tutanchamuns mit den Schätzen bestückt wurde, legte man diese Palette seiner Schwester — aus welchem Grund auch immer — zwischen die 7-t:oten der großen Anubisstatue.
Von der fünften Tochter Echnatons, Neferneferure, nahm rutanchamun sogar ein Bild mit ins Grab. Der Truhendeckel r-it der Darstellung der jungen Prinzessin, die ebenfalls bereits Ls Kind verstarb, ist das einzige bekannte Bildnis Neferneferu-In. Eine zugehörige Truhe wurde nie gefunden — möglicher-4ipzuse ging es dem Pharao tatsächlich um das Bild des Mädchens
d nicht um den Gegenstand an sich.
Sogar von Echnatons Bruder Thutmosis besaß der Pharao 2!..z Erbstück: einen Peitschenstock, der seinen Namen trägt. ,gehört zu der riesigen Sammlung von Stöcken und Stäben, Tutanchamun mit ins Grab nahm. 130 Stück zählte Ho-lrazd Carter und vermutete, der König sei zu Lebzeiten ein cidenschaftlicher Stocksammler gewesen. Auch diese sind ein =1=1-essames Sammelsurium von benutzten und unbenutzten Wienständen. Einige der Geh-, Reit- oder Kampfstöcke tragen -_zazeutige Gebrauchsspuren, andere sind nagelneu und so kon---_ :I, dass sie bei einem tatsächlichen Einsatz nutzlos gewesen -. Ein Stock gab den Ausgräbern zunächst Rätsel auf. Es ganz einfacher Rohrstock, knapp über 1,80 Meter lang. nahm der Pharao etwas mit ins Grab, was tausendfach ilufer wuchs? Erst eine kleine Inschrift erklärte die beson-3:deutung dieses Stückes: »Ein Rohr, das Seine Majestät ___nen Händen geschnitten hat.«

Auffällig abwesend unter den nahen Verwandten anchamun sind zwei Namen: Nofretete und Kija. Beide - spielten im Leben seines Vorgängers Echnaton eine Rolle — in dem Tutanchamuns aber offenbar nicht. Ni einziges Stück stammt aus dem Besitz der einen oder :Lt: deren Frau. Wahrscheinlich waren weder Nofretete r.= Blutsverwandte des Pharao. Möglicherweise bestimmte doch die genetische Herkunft den Personenkreis, der die beigaben stiftete, und nicht die familiären Bindungen.
Dass der tote Pharao persönliche Erinnerungsstücke mir Grab bekam, lässt sich nachvollziehen. Doch auch unter Grabbeigaben, die rituelle Funktionen erfüllen sollten, sich Gegenstände, die eindeutig nicht für ihn gefertigt Das beste Beispiel hierfür sind die Uschebti-Figuren. U. tis stellen den Toten dar und dienten als sein Vertreter. der Verstorbene im Jenseits seinen eigenen Interesse:- -ade hen konnte, sollten die Uschebtis für ihn die anfallt::: - beiten — vor allem landwirtschaftlicher Art — übernel-: z - wurden die Figuren deshalb mit landwirtschaftliche:
wie Hacken und Körben im Miniaturformat ausges-.:7-r trugen, quasi als Gebrchsanleitung, den sechsten SF 7 - `22.2 Totenbuches als Inschrift:
»Oh ihr Uschebtis! Wenn ich verpflichtet werde, irgendeine _know zu leisten, die dort im Totenreich geleistet wird, dann verp_tizider du dich zu dem, was dort getan wird, um die Felder zu beszeds und die Ufer zu bewässern, um den Dünger des Ostens und des Westens überzufahren. Ich will es tun, hier bin ich, sol& sagen!«

Die meisten verstorbenen Privatleute mussten sich zur Zeit der 18. Dynastie mit einem oder zwei Uschebtis begnügen. Tut-inchamun aber bekam ein ganzes Heer dieser Dienerfiguren zur Seite gestellt: 365 Arbeiter, einen für jeden Tag des Jahres, dazu Aufseher für die zehn Tage dauernden Wochen des Jahres -Dwie 12 Oberaufseher für die zwölf ägyptischen Monate. Al-f:-dings war es eine bunt zusammengewürfelte Truppe. Einige _--:d aufwendig vergoldet, bei anderen wurden lediglich Details i2 der hölzernen Oberfläche mit schwarzer Farbe hervorgeho-:,:-n. es gibt Uschebtis aus Fayence ebenso wie aus Kalzit oder -mit. Fünf hölzerne Exemplare, die allerdings handwerklich _ den Stücken von herausragender Qualität gehören, waren ein nchenk — der General Nachtmin hatte sie für seinen König -_iftet. Auch Tutanchamuns Schatzhausvorsteher Maya gab 7:1 Pharao eine Dienerfigur mit ins Grab. Sie lag in einem
, -_-KarzlacIderten Holzsarg und war für ihre Arbeit mit einem aus kleinen Bronzegeräten ausgerüstet.
die Zahl von insgesamt 413 Uschebtis voll zu bekom-
- scheint   man allerdings am Ende doch alles genommen hen, was gerade zur Hand war. Während einige Exem-
- eindeutig Tutanchamuns Gesichtszüge oder den Namen
Königs tragen, handelt es sich bei anderen um generische wassenproduktionsware. Und einige Uschebtis stellen unter nen Umständen den König dar — sie sind nämlich durch ihre ehenden Brüste und breiten Hüften eindeutig als Frau zu en. Wieder einmal zählte auch hier vor allem die Wah-Form, die Bereitstellung einer vorgegebenen Zahl von - tiS. Die Ausführung aber blieb, zumindest teilweise, ex--.ichlässig.
.:cher gilt auch für die Statuen, die den König darstel-.2n. Welchen rituellen Zweck diese Königsbilder erfüllen

sollten, ist leider nicht bekannt. Sie gehörten aber zur Standa ausstattung von Pharaonengräbern der 18. und 19. Dynas
im Grab von Sethos II. waren sie sogar direkt auf die Wär
gemalt. Besonders interessant ist hier ein Paar, das die Sta des Königs auf dem Rücken eines Panthers zeigt. Das Motiv
das gleiche, die beiden Statuen unterscheiden sich aber radil
Während die eine ganz klassisch im traditionellen Stil gefert wurde, schuf der andere Künstler sein Werk nach den neu
Maßstäben der Amarnazeit mit verlängerten Gliedmaßen. C
zwar nicht für Tutanchamun, denn die Figur hat wieden deutlich vorstehende Brüste und breite Hüften. Eine Inschi
auf dem Sockel lässt allerdings keinen Zweifel daran, wen c Statue darstellen soll: Tutanchamun. Wurde auch hier wied ein »übriggebliebenes« Stück einer Verwandten verwendet, d Form halber hastig angepasst durch den Namenszug?
Von der Eile, die bei der Beisetzung Tutanchamuns gebou gewesen zu sein scheint, zeugen nämlich nicht nur die hast beendeten Malerarbeiten oder die Werkspuren auf dem Bode Eile und mangelnde Sorgfalt stehen immer wieder im Komm zu dem oberflächlich demonstrierten Reichtum. Mitunter gi gen die Leute, die en toten Pharao zur Ruhe betteten, gerade dilettantisch vor. Das wohl beste Beispiel steht in der kleine Grabkammer selber. Die Mumie des Königs lag in einer mt: schachtelten Abfolge von Schreinen und Sarkophagen. Vier au einanderfolgende vergoldete Holzschreine bildeten die kitzel Hülle. Auf einen steinernen Sarkophag folgten dann noch ELI mal drei weitere ineinander geschachtelte Särge. Howard Cara versucht in seinem Grabungsbericht, die Handwerker in Schul zu nehmen: »Die altägyptischen Handwerker hatten es heia Aufbau der Schreine in dem engen Raum auch recht sch gehabt«, verteidigt er sie. Die Nachlässigkeit aber, mit der sie ei

so sorgfältig gearbeiteten und mit Passagen aus dem Totenbuch und den Pyramidentexten beschrifteten Wandteile zusammen¬setzten, ist geradezu erschütternd. »(...) die einzelnen Teile sind verwechselt und nach den verkehrten Himmelsrichtungen hin aufgestellt, so dass die Schreintüren sich nach Westen statt nach Osten öffneten und das Fußende nach Osten gerichtet war statt :-_ach Westen«, berichtet Carter. »Dieser Fehler mag ihnen ver-
· hen sein, denn die Kammer war klein und dunkel. Andere Nachlässigkeiten sind aber unverzeihlich. Die Goldverzierun-ien sind beschädigt, tiefe Eindrücke von Hammerschlägen sind meine noch auf ihnen sichtbar. An einigen Stellen sind ganze Stücke abgeschlagen und Holzspäne und anderer Abfall sind nie
· räumt worden.«
Auch der Steinsarkophag wirkt zusammengestückelt. Das :nterteil ist aus einem Block gelben Quarzits gearbeitet, der
ir Deckel hingegen besteht aus rotem Granit. Absicht war dies
1111 ze-iviss nicht: Der Deckel wurde nachträglich gelb bemalt, um
der Farbe des Unterteils anzupassen. Durch die Mitte des --enckels geht ein großer Riss. Aber statt den Deckel auszutau-vergipste man den Bruch lediglich und malte die Schad-1__ü erneut gelb über.
Nicht immer lässt sich eindeutig unterscheiden, ob eine
CP- '+',addässigkeit tatsächlich auf das Konto der Handwerker geht
1:- ob sie durch die Eindringlinge verursacht wurde, die kurz - der Beisetzung des Pharao versuchten, sein Grab zu be--en. Allerdings gelang es Carter, das zweifache Eindringen ar Plünderer ziemlich genau zu rekonstruieren. Dass die Räu-'1 zweimal eindrangen, war bereits klar, als die erste Tür am
  der Treppenstufen vollständig freigelegt war, denn zwei-
= war diese Tür neu versiegelt worden. Der erste Durchbruch
sie er:ze tiefer an als der zweite — vermutlich war im ursprüng-



lichen Zustand der Tunnel nicht gefüllt gewesen und die lag somit noch frei, die Diebe hatten leichtes Spiel. Lange kat es noch nicht her gewesen sein, dass die Mumie des Pharao b stattet wurde, denn die Eindringlinge hatten es unter andere auf die kostbaren Cremes und Öle abgesehen, die in Dosen tu Vasen im Grab lagerten. Da dieses »flüssige Gold« aber selbst i der Kühle der Grabkammer nur begrenzt haltbar war, bevor ci verwendeten Fette ranzig und die Kosmetika damit unbraud bar wurden, muss der Einbruch nur wenige Tage, allerhödt tens Wochen nach der Beisetzung stattgefunden haben. Dalt,: gingen die Eindringlinge systematisch vor: Salben und Öle L_ schweren Gefäßen füllten sie in leichtere um, die sich bz, transportieren ließen. In dem Kalzittopf mit der Fundnu_-:. mer 435 sind im heute eingetrockneten Inhalt noch die Fintspuren des Creme-Diebes zu sehen. Wahrscheinlich blieE Störenfrieden nur gerade genug Zeit, sich in der Vorkai-i-und im Anbau umzusehen. Das schloss Carter aus den Stii-
die ihnen bei dem Raubzug verlorengingen und die späte- r. ter der Verfüllung auf dem Boden des Eingangsschachtes blieben: der Deckel eines Kruges, eine Pfeilspitze oder ein siermesser. Sie alle stemmen mit großer Wahrscheinlichkeit den beiden vorderen Räumen.
Bevor die Diebe sich weiter vorarbeiten konnten, müssen Wächter sie erwischt und gestellt haben. Ihr Schicksal ist wiss — allerdings stand zu jener Zeit auf Grabraub der Tod Pfählen. Die Grabwächter bemühten sich, die Unordnung nigstens oberflächlich zu beseitigen. Sie stopften Leineng- zurück in ihre Kisten, schoben verrückte Möbel notdürftig der an ihren Standort, verputzten die Löcher in der Ein sowie der Tür zwischen Vorkammer und Anbau und drü ihre Siegel in den feuchten Untergrund. Am Ende füllten


:len Eingang mit Schutt. So leicht sollte niemand mehr in das Grab des Tutanchamun eindringen können.
Der Plan ging nicht auf, nur wenig später versuchte es eine weitere Diebesbande erneut. Viel Zeit kann zwischen den bei-zen Einbruchsversuchen nicht gelegen haben, denn der Stern-:24 den die Wächter in den Putz der Eingangstür drückten, -achdem sie auch diese Räuber ertappt hatten, ist identisch mit :em, den sie nach dem ersten Einbruch verwendeten. Mög-_zherweise gibt es sogar einen Namen, der mit diesem Ereignis n Verbindung gebracht werden kann: Thotmes, ein Assistent 3n Tutanchamuns Schatzhausvorsteher Maya. Howard Carter
d seinen Namen eilig auf einen Gefäßständer im Grab Tut-inchamuns gekritzelt. Derselbe Name taucht auch an der Wand m Grab von Thutmosis IV. auf, das Thotmes unter Anleitung
· favas während der Regierungszeit Haremhabs restaurierte. Es gut möglich, dass Thotmes zum Stab jener Leute gehörte, die
und kurz nach dem Tod Tutanchamuns für den Schutz und _-_e Erhaltung der Gräber im Tal der Könige zuständig waren. Der zweite Räubertrupp fand nun also den Eingang zum 7:rab mit Schutt verfüllt. Sieben bis acht Stunden, schätzte arter, werden die Eindringlinge gebraucht haben, um Eimer _m Eimer die Tür wieder freizulegen. Sie waren offenbar er-lgreicher als die erste Bande, denn sie durchsuchten nicht nur :_e beiden vorderen Kammern, sondern verschafften sich durch f_ri Loch in der rechten unteren Ecke der versiegelten Tür auch Zugang zur Grabkammer und der dahinterliegenden Schatz-surnmer. Sie scheinen es vor allem auf Schmuck abgesehen zu :.--aben. In vielen der Kisten stimmten die Inventarlisten nicht -ehr mit dem tatsächlichen Inhalt überein. Howard Carter ver--_-_utete, dass die Diebe für diese Differenz verantwortlich waren, d schätzt auf der Grundlage der Listen, dass sie etwa 60 Pro-

zent des königlichen Schmucks stehlen konnten, bevor auch erwischt wurden.
Jedenfalls scheint neben Cremes und Salben auch Glas a der »Einkaufsliste« der Diebe gestanden zu haben, denn obwoi zur Zeit Tutanchamuns Glasgefäße begehrte Objekte wata fand Howard Carter kaum Glasgegenstände im Grab. Dad aber leere Kisten, die offenbar zerbrechliche Waren enthielte. Eine davon ist die Kiste mit der Fundnummer 315. Die Bi ist mit Brettern in acht Kästchen unterteilt. Jedes davon nal. terte man sorgfältig aus: Auf dem Boden liegt jeweils ein nes Leinenbündel, darüber geschredderter Papyrus. Die ckung würde sich auch heute noch hervorragend dafür e zerbrechliche gläserne Weihnachtskugeln sicher über Wege zu transportieren. Allerdings räumten die Diebe 5 z und verstauten den fragilen Inhalt anderweitig. Auf der seite der Karteikarte, die Carter für diese leere Kiste an., _ notierte er in einem spontanen Wutausbruch: »Verdamm:
Man kann nur ahnen, welche Dramen sich in dem 7 plünderten Grab abspielten, als die Wächter die Diebe raschten. In einer der Truhen in der Vorkammer fand C ein bewegendes Zeugnis dieser Momente. In einem einfl.:74mo Leinentuch verknotet lagen dort acht kostbare Goldringe za nicht zum ursprünglichen Inventar der Truhe gehörten. E__732' der Räuber muss diese von ihm ausgewählten Stücke sorgii_mg in sein Tuch gewickelt und verknotet haben, um sie leiz.h-:= transportieren zu können. Als die Wächter sie ihm wieder az-nahmen, suchten sie nicht lange nach der passenden Kiste -ir-den Schmuck, sondern warfen sie einfach achtlos in die na:22z-beste Truhe. Dort blieben sie unberührt liegen, bis rund Jahre später Howard Carter den Knoten im Tuch löste un.: mac Ringe darin entdeckte.
282

Wenn die Salben und Öle des Pharao bei dem ersten Ein¬: 7-1ch noch frisch waren, ist durchaus denkbar, dass die Diebe i_zh den einen oder anderen Schluck der alkoholischen Ge-7inke zu sich nahmen, die Tutanchamun auf seine Reise ins enseits begleiten sollten. Davon hatte er reichlich: Allein Amphoren Wein lagerten in dem Grab. Heute stehen diese Zinkrüge im Ägyptischen Museum in Kairo, an ihrem Boden c.,4en immer noch die Reste ihres einstigen Inhalts. Bei einer _ -_:ersuchung im Jahr 2006 machte ein Forscherteam um die —tcensmittelchemikerin Rosa Lamuela-Raventös von der Uni-,ersität Barcelona eine überraschende Entdeckung. Die Krüge nicht, wie angenommen, nur Rotwein. Zwar fanden _ in allen chemische Rückstände von Trauben, aber nicht alle selten Syringasäure, die den roten Trauben ihre Farbe Einige der übrigen Krüge fassten einst Weißwein, andere n hochwertigen Likörwein — rund 1600 Jahre früher, als bisher für Weißwein vermutet hatte.
ißerdem verraten die Beschriftungen auf den Amphoren s über die Herkunft der edlen Tropfen. 23 der 26 Weine =en aus nur drei Jahren; dem vierten, dem fünften und neunten Regierungsjahr des Pharao. Waren dies etwa die eti:nders guten Jahrgänge und deshalb für den Pharao reser-f.7.E Auch die Namen der Abfüller sind auf den Krügen ver-mac-Kt. Ein halbes Dutzend Krüge gehen auf das Konto eines sen Kha. Interessanterweise befüllte er Krüge nicht nur in
- _:nterschiedlichen Jahren (vier und fünf), sondern auch auf interschiedlichen Weingütern.
US-amerikanische Archäologe Herbert Winlock hatte izhon unter Howard Carter der Bierfunde im Grab an-
- ::-nmen. Seit 1920 war in seinem Heimatland das Prohi-. zsgesetz in Kraft, das die Herstellung, den Verkauf und



den Transport von Alkohol untersagte. Winlock umging _ Gesetz, wie so viele seiner Landsleute zu jener Zeit, Herstellung von eigenem Alkohol — in seinem Fall dem brauen. Sein Interesse am pharaonischen Bier war also nur rein wissenschaftlich, sondern diente durchaus auch z_
privaten Forschungszwecken. Schon einige Jahre zuvor ha:-im Grab des Mektere das hölzerne Modell einer Bierb'-2 _
gefunden und auch Bierschaum aus einem Gefäß unter, _ lassen. Der darin gefundene Hefepilz trägt heute seinen N,--Saccharomyces Winlocki. Leider blieb es im Grab von Tut.;__- _ - amun beim Eigeninteresse — eine Veröffentlichung seine: gebnisse blieb aus. Allerdings beschränkten sich die Funde _ eher auf die Zutaten und Gerätschaften zum Bierbrauen a:.: _ den Trunk selber. Neben Getreide gehörten dazu zwei Sieb, _ Holz und Kupfer.
Natürlich bekam der König auch reichlich Essen mir 2.es Grab. Ganz typisch für die damalige Küche war Brot. Na. über 3000 Jahren glichen die Laibe allerdings eher »versu_--nerten Schwämmen«. Dazu gab es Knoblauch, Lauch, Gurir und Rettich, die dem trockenen Brot etwas mehr Geschm.lat verleihen sollten. Kichererbsen und Linsen dienten als Säm-gungsbeilagen. Das Fisch lag in ovalen »Konservendosen. Holz, die im Inneren mit schwarzem Harz ausgestrichen unz von außen weiß bemalt waren. In den meisten dieser Behil:t-lagen Rinderstücke, aber auch Schafe oder Ziegen, Enten Linz. Gänse standen auf dem Jenseits-Speiseplan Tutanchamuns. Nr,r drängt sich die Vermutung auf, dass der Schlachter des Lesens nicht mächtig war, denn nur bei dreien oder vieren der Behäl¬ter stimmt der Inhalt mit der Aufschrift überein. Wo der Kopf eines Ochsen drinliegen sollte, fand Carter ein Schulterblatt, statt einer Milz eine Zunge, statt eines Herzens ein Bein. Zum


Sie labbern nebenbei gab es Wassermelonensamen, als süßen 'Zazhtisch Datteln, Feigen, Granatäpfel und reichlich Honig.
.eileicht waren diese Köstlichkeiten tatsächlich noch frisch, als ze ersten Grabräuber kamen. Denn viele Lebensmittel lagen Nne nach einer Essensschlacht wild über den Boden des gesam-ern Grabes verstreut, sogar im Schutt des Korridors fand Carter
Früchte der Doumpalme.
_Sehen wir uns ein heutiges christliches Begräbnis an, gibt es zzr.-: zwar keine Beigaben, aber zumindest viele Blumen. Die loeeurn auch Tutanchamun im üppigen Maße mit in sein Grab. L-7-all lagen oder hingen kleine Sträuße oder Kränze. Wie lie-diese zum Teil gebunden sein konnten, zeigt der kleine L-unz. der um die Kobra und den Geier über der Stirn des Kö-auf dem äußersten Sarkophag gewunden war. Das Gebinde 1,1m-and aus blauen Kornblumen und Olivenblättern. Die Blät-z- zer Olive waren so gedreht, dass jeweils abwechselnd mal —....:ekelgrüne Seite oben lag und mal die silbrig glänzende .:geite.
irver Gerüche haben im Grab des Tutanchamun die Jahrtau-t=ce überdauert. Als die Entdecker das Grab zum ersten Mal te=-..-Len. konnten sie die Düfte verschiedener Salben und öle Lez=szneiden. Die Möbel rochen nach trockenem Holz, und eßt --_L-ze verströmten immer noch ihren würzigen Duft. a_zes indes befand sich mit Sicherheit nicht in dem Grab: Fluch. Trotzdem hält sich kaum ein Gerücht so ezrzäckig wie das um den »Fluch des Pharao«. Sein erstes Op-e- 72,-5 angeblich bereits, bevor das Grab überhaupt geöffnet es--ce_ Es war der »goldene« Kanarienvogel, den Howard Carter
· = Grabungssaison 1922 aus seiner englischen Heimat mit-e_: hatte. Der Vogel lebte in einem Käfig auf der Veranda
§ zne- Hauses und galt bei den Arbeitern als Glücksbringer für

die Grabungsmannschaft. Bis hierhin decken sich die Erzär___31 gen. Am Tag der Graböffnung kreischte dieser Vogel nun piäla lich gellend und flatterte aufgeregt hin und her. Eine Koim das uralte Schutztier der ägyptischen Pharaonen, wie auch T anchamun es als Uräusschlange auf seiner Totenmaske über än Stirn trug, stand aufgerichtet vor dem Käfig. In der Mytholnaii wehrt die Schlange mit ihrem Feueratem die Feinde des Köm" ab. Zwar röstete die Kobra in Carters Haus den Kanarienved nicht mit ihrem Gluthauch, aber überlebt hat der kleine 1/4-41 das Zusammentreffen nicht. Unklar ist, ob die Schlange ihn sächlich verspeiste oder ob das aufgeregte Vöglein einem H infarkt erlag. Sein Tod wurde jedenfalls sofort als böses 0 gedeutet: Der Pharao hatte sein Schutztier geschickt, um goldenen Glücksvogel der Ruhestörer zu töten.
Bald tauchten Gerüchte über eine geheimnisvolle Ton auf, die Howard Carter mal im Grabeingang, mal zu Füßen beiden Grabwächterfiguren im Vorraum und mal im gang zur Grabkammer gefunden haben soll. Angeblich -setzte Alan Gardiner die Inschrift darauf mit »Der Tod wird schnellen Schwingen zu demjenigen kommen, der die Ruhe Pharao stört«. Allerdings gibt es weder Fotos noch Zeichnu7 von dieser Tafel — sieverschwand auf mysteriöse Weise. 1/4' munkelte, Carter habe sie verschwinden lassen, um die d -den Tod des Kanarienvogels ohnehin verängstigten Ar nicht noch weiter zu beunruhigen. Allerdings klingt der — eher nach einem literarischen Phantasieprodukt der bri • Gesellschaft als nach ägyptischem Fluch. Nirgendwo sonst ist antiken ägyptischen Schriften ein geflügelter Tod erwähnt. rachsüchtige Mumie geisterte dagegen bereits seit dem 19. Jahrhundert durch englische Theaterstücke und Romane_
Als am 5. April 1923 Lord Carnarvon starb, erloschen jum

zem Augenblick seines Todes alle Lichter in Kairo. Und auch la.heim auf Highclere Castle geschahen seltsame Dinge. Seine Susie, heulte zu ebendiesem Zeitpunkt laut. Wenige Minuten später war das Tier tot. Für beide Ereig-r_..sse gibt es glaubhafte Zeugen, die eifrige Zeitungsreporter ch schnell ausfindig machen konnten. Nur belegen lässt sich 7 Zusammenhang zwischen ihnen natürlich nicht.
Nun gab es für die sensationslüsterne Gesellschaft kein Hal-mehr, die Presse stürzte sich gierig auf die unheimliche 1 7,:selgeschichte. In der Morning Post meldete sich der Schrift-z.uier Sir Arthur Conan Doyle, Erfinder des Romandetektives «;.lerlock Holmes und erklärter Anhänger des Spiritismus, zu :7: »Möglicherweise ist etwas elementar Böses die Ursache Lord Carnarvons tödlicher Krankheit. Man weiß nicht, eiche Geistwesen in jener Zeit existiert haben und in welcher m sie in Erscheinung getreten sind. Die alten Ägypter hatten wtsentlich mehr Kenntnisse über diese Dinge als wir.«
Noch Jahre später bekam das Gerücht, Lord Carnarvon sei zt-.-2. Fluch der Mumie zum Opfer gefallen, neue Nahrung — als Totenmaske mit wissenschaftlichen Methoden untersucht _ Tutanchamun trug angeblich auf der linken Wange eine rz.ung. Eine Röntgenaufnahme der Maske offenbarte je-
- dass an jener Stelle auch das Material der Totenmaske
_ - er ist, obwohl das Goldblech ansonsten erstaunlich gleich-_ _z, verarbeitet wurde. Nun soll es ausgerechnet die Wange 25-en sein, auf der jene unglückselige Mücke, die den Tod _ irvons verursacht hatte, ihr Blutmahl zu sich genommen Konnte das noch Zufall sein?
2:-.e.nd breitete der Fluch sich aus. In Gefahr schienen alle ,_n, die auch nur vage mit dem Grab in Zusammenhang - izht werden konnten. Der Archäologe Herbert Winlock

bemühte sich um Schadensbegrenzung und verschickte I; Mal, wenn ein angebliches neues Opfer vom Fluch dahin rafft wurde, eine Gegenerklärung an die Presse. Prinz Ali Fah Bey, Sprössling des abgesetzten ägyptischen Monarchen, st keineswegs am Fluch, erklärte Winlock, sondern weil se französische Frau ihn in einem Londoner Hotelzimmer erm dete. Ein Angestellter des British Museum konnte nicht be Etikettieren von Gegenständen aus dem Grab tot umgefall sein — weil es im British Museum niemals Gegenstände aus de Grab gegeben hatte. Der amerikanische Millionär George i Gould I., ein Freund Carnarvons, starb zwar kurz nach Besuch des Grabes, allerdings war er bereits krank, bevor i überhaupt nach Ägypten einreiste. Ähnlich verhielt es sich a Arthur Mace, Carters Chefkonservator. Der starb in der Tat in reits 1928 im Alter von nur 53 Jahren. Aber er erlag nicht eng dem Fluch, sondern einer chronischen Rippenfellentzün mit der er sich schon vor der Entdeckung des Grabes he schlagen hatte.
Viele der angeblichen Opfer waren schon vor ihrem Bes4 in der Grabkammer alte Menschen. Bedenkt man, dass i Jahr 1930 die Lebenserwartung im Vereinigten Königreic: :
e
60,8 Jahren lag, so scheint die Beschäftigung mit Tutancha- ...: die Lebenserwartung der Grabungsmitglieder im Geg., - - sogar noch gesteigert zu haben. Von den unmittelbar b.-Graböffnung involvierten Personen blieb nur Lord Garni- --.. unter diesem Durchschnittswert. Carter selber wurde 6, alt, Lady Evelyn sogar stolze 79.
Die Öffentlichkeit packte indes das kalte Grausen. Alles. auch nur irgendwie mit dem Fluch des Pharao im Zus hang stehen könnte, galt als potentielle Gefahr für Leib und' ben. Das British Museum wurde überschwemmt mit P

in denen sich verängstigte Sammler ihrer bedrohlichen Objekte entledigten — darunter auch Hände und Füße von Mumien.

Oper „ Pharao Tutanchamun“
Komponiert von D. Selzer-McKenzie






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