Freitag, 22. Februar 2013

Genetik Molekularbiologie Struktur und Funktion der DNA von Selzer-McKenzie SelMcKenzie


Webinar Genetik Molekularbilogie Struktur und Funktion der DNA von Selzer-McKenzie SelMcKenzie


 

 

Grundlegende Erkenntnisse zur Natur des genetischen Materials wurden an Bakterien und Bakteriophagen (Bakterienviren) gewonnen. Bakterien sind Prokaryonten, die sich in vielen Merkmalen von höheren Organis¬men, den Eukaryonten, unterscheiden. Das wichtigste Unterscheidungs¬merkmal kommt bereits im Namen zum Ausdruck: Eukaryote Zellen be¬sitzen einen Zellkern, der von einer Kernhülle aus zwei Membranen um¬geben ist und die Chromosomen enthält, die wiederum das genetische Material, die DNA, tragen. Die DNA von Prokaryonten liegt in Form eines einzelnen, ringförmigen Moleküls in der Zelle vor. Zusammen mit meh¬reren Proteinen bildet sie das Nukleoid („kernähnlich“), das nicht durch eine Hülle vom Zytoplasma getrennt ist. Obwohl sich der Aufbau des Nu-kleoids von dem der Chromosomen eukaryotischer Zellen erheblich unterscheidet, wird es oft als „Bakterienchromosom“ bezeichnet.

12.1 Durch Transformation wird genetische Information übertragen

Erste Experimente zur Aufklärung der Natur des genetischen Materials wurden im Jahr 1928 von dem Mikrobiologen Frederick Griffith durch¬geführt. Er experimentierte mit Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae), Bakterien, die bei Menschen Lungenentzündung auslösen, bei Mäusen meist zum Tod führen. Von diesen Bakterien gibt es auch weniger gefährliche Varianten. Infiziert man Mäuse mit Bakterien die¬ser nicht-virulenten Stämme, erkranken sie zwar, sterben aber nicht (Tab.12.1a,b).

Virulente Bakterien unterscheiden sich äußerlich von nicht-virulenten durch das Vorhandensein einer Hülle, die reich an Zuckermolekülen ist (Polysaccharidhülle), was ihnen eine glatte Oberfläche verleiht und wes¬halb Griffith sie als S (smooth) bezeichnete. Diese Hülle schützt die Bak¬terien vor Phagozytose durch weiße Blutkörperchen (Makrophagen). S-Pneumokokken sind pathogen, weil sie von ihrem Wirt nicht vernichtet werden können (Tab.12.1a). Nicht-virulenten Bakterien fehlt diese Hülle und sie besitzen eine rauhe Oberfläche, weshalb sie als R (rough) bezeich¬net wurden. Eine Infektion von Mäusen mit Bakterien des virulenten S-Stamms, die jedoch durch Hitze abgetötet worden waren, hatte keinerlei Auswirkung; die Mäuse überlebten. Eine Infektion mit einer Mischung aus abgetöteten Bakterien des virulenten S-Stamms und lebenden Bak¬terien des nicht-virulenten R-Stamms führte überraschenderweise zum Tod der Mäuse (Tab.12.1d). Aus den toten Mäusen isolierte Griffith Bak¬terien des S-Typs, die nach erneuter Infektion zum Tod der Mäuse führ¬ten. Die nicht-virulenten R-Bakterien hatten Eigenschaften der virulen¬ten S-Bakterien angenommen, es hatte eine Verwandlung, eine Transfor¬mation stattgefunden (Tab.12.1b–d).

Im Jahr 1944 konnten Oswald T. Avery, Colin MacLeod und Maclyn McCarty nachweisen, dass Desoxyribonukleinsäure (DNA) das „transfor¬mierende Prinzip“ darstellt. Sie setzten die von Griffith durchgeführten

Experimente fort und isolierten zunächst die einzelnen Komponenten

12                   der Bakterien des S-Stamms – also Polysaccharide, Lipide, Nukleinsäuren

und Proteine. Jede Komponente mischten sie einzeln mit Zellen vom R-Stamm und injizierten diese Mischungen in Mäuse (Tab.12.1e–i). Nur die Mischung, die außer den nicht-virulenten R-Bakterien noch die Nukleinsäure der virulenten S-Bakterien enthielt, führte zur Transfor¬mation der nicht-virulenten zu virulenten Bakterien. Das bedeutet, nur die DNA, nicht aber die anderen Moleküle können eine Eigenschaft der Bakterien verändern. Man konnte sich die Transformation nur so vorstel¬len, dass in den Mäusen die Bakterien vom R-Typ die Nukleinsäure der Bakterien vom S-Typ aufgenommen haben, wodurch sie ihren Charakter veränderten und virulent wurden. Die Nukleinsäure bestimmt also die Merkmale des Bakteriums, in diesem Fall die Art der Polysaccharidhülle und somit die Pathogenität.

In späteren Experimenten zeigte sich, dass durch Transformation nicht nur die Information für die Eigenschaft der Oberfläche (glatt oder rauh) übertragen wird, sondern dass viele andere Eigenschaften, wie etwa Resistenzen gegen Antibiotika, hierdurch übertragen werden können (s. Kap. 13, S. 152 und Kap. 19, S. 260). Die Übertragung genetischer Information zwischen Individuen derselben Generation, wird, zur Unter¬scheidung der Genübertragung von einer Generation auf die nächste, als horizontaler Gentransfer bezeichnet.

12.2 DNA – das genetische Material

Oswald T. Avery und seine Kollegen hatten die DNA als Träger der geneti¬schen Information identifiziert, die die Merkmale einer Bakterienzelle verändern kann. Der endgültige Beweis dafür, dass DNA die genetische Substanz ist, gelang Alfred Hershey und Martha Chase im Jahr 1952. Für ihre Experimente benutzten sie Bakteriophagen (kurz Phagen). Den Na¬men hatten sie von Felix d'Herelle erhalten, der Bakteriophagen 1917 erstmals in Shigella-Bakterien, den Erregern der Ruhr, nachgewiesen hat. Bakteriophagen sind Viren, die Bakterienzellen infizieren. Sie be¬stehen aus einer Nukleinsäure (meistens DNA, seltener RNA) und einer Proteinhülle mit einem Schwanz, der die Anheftung an eine Bakterien-

zelle ermöglicht (Abb.12.1), wobei jeder Phagentyp eine enge Wirtsspe¬zifität besitzt, also nur Zellen bestimmter Bakterienarten befällt.

Nach der Anheftung gelangt die Nukleinsäure des Phagen in die Zelle, während die Hülle in der Regel außen verbleibt. Durch die Infektion wird der gesamte Biosyntheseapparat der Bakterienzelle umprogrammiert, indem die Synthese bakterieller Proteine verhindert wird und nur noch Komponenten des Phagen (DNA, Proteine) hergestellt werden. Pha-gen sind ebenso wie Viren keine selbstständigen Organismen, da sie kei¬nen eigenen Stoffwechsel haben und sich nicht autonom, sondern nur innerhalb einer pro- bzw. eukaryotischen Zelle unter Ausnutzung des zellulären Metabolismus vermehren können. Sie wurden deshalb auch als „Parasiten auf genetischem Niveau“ (Salvador Luria) bezeichnet. Für die Genetik sind Bakteriophagen von ganz besonderer Bedeutung ge¬wesen. Die an ihnen gewonnenen Erkenntnisse schufen die Grundlage für die moderne Molekularbiologie (Box 12.1).

Hershey und Chase infizierten eine Bakterienkultur mit Phagen und gaben gleichzeitig in das Medium Nukleinsäurevorstufen (Nukleotide, s.u.), die mit radioaktivem Phosphat (32P-Isotop) markiert waren. Bei der Synthese der neuen Phagenpartikel wurden diese 32P-markierten Nu-kleotide in die DNA eingebaut.

Eine zweite, mit Phagen infizierte Bakterienkultur ließen sie in Gegen¬wart von Proteinvorstufen (Aminosäuren) wachsen, die mit radioakti¬vem Schwefel (35S) markiert waren. Diese wurden bei der Neusynthese der Phagenpartikel in die Hülle eingebaut. Mit den so gewonnenen, 32P-oder 35S-markierten Phagen infizierten sie erneut Bakterien (Abb.12.2). Kurz danach trennten sie durch kräftiges Schlagen mittels eines Küchen¬mixers die leeren Phagenhüllen ab und untersuchten anschließend den Verbleib der radioaktiv markierten Substanzen. Nach Infektion mit 35S-markierten Phagen konnten sie keine radioaktive Markierung inden neu infizierten Zellen entdecken, nach Infektion mit 32P-markierten Phagen konnten sie jedoch im Innern der infizierten Bakterienzellen 32P nachweisen. Die Markierung konnten sie auch in den neu synthetisierten Phagenpartikeln wieder finden.

Damit wurde gezeigt, dass die DNA das eigentliche genetische Mate¬rial darstellt, das an die nächste Generation weitergegeben wird. Die Pro-teine bilden lediglich die Hülle der Phagen, die nach der Anheftung an die Wirtszelle und dem Eindringen der DNA außen verbleibt.

12.3 DNA – ein polymeres Molekül

Was aber ist die chemische Natur der DNA? DNA wurde erstmalig 1869 von Friedrich Miescher aus Eiter isoliert und „Nuclein“ genannt, da sie aus den Zellkernen (Nuklei) der im Eiter vorhandenen weißen Blutzellen stammte. DNA hat eine einfache chemische Zusammensetzung: Kohlen¬stoff, Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor und Sauerstoff. Wie kann dieses Molekül so komplexe Funktionen wie die Kodierung der Information für alle Merkmale der Organismen ausüben sowie seine identische Wei¬tergabe von einer Generation zur nächsten ermöglichen?

Die genauere Analyse zeigt, dass DNA ein Polymer ist, das aus einer langen Kette von Einheiten, den Nukleotiden, besteht. Jedes der vier ver¬schiedenen Nukleotide besteht aus einem Zuckermolekül (der PentoseDesoxyribose), einer Phosphatgruppe und einer stickstoffhaltigen, hete-rozyklischen Base. Heterozyklisch deshalb, weil sich im Ring sowohl Kohlenstoff- als auch Stickstoff-Atome befinden (Abb.12.3a).

Insgesamt kommen in der DNA vier verschiedene Nukleotide vor, die sich nur durch ihre Base unterscheiden. Die Basen Thymin (T) und Cytosin (C) sind Derivate des Pyrimidins, einem Sechsring mit zwei Stickstoff-Atomen. Die Basen Adenin (6-Aminopurin, A) und Guanin (2-Amino-6-Hydroxypurin, G) leiten sich vom Purin ab, das aus zwei heterozyklischen Ringen besteht (Abb.12.3b). Ein Nukleotid kann ein, zwei oder drei Phos-phatreste enthalten. Man bezeichnet es dann als Desoxyadenosin-monophosphat (dAMP), Desoxyadenosindiphosphat (dADP) und Desoxy-adenosintriphosphat (dATP).

Eine Base, die mit einem Desoxyribosemolekül verknüpft ist, bezeich¬net man als Nukleosid. Die Verbindung erfolgt durch eine N-glykosidische Bindung zwischen einem Stickstoffrest der Base (N9 des Purin-, N1 des Pyrimidin-Rings) und dem C1’-Atom des Zuckers zu einem 2-Desoxynu-kleosid (Desoxyadenosin dA, Desoxycytidin dC, Desoxyguanosin dG und Desoxythymidin dT). Nach Veresterung der 5’-OH-Gruppe des Zuckers eines Nukleosids mit Phosphorsäure entsteht ein Nukleosid-5’-mono-phosphat. So wird z.B. aus Desoxyadenosin Desoxyadenosin-5’-Mono-phosphat, dAMP. Zwei weitere Phosphatreste können an den 5’-Phos-phatrest über Säureanhydridbindungen hinzugefügt werden, wodurch Desoxyadenosin-5’-Diphosphat, dADP bzw. Desoxyadenosin-5’-Triphos-phat, dATP entsteht.

Zwei Nukleotide können durch Ausbildung einer Bindung zwischen dem Phosphatrest am C5’-Atom des Zuckers eines Nukleotids und der OH-Gruppe am C3’-Atom des Zuckers eines anderen Nukleotids unter Abspaltung von Wasser zu einem Dinukleotid verknüpft werden (= Phos-phodiesterbindung). Durch Hinzufügen weiterer Nukleotide entstehen Oligo- bzw. Polynukleotide (Abb.12.4). Somit stellt DNA chemisch gese¬hen ein Phosphat-Pentose-Polymer mit Purin- und Pyrimidin-Seiten-gruppen dar.

Jedes DNA-Molekül hat eine Polarität, wobei das 5’-Ende durch eine Phosphatgruppe am C5’-Atom des Zuckermoleküls und das 3’-Ende durch eine OH-Gruppe am C3’-Atom des Zuckers am anderen Ende ge¬kennzeichnet ist. Verschiedene Polynukleotide unterscheiden sich in ih¬rer Länge und der Reihenfolge der Basen. Die Nukleotidsequenz einer DNA wird immer von 5’ nach 3’ gelesen, im Beispiel der Abb.12.4 also 5’-T-C-A-3’.

Erwin Chargaff untersuchte die Zusammensetzung der DNA verschie¬dener Organismen und fand dabei, dass in den meisten Fällen der Anteil der vier Basen nicht 1:1:1:1 ist, dass aber stets der Anteil aller Pyrimidin-Nukleotide gleich dem Anteil aller Purin-Nukleotide ist („Chargaff-Regel“):

 

(C + T ) = (A + G)

Mehr noch, der Anteil an A entspricht immer dem Anteil an T und der Anteil an G immer dem Anteil an C. Somit ist jede DNA durch ihren G+C-Gehalt charakterisiert, der bei verschiedenen Spezies zwischen 26% und 74 % liegen kann. Das bedeutet, dass der Anteil an A+T nicht im¬mer gleich dem Anteil an G+C ist, dieses Verhältnis schwankt je nach Tier- oder Pflanzenart zwischen 0,5 und 2,0. So ist bei E. coli A+T/G+C ~1,0, beim Menschen jedoch 1,53. In seiner 1950 veröffentlichten Arbeit schrieb E. Chargaff: „Ob diesen Basenverhältnissen eine tiefere Bedeu¬tung zukommt, muss noch geklärt werden“. Heute wissen wir, dass die-sem Verhältnis in der Tat eine besondere Bedeutung zukommt, da es die Struktur der DNA aus zwei Strängen widerspiegelt (s.u.).

Obwohl die DNA aus nur vier verschiedenen Bausteinen, den Nukle-otiden, aufgebaut ist, enthält sie alle genetischen Informationen, die für die Entwicklung, Vermehrung und Funktion eines Organismus nötig ist. Diese Informationen sind letztendlich in der Reihenfolge der vier Basen A, C, G und T, der Basen- oder Nukleotidsequenz, verschlüsselt, ver¬gleichbar den Buchstaben des Alphabets, deren Reihenfolge ein sinnvol¬les Wort oder einen sinnvollen Satz ergibt.

Der gesamte DNA-Gehalt des Genoms bzw. des haploiden Genoms bei Eukaryonten, der sog. C-Wert, ist eine für jeden Organismus charakteris¬tische Größe. Unter den Spezies gibt es eine große Variation des C-Werts, der von 106 (Mycoplasma) bis zu 1011 bei einigen Pflanzen und Amphibien reicht. Generell kann man eine Korrelation zwischen der Komplexität eines Organismus und seines C-Werts (in Basenpaaren) feststellen (s. Tab. 2.1, S. 10). Allerdings gibt es hierzu auch einige Ausnahmen. So ist das menschliche Genom etwa 200-mal so groß wie das der Bäcker¬hefe Saccharomyces cerevisiae, besitzt aber nur 1/200 der Größe der Amöbe Amoeba dubia. Diese als C-Wert-Paradoxon beschriebene Abwei¬chung lässt sich auf den unterschiedlichen Gehalt an repetitiver DNA zu¬rückführen (s.u.). Dieser erklärt auch die Beobachtung, dass es innerhalb einiger Gruppen mit ähnlicher genetischer Komplexität, vor allem bei Insekten, Amphibien und Pflanzen, eine erhebliche Variation der C-Wer¬te gibt, die zwischen 109 und fast 1011 bp/haploidem Genom liegen können.

12.4 Die DNA-Doppelhelix

Im Jahr 1953 wurde von James Watson und Francis Crick ein Modell der räumlichen DNA-Struktur vorgestellt, zu dessen Entwicklung mehrere Befunde beigetragen hatten:

1.         Die Beobachtungen von Erwin Chargaff zu den Verhältnissen der Basen in einer DNA (s.o.).

2.         Der Befund von Alexander Robertus Todd, dass Nukleotide durch 5’–3’-Phosphodiesterbindungen miteinander zu Ketten verknüpft sein kön¬nen.

3.         Die von Rosalind Franklin und Maurice Wilkins gewonnenen Ergeb¬nisse zur Röntgenstruktur der DNA (Box 12.2). Aus diesen war zu ent¬nehmen, dass es sich bei der DNA um ein schraubenförmig gewunde¬nes Molekül mit einem Durchmesser von 2 nm und einer Höhe der Schraubenwindung von 3,4 nm handelt (1 nm =1/1000 tm).

Im sog. Watson-und-Crick-Modell liegt die DNA in Form zweier Polynu-kleotidketten vor, deren abwechselnd angeordnete Zucker und Phospha¬te das sog. Rückgrat bilden, während die Basen, vergleichbar den Spros-sen einer Leiter, nach innen weisen. Die Verbindung der beiden Einzel¬stränge erfolgt durch Wasserstoffbrückenbindungen (H-Brücken), die je¬weils zwischen einem Purin des einen Strangs und einem Pyrimidin des anderen Strangs ausgebildet werden. Auf Grund der chemischen Struktur der Basen kann A immer nur mit T und G immer nur mit C paaren, wobei bei AT zwei und bei GC drei Wasserstoffbrückenbindungen ausgebildet werden

Wasserstoffbrücken bilden sich zwischen einem Wasserstoff-Atom mit schwach positiver Ladung und einem Akzeptoratom mit überschüs¬sigen Elektronen, also mit schwach negativer Ladung, aus. H-Brücken stellen im Vergleich zu kovalenten Bindungen schwache chemische Bin¬dungen dar, die mit geringem Energieaufwand gelöst werden können, was eine wesentliche Voraussetzung für die beiden wichtigsten Funktio¬nen der DNA, die Replikation und die Transkription (s. u.), darstellt. Trotz¬dem führt die Summe aller H-Brücken einer Doppelhelix dazu, dass sie ein sehr stabiles Molekül ist. Auf Grund dieser Tatsache haben sich DNA-Moleküle über viele tausend Jahre erhalten und können heute etwa aus ägyptischen Mumien oder aus Hominiden, z.B. dem Neandertaler, iso¬liert werden. Die beiden Einzelstränge sind antiparallel (gegenläufig) zu¬einander angeordnet, d.h. sie weisen eine entgegengesetzte 5’-3’-Orien¬tierung auf (Abb.12.7). Da A immer nur mit T und G immer nur mit C Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden kann, legt die Nukleotidse-quenz des einen Strangs eindeutig die Sequenz auf dem anderen Strang fest, anders ausgedrückt, die beiden Stränge sind komplementär zuei¬nander.

Die beiden über H-Brücken verbundenen Einzelstränge winden sich rechtsherum um eine gedachte, zentral gelegene Achse. Dabei haben die planaren Basenpaare (bp) einen Abstand von jeweils 0,34 nm vonein¬ander. Insgesamt 10 bp machen eine volle Windung der Doppelhelix (360 O) aus. Da es sich also um zwei spiralförmig gewundene Moleküle handelt, wird diese Struktur Doppelhelix genannt (Abb.12.8). Die Struk¬tur der Doppelhelix wird außer durch H-Brücken noch durch Wechsel¬wirkungen zwischen den planaren Basenpaaren (die sog. Stapelkräfte, stacking forces) stabilisiert, indem diese die Einlagerung von Wassermo¬lekülen zwischen den Basenpaaren verhindern. Zwischen den Zucker-Phosphat-Bändern der beiden Einzelstränge kommt es zur Ausbildung von zwei Furchen/Rinnen, der „großen Furche“ und der „kleinen Furche“

12       (major and minor groove, s. Abb.12.8).

Die von Watson und Crick vorgeschlagene Struktur der DNA-Dop-pelhelix bietet eine Erklärung für die beiden wichtigsten Funktionen der DNA, die identische Verdopplung (Replikation, s. S. 137) und die Übertragung der genetischen Information auf RNA (Transkription, s. Kap. 14, S. 161). Für ihre Arbeit erhielten Watson und Crick zusam-men mit M. Wilkins im Jahr 1962 den Nobelpreis für Medizin/Physio-logie (Rosalind Franklin war bereits 1958 im Alter von 37 Jahren ge-storben).

5 Repetitive DNA

Die genetische Information ist in Form der Nukleotidsequenz der DNA verschlüsselt. Betrachtet man die DNA-Sequenz eines Genoms, so kann man zwei Gruppen von Sequenzabschnitten unterscheiden: Solche, die nur einmal pro Genom vorkommen, die Einzelkopie-DNA (single-copy oder unique DNA) und solche Sequenzabschnitte, die mehrfach pro Ge-nom vorkommen, die repetitive DNA. Zur Einzelkopie-DNA gehören fast alle proteinkodierenden Abschnitte. Bei repetitiver DNA, zu der u.a. Transposons und Retrotransposons gehören (s. Kap. 18, S. 247), unter¬scheidet man zwischen mittelrepetitiver und hochrepetitiver DNA. Mit-telrepetitive DNA kommt in zwei bis etwa 100 Kopien/Genom vor. Unter dieser befinden sich auch Sequenzen, die in RNA übertragen werden (z.B. tRNA-Gene, s. Kap. 14.1, S. 161) oder auch einige proteinkodierende Se¬quenzen. Bei hochrepetitiver DNA handelt es sich fast ausschließlich um nicht transkribierte DNA, die aus wiederholten Abschnitten von oft sehr einfacher Nukleotidsequenz besteht, z.B. aus Di-, Tri-, Tetra-oder Pentanukleotiden:

A T A T A T ...

A T C A T C A T C ...

G C T T G C T T G C T T ... oder A G T T T A G T T T A G T T T ...

Diese können bis zu 10 000-mal oder mehr pro Genom vorkommen. Re-petitive DNA-Abschnitte kommen entweder gehäuft an einer oder weni¬gen Stellen im Genom vor (= Tandem-Anordnung), z. B. in den Telomeren oder den Zentromeren oder sie sind über das gesamte Genom verteilt (= disperse Anordnung). Repetitive DNA macht man sich bei einigen molekularen Methoden zur Kartierung von Genen oder beim „geneti¬schen Fingerabdruck“ zunutze (s. Kap. 20.1.3, S. 311). Die Funktion hoch-repetitiver DNA ist unbekannt. Sehr häufig wird sie als „genetischer Müll“ (junk DNA) bezeichnet, der vermutlich im Lauf der Evolution seine Funktion verloren hat, aber weiterhin bei jeder Zellteilung verdoppelt wird.

Den Anteil repetitiver und Einzelkopie-DNA kann man mit Hilfe des Verhaltens von Einzelstrang-DNA in Lösung bestimmen. Hierbei setzt man sie Bedingungen aus, die die Bildung von komplementären Doppel¬strängen ermöglicht. Die Kinetik, mit der die Doppelstrangbildung ab¬läuft, unterliegt physikochemischen Gesetzmäßigkeiten (Box 12.3).

Auch wenn in der Regel evolutionär niedriger stehende Spezies einen geringeren DNA-Gehalt aufweisen als höher stehende, so ist die DNA-Menge nicht immer ein Maß für den Gehalt der genetischen Information (C-Wert-Paradoxon, s.o., Tab. 2.1). Der prozentuale Anteil repetitiver DNA kann sich selbst innerhalb naher verwandter Spezies sehr stark unterscheiden

 

 

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