3D-Drucker
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/ZxQpzXpytDE
Am schlimmsten, wenn am Tag, bevor die Gäste kommen, einer
der sechs benötigten Teller in Scherben fällt. Was dann? Dann warten wir auf
den Techniker, schieben zur Fahrradwerkstatt, suchen im Kaufhaus hektisch nach
einem Teller in ähnlichem Design.
Jedenfalls heute noch.
In ein paar Jahren aber nehmen wir den kaputten Knopf, das
noch vorhandene Pedal und einen der noch heilen Teller und gehen zum
3DDruckshop um die Ecke. Dort schiebt ein freundlicher Mitarbeiter unsere
Mitbringsel in den RundumScanner, repariert am Computerbild noch schnell die am
Herdknopf abgebrochene Halterung und
gibt uns einen Abholtermin. In ein paar Stunden seien die Sachen fertig
gedruckt. Der Knopf geht schnell, weil er nur aus Kunststoff besteht; Metall
und Keramik dauern länger.
ScienceFiction? Ein Fall für Captain Picard? Keineswegs. Nur
die gedachte Fortsetzung dessen, was um uns herum längst im Entstehen begriffen
ist.
Denn das Drucken in der dritten Dimension hat in nur wenigen
Jahren eine furiose Entwicklung durchgemacht: aus den Hobbykellern der
Computertüftler bis in die industrielle Produktion. Von der im wackligen
Heimdrucker selbst produzierten Plastikkaffeetasse hin zum Bau von
Architekturmodellen, von DesignPrototypen für die Automobilindustrie, von
medizinischen Prothesen.
Museen fertigen mit dieser Techn schon Repliken ihrer
wertvollsten Stücl an, Archäologen rekonstruieren damit d: Physiognomie von
Menschen, die se Jahrtausenden tot sind. Jüngst schaffte ch NASA ein solches
Gerät sogar auf die Ir ternationale Raumstation, um benötigt Ersatzteile und
Werkzeuge gleich an 0: und Stelle herstellen zu können. Und d2
USRaumfahrtunternehmen SpaceX de Erfinders Elon Musk baut sogar di Brennkammern
für die Triebwerke eine neuen Raumkapsel im 3DDrucker.
Inzwischen findet man auch kaur noch einen Stoff, der sich
nicht zum Dru cken eignete. Das können Flüssigkeite: sein, die schichtweise zu
Kunststoffe: ausgehärtet werden. Oder Bruchteile vu Millimetern dünne Schichten
aus PlastikGips oder Keramikpulver, die mit einen Druckkopf Lage um Lage
aufgebracht un( dann an vorgegebenen Stellen mit Binde mittel verfestigt
werden. Es klappt auc] mit flüssigem Ton oder mit Leichtbauze ment, der aus
einer Düse wie aus eine Sahnespritze Schicht um Schicht über einandergepackt
wird. Oder mit Metall staub, der, in der Hitze eines Laserstrahl geschmolzen,
sofort darauf wieder er starrt (Näheres in den Kästen auf diese: Seiten). Sogar
gedruckten Goldschmuc' gibt es schon zu kaufen
in Designs wie sie kein Goldschmied handwerklicl je herstellen könnte.
Der rasante Vormarsch dieser Tech nologie verblüfft Forscher
und Politike gleichermaßen. „Eine neue digitale Reve lution" etwa sieht da
Neil Gershenfeli heraufziehen, Professor am Massachu setts Institute of
Technology (MIT) i: Cambridge. Das Londoner Weltmagazi: „The Economist"
bejubelte den 3D Druck als den Beginn „einer dritten in dustriellen
Revolution", und USPräsider Barack Obama sprach von einer Revolution in
der Methode, „wie wir fast alle unsere Dinge herstellen".
Selbst der Washingtoner Thinktank Atlantic Council, der die
USRegierung üblicherweise in außenpolitischen Fragen berät, nahm sich die
„strategischen Veränderungen" vor, die der Druck in drei Dimensionen mit
sich bringe. Unter anderem fürchten die Regierungsberater, ein künftig
geringerer Bedarf an Arbeitskräften „könnte in Ökonomien, deren Arbeiterschaft
zu einem großen Prozentsatz in produzierenden Industrien beschäftigt ist,
politisch destabilisierend wirken".
Wirklich? Kann diese neue Technik, wie das Atlantic Council
fragt, „die Welt verändern"? Tatsächlich stellt sie die Art und Weise, wie
wir Gegenstände des täglichen Bedarfs herstellen, geradezu auf den Kopf.
So sprechen Experten, wenn sie den 3DDruck meinen, auch
lieber von „additiver Fertigung"
weil damit das genaue Gegenteil dessen beschrieben ist, was wir heute
als übliches mechanisches Produktionsverfahren kennen. Denn beim Drehen,
Bohren, Stanzen oder Fräsen wird aus einem Werkstück so lange Material
entfernt, bis die gewünschte Form erreicht ist. Das ist die „subtraktive"
Methode, und sie hat sich seit der Steinzeit nicht verändert. Auch Faustkeile
wurden schon so hergestellt.
Additive Fertigung hingegen heißt: Ein Gegenstand entsteht,
indem er aus einem Material nach und nach aufgebaut wird. Gegenüber den
subtraktiven Verfahren hat sie mehrere Vorteile. Einer der wichtigsten: Es
fällt fast kein Abfall mehr an. Überschüssiges Material, das im Druckprozess
nicht verhärtet wurde, kann nahezu vollständig und ohne große Aufbereitung wiederverwertet
werden.
D
en Anfang dessen, was heute eine Revolution genannt wird,
machte im Jahr 1983 eine Tüftelei. Damals suchte der Ingenieur Charles
„Chuck" Hull aus dem kalifornischen Städtchen Arcadia nach einem Weg, am
Computer entworfene Designs schnell in brauchbare Prototypen zu verwandeln.
Fündig wurde er, als er mit einer flüssigen Kunststoffkomponente
experimentierte, die unter UVLicht fest wird. „Stereolithografie"
räumliches Drucken nannte Hull seine
Erfindung, drei Jahre später wurde ihm darauf das Patent erteilt.
Dann kamen die Bastler und die Nerds, die „Maker"
(Macher), die Programme und Technik entwickelten und DruckerBausätze für den
Hausgebrauch kreierten. Bis heute bilden sie eine in aller Welt höchst agile
Community von 3DDruckPionieren. Sie drucken für sich Schmuck, Figuren und
Werkzeug, sogar fertige Kugellager inklusive beweglicher Kugeln in einem einzigen Arbeitsgang. Es ist die
digitaltechnische Variante dessen, was seit den 195oer Jahren „DoityourselfBewegung"
heißt. Das Credo der Maker ist es, alles öffentlich zu teilen: neue technische
Ideen, neue Programme, neue Modelle zum Selberdrucken. Die Ergebnisse
präsentieren sie in InternetForen und auf eigenen Messen.
Und zunehmend werden daraus Geschäftsmodelle.
In 3DDruckStudios in zahlreichen Städten können sich Kunden
schon Abbilder ihrer selbst fertigen lassen
und dabei je nach Geldbeutel zwischen BarbiepuppenFormat und Lebensgröße
wählen. Ein Hersteller von Konzeptautos in Phoenix, Arizona, druckte jüngst in
44 Stunden und in knapp 5o Einzelteilen einen echten Roadster aus dem Material,
aus dem die LegoSteine sind. Höchstgeschwindigkeit: 8o km/h. Hinzugekauft
wurden nur Räder, Elektromotor, Windschutzscheibe, Ledersitze und ein bisschen
Technik. Ziel sei es, in ein paar Jahren das nach Kundenwunsch maßgeschneiderte
Auto anbieten zu können, erläutert einer der beteiligten Ingenieure.
Das Beispiel belegt einen weiteren Paradigmenwechsel:
3DDruck ermöglicht die individuelle Anpassung von Konsumgütern an die
Vorstellungen der Kunden. Denn Vorlage für ein dreidimensional gedrucktes
Produkt ist immer ein digitales 3DModell
und das ist ohne Aufwand am Rechner beliebig veränderbar. Bei
Fließbandproduktion wäre das ein äußerst schwieriges Unterfangen, weil sich
Stanz oder Gussformen nicht jedes Mal individuell anpassen lassen.
„Beim 3DDruck haben wir es zum ersten Mal mit einer
Produktionstechnologie zu tun, bei der die Hobbyisten inzwischen der Industrie
voraus sind", sagt Frank Piller, Innovationsforscher an der
RheinischWestfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. ,Yiele
Innovationen auf diesem Gebiet kommen mittlerweile von den Heimanwendern."
Piller, der vom MIT in Cambridge nach Aachen wechselte,
sieht in der neuen Technik eine „Demokratisierung der Werkzeuge". Denn der
3DDruck werde es künftig möglich machen, dass nahezu jeder Mensch jedes
gewünschte Teil den Plastikständer für
den TabletComputer genauso wie die zerbrochene Porzellantasse aus dem geerbten
Familiengeschirr selbst entwerfen oder digital reproduzieren und ohne große
Kosten herstellen (lassen) kann.
Im Jahr 2013 verglichen Wissenschaftler der Michigan
Technological University die Kauf mit den Druckkosten für 20
Alltagsgegenstände, deren Designs unter
inzwischen mehr als ioo 000 anderen frei im Internet verfügbar sind. Resultat:
Im Handel kosteten alle Teile zusammen bis zu 1944 Dollar aber nur „i8 Dollar, wenn ein Konsument sie
an einem Wochenende selbst herstellt". Allerdings verwendeten sie für ihre
Untersuchung auch nur einen ausgesprochen simplen Selbstbaudrucker. Aber
angesichts solcher Differenzen amortisierten sich die Anschaffungskosten für
den familieneigenen 3DDrucker innerhalb kurzer Zeit, schreiben die Forscher.
Sie erwarten daher einen Boom bei den privaten Geräten.
Andere Experten sind da weniger optimistisch. „Die
Heimanwendung in großem Stil sehe ich eher kritisch", sagt etwa Ben
Jastram, der im 3DLabor der Technischen Universität Berlin die Technik und ihre
Möglichkeiten erforscht. Unter anderem aus Preisgründen, der Kunststofffür die
gängigen Heimdrucker kann, je nach Druckertyp, leicht bis zu 36 Euro pro
Kilogramm kosten.
Ben Jastram sieht wie
auch Frank Piller von der RWTH die
Zukunft der additiven Fertigung in einem viel radikaleren Eingriff ins
Wirtschaftsgeschehen. In der herkömmlichen Wirtschaftswelt muss immer, bevor
ein Produkt auf den Markt kommt, ein Unternehmen den Bedarf erkennen,
investieren und produzieren mit dem
Risiko, sich womöglich verkalkuliert zu haben. „In der neuen Welt brauche ich
für vieles keine klassischen Unternehmen mehr", sagt Piller. „Wenn findige
Konsumenten einen Bedarf haben, dann stehen ihnen über das Internet die
Produktionsmittel zur Verfügung, um die Dinge selber zu machen." Und
Kopien davon dann anderen Interessenten zum Kauf anzubieten oder eben auch nur das Design oder den
Bauplan.
Was absehbar zu einer kniffligen Frage führt: Wenn alles
beliebig reproduzierbar ist welchen Wert
besitzen dann noch Urheber und Patentrecht? Ein Recht, so Frank Piller, sei
schließlich nur dann etwas wert, „wenn ich es auch mit einiger Aussicht auf
Erfolg einklagen kann". Wie verhindert man die 3DRaubkopie einer neuen
AlessiSchale oder eines KopfhörerDesigns von Philippe Starck? Geht das
überhaupt?
Noch hat niemand auf diese Frage eine klare Antwort.
Vielleicht, überlegt etwa Piller, „ist der Gedanke, dass man alle Dinge
schützen lassen muss, auf Dauer einfach überholt und es wird irgendwann sinnvoller, Patent und
Urheberrecht auf nur wenige Bereiche zu reduzieren". Zum Beispiel auf die
pharmazeutische Forschung oder auf Erfindungen in Material und Prozesstechnik.
Eine andere Folge der 3DTechnologie ist genauso absehbar:
dass in vielen Wirtschaftssektoren, etwa in der Automobilindustrie, die Kosten
für Ersatzteilproduktion und Lagerhaltung drastisch sinken werden. „Das gilt
für die OldtimerStoßstange genauso wie für die Turbinenschaufel im 3o Jahre
alten SiemensKraftwerk", sagt Piller. Und lange Lieferzeiten für im
Ausland gefertigte Einzelteile seien dann auch passe. Schließlich müsse man ja
nicht erst auf Ersatz aus China oder Korea warten, wenn der im eigenen Land
viel schneller zu erhalten sei. „Was spricht also dagegen, dass zukünftig der
Autovertragshändler vor Ort die Ersatzteile seltener Modelle mit zertifizierten
Druckanlagen direkt fertigt?", fragten auch Experten des Vereins Deutscher
Ingenieure (VDI) in einem kürzlich veröffentlichten Report über die Chancen
additiver Fertigung.
Sie verzichten auf die Antwort es ist eine rhetorische Frage fotografieren
115 Kameras, aus deren Bildern erst ein Rundumfoto entsteht und daraus eine
druckfähige Datei
L
angfristig könnte all das an einer der Grundfesten der
Weltwirtschaft rütteln: der global organisierten Arbeitsteilung. „Dass wir in
einigen Län
dern denken und in anderen billig produzieren, das wird sich
möglicherweise
bald ändern", sagt Professor Piller. Die Produktion
rücke wieder näher an den Konsumenten, wenn sich anstelle der Produkte nur noch
die Designs um die Welt bewegen müssen
und zwar via Internet, nicht via Container.
Immerhin befuhren Anfang 2013 fast 5100 Containerschiffe die
Weltmeere, sie transportieren rund 1,5 Milliarden Tonnen Güter die meisten davon aus den Herstellerländern
in Fernost nach Europa und Amerika.
Und in Zukunft?
Schon ein um zs Prozent verringertes Frachtaufkommen würde
allein die Treibhausgasemissionen in der Containerschifffahrt um mehr als so
Millionen Tonnen pro Jahr senken. Das ist die gute
Nachricht. Die schlechte betrifft die Schwellenländer, und
das Atlantic Council formuliert sie so: „Die Entwicklungsländer könnten
Nutznießer der additiven Fertigung sein
aber ebenso gut die Verlierer." Denn zu rechnen sei mit „einem
signifikanten Verlust von Arbeitsplätzen in der Produktion".
Wenn zum Beispiel in wichtigen Branchen das eintritt, was
der amerikanische Sportschuhhersteller Nike erklärtermaßen als Perspektive
ausgegeben hat:
Nike brachte im vorletzten Jahr einen Laufschuh in die
Läden, der vollständig im 3DVerfahren entsteht: Die Sohle wird additiv
gefertigt, also gedruckt, und das Oberteil wird aus Synthetikfasern auf
3DStrickmaschinen hergestellt. Den 3DStrick nach digitalen Vorgaben hat das
Unternehmen schon länger im Programm das
Verfahren reduziert die Produktion von 37 Einzelteilen auf nur noch zwei. Und
ermöglicht es der Firma, in naher Zukunft auch die Form der Schuhe
individuell an die Anatomie der Kundezfüße anzupassen. „Das
Verfahren verizdert alles", erklärte 2013 der damalige NikeChef Charlie
Denson: Der Prozess reduziere die Kosten derart, „dass wir irgendwann diese
Schuhe an jedem Ort der Welt herstellen können". Also direkt dort, wo sie
nachgefragt werden.
Für Schuhmacher in China sind das keine guten Nachrichten.
Eine zunehmend größere Rolle spielt die additive Fertigung
bereits in der Medizintechnik, wo eine solch individuelle Passung den Patienten
viel Leid ersparen kann. Hochpräzise industrielle 3DDrucker stellen
beispielsweise schon seit Jahren Brücken und Zahnkronen her und lösen immer
mehr die zahntechnische Handarbeit ab. „Innerhalb von 24 Stunden können unsere
Spezialdrucker bis zu 4so ZahnersatzEinheiten fertigen", verlautbart ein
Druckmaschinenhersteller in München. Und die Firma Materialise mit Sitz im
belgischen Leuven druckt neben Gussformen für die Maschinenbauindustrie und
Designermöbeln auch Hilfsmittel für den Einsatz in der Chirurgie. Für
„monatlich etwa 5000 bis 6000 Patienten", erklärt der stellvertretende
Direktor Bart Van der Schueren, fertige das Unternehmen auf Basis von Daten aus
Computer und Magnetresonanztomografie exakte Modelle und Schablonen zur
besseren Vorausplanung von Operationen und zur Herstellung passgenauer
Implantate. Außerdem pro Monat mehrere Hüftprothesen, aufgebaut aus
pulverisiertem Titan und exakt auf die Anatomie der Patienten abgestimmt.
„Unser Vorteil ist, dass der 3DDruck Strukturen erlaubt, wie
sie mit konventioneller Technik gar nicht machbar wären", so Van der
Schueren. „Wir drucken zum Beispiel am Übergang zwischen Hüftimplantat und
Knochen eine Netzstruktur aus Titan, die absolut genau passt. Da kann
Knochensubstanz hineinwachsen und die neue Hüfte langfristig mit dem Skelett
verbinden."
Ja, das ist zurzeit noch eine kostspielige Methode. Aber ein
gedrucktes Körperersatzteil reduziere auch mögliche Folgeschäden, verglichen
mit einem, das von der Stange kommt. Und wenn die Druckverfahren schneller und
billiger würden, „wird das auch für den Massenmarkt interessant",
versichert der Belgier. Er meint: für die Krankenversicherungen.
Im 3DLabor der TU Berlin, in einem jener Gebäude der
Universität, die sich entlang der Straße des 17. Juni verteilen, wickelt Ben
Jastram vorsichtig eine fragil wirkende Netzstruktur aus Kunststoff aus der
Schutzfolie. „Diese Herzklappe ist einer unserer Prototypen", erläutert
der Diplomingenieur sichtlich stolz. „Wir haben
sie in einem eigens entwickelten Drucker hergestellt."
Das 3DLabor der TU ist eines der größten Innovationszentren
in Deutschland, wenn es um additive Fertigung geht. So arbeitet hier unter
anderem ein kleines Team in Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum an einer
medizinischen Revolution: an einem Herzklappengerüst aus Biokunststoff. „Es hat
exakt dieselbe Form wie die Herzklappe des Patienten und wird im Labor auch mit
seinen eigenen Zellen besetzt", sagt Jastram. „Diese wachsen in die
Netzstruktur hinein und bauen den Biokunststoff
dann nach und nach ab." Übrig bleibt eine voll funktionsfähige Herzklappe,
anatomisch identisch mit jener, die auszutauschen ist. Das ist der Plan.
Es wäre das Ende einer jeden Abstoßungsreaktion nach einer
Herzoperation, kein Schwein müsste mehr für eine menschliche Herzklappe sein
Gewebe geben. Selbst Kindern mit Herzfehlern könnte geholfen werden: Wächst ihr
Herz, wird ihre Herzklappe durch eine neue ersetzt. „Wir stehen noch am
Anfang", sagt Jastram. „Aber ich könnte mir vorstellen, dass das Verfahren
in vielleicht 15 Jahren genehmigt ist."
Schneller wird sich die Entwicklung vermutlich in einigen
anderen Bereichen vollziehen. Im November 2014 veröffentlichte die Europäische
Weltraumorganisation ESA eine VideoAnimation, in der man rollenden Robotern auf
dem Mond bei der Arbeit zuschauen kann: Sie bauen eine Forschungsstation, deren
Außenwände Schutz gegen Strahlung und Meteoriten bieten. Im 3DDruckverfahren
wird dabei der Mondstaub Regolith zu festen Bauteilen geschichtet. Partner der
ESA bei dem ambitionierten Projekt ist das Büro des renommierten britischen
Architekten Norman Foster, der unter anderem die Glaskuppel des Berliner
Reichstags schuf. Aber gedruckte Häuser aus Pulver, als Zukunftsmusik der
bemannten Raumfahrt?
Auf der Erde funktioniert das bereits.
A
msterdamNoord, vom Anleger am Hauptbahnhof in wenigen Minu
ten mit der Fähre erreichbar, ist Stadtentwicklungsgebiet.
Hier entstehen neue Wohnblocks und Gewerbebauten in Serie. Der leer stehende
ShellTower wird zum Hotel umgerüstet, daneben erstreckt sich der futuristische
Bau des Niederländischen Filmmuseums. Und dort, wo eine Brücke den
Buiksloterkanaal quert, hat sich in einigen weißen Bürocontainern die Firma DUS
Architects eingerichtet, ein Team aus drei jungen Architekten und acht
Mitarbeitern.
Ihr Geld verdienen sie unter anderem im kommunalen
Wohnungsbau und am Flughafen Schiphol. Aber zu weltweiter Bekanntheit verhalf
ihnen ein Projekt, das seit etwa einem Jahr sichtbar Formen annimmt: der Druck
eines 15 Meter hohen Gebäudes mit 13 Zimmern nach dem Vorbild eines
traditionellen Amsterdamer Grachtenhauses.
„3D Print Canal House" prangt in großen, weißen Lettern
an einem Gerüst. DUS Architects zählen zu einer Handvoll Enthusiasten weltweit,
die mit unterschiedlichsten Materialien den Druck ganzer Gebäude erproben. In
den USA und China experimentieren einige Pioniere mit Leichtbauzement, eine
Gruppe in Italien versucht es mit Lehm, eine andere in Großbritannien mit Sand.
Die Amsterdamer verwenden einen Biokunststoff der deutschen Firma Henkel.
Neben dem Bürotrakt steht auf einem kleinen Platz ein
Türmchen, der „Kamer
Maker", der „Zimmermacher": ein senkrecht
gestellter 20FußContainer, sechs Meter hoch. Darin wird gedruckt.
„Wir haben die Blechkiste für 600 Euro bei eBay
gekauft", sagt Hedwig Heinsman, eine von zwei DUSArchitektinnen (Nummer
drei ist ein Mann), „und da hinein dann einen großen Drucker bauen
lassen." Dessen 3DDruckkopf lässt nun Schicht um Schicht aus dem
recycelbaren Kunststoff in wabenförmigen Strukturen die Wände wachsen.
„Das fertige Haus wird aus diesen vorgefertigten Elementen
bestehen, exakt nach dreidimensionalen Vorlagen aus dem Computer gedruckt, die
wir am Schluss zusammensetzen", erklärt die Architektin. Die einzelnen
Bauteile werden dann nur noch mit Beton ausgefüllt und verputzt. In zweieinhalb
Jahren, sagt Hedwig Heinsman, wolle man fertig sein. Der Zeitplan ist
sportlich. Ein zweiter Drucker wird gerade zusammengebaut.
Aber wieso gerade ein gedrucktes Haus? Was ist der Vorteil?
„Wir wollen Innovationen anzetteln", erklärt die
Architektin. „3DDruck hat für uns Architekten den Vorteil, dass alle Formen
leicht zu verändern sind, an neue Wünsche angepasst werden können. Und dass
diese Technik überall einsetzbar ist."
Um diese Mobilität zu zeigen, haben DUS Architects den
Drucker auch in einem Container platziert.
„Stellen Sie sich vor", sagt Hedwig Heinsman, „man
könnte damit künftig,
wo immer es nötig ist, feste Häuser für
Menschen bauen, die dringend eine Unterkunft brauchen."
Für Kriegsflüchtlinge
etwa oder für Katastrophenopfer. Dann müssten keine großen
Zeltstädte mehr eingeflogen werden.
Sondern nur noch Container mit 3D
Druckern.
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