Donnerstag, 11. Juni 2015

Achillesferse der Fonds-Industrie


Achillesferse der Fonds-Industrie

Author D.Selzer-McKenzie

Achilles war der Sage nach lediglich an seiner Ferse verletzbar, an der ihn seine Mutter, die Göttin Thetis, festhielt, als sie ihn im Fluss Styxx unverwundbar machen wollte. Längst ist die Ferse sprich¬wörtlich geworden, wenn es um Schwach-stellen in Systemen geht. Blickt man dieser Tage auf die vor Kraft förmlich strotzende Fondsindustrie, die von einem Absatzrekord zum nächsten eilt, könnte man sich bisweilen an den antiken Helden erinnert fühlen.

 

ee.r. chließlich rentieren die Geld-

marktfonds, die 2,5 Bio. Euro

verwaltetes Gesamtvolumen des Verbandes hin und bestes Quartal aller Zeiten her (gemeint ist das erste dieses Jahres), um die Null-Linie oder sogar darunter. Die einst stolze, rund 100 Mrd. Euro große Teilfondsbran-che liegt am Boden, verwaltet heute weniger als ein Zehntel ihrer frühe¬ren Mittel. Bei den Kurzläuferfonds zeigt sich ein ähnliches, wenn auch nicht das gleiche Bild.

Die Immobilienfonds kämpfen im¬mer noch mit der Implementierung ihrer neuen Spielregeln und sind be¬müht, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. Wenngleich man von einer Zweiklassengesellschaft sprechen kann (alte und neue Fonds) und einzelne Anbieter sogar zwi¬schenzeitlich Cash-Stops ausrufen, ist das Segment in seiner Breite von

 

früheren Absatzerfolgen Lichtjahre entfernt.

Verkaufsschlager dieser Tage sind in der Gruppe der defensiven Fonds mehr oder weniger allein konservative ver-mögensverwaltende Mischfonds, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Mit Portfoliokonstruktionen der Marke „90% Renten und 10% Aktien" ist da-bei der Eindruck entstanden, es gäbe eine risikolose attraktive Fondsalter-native zu Festgeld & Co. Fragt sich nur, wie lange. Der eisige Wind, der Anfang Mai über die Rentenmärkte wehte, gab einen ersten Vorgeschmack darauf, was Anteilinhaber rentenlasti-ger Fonds in den kommenden Jahren zwischendurch immer wieder erwar¬ten könnte: plötzliche Kursverluste oder zumindest Turbulenzen.

Anders formuliert: Die Fondsindustrie hat Anlegern, die ihr Geld über zwei bis

 

drei Jahre anlegen wollen und ledig¬lich geringe bis keine Verlusttoleranz mitbringen, je nach Renditeerwar¬tung wenig bis nichts mehr zu bieten, soll es nicht früher oder später zu ent¬täuschten Erwartungen kommen.

Als Grund, der zu dieser Entwicklung geführt hat, ist in erster Linie das an-haltende Niedrigzinsumfeld zu nen¬nen, unter dem auch die Geschäftsmo¬delle von Banken und Versicherungen leiden. Hinzu kommen im Zuge der Notenbankentscheidungen veränder¬te Korrelationen der Assetklassen und erhebliche kurzfristige Bewegungen im weltweiten Währungsgefüge. Zu allem Überfluss muss man obendrein wohl davon ausgehen, dass uns diese Umstände noch eine ganze Weile be-gleiten werden.

Die Fondsindustrie ist vor diesem Hintergrund also nicht nur, wie es von Verbandsvertretern gerne dargestellt wird, Profiteur des Niedrigzinsumfel-des, sondern zumindest in Teilen der Produktlandschaft auch selbst betrof-fen. Umso mehr, als sich die Entwick-lungen laufend in den Anteilpreisen der Fonds widerspiegeln und es den Anlegern jederzeit freisteht, ihre In-vestments zu veräußern, während beispielsweise die Versicherer ihre Pa-piere einfach bis zur Fälligkeit halten können und ihre Kunden durch Ver-träge gebunden sind.

PROBLEM DER VERWUNDBARKEIT Problematisch ist diese Entwicklung vor allem von daher, als diese Produk¬te den klassischen Sparern und Fest-geldanlegern traditionell als Brücke zur Fondsanlage dienen. Fallen die Ertragsperspektiven entsprechender

 

Produkte also nachhaltig ab und steigt ihr Kursschwankungspotenzial unge-wohnt stark an, bekommt der „Ein-gangsbereich" der Branche ein Pro-blem. Aber nicht nur er, dient dieses Produktuniversum doch auch tradi-tionell vielen aktienorientierten In-vestoren als zwischenzeitlicher „Rück-zugsraum", um Schutz zu suchen.

Was folgt daraus? Ebenso wie die Fer-se des Achilles lässt sich auch an dieser Verwundbarkeit als solche nichts än-dern. Die Stelle muss indes bestmög-lich geschützt werden, sollen die Ge-schichten nicht den gleichen Ausgang nehmen.

Was können die Fondsanbieter dazu beitragen? Sie können Erwartungen dämpfen und Enttäuschungen vorbeu-

 

gen. Sie können aber beispielsweise auch Aufldärungs- und Überzeugungs-arbeit leisten, die zum Umdenken be-wegt: zumindest schrittweise heraus aus einer falsch verstandenen Sicher-heit, die verkrampft am nominalen Kapitalerhalt hängt, hinein in struk-turierte Portfolios mit höheren Ak-tienquoten.

Die Möglichkeiten von Umschicht-, Kombi- und Sparplänen werden in die-sen Zusammenhängen viel zu wenig ausgeschöpft. Und überdies können sie die Gebührenstrukturen anpas¬sen, um verbliebene Roherträge zu schonen. Anpassungen müssen dabei keineswegs immer zwangsläufig auf Senkungen hinauslaufen, sie ließen sich auch erfolgsorientierter gestalten als bisher.

 

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