Achillesferse der Fonds-Industrie
Author D.Selzer-McKenzie
Achilles war der Sage nach lediglich an seiner Ferse
verletzbar, an der ihn seine Mutter, die Göttin Thetis, festhielt, als sie ihn
im Fluss Styxx unverwundbar machen wollte. Längst ist die Ferse sprich¬wörtlich
geworden, wenn es um Schwach-stellen in Systemen geht. Blickt man dieser Tage
auf die vor Kraft förmlich strotzende Fondsindustrie, die von einem
Absatzrekord zum nächsten eilt, könnte man sich bisweilen an den antiken Helden
erinnert fühlen.
ee.r. chließlich rentieren die Geld-
marktfonds, die 2,5 Bio. Euro
verwaltetes Gesamtvolumen des Verbandes hin und bestes
Quartal aller Zeiten her (gemeint ist das erste dieses Jahres), um die
Null-Linie oder sogar darunter. Die einst stolze, rund 100 Mrd. Euro große
Teilfondsbran-che liegt am Boden, verwaltet heute weniger als ein Zehntel ihrer
frühe¬ren Mittel. Bei den Kurzläuferfonds zeigt sich ein ähnliches, wenn auch
nicht das gleiche Bild.
Die Immobilienfonds kämpfen im¬mer noch mit der
Implementierung ihrer neuen Spielregeln und sind be¬müht, verloren gegangenes
Vertrauen wieder aufzubauen. Wenngleich man von einer Zweiklassengesellschaft
sprechen kann (alte und neue Fonds) und einzelne Anbieter sogar
zwi¬schenzeitlich Cash-Stops ausrufen, ist das Segment in seiner Breite von
früheren Absatzerfolgen Lichtjahre entfernt.
Verkaufsschlager dieser Tage sind in der Gruppe der
defensiven Fonds mehr oder weniger allein konservative ver-mögensverwaltende
Mischfonds, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Mit Portfoliokonstruktionen
der Marke „90% Renten und 10% Aktien" ist da-bei der Eindruck entstanden,
es gäbe eine risikolose attraktive Fondsalter-native zu Festgeld & Co.
Fragt sich nur, wie lange. Der eisige Wind, der Anfang Mai über die Rentenmärkte
wehte, gab einen ersten Vorgeschmack darauf, was Anteilinhaber rentenlasti-ger
Fonds in den kommenden Jahren zwischendurch immer wieder erwar¬ten könnte:
plötzliche Kursverluste oder zumindest Turbulenzen.
Anders formuliert: Die Fondsindustrie hat Anlegern, die ihr
Geld über zwei bis
drei Jahre anlegen wollen und ledig¬lich geringe bis keine
Verlusttoleranz mitbringen, je nach Renditeerwar¬tung wenig bis nichts mehr zu
bieten, soll es nicht früher oder später zu ent¬täuschten Erwartungen kommen.
Als Grund, der zu dieser Entwicklung geführt hat, ist in
erster Linie das an-haltende Niedrigzinsumfeld zu nen¬nen, unter dem auch die
Geschäftsmo¬delle von Banken und Versicherungen leiden. Hinzu kommen im Zuge
der Notenbankentscheidungen veränder¬te Korrelationen der Assetklassen und
erhebliche kurzfristige Bewegungen im weltweiten Währungsgefüge. Zu allem
Überfluss muss man obendrein wohl davon ausgehen, dass uns diese Umstände noch
eine ganze Weile be-gleiten werden.
Die Fondsindustrie ist vor diesem Hintergrund also nicht
nur, wie es von Verbandsvertretern gerne dargestellt wird, Profiteur des
Niedrigzinsumfel-des, sondern zumindest in Teilen der Produktlandschaft auch
selbst betrof-fen. Umso mehr, als sich die Entwick-lungen laufend in den
Anteilpreisen der Fonds widerspiegeln und es den Anlegern jederzeit freisteht,
ihre In-vestments zu veräußern, während beispielsweise die Versicherer ihre
Pa-piere einfach bis zur Fälligkeit halten können und ihre Kunden durch
Ver-träge gebunden sind.
PROBLEM DER VERWUNDBARKEIT Problematisch ist diese Entwicklung
vor allem von daher, als diese Produk¬te den klassischen Sparern und
Fest-geldanlegern traditionell als Brücke zur Fondsanlage dienen. Fallen die
Ertragsperspektiven entsprechender
Produkte also nachhaltig ab und steigt ihr
Kursschwankungspotenzial unge-wohnt stark an, bekommt der
„Ein-gangsbereich" der Branche ein Pro-blem. Aber nicht nur er, dient
dieses Produktuniversum doch auch tradi-tionell vielen aktienorientierten
In-vestoren als zwischenzeitlicher „Rück-zugsraum", um Schutz zu suchen.
Was folgt daraus? Ebenso wie die Fer-se des Achilles lässt
sich auch an dieser Verwundbarkeit als solche nichts än-dern. Die Stelle muss
indes bestmög-lich geschützt werden, sollen die Ge-schichten nicht den gleichen
Ausgang nehmen.
Was können die Fondsanbieter dazu beitragen? Sie können
Erwartungen dämpfen und Enttäuschungen vorbeu-
gen. Sie können aber beispielsweise auch Aufldärungs- und
Überzeugungs-arbeit leisten, die zum Umdenken be-wegt: zumindest schrittweise
heraus aus einer falsch verstandenen Sicher-heit, die verkrampft am nominalen
Kapitalerhalt hängt, hinein in struk-turierte Portfolios mit höheren
Ak-tienquoten.
Die Möglichkeiten von Umschicht-, Kombi- und Sparplänen
werden in die-sen Zusammenhängen viel zu wenig ausgeschöpft. Und überdies können
sie die Gebührenstrukturen anpas¬sen, um verbliebene Roherträge zu schonen.
Anpassungen müssen dabei keineswegs immer zwangsläufig auf Senkungen
hinauslaufen, sie ließen sich auch erfolgsorientierter gestalten als bisher.
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