Ende der Ambivalenz
Author D.Selzer-McKenzie
Googelt man den Begriff der
Ambivalenz, dann bekommt
man bei Wikipedia folgende Definition: „Unter Ambivalenz
(lat. ambo „beide" und valere „gelten") wird in der Psychologie,
Psychothe-rapie, Psychiatrie und Psychoanalyse das Nebeneinander von
gegensätzli-chen Gefühlen, Gedanken und Aussa-gen verstanden." Diese
Beschreibung charakterisiert die Verfassung der Immobilienfondsmärkte wohl nach
wie vor recht gut. Schauen wir uns diese Ambivalenzfelder doch einmal
nacheinander an:
EXTREM STARKE NACHFRAGE NACH DIREKTINVESTMENTS VS. EHER
VERHALTENE NACHFRAGE NACH OFFENEN IMMOBILIENFONDS Mario Draghi und seine EZB
bleiben die besten Promoter für Sachwert-
anlagen. So öffnete die EZB jüngst erneut die Schleusen und
flutete die Märkte mit Liquidität, um das Zinsni-veau weiterhin extrem niedrig
zu hal-ten. Die Folgen sind unübersehbar: so titelte jüngst die
Immobilien-Zeitung ‚viel Geld für Alles" und zitierte Frank Pörschke, Chef
des Maklerhauses Jones LangLaSalle, mit den Worten: „Wir suchen händeringend
Produk¬te." Gäbe es mehr Angebote, hätten im ersten Quartal dieses Jahres
bei Gewerbeimmobilien in Deutschland mehr als die sehr hohen 9,5 Mrd. Euro
Transaktionsvolumen erreicht werden können. Die Hälfte davon steuerten
ausländische Investoren bei, darun¬ter immer stärker Geldgeber aus Chi¬na. Auf
sie entfielen von Januar bis März etwa 280 Mio. Euro. Aber auch ausländische
Staatsfonds mischen immer stärker mit und treiben die
Preise. Trotzdem verharrt der saldier¬te Mittelzufluss im
Publikums- und Spezialfondssegment aber noch weit unter langjährigen
Höchstwerten. Der Fonds als Investment-Vehikel scheint durch die rechtlichen
und faktischen Unsicherheiten — man denke zum Bei¬spiel an die holprige
Einführung des KAGB — gegenüber der Direktanlage bzw. Investment-Clubs ins
Hintertref¬fen geraten zu sein.
NACHFRAGE INSTITUTIONELLER INVESTOREN BISLANG STÄRKER ALS
DIE NACHFRAGE VON PRIVATINVESTOREN
Im Jahr 2002 setzten die offenen Pu-blikumsfonds fast 15
Mrd. Euro ab. Dieser historische Höchstwert wurde seitdem nie mehr erreicht,
der Zufluss pendelte sich bei 2 bis 3 Mrd. € Netto-mittelzufluss pro Jahr ein. Die
Spezialfonds hingegen sammelten in den letzten Jahren kontinuierlich mehr Geld
ein als die Produkte für die breite Masse. Haben die institutionel-len Anleger
die Bedeutung der Nied-rigzinsphase und die Notwendigkeit zur Steigerung der
Immobilienquoten deshalb schon besser verstanden als die Privatkunden?
Sicherlich ist das ein Teil der Erklärung, bestimmt aber führen
Asset-Liability-Studien zu der Erkenntnis, dass die Immobilie ein gutes
Instrument zur Gewährleistung der erforderlichen Ausschüttungen an die
Versicherten darstellt. Bei Pri-vatkunden und deren Beratern erwar¬ten wir das
Verständnis nachgelagert, spätestens, wenn Wiederanlagen an-stehen oder die
Jahresdepotauszüge verschickt worden sind.
PUBLIKUMSFONDS-SEGMENT LEIDET NOCH IMMER UNTER DEN
ABWICK-LUNGEN BEI UNGEBROCHENER BELIEBTHEIT IM BANKENSEGMENT Relativ ruhig
wurde es zuletzt um die Abwicklung der offenen Immobilien¬fonds, nun gibt es
aber wieder News: Die Drescher & Cie Immo Consult AG
prüft einmal jährlich den Fortschritt der
Abwicklungsaktivitäten. Um es vorwegzunehmen: es gibt Gesell-schaften, die sich
mit der Abwicklung weiterhin recht schwer tun.
Es gibt aber auch einige Lichtblicke. Fondsmanager, die in
einer schwieri¬gen Situation das Beste für ihre Anleger und Vermittler geben.
Für die Fonds wurde unter anderem die Kennziffer „Cash-Burn-Rate" (CBR)
analysiert. Die Tabelle zeigt den Substanzverlust, der je Fonds seit dem
31.12.2007 - mithin seit Ausbruch der Finanzmarktkrise ¬eingetreten ist. Klar
ist, dass insbeson¬dere der konzernungebundene Vertrieb als einstmals
wesentlicher Vermittler dieser Fonds daran noch eine Weile zu kauen hat.
In den Konzernvertrieben sieht es allerdings ganz anders
aus: die gro§en Profiteure des Mittelzuflusses der letzten Jahre sind Union,
Deka, Deutsche Asset & Wealth sowie die Commerzreal. Sie vereinigen rund 90
Prozent der Mittelzuflüsse bei Publi-kumsfonds auf sich.
NEBENEINANDER ALTER FLAGG-
SCHIFFE MIT NEUEN PRODUKTEN Dabei verkörpern die großen
Altfonds gelebte Ambivalenz: sie vereinigen zwei unterschiedliche
Anlegerrechte. Altkunden können nach wie vor mit¬tels ihrer Freibeträge
börsentäglich über ihre Fondsanlagen verfügen, während Neuinvestoren
grundsätz¬lich Kündigungssperrfrist und Kün¬digungsfrist einzuhalten haben. Aber
mit jeder Ausschüttung und Verfügung nimmt der Anteil der Altanleger ab. Bleibt
trotzdem ein Vorteil für neue Produkte, die nur gleiche Anlegerrech¬te
aufweisen und keine Altlasten mit sich herumschleppen. Aber so einfach ist es
nicht: Die RREEF (Immobilien-Investments im Asset Management der Deutschen
Bank) sammelte zwar seit Auflage ihres neuen Deutschland-Fonds über 300 Mio.
Euro ein, konnte sich bislang aber erst eine Investition in Stuttgart sichern.
Deswegen kommt der Fonds performanceseitig derzeitig noch nicht vom Fleck. Und
KanAm schließt für den Leading Cities gerade zwar ihren vierten Cash-Call ab,
kämpft aber immer noch mit der Bürde der Abwicklung des KanAm grundinvest.
Zuletzt: die angekündigte Auflage von zwei neuen Publikumsfonds seitens der SEB
verschiebt sich aufgrund deren Übernahme wohl auf den Sankt-Nim-merleins-Tag.
NTES FAZIT
Die Ambivalenz wird noch eine Zeit lang zum
Immobilienfondssegment gehören. Aber die Spannbreite zwi-schen den Polen wird
dabei konti-nuierlich abnehmen. Der Direkt¬trend wird unseres Erachtens vor der
Fondsanlage nicht Halt machen. Vermittler und Kunden brauchen jedoch noch Zeit
für das Reifen dieser Einsicht. Dann werden die Absatzzahlen im Publikumsfonds
wieder anziehen. Das wird mittel¬bar wieder neue Player schaffen, die diesen
Raum ausfüllen werden. Hoffentlich ist der Immobilienzyk¬lus dann nicht schon
wieder viel zu weit gelaufen.
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