Donnerstag, 11. Juni 2015

Dynamische Gesundheitsmärke in Asien


Dynamische Gesundheitsmärke in Asien

Author D.Selzer-McKenzie

Biotech- und Pharma-Aktien gehörten zu den großen Gewinnern des Jahres 2014. Auch 2015 verspricht ein spannendes Jahr für die Branche zu werden. Trotz der stark gestiegenen Aktienkurse bleiben die Bewertungen zumeist noch im fairen Bereich. Dazu kommt eine erhebliche Wachstumsfantasie in den Emerging Markets,insbesondere in Asien.

Das Biopharmabranche wird 2015 von einigen zum Teil gegenläufigen Trends geprägt sein. Dabei gibt es immer noch Teil¬segmente des Healthcare-Marktes, die sehr attraktive Perspektiven verspre¬chen. Denn die Forschung und Ent¬wicklung neuer Medikamente läuft nach wie vor auf Hochtouren. Und nicht zuletzt verzeichnet die Branche einen Nachfrageschub in den am schnellsten wachsenden Volkswirt¬schaften. Weiterhin hält auch der Trend zu mehr Fusionen und Über¬nahmen in dem Sektor an. Global aufgestellte Pharmakonzerne können vom hohen Wachstum in den Schwel¬lenländern profitieren. Hier haben sich die Gewichte in den vergangen Jahren klar verschoben: Machten die Schwellenländer in 2005 anteilig an den weltweiten Ausgaben für Medika¬mente noch zwölf Prozent aus, werden es in 2015 nach jüngsten Schätzungen bereits rund 28 Prozent sein.

Besonders im Biotechsektor gibt es einige Marktsegmente, die trotz ho¬her Aktienkurse immer noch viel ver-sprechend sind und hohes Wachstum versprechen. An der Spitze liegt der Bereich Krebsforschung. Hier haben verschiedene Ansätze der Immunthera-pie für einen regelrechten Durchbruch gesorgt. So erklärt Christian Lach, Fondsberater des Lacuna Adamant Global Healthcare Fund: „Sehr interes-sant sind sog. Checkpoint-Blocker zur Stimulierung des Immunsystems bei Krebserkrankungen. Diese hemmen die Tumorzellen dabei, wenn sie die Abwehrzellen außer Gefecht setzen wollen. Neben Bristol Myers haben auch Roche und Merck USA diese PD-1 Blocker in der klinischen Entwicklung. Die neuen Immunstimulanzien gelten als wissenschaftlicher Durchbruch und es besteht die Hoffnung, dass Krebs bei einigen Patienten in eine chronische Erkrankung gewandelt werden kann, ähnlich wie dies bei HIV gelungen ist."

Die erste Zulassung eines PD-1 Blo-ckers zur Behandlung von Hautkrebs hat der US-Konzern Merck geschafft. Bei anderen Ansätzen geht es darum, normale T-Zellen in echte KrebsIdller-zellen zu verwandeln. Hierbei sind Roche, Bristol Myers oder Merck füh-rend. Incyte hat sich auf einen indi-rekten Aktivierungsweg spezialisiert, die Hemmung von IDO (Indolamin-2,3-DiOxygenase). Dieses Enzym ist in der Plazenta von Schwangeren ak¬tiv und verhindert dort, dass der Fö¬tus vom Immunsystem abgestoßen

 

wird. Mit den neu entwickelten IDO-Hemmstoffen kann man das körper-eigene Immunsystem stimulieren und zum Angriff gegen den Tumor schi-cken. Interessant ist auch die CAR-T-Zell-Technologie, die Novartis von der University of Pennsylvania lizenziert hat. Dabei werden dem Patienten T-Zellen entnommen, im Labor mit den Tumor-Antigenen CD19 „geimpft" und dem Patienten danach wieder in-fundiert. Die so veränderten T-Zellen sind nun in der Lage, Tumorzellen zu erkennen. Mit dieser personalisierten T-Zell-Therapie konnten bei Patienten mit Leukämie (ALL) bahnbrechende Resultate erzielt werden.

Auch Lydia Bänziger, Research-Ana-lystin der Biotech-Beteiligungsgesell-schaft BB Biotech, betont, dass im aktuellen Marktumfeld eine sehr se-lektive Vorgangsweise entscheidend für den Erfolg ist. Auch sie setzt unter anderem auf das starke Wachstum bei Krebsmedikamenten.

SELEKTIVES VORGEHEN IST WICHTIG „Nachdem der erste PD-1 Antikörper in Rekordzeit zugelassen wurde, dreht sich nun alles darum, die beste Kom¬binationstherapie zu finden. Denn diejenigen Patienten, die auf Immun¬therapien ansprechen, sprechen sehr gut an (allerdings nur etwa 30%). Das Ziel ist, diese Zahl zu erhöhen, indem verschiedene Medikamente kombiniert werden." Auch die schon auf der geneti¬schen Ebene der DNA bzw. RNA anset¬zende Antisense und RNAi-Forschung

 

lässt sich auf eine Vielzahl von seltenen Erkrankungen anwenden, was man auch an den breiten Pipelines von Isis und Alnylam sehen kann.

„Man weiß inzwischen, dass die Fir-men krankheitserregende Proteine bis zu 80 Prozent verringern können. Auf diesem Gebiet wird auch in nächster Zeit ein dichter Newsflow kommen, z.B. im Bereich der Hämophilie (Blut-erkrankung). Und nicht zuletzt wur¬de die erste echte Gentherapie gegen die seltene Fettstoffwechselkrankheit Lipoproteinlipasedefizienz (LPLD) in Europa zugelassen. Glybera von der kleinen niederländischen Firma Uni-Qure soll das defekte Gen im Körper der Patienten mittels eines Virusvek¬tors ersetzen und so den Fettstoff¬wechsel dauerhaft wiederherstellen."

Doch sind die Bewertungen insbeson-dere im Biotechbereich nicht schon ausgereizt? Dazu Analystin Bänziger: „Nicht nur die Aktienkurse sind gestie-gen, sondern auch die Umsätze der Fir-men. Viele Gesellschaften haben nun ihr erstes Produkt auf den Markt ge-bracht und können die Erträge davon in ihre Pipelines reinvestieren. Dies führt dazu, dass auch kleinere Unternehmen in Zukunft ihre Programme länger oder ganz alleine ohne Partner entwickeln und so auch bessere Erträge aus den Programmen erzielen können. Der Sek¬tor ist über die letzten Jahre beträcht¬lich gereift und entsprechend denken wir nicht, dass wir es mit einer zu ho¬hen Bewertungslage zu tun haben."

Die Schwellenländer werden für die westlichen Pharmakonzerne immer wichtiger. Das zeigt sich besonders am Beispiel Asiens. So hat Singapur ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Doch die Ausgaben für die Gesundheit sind, gemessen am Brutto¬inlandsprodukt (BIP), nur weniger als halb so hoch. Ein typisches Beispiel für Asiens Gesundheitsmärkte, wo viel an Verantwortung von den einzelnen Patienten getragen werden muss. Sie, die Konsumenten von Gesundheits¬dienstleistungen, müssen entscheiden, ob sie einen erheblichen Selbstbehalt, also eine hohe finanzielle Eigenleistung akzeptieren im Austausch mit den Pro¬dukten und Services, die sie dafür vom jeweiligen Gesundheitssystem erhalten.

In Ländern wie Indonesien oder In-dien sind die staatlichen Gesund-heitsausgaben noch geringer. „Die Gesundheitssysteme Asiens sind bei weitem nicht so stark ausgebaut wie jene in Europa oder den USA. Da also in vielen Ländern Gesundheit noch rein privat finanziert wird oder aber bestimmte Leistungen nicht von den Kassen übernommen werden, bedeu tet zunehmender Wohlstand auch eine steigende Nachfrage nach Gesundheit. Das stark gestiegene Lohnniveau zieht nach sich, dass sich die Menschen nun vermehrt leisten können, in ihre Gesundheit privat zu investieren", er-klärt Marvin Ng, Healthcare-Experte bei Bellevue Asset Management und Fondsberater des Lacuna-Adamant Asia Pacific Health Fonds. Und die Kaufkraft dafür ist vorhanden.

„Wenn man sich die Entwicklung der globalen Mittelklasse ansieht, dann ist der Raum Asien-Pazifik dabei, sich bis zum Jahr 2030 zu versechsfachen. Und ein Blick auf den größten Teilmarkt China zeigt, dass sich die Mittelklas¬se langsam, aber stetig von den urba¬nen Zentren auf die weiter entfernten ländlichen Gebiete ausbreitet. Im Jahr 2022 werden bereits fast 40 Prozent der chinesischen Mittelklasse in den ruralen Gebieten leben. Aber auch Zen-tralchina wird zunehmend urbanisiert. Gegenwärtig zählen bereits rund 300 Millionen Chinesen zur Mittelschicht mit einem jährlichen Haushaltsein-kommen von 10.000 bis 60.000 Dollar. Dies entspricht 50 Prozent der urbanen

 

Bevölkerung, deren Einkommen sich in den vergangenen 15 Jahren verdrei-facht hat", weiß BB-Experte Ng.

Wiederuin ist Singapur ein Paradebei-spiel für das rasche Wachstum der asia-tischen Gesundheitsmärkte. Die Life Science-Industrie startete hier erst im Jahr 2000. Nun ist der Stadtstaat be¬reits ein Zentrum für die Produktion biopharmazeutischer Medikamente -sowohl bei Small Molecules als auch bei Antikörper-Präparaten. Derzeit verfügt Singapur über 29 Produktionsanlagen mit einer Kapazität von Produkten im Wert von 20 Mrd. Dollar pro Jahr.

Alle großen Biotech- und Pharma-konzerne produzieren hier, wie etwa Amgen oder Roche. Auch Novartis' bekannter Blockbuster Gleevec wird hier hergestellt. Derzeit wird sogar ein eigens in Singapur entwickeltes Krebs-medikament klinisch getestet. Damit etabliert sich Singapur als Hub für die regionalen Gesundheitsmärkte und wird von ausländischen Healthcare-Konzernen als strategischer Stütz¬punkt für die Versorgung der angren¬zenden regionalen Märkte genutzt.

WICHTIGE WACHSTUMSTREIBER Starke Wachstumstreiber sind vor allem demografische Faktoren, der Aufstieg einer finanzkräftigen Mit¬telschicht und die Verwestlichung des Lebensstils, das Bevölkerungs¬wachstum und die Überalterung. Immer mehr Menschen müssen ver¬sorgt werden und da immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, nehmen altersbedingte Erkrankun¬gen deutlich zu, vor allem in China als Auswirkung der Ein-Kind-Politik. Dies alles führt wiederum vermehrt zu Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes etc. „Da¬raus errechnet sich ein strukturelles Nachfragewachstum von sechs bis acht Prozent pro Jahr", meint Ng.

Auch das Beispiel Indonesien ist sehr interessant. „Wir erleben hier gerade die Einführung eines nationalen Versi-cherungswesens für den Healthcare-Be-reich. Das ist gegenwärtig der stärkste Wachstumstreiber, denn es betrifft 260 Millionen Einwohner. 1.500 Spitäler werden sich daran beteiligen, darunter immerhin 600 private Krankenhäuser. Letztere haben die Führungsrolle bei der Einführung medizinischer Hoch-technologie übernommen", erklärt Bellevue-Experte Ng.

Und die Anzahl der Ärzte pro Patient ist höher als in Europa, dazu verfü¬gen vor allem die Privatkliniken über eine vollständige Hightech-Appara-temedizin. Gegenwärtig sind staatli¬che Subventionen für Patienten mit geringem Einkommen geplant sowie ein System, wonach höher verdienen¬de Kranke mit einem Privatbeitrag ein Upgrade, also einen Aufenthalt in einer Privatklinik, finanzieren kön¬nen. Dafür könnte es auch eine priva¬te Zusatzversicherung geben.

WER PROFITIERT AM STÄRKSTEN? Vor allem Anbieter von Medizintechnik oder auch Generikahersteller profitie¬ren am stärksten von der Etablierung der Gesundheitssysteme in einigen asiatischen Ländern. Statt Kostensen-kungsprogrammen, wie in westlichen Ländern, wurden dort Investitions-programme ins Leben gerufen. Diese erhöhen den Bedarf an medizinischen Produkten und Leistungen enorm. Ein Blick auf die Gesundheitsausgaben zeigt, dass diese deutlich steigen. Alles,

 

was über die Basisversorgung hinaus in Anspruch genommen wird, muss pri-vat gezahlt werden. Auch die staatliche Gesundheitsversicherung Chinas weist noch erhebliche Defizite und Lücken auf. Der Spitalsbereich wird hier vom öffentlichen Kliniksektor dominiert.

Und diese öffentlichen Krankenhäu¬ser sind mit dem Ansturm der Patien¬ten überfordert. Daher werden private Spitalsträger ermuntert, in den priva¬ten Klinikbereich zu investieren. Al¬lerdings ist die staatliche Aufsicht und Regulierung noch ziemlich strikt und die privaten Anbieter von Gesund-heitsservices müssen erhebliche Hür-den überwinden. Immerhin hat China zuletzt die Preise für die meisten Me-dikamente freigegeben. Künftig sollen die Preise auf dem zweitgrößten Phar-ma-Markt der Welt über Angebot und Nachfrage bestimmt werden.

Auch eHealth ist in Asien schon ein Thema. Vor allem die Healthcare-IT wird als „Enabler" für ein besseres Gesundheitswesen angesehen. Diese steckt etwa in China noch in den Kin-derschuhen. Aber es gibt schon zahl-reiche chinesische Unternehmen, die solche IT-Services anbieten, etwa das chinesische AliHealth Cloud Hospital. Es leistet für den Healthcare-Bereich jene Services, wie Alibaba für das On-line-Shopping. Die Klinik hat ein doud-basiertes Spitals-IT-System entwickelt und zu einer Plattform für viele an-

 

dere Anbieter von Healthcare-Services ausgebaut. So können andere Kliniken über diese Plattform eines „Cloud Hos-pitals" ihre Services anderen Patienten oder auch Spitälern anbieten und auch verkaufen, das Patientenmanagement inklusive. Patienten ihrerseits können sich hier über die am besten für sie ge-eignete Klinik informieren und auch eigene Fachärzte auswählen.

„Alibaba Health war zuerst im Bereich Healthcare-IT aktiv, hat seine Aktivi-täten aber auch auf den Bereich ver-schreibungspflichtige Medikamente ausgebaut. Schließlich reden wir hier von einem Volumen von ca. 90 Mrd. Dollar allein im chinesischen Medika-mentenmarkt. Ein Potenzial, an dem kein westlicher Gesundheitskonzern vorbeigehen kann", so Marvin Ng. Die attraktivsten Investmentmöglich¬keiten sind bei mittelgroßen Firmen zu finden. Und zwar vor allem dann, wenn sie entweder durch ihre Produk¬te Kosteneinsparungen in den westli¬chen Ländern ermöglichen oder wenn sie in den Schwellenländern von der zunehmenden Lebenserwartung, dem Aufbau der Krankenkassensysteme sowie dem starken Anstieg der Mittel-schichten profitieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.