Dynamische Gesundheitsmärke in Asien
Author D.Selzer-McKenzie
Biotech- und Pharma-Aktien gehörten zu den großen Gewinnern
des Jahres 2014. Auch 2015 verspricht ein spannendes Jahr für die Branche zu
werden. Trotz der stark gestiegenen Aktienkurse bleiben die Bewertungen zumeist
noch im fairen Bereich. Dazu kommt eine erhebliche Wachstumsfantasie in den
Emerging Markets,insbesondere in Asien.
Das Biopharmabranche wird 2015 von einigen zum Teil
gegenläufigen Trends geprägt sein. Dabei gibt es immer noch Teil¬segmente des
Healthcare-Marktes, die sehr attraktive Perspektiven verspre¬chen. Denn die
Forschung und Ent¬wicklung neuer Medikamente läuft nach wie vor auf Hochtouren.
Und nicht zuletzt verzeichnet die Branche einen Nachfrageschub in den am
schnellsten wachsenden Volkswirt¬schaften. Weiterhin hält auch der Trend zu
mehr Fusionen und Über¬nahmen in dem Sektor an. Global aufgestellte Pharmakonzerne
können vom hohen Wachstum in den Schwel¬lenländern profitieren. Hier haben sich
die Gewichte in den vergangen Jahren klar verschoben: Machten die
Schwellenländer in 2005 anteilig an den weltweiten Ausgaben für Medika¬mente
noch zwölf Prozent aus, werden es in 2015 nach jüngsten Schätzungen bereits
rund 28 Prozent sein.
Besonders im Biotechsektor gibt es einige Marktsegmente, die
trotz ho¬her Aktienkurse immer noch viel ver-sprechend sind und hohes Wachstum
versprechen. An der Spitze liegt der Bereich Krebsforschung. Hier haben
verschiedene Ansätze der Immunthera-pie für einen regelrechten Durchbruch
gesorgt. So erklärt Christian Lach, Fondsberater des Lacuna Adamant Global
Healthcare Fund: „Sehr interes-sant sind sog. Checkpoint-Blocker zur
Stimulierung des Immunsystems bei Krebserkrankungen. Diese hemmen die
Tumorzellen dabei, wenn sie die Abwehrzellen außer Gefecht setzen wollen. Neben
Bristol Myers haben auch Roche und Merck USA diese PD-1 Blocker in der
klinischen Entwicklung. Die neuen Immunstimulanzien gelten als
wissenschaftlicher Durchbruch und es besteht die Hoffnung, dass Krebs bei
einigen Patienten in eine chronische Erkrankung gewandelt werden kann, ähnlich
wie dies bei HIV gelungen ist."
Die erste Zulassung eines PD-1 Blo-ckers zur Behandlung von
Hautkrebs hat der US-Konzern Merck geschafft. Bei anderen Ansätzen geht es
darum, normale T-Zellen in echte KrebsIdller-zellen zu verwandeln. Hierbei sind
Roche, Bristol Myers oder Merck füh-rend. Incyte hat sich auf einen indi-rekten
Aktivierungsweg spezialisiert, die Hemmung von IDO (Indolamin-2,3-DiOxygenase).
Dieses Enzym ist in der Plazenta von Schwangeren ak¬tiv und verhindert dort,
dass der Fö¬tus vom Immunsystem abgestoßen
wird. Mit den neu entwickelten IDO-Hemmstoffen kann man das
körper-eigene Immunsystem stimulieren und zum Angriff gegen den Tumor
schi-cken. Interessant ist auch die CAR-T-Zell-Technologie, die Novartis von
der University of Pennsylvania lizenziert hat. Dabei werden dem Patienten
T-Zellen entnommen, im Labor mit den Tumor-Antigenen CD19 „geimpft" und
dem Patienten danach wieder in-fundiert. Die so veränderten T-Zellen sind nun
in der Lage, Tumorzellen zu erkennen. Mit dieser personalisierten
T-Zell-Therapie konnten bei Patienten mit Leukämie (ALL) bahnbrechende Resultate
erzielt werden.
Auch Lydia Bänziger, Research-Ana-lystin der
Biotech-Beteiligungsgesell-schaft BB Biotech, betont, dass im aktuellen
Marktumfeld eine sehr se-lektive Vorgangsweise entscheidend für den Erfolg ist.
Auch sie setzt unter anderem auf das starke Wachstum bei Krebsmedikamenten.
SELEKTIVES VORGEHEN IST WICHTIG „Nachdem der erste PD-1
Antikörper in Rekordzeit zugelassen wurde, dreht sich nun alles darum, die
beste Kom¬binationstherapie zu finden. Denn diejenigen Patienten, die auf
Immun¬therapien ansprechen, sprechen sehr gut an (allerdings nur etwa 30%). Das
Ziel ist, diese Zahl zu erhöhen, indem verschiedene Medikamente kombiniert
werden." Auch die schon auf der geneti¬schen Ebene der DNA bzw. RNA
anset¬zende Antisense und RNAi-Forschung
lässt sich auf eine Vielzahl von seltenen Erkrankungen
anwenden, was man auch an den breiten Pipelines von Isis und Alnylam sehen
kann.
„Man weiß inzwischen, dass die Fir-men krankheitserregende
Proteine bis zu 80 Prozent verringern können. Auf diesem Gebiet wird auch in
nächster Zeit ein dichter Newsflow kommen, z.B. im Bereich der Hämophilie
(Blut-erkrankung). Und nicht zuletzt wur¬de die erste echte Gentherapie gegen
die seltene Fettstoffwechselkrankheit Lipoproteinlipasedefizienz (LPLD) in
Europa zugelassen. Glybera von der kleinen niederländischen Firma Uni-Qure soll
das defekte Gen im Körper der Patienten mittels eines Virusvek¬tors ersetzen
und so den Fettstoff¬wechsel dauerhaft wiederherstellen."
Doch sind die Bewertungen insbeson-dere im Biotechbereich
nicht schon ausgereizt? Dazu Analystin Bänziger: „Nicht nur die Aktienkurse
sind gestie-gen, sondern auch die Umsätze der Fir-men. Viele Gesellschaften
haben nun ihr erstes Produkt auf den Markt ge-bracht und können die Erträge
davon in ihre Pipelines reinvestieren. Dies führt dazu, dass auch kleinere
Unternehmen in Zukunft ihre Programme länger oder ganz alleine ohne Partner
entwickeln und so auch bessere Erträge aus den Programmen erzielen können. Der
Sek¬tor ist über die letzten Jahre beträcht¬lich gereift und entsprechend
denken wir nicht, dass wir es mit einer zu ho¬hen Bewertungslage zu tun
haben."
Die Schwellenländer werden für die westlichen Pharmakonzerne
immer wichtiger. Das zeigt sich besonders am Beispiel Asiens. So hat Singapur
ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Doch die Ausgaben für die
Gesundheit sind, gemessen am Brutto¬inlandsprodukt (BIP), nur weniger als halb
so hoch. Ein typisches Beispiel für Asiens Gesundheitsmärkte, wo viel an
Verantwortung von den einzelnen Patienten getragen werden muss. Sie, die
Konsumenten von Gesundheits¬dienstleistungen, müssen entscheiden, ob sie einen
erheblichen Selbstbehalt, also eine hohe finanzielle Eigenleistung akzeptieren
im Austausch mit den Pro¬dukten und Services, die sie dafür vom jeweiligen Gesundheitssystem
erhalten.
In Ländern wie Indonesien oder In-dien sind die staatlichen
Gesund-heitsausgaben noch geringer. „Die Gesundheitssysteme Asiens sind bei
weitem nicht so stark ausgebaut wie jene in Europa oder den USA. Da also in
vielen Ländern Gesundheit noch rein privat finanziert wird oder aber bestimmte
Leistungen nicht von den Kassen übernommen werden, bedeu tet zunehmender
Wohlstand auch eine steigende Nachfrage nach Gesundheit. Das stark gestiegene
Lohnniveau zieht nach sich, dass sich die Menschen nun vermehrt leisten können,
in ihre Gesundheit privat zu investieren", er-klärt Marvin Ng,
Healthcare-Experte bei Bellevue Asset Management und Fondsberater des
Lacuna-Adamant Asia Pacific Health Fonds. Und die Kaufkraft dafür ist
vorhanden.
„Wenn man sich die Entwicklung der globalen Mittelklasse
ansieht, dann ist der Raum Asien-Pazifik dabei, sich bis zum Jahr 2030 zu
versechsfachen. Und ein Blick auf den größten Teilmarkt China zeigt, dass sich
die Mittelklas¬se langsam, aber stetig von den urba¬nen Zentren auf die weiter
entfernten ländlichen Gebiete ausbreitet. Im Jahr 2022 werden bereits fast 40
Prozent der chinesischen Mittelklasse in den ruralen Gebieten leben. Aber auch
Zen-tralchina wird zunehmend urbanisiert. Gegenwärtig zählen bereits rund 300
Millionen Chinesen zur Mittelschicht mit einem jährlichen Haushaltsein-kommen
von 10.000 bis 60.000 Dollar. Dies entspricht 50 Prozent der urbanen
Bevölkerung, deren Einkommen sich in den vergangenen 15
Jahren verdrei-facht hat", weiß BB-Experte Ng.
Wiederuin ist Singapur ein Paradebei-spiel für das rasche
Wachstum der asia-tischen Gesundheitsmärkte. Die Life Science-Industrie
startete hier erst im Jahr 2000. Nun ist der Stadtstaat be¬reits ein Zentrum
für die Produktion biopharmazeutischer Medikamente -sowohl bei Small Molecules
als auch bei Antikörper-Präparaten. Derzeit verfügt Singapur über 29
Produktionsanlagen mit einer Kapazität von Produkten im Wert von 20 Mrd. Dollar
pro Jahr.
Alle großen Biotech- und Pharma-konzerne produzieren hier,
wie etwa Amgen oder Roche. Auch Novartis' bekannter Blockbuster Gleevec wird
hier hergestellt. Derzeit wird sogar ein eigens in Singapur entwickeltes
Krebs-medikament klinisch getestet. Damit etabliert sich Singapur als Hub für
die regionalen Gesundheitsmärkte und wird von ausländischen
Healthcare-Konzernen als strategischer Stütz¬punkt für die Versorgung der
angren¬zenden regionalen Märkte genutzt.
WICHTIGE WACHSTUMSTREIBER Starke Wachstumstreiber sind vor
allem demografische Faktoren, der Aufstieg einer finanzkräftigen Mit¬telschicht
und die Verwestlichung des Lebensstils, das Bevölkerungs¬wachstum und die
Überalterung. Immer mehr Menschen müssen ver¬sorgt werden und da immer mehr
Menschen ein hohes Alter erreichen, nehmen altersbedingte Erkrankun¬gen
deutlich zu, vor allem in China als Auswirkung der Ein-Kind-Politik. Dies alles
führt wiederum vermehrt zu Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes
etc. „Da¬raus errechnet sich ein strukturelles Nachfragewachstum von sechs bis
acht Prozent pro Jahr", meint Ng.
Auch das Beispiel Indonesien ist sehr interessant. „Wir
erleben hier gerade die Einführung eines nationalen Versi-cherungswesens für
den Healthcare-Be-reich. Das ist gegenwärtig der stärkste Wachstumstreiber,
denn es betrifft 260 Millionen Einwohner. 1.500 Spitäler werden sich daran
beteiligen, darunter immerhin 600 private Krankenhäuser. Letztere haben die
Führungsrolle bei der Einführung medizinischer Hoch-technologie
übernommen", erklärt Bellevue-Experte Ng.
Und die Anzahl der Ärzte pro Patient ist höher als in
Europa, dazu verfü¬gen vor allem die Privatkliniken über eine vollständige
Hightech-Appara-temedizin. Gegenwärtig sind staatli¬che Subventionen für
Patienten mit geringem Einkommen geplant sowie ein System, wonach höher
verdienen¬de Kranke mit einem Privatbeitrag ein Upgrade, also einen Aufenthalt
in einer Privatklinik, finanzieren kön¬nen. Dafür könnte es auch eine priva¬te
Zusatzversicherung geben.
WER PROFITIERT AM STÄRKSTEN? Vor allem Anbieter von
Medizintechnik oder auch Generikahersteller profitie¬ren am stärksten von der
Etablierung der Gesundheitssysteme in einigen asiatischen Ländern. Statt
Kostensen-kungsprogrammen, wie in westlichen Ländern, wurden dort
Investitions-programme ins Leben gerufen. Diese erhöhen den Bedarf an
medizinischen Produkten und Leistungen enorm. Ein Blick auf die
Gesundheitsausgaben zeigt, dass diese deutlich steigen. Alles,
was über die Basisversorgung hinaus in Anspruch genommen
wird, muss pri-vat gezahlt werden. Auch die staatliche Gesundheitsversicherung
Chinas weist noch erhebliche Defizite und Lücken auf. Der Spitalsbereich wird
hier vom öffentlichen Kliniksektor dominiert.
Und diese öffentlichen Krankenhäu¬ser sind mit dem Ansturm
der Patien¬ten überfordert. Daher werden private Spitalsträger ermuntert, in
den priva¬ten Klinikbereich zu investieren. Al¬lerdings ist die staatliche
Aufsicht und Regulierung noch ziemlich strikt und die privaten Anbieter von
Gesund-heitsservices müssen erhebliche Hür-den überwinden. Immerhin hat China
zuletzt die Preise für die meisten Me-dikamente freigegeben. Künftig sollen die
Preise auf dem zweitgrößten Phar-ma-Markt der Welt über Angebot und Nachfrage
bestimmt werden.
Auch eHealth ist in Asien schon ein Thema. Vor allem die
Healthcare-IT wird als „Enabler" für ein besseres Gesundheitswesen
angesehen. Diese steckt etwa in China noch in den Kin-derschuhen. Aber es gibt
schon zahl-reiche chinesische Unternehmen, die solche IT-Services anbieten,
etwa das chinesische AliHealth Cloud Hospital. Es leistet für den
Healthcare-Bereich jene Services, wie Alibaba für das On-line-Shopping. Die
Klinik hat ein doud-basiertes Spitals-IT-System entwickelt und zu einer
Plattform für viele an-
dere Anbieter von Healthcare-Services ausgebaut. So können
andere Kliniken über diese Plattform eines „Cloud Hos-pitals" ihre
Services anderen Patienten oder auch Spitälern anbieten und auch verkaufen, das
Patientenmanagement inklusive. Patienten ihrerseits können sich hier über die
am besten für sie ge-eignete Klinik informieren und auch eigene Fachärzte
auswählen.
„Alibaba Health war zuerst im Bereich Healthcare-IT aktiv,
hat seine Aktivi-täten aber auch auf den Bereich ver-schreibungspflichtige
Medikamente ausgebaut. Schließlich reden wir hier von einem Volumen von ca. 90
Mrd. Dollar allein im chinesischen Medika-mentenmarkt. Ein Potenzial, an dem
kein westlicher Gesundheitskonzern vorbeigehen kann", so Marvin Ng. Die attraktivsten
Investmentmöglich¬keiten sind bei mittelgroßen Firmen zu finden. Und zwar vor
allem dann, wenn sie entweder durch ihre Produk¬te Kosteneinsparungen in den
westli¬chen Ländern ermöglichen oder wenn sie in den Schwellenländern von der
zunehmenden Lebenserwartung, dem Aufbau der Krankenkassensysteme sowie dem
starken Anstieg der Mittel-schichten profitieren.
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