Samstag, 11. Juli 2009

Princess Haya - Welt-Reiterverband

Prinzessin Haya, Weltverband der Reiter,
Interview: D. Selzer-McKenzie
Die 35 Jahre alte Toch‑
ter des verstorbenen Königs Hussein von
Jordanien führt den in die Krise geratenen Weltverband der Reiter
seit Mai 2005. Kraft ihres Amtes ist sie auch Mitglied des Internatio‑
nalen Olympischen Komitees (IOC). Prinzessin Haya ist
verheiratet mit dem Regenten von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid al Maktoum.
Sie haben vorige Woche in Aachen er­klärt, Sie seien überzeugt davon, dass Isabell Werth trotz des positiven Doping- Tests bei ihrem Pferd unschuldig ist. Wie kommen Sie denn darauf?
Es stimmt, in ihrem Pferd war eine Do­ping-Substanz. Aber ihr Fall ist ganz ty­pisch — für einen Reiter, der von seinem Tierarzt sehr schlecht beraten wurde. Ein Reiter kann nicht sein sportliches Niveau erreichen und gleichzeitig einen Hoch­schulabschluss in Medizin machen.
Damit argumentieren Sie gegen das eige­ne Regelwerk, das dem Reiter die ganze Verantwortung zuspricht. Wieso?
Ich weiß, ich sollte eigentlich keinen Kommentar zu ihrer Schuld oder Un­schuld abgeben. Ich bin froh, dass ein un­abhängiges Tribunal dafür zuständig ist. Was ich sage, wird dieses Gericht nicht be­einflussen. Aber auf menschlicher Ebene will ich sagen, dass sie eine sehr intelligen­te Person ist, die viel dafür geopfert hat, unseren Sport voranzubringen, eine wun­dervolle Karriere aufzubauen und dafür zu sorgen, dass die Fahne ihres Landes ge­hisst wird. Ich glaube nicht eine Sekunde, dass sie all das wegwerfen würde. Das ist unmöglich.
Sie wird aber wohl trotzdem wegen Do­pings verurteilt werden.
Sie kann stolz sein, dass ihr Fall den Druck auf die FEI erhöht, Doping ganz oben auf die Agenda zu setzen. Es gibt nichts Wichtigeres, als sich dieSem Feind zu stellen.

Und dazu taugen Ihre Regeln nicht?
Dieser Fall zeigt deutlich, dass die aktu. ellen Regeln total wirr sind, was die Rolle der Athleten angeht. Wir haben keine kla­re Unterscheidung zwischen Doping und Medikation. Überhaupt fehlt die Klarheit. Wir müssen die Regeln wirklich ändern.
Auch die Frage der Sanktionen ist un­klar. Der Weltreiterverband FEI ver­hängt üblicherweise nur ein paar Mona­te Sperre. Jetzt schlägt die „FEI-Kom­mission für sauberen Sport" vor, die in allen anderen Sportarten übliche Regel­strafe von zwei Jahren Sperre einzufüh­ren. Wird das kommen?
Die „Kommission für sauberen Sport", deren Vorsitzender Arne Ljungqvist ist, der Vizepräsident der Welt-Anti-Doping­Agentur, macht eine sehr wichtige Arbeit. Sicherlich hat uns auch die Frage der Stra­fen in die schwierige Situation gebracht, in der wir heute sind. Die Wirkung der Geldstrafen war gleich null. Und die der Sperren auch. Zusammen mit den Unklar­heiten auf der Verbotsliste war unsere jet­zige Situation unvermeidlich. Schon vor meiner Zeit wurde eine Task Force zum Thema Medikation gegründet, die ver­suchte, das Problem anzugehen, aber of­fensichtlich ging ihre Arbeit nicht tief ge­nug. Ich denke, wir machen es uns zu ein­fach mit dem Versuch, dem Druck in den Medien zu entkommen, indem wir mit dem Finger auf Athleten zeigen und sa­gen: Sie müssen bestraft werden, und wir sind völlig unschuldig. Die Wahrheit ist, wir müssen die Verantwortung für die ak­tuelle Lage übernehmen. Wir waren nach­lässig.
Wann werden die Strafmaße erhöht?
Wenn die Nationalverbände die Vor­schläge der Ljungqvist-Kommission für gut befinden, werden sie in der nächsten Generalversammlung im November be­schlossen. Dann würden sie im Januar nächsten Jahres in Kraft treten.
Der deutsche Verband ist der Überzeu­gung, dass die FEI ihm nicht besonders gewogen ist und Deutschland als Doper­Nation hinstellen will. Fühlen sich die deutschen Funktionäre zu Unrecht ver­folgt?
Deutschland ist ein Riese in unserem Sport. Mit Riesen aber ist es so: Wenn et­was Gutes oder Schlechtes passiert, ha­ben sie immer den größten Anteil daran. Gemessen an der Zahl der deutschen Rei­ter, ist es natürlich, dass das Problem zu­erst hier ans Licht kommt und erst später im Rest der Welt. Doch das Doping-Pro­blem gibt es überall.
Den größten Widerstand erfahren Sie
durch die Europäer. Die führenden Rei‑
ternationen sagen, sie hätten das Ver


trauen in Ihre Führung verloren. Wie konnte es dazu kommen?
Es gibt Presseberichte, in denen ich als eine Person hingestellt werde, die vom Ara­bischen Golf kommt, aus Dubai, und des­halb daran gewöhnt ist, Macht auszuüben. Als entscheidender Faktor wird benannt, dass ich mit einem der mächtigsten Män­ner der Welt verheiratet bin. In Wahrheit war einer der Hauptgründe, warum die Pferdesport-Gemeinschaft mich gewählt hat, dass ich in Europa aufgewachsen bin. Und dass ich meine Erziehung, was Pferde und Sport angeht, in Europa bekommen habe. Und dass ich ein sehr normales Le­ben geführt habe und mein Vater mich er­mutigt hat, Schritt für Schritt meinen Weg im Pferdesport zu gehen. Ich habe mich nicht auf die Macht des Geldes verlassen und mich nicht an die Spitze gekauft.
In Ihrem Manifest, das Sie vor der Wahl 2005 verbreiten ließen, haben Sie im ers­ten Präsidentschaftsjahr zehn Millionen Schweizer Franken als Entwicklungshil­fe versprochen. Ihre Kritiker werfen Ih­nen vor, damit hätten Sie sich die Stim­men der kleinen Länder gesichert.
Europa macht es sich leicht, zu sagen, nur die kleinen Länder unterstützten mich. Aber Amerika ist kein kleines Ent­wicklungsland, und es gibt noch andere, die mich unterstützt haben und meinen Weg als den richtigen gesehen haben.
Womit erklären Sie sich dann den anhal­tenden Gegenwind?
Wenn es Veränderungen gibt, bekom­men die Leute Angst.
Unter den Hauptamtlichen in Lausanne sollen Angst und Schrecken herrschen.
Unter anderem haben Sie bereits Ihren
vierten Generalsekretär. Auch der Chef­veterinär hat die FEI verlassen.
In meinem Manifest habe ich gesagt, wir müssen eine serviceorientierte Orga­nisation werden. Das geht nicht mit Leu­ten, die strikt von neun bis fünf arbeiten und glauben, sie hätten ein Erbrecht, zu bleiben. Viele der europäischen Verbände erwarteten, dass ich alle Personalien mit ihnen diskutiere — wenn einer der Haupt­amtlichen gehen musste, zurücktrat oder um Entlassung bat. Aber ich hätte das doch nicht mit 15 europäischen Ländern diskutieren können — und nicht mit dem Rest der Welt. Und die Leute haben ein Recht auf Diskretion. Die europäischen Länder hatten aber das Gefühl, sie hätten die Kontrolle verloren. Sie hatten sich viel zu sehr daran gewöhnt, dass sie alles kontrollierten. Eine sehr wichtige Aufga­be sehe ich darin, die Autorität des Welt­verbandes wiederherzustellen.
Nun droht Europa mit einem eigenen Verband.
Die Europäer werden den Sport immer dominieren. Ich muss ihnen vielleicht deutlicher machen, dass ich davon über­zeugt bin. Seit 15 Jahren diskutieren die europäischen Föderationen darüber, ei­nen eigenen Verband zu gründen, das Pro­blem habe ich nicht verursacht. Ich fände es aber furchtbar, wenn es passieren wür­de. Es wäre sehr kurzsichtig von den Euro­päern, jetzt unsere Familie zu spalten, weil sie mit mir persönliche Probleme ha­ben.
Werden Sie im nächsten Jahr für vier weitere Jahre kandidieren?
Ja. Danach sind sie mich los.
Da kommt man automatisch auf den Do­ping-Fall Ihres Ehemannes, dessen Di­stanzpferd positiv auf Testosteron und das Psychopharmakon Guanabenz getes­tet wurde. Was ist denn da der Unter­schied zu Harings Rolle im Fall Marco Kutscher? Warum haben Sie sich nicht selbst suspendieren lassen bis zur Klä­rung, sondern lediglich erklärt, sich her­auszuhalten zu wollen?
Ich wusste nichts von seinem Doping- Fall, und unglücklicherweise wusste er auch nichts davon. Das ist der wichtigste Punkt: Nach unseren Regeln ist die ver­antwortliche Person für einen Doping- Fall der Reiter. In den Vereinigten Arabi­schen Emiraten und anderen Ländern, wo das Distanzreiten verbreitet ist, wird so viel Geld investiert, dass dieser Sport explosionsartig gewachsen ist. Die Reiter sind nicht durch die normale Schule ge­gangen, wie der Rest unseres Sports sie durchgemacht hat. Darum hat das Dis­tanzreiten sich in eine Richtung entwi­ckelt, wo Besitzer Hunderte von Pferden haben können, mit deren Training sie nichts zu tun haben. Sie können am Tag des Wettkampfs aufkreuzen und wissen manchmal nicht einmal, welche Farbe das Pferd hat, mit dem sie starten wer­den. Das ist falsch, und ich hoffe, dass die Leute am Fall meines Mannes erken­nen, dass sie ihre Verantwortung akzep­tieren müssen und alles über die Vorbe­reitung ihres Pferdes wissen müssen, be­vor sie aufsteigen und losreiten. Ich ver­stehe, dass es aussieht, als wäre ich als Präsidentin wegen dieses Falles angreif­bar. Solange meine Familie Wettkämpfe bestreitet, wird das eine Schwäche blei­ben. Ich habe immer gefürchtet, dass so etwas passieren würde.
Die Auseinandersetzung mit Europa ist viel aggressiver geworden, seit der FEI- Vorstand versucht hat, sein eigenes Mit­glied, den Deutschen Hanfried Haring, zu suspendieren. Begründung war, er sei Mitwisser im Medikationsfall von Mar­co Kutscher gewesen und habe die FEI nicht informiert. Haring ist Vorsitzender einer der beiden europäischen Länder­gruppen, weshalb es hieß, Sie wollten vor allem einen unbequemen Kritiker kaltstellen. Bereuen Sie diesen Schritt?
Nein. Über dem Kopf eines unserer Vor­standsmitglieder schwebte ein Fragezei­chen, weil er in einen laufenden Fall ver­wickelt ist. Er ist schließlich an Entschei­dungsprozessen beteiligt, in denen es auch um unser Engagement für den saube­ren Sport geht. Ziel war es nicht, ihn für schuldig oder unschuldig zu erklären. Wir wollten ihn nur bitten, sich zurückzu­ziehen, bis der Fall geklärt sein würde. So etwas passiert in jeder normalen Organi­sation der Welt. Es war nicht persönlich gemeint.
Er nahm es aber persönlich. Zumal Ihr
Versuch am FEI-Sportgericht scheiterte.
Ich habe nicht mit ihm darüber gespro­chen. Aber wir im Vorstand sind uns ei­nig, dass wir uns der Entscheidung fügen und ihn weiterhin wie ein Vorstandsmit­glied behandeln werden. Wir werden se­hen, was die Untersuchung erbringt. Ich hoffe, dass unser Sportgericht in Zukunft mutig genug sein wird, zu sehen, dass nie­mand über dem Gesetz steht. Auch inner­halb des Verbandes. Das ist ein neuer Weg für die FEI, aber darum geht es bei den Themen Good Governance und Transparenz.
Und doch ist er Ihr Mann und nicht nur Mitglied ihres Verbandes wie im Fall Kutscher und Haring.
Ich sehe mich in diesem Fall nicht in der Verantwortung. Ich wäre sehr stolz, wenn die FEI ihn behandeln würde, wie es sich gehört, und er würde das genauso sehen. Es sollte keine Sonderrolle für ihn geben.
Es heißt ja immer, Sie wollten Distanz­reiten ins olympische Programm brin­gen, um Ihrem Mann einen Gefallen zu tun. Wie weit sind Sie damit?
Lassen Sie mich klar sagen, dass ich kein Szenario sehe, in dem Distanzreiten olympisch werden kann. Ich bemühe mich auch nicht darum. Ich glaube nicht, dass diese Disziplin genug Struktur hat, und denke, dass noch viel Arbeit nötig ist, damit sie ein vollwertiges Mitglied der Sportfamilie wird. Kommerziell ist sie noch kein erfolgreiches Produkt. Wir ha­ben Diskussionen über das Wohl der Pfer­de, wir haben erhebliche Doping-Proble­me. Ein Kriterium des IOC ist außerdem die Historie eines Sports. Dieser Sport ist siebzehn oder neunzehn Jahre alt — da kann er nicht in Konkurrenz mit Sprin­gen oder Dressur treten. Auch nicht mit Voltigieren, was mehr Chancen hätte, wenn wir es versuchen würden.
Das dürfte den Wünschen Ihres Mannes nicht entsprechen.
Mein Vater vermittelte mir ein Leben mit Pferden. Und das war, wie ich hoffe, einer der Gründe, warum mein Mann mich geheiratet hat. Aber nicht, um mei­ne Rolle in diesem Sport auszunutzen. Wir versuchen beide nicht, Distanzreiten ins olympische Programm zu drücken
Sie haben aber vor einiger Zeit einer eng­lischen Fachzeitschrift ein Interview ge­geben, in dem sie vor allem Dressur und Vielseitigkeit harsch kritisieren und ihr Verbleiben bei Olympia in Frage stellen. Wieso?
Wenn es ernsthafte Probleme gibt, muss ich sie benennen, vor allem, wenn unsere Mitglieder versuchen, sie einfach auszusitzen. Unsere Beziehungen zum In­ternationalen Olympischen Komitee hän­gen nicht mehr von Einzelpersonen ab. Mittlerweile arbeitet das IOC mit Zahlen und Fakten. Zuschauerzahlen, Übertra­gungszeiten und Einschaltquoten, Ver­breitung, Todesfälle im Sport, Doping-Fäl­le. Ich habe eine Warnung vom IOC be­kommen, dass wir in der Vielseitigkeit die Sicherheit verbessern müssen. Und in der Dressur wurden wir gewarnt, dass das Richtersystem intransparent ist. Es gab deshalb Kritik in Hongkong. Wir hatten das Problem im Vorstand schon zwei Jah­re vorher angesprochen, aber es ging ein­fach immer so weiter, die technischen Komitees reagierten nicht. Als es so schlimm wurde, dass ich die Briefe vom IOC bekam, musste ich handeln.
In der Dressur haben Sie bei der letzten Generalversammlung das ganze Komi­tee zum Rücktritt veranlasst.
So sind wir dem Problem begegnet. Ich freue mich auf die Arbeit, die die Task Force leisten wird. Die konkreten Ergeb­nisse werden das IOC zufriedenstellen. Und auch in der Vielseitigkeit werden wir das Problem angehen.
Wer hat diese Briefe geschrieben? Die Programmkommission des IOC?
Die Briefe waren von Präsident Rogge persönlich unterschrieben.

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