Mittwoch, 15. Juli 2009

Volatilität

Volatilität beim Trading
Author D.Selzer-McKenzie
Bei den Anlegern und in den Fachmedien
gehört die Volatilität zu den intensiv
diskutierten Themen. Diese Kennzahl
beschreibt die Schwankungsfreudigkeit im
Kurs einer Anlage, z.B. einer Aktie. Häufig
wird diese Diskussion jedoch unpräzise
geführt, da es leider nicht nur eine Art von
Volatilität gibt. Eine genaue Differenzierung
ist daher bei diesem recht komplexen
Thema unerlässlich. Der folgende Beitrag
soll helfen, die typischen Missverständnisse
in diesem Kontext zu vermeiden.
Betrachtet man den Direktkauf einer
Aktie, spielt die Volatilität keine direkte
Rolle, da z.B. eine steigende Volatilität sowohl
die Chancen auf hohe Kursgewinne
als auch die Risiken von hohen Kursverlusten
erhöht und somit keine Richtung angibt.
Unser Fokus liegt jedoch eindeutig
auf der Bedeutung der Volatilität bei der
Bewertung von Derivaten. Bei unbedingten
Termingeschäften wie Futures hat die
Schwankungsintensität des Basiswertes
keinen unmittelbaren Einfluss auf den
Wert des Kontraktes. Hier ist das Risiko
perfekt symmetrisch verteilt: Ein Euro-Gewinn
des Käufers ist ein Euro-Verlust des
Verkäufers und umgekehrt.
Wenn man jeden Anleger
nach dem Erwartungswert
einer Aktie fragen würde,
dürfte die Antwort jedes Mal
anders lauten.
Ganz anders ist das Risiko jedoch bei
bedingten Termingeschäften wie bei Optionsscheinen
verteilt. Die Chancen eines
Call-Käufers sind theoretisch unbegrenzt,
da es für Aktienkurse keine natürliche
Obergrenze gibt. Sein Risiko ist dagegen
auf seinen Einsatz beschränkt, da er bei
Fälligkeit des Calls nur bei Aktienkursen
oberhalb des Basiskurses von seinem
Recht, die Aktie zum Basiskurs zu kaufen,
Gebrauch machen wird. Sollte die Aktie
aber bei Fälligkeit auf oder unter dem
Basiskurs notieren, kann er sein Recht einfach
verfallen lassen. Der Verkäufer (Stillhalter)
des Calls sieht sich allerdings bei
steigenden Aktienkursen mit theoretisch
unendlichem Risiko konfrontiert. Dieses
ungleiche Risikoprofil gilt für Puts analog
mit dem Unterschied, dass die Chance
des Käufers bzw. das Risiko des Stillhalters
den Basiskurs nicht übersteigen kann,
da die Aktie aufgrund der Beschränkung
des Verlustrisikos auf ihren Wert nicht
unter Null sinken kann.
Ein einfaches Beispiel soll die Konsequenzen
dieser Risikoasymmetrie für Optionsscheine
veranschaulichen:Wir betrachten
zwei fiktive Aktien: die LowVola AG und
die HighVola AG. Beide Aktien notieren aktuell
annahmegemäß bei 100 Euro. Am
Markt wird jeweils
ein Call auf beide Aktien
angeboten. Beide Calls sind (natürlich
bis auf den Basiswert) identisch
ausgestattet; beide haben einen Basiskurs
von 100 Euro und sind genau in einemJahr
fällig. Nun sollen für beide Aktien jeweils
fünf gleich wahrscheinliche (also je 20%
Eintrittswahrscheinlichkeit) Fälligkeitsszenarien
unterstellt werden. Dabei schwankt
der Kurs der HighVola AG stärker als der
Kurs der LowVola AG. Zu dem jeweiligen
Aktienkurs bei Fälligkeit wird auch derWert
des Calls eingetragen, der dann dem innerenWert
entspricht (sieheTabelle 1).
Der Erwartungswert für den Aktienkurs
bei Fälligkeit ergibt sich bei beiden
Aktien als der durchschnittliche Kurs zu
100 Euro. Anders sieht es jedoch bei den
Calls aus: Während der Call auf die
LowVola AG auf einen Erwartungswert
von 3 Euro (=0,2 x (0+0+0+5+10)) kommt,
beträgt dieser für den Call auf die HighVola
AG 6 Euro (=0,2 x (0+0+0+10+20)). An
diesen Zahlen kann man erkennen, dass
ein sonst identisch ausgestatteter Call auf
die Aktie mit der größeren Streuung wertvoller
bzw. teurer sein muss.
Unser Zahlenbeispiel bezog sich auf die
Fälligkeit und ist natürlich insofern zu stark
vereinfacht, als nur fünfmögliche Kurse bei
Fälligkeit unterstellt wurden. Zumeinen interessiert
nun in der Realität der Optionsscheinwert
auch während der Laufzeit;
zum anderen kann eine Aktie bei Fälligkeit
jeden denkbaren Kurs annehmen.
Da naturgemäß der Kurs der Aktie bei
Fälligkeit nicht im Voraus bekannt ist,
drängt sich die Frage auf, wie sich dieses
unbekannte Ereignis in der Zukunft im
heutigen Preis des Optionsscheines widerspiegeln
muss. Obwohl unser Zahlenbeispiel
der Komplexität der realen Welt
symnicht
gerecht
wird, hat es uns
gezeigt, dass für die Optionsscheinbewertung
zwei Aspekte entscheidend sind:
Welche Aktienkurse kommen bei Fälligkeit
in Frage und wie stark ist die Streuung dieser
möglichen Kurse? In der Statistik zieht
man für solche Fragestellungen gerne
Wahrscheinlichkeitsverteilungen, insbesondere
die sog. Normalverteilung heran,
die durch den Erwartungswert m (griech.
[mü]) und die Standardabweichung s
(griech. [sigma]) beschrieben wird (
Der Forward-Kurs einer
Aktie gilt aus Arbitragegründen
für alle Anleger
am Markt.
Wenn man jeden Anleger nach dem Erwartungswert
einer Aktie fragen würde,
dürfte die Antwort jedes Mal anders lauten.
Hier wendet die Optionsbewertungstheorie
einen kleinen Trick an und modifiziert
die Fragestellung: „Zu welchem Kurs
wären Sie bereit, die HighVola-Aktie (aktuell
100 Euro) in einem Jahr zu kaufen bzw.
zu verkaufen?“ Zunächst wird jeder Anleger
seinen Break-Even-Punkt suchen, d.h.
denjenigen Kurs bestimmen, der weder
Gewinn noch Verlust bringt.Wenn der relevante
Refinanzierungszinssatz z.B. 5%
p.a. beträgt und die zugrunde liegende
Aktie eine
Dividende in Höhe von 3 Euro zahlt,
wird sich der Terminverkäufer heute mit
einer Aktie eindecken und hierfür einen
Kredit in Höhe von 100 Euro aufnehmen
müssen. Dies wird ihn 5 Euro an Zinsen
kosten, aber er wird als Halter der Aktie in
den Genuss der Dividende kommen, so
dass er diese 3 Euro als Ertrag von den Kosten
abziehen muss. Damit kommt er auf
den sog. Forward-Kurs von 102 Euro (von
einer Diskontierung der Dividende sehen
wir zur Vereinfachung ab). Den Aufschlag
von 2% auf den aktuellen Aktienkurs bezeichnet
man als die natürliche Drift der
Aktie (Forward-Rendite).
Dieser Forward-Kurs der Aktie gilt
aus Arbitragegründen für alle Anleger
am Markt. Sollte der Forward-Kurs
höher notieren, werden Anleger
die Position eines Terminverkäufers
einnehmen, indem sie die
Aktie auf Termin verkaufen und
sich heute mit der Aktie eindecken.
Bei einem unter 102
Euro notierenden Forward-
Kurs werden die umgekehrten
Transaktionen ebenfalls
für das Marktgleichgewicht
sorgen.
Wenn wir nun die absoluten
Kurse bei
Fälligkeit als „um den Forward-
Kurs normalverteilt“
annehmen, ergibt
sich ein praktisches Problem.
Da die Normalverteilung
perfekt symnicht
metrisch ist,
müsste z.B. ein Kursaufschlag
von 110 Euro auf den Forward-Kurs
gleich wahrscheinlich sein wie ein Kursabschlag
von 110 Euro, der zu einem negativen
Aktienkurs führen würde. Daher
tragen wir in der Grafik auf der horizontalen
Achse nicht die absoluten Kurse, sondern
die prozentuale Performance ein. Da
unsere Drift 2% beträgt, soll dieser Wert
für den Erwartungswert m in Abb. 1 stehen.
Nun kommt die Antwort auf die entscheidende
Frage in der Praxis:
„Was bedeutet eigentlich eine
Volatilität von z.B. 20% pro
Jahr?“ Die Antwort: Sie
bedeutet, dass die Aktienperformance
bei
Fälligkeit mit einer
Wa h r s c h e i n -
lichkeit von ca.
68,26% in der
Spanne von
20% unter
der Drift bis
20% über
dd . h .
zwischen
–18% und
+22% liegen wird.
Die Volatilität ist also nur
ein Synonym für die Standardabweichung
s.Wenn man unterstellt, dass sich der Aktienkurs
de facto jede Sekunde ändert, ist
nicht die einfache, sondern die logarithmierte
Performance normalverteilt und
man spricht von der Lognormal-Verteilung
der Aktienkurse.
Bei aller Eleganz der Normalverteilung
muss beachtet werden, dass es sich hierbei
um stark vereinfachte und idealisierte
Annahmen handelt. Außerdem hat unser
Zahlenbeispiel oben gezeigt, dass die Aussagekraft
der Volatilität zu relativieren ist.
Zum einen ist es eine breite Spanne zwischen
–18% und +22% und zum anderen
verbleibt immer noch etwa 1/3 der Wahrscheinlichkeitsmasse
für eine Performance
außerhalb dieses Korridors. Anleger sollten
jedoch niemals „unwahrscheinlich

mit „unmöglich“
verwechseln.
Bereits die 3-Sigma(_)-
Spanne umfasst ca. 99,73% aller
möglichen Ereignisse. Die Inhaber des
Hedgefonds LTCM beschrieben damals
dieWahrscheinlichkeit eines Bankrotts als
ein 10-Sigma-Ereignis. Dennoch brach der
Hedge Fonds zusammen. Diese Unterschätzung
von Extremereignissen (das
sog. „fat tails“ – Problem) ist die Hauptkritik
der Praktiker an der Normalverteilung.
Für die Bewertung eines Optionsscheines
sind lediglich fünf Größen nötig:
Der aktuelle Aktienkurs, der Basiskurs, die
Laufzeit, der Zinssatz (ggf. Dividendenerwartung)
und die Volatilität. Der Basiskurs
und die Laufzeit kann man den Optionsscheinbedingungen
entnehmen; der aktuelle
Aktienkurs, der Zinssatz (und ggf. die
Dividendenerwartungen) lassen sich in der
Regel ohne großen Aufwand dem aktuellen
Marktgeschehen entnehmen. Übrig
bleibt nur die Volatilität, die man nicht direkt
ablesen oder beobachten kann. Eine
Begriffsklärung im Zusammenhang mit
derVolatilität ist deshalb für die Anleger extrem
wichtig. Unsere Überlegungen bisher
bezogen sich auf die erwartete Volatilität.
In unserem Zahlenbeispiel haben wir
diese einfach auf 20% p.a. geschätzt. Ob
ein Emittent dieseMeinung teilt, lässt sich
ermitteln, indem man für einen Optionsschein
die implizite Volatilität errechnet.
DieserWert entspricht der erwarteten Volatilität,
die der Emittent in die Bewertungsformel
einsetzt, um den aktuellen
Marktpreis zu bestimmen.
Hier können Anleger beruhigt
sein: Die implizite Volatilität zu
einem Optionsschein ist in der Regel auf
bekannten Finanzportalen im Internet zu
finden.
Ein Anleger, dessen individuelle erwartete
Volatilität über der am Markt beobachtbaren
impliziten Volatilität liegt und
der deshalb von einer tendenziell steigenden
impliziten Volatilität ausgeht, hat
diverse Möglichkeiten, von seiner ggf. zutreffenden
Meinung zu profitieren. Hierzu
müsste ja theoretisch der Kauf eines Calls
oder Puts genügen, da beide unter sonst
gleichen Umständen (d.h. außer der impliziten
Volatilität bleibt alles gleich) von einer
steigenden impliziten Volatilität profitieren
sollten. Bei Calls ist jedoch Vorsicht geboten:
Implizite (und erwartete) Volatilitäten
sind in der Regel mit der Aktienperformance
negativ korreliert, d.h. steigende
Aktienkurse führen tendenziell zu einem
Rückgang der impliziten Volatilität und umgekehrt,
da mit steigenden Aktienkursen
die Ungewissheit bezüglich der Firmenzukunft
zurückgeht. Dies kann jedoch bei
einem Call dazu führen, dass die steigende
implizite Volatilität den Aktienkursrückgang
nicht wettmachen kann. Der Halter
eines Puts ist hier klar im Vorteil.
Sowohl Kursrückgänge als auch eine steigende
implizite Volatilität wirken wertsteigernd
auf Puts. Es können sich jedoch
auch Situationen ergeben, in denen der
Anleger zwar starke Kursausschläge erwartet,
aber die Richtung nicht kennt. Ein
erwartetes Gerichtsurteil oder die Entscheidung
über die Zulassung eines gewinnträchtigen
Medikamentes seien exemplarisch
genannt. Hier kann der Anleger
mit Optionsscheinen eine sog. Straddle-
Position aufbauen, indem er einen Call auf
diesen Wert und gleichzeitig einen sonst
identisch
ausgestatteten
Put erwirbt.
Wenn bei Fälligkeit der Aktienkurs
den Basiskurs der beiden Optionsscheine
um die Summe der gezahlten Prämien
über- oder unterschreitet, ist der
Anleger in der Gewinnzone.
Sollte der Anleger jedoch die aktuelle
implizite Volatilität für überschätzt halten,
kann er natürlich an der EUREX als Verkäufer
(= Stillhalter/Schreiber) von Optionen
tätig werden. Eine andereMöglichkeit
mit wesentlich weniger Kapitaleinsatz ist
der Kauf eines Discountzertifikates, da er
hier implizit eine Option verkauft. Die erhaltene
Prämie ist gleichzeitig sein Discount
auf den Kurs der Aktie. Je höher dieser
Rabatt, desto attraktiver ist das
Discountzertifikat. Wenn der Anleger mit
einer schnellen Anpassung (hier: einem
Rückgang) der implizitenVolatilität rechnet,
kann er hiervon durch den anschließenden
Verkauf des Zertifikates profitieren. Dies
gilt jedoch nur unter sonst gleichen Bedingungen.
Bei Anlegern kann manchmal der Eindruck
entstehen, als würde der Emittent
n a c h
Gusto die implizite
Volatilität in seinen Optionsscheinkursen
anpassen. Der Spielraum des
Emittenten ist jedoch allein aus Arbitragegründen
viel kleiner, als man denkt. In der
Regel wird sich der Emittent an den impliziten
Volatilitäten an der Referenzterminbörse
(für deutscheWerte die EUREX) orientieren.
Dies tut er auch aus gutem
Grund: Sollte er z.B. seinen Optionsschein
billiger anbieten als aktuell an der EUREX,
werden institutionelle Anleger die entsprechende
Option an der EUREX verkaufen
und sich mit den billigeren Optionsscheinen
des Emittenten eindecken. Die
Differenz ist ein risikoloser Arbitragegewinn.
Umgekehrt wird der Emittent vergleichsweise
teure Optionsscheine zu
teuer zurückkaufen müssen. Dennoch sind
Kursunterschiede bei identisch ausgestatteten
Optionsscheinen zwischen verschiedenen
Emittenten zu beobachten. Diese
Differenzen werden jedoch in der Regel so
gering sein, dass allein die Transaktionskosten
einen Arbitrageversuch nicht rechtfertigen.
Die zeitliche Differenzierung spielt bei
der Volatilität ebenfalls eine Rolle. So ist
häufig auf Finanzportalen die sog. historischeVolatilität
zu einer Aktie zu finden. Hierbei
sollte beachtet werden, dass diese ein
eindeutigerWert ist und keine Schätzungen
oder Ähnliches braucht. Es besteht keinerlei
Ungewissheit über irgendwelche Parameter.
Hierzu können bspw. für eine Aktie
die täglichen prozentualen Änderungen
über das vergangene Jahr notiert werden
Die
durchschnittliche
prozentuale
Performance ersetzt nun
unseren Erwartungswert. Dann
kann man die Standardabweichung auf
täglicher Basis eindeutig berechnen. Diese
lässt sich annualisieren, indem sie mit der
Wurzel der Handelstage innerhalb eines
Jahres multipliziert wird. Als Faustregel
geht man von 256 Handelstagen aus, so
dass die Standardabweichung mit 16 multipliziert
werden kann. Wenn man die historische
Volatilität für die individuelle
Schätzung der zukünftigen Volatilität heranziehen
möchte, stellt sich die Frage, wie
weit man in die Vergangenheit blicken
mEin
weiterer Begriff
ist die sog.
zukünftige Volatilität.
Diese beschreibt die heute
unbekannte, aber in der Zukunft
tatsächlich eintretende Schwankungsfreudigkeit
der Aktie.Weder die historische
noch die implizitemussmit der zukünftigen
Volatilität übereinstimmen, entscheidend ist
die eigeneMeinung, also die erwarteteVolatilität.
Wenn Ihnen die Volatilität nun immer
noch komplex erscheint, gibt es alternative
Hebelprodukte, deren Kursstellung unabhängig
von der Volatilität erfolgt. So bleibt
sie beispielweise auf Turbo-Options
scheine weitestgehend
wirkungslos.
Nur in unmittelbarer Nähe der Schwelle
kann eine sinkende oder steigende Volatilität
einen Einfluss gewinnen, da die
Knock-out-Wahrscheinlichkeit ab- oder zunimmt.
Mini Future Zertifikate bleiben hingegen
definitiv von der Volatilität und ihren
Veränderungen unberührt. Bei diesen Produkten
muss jedoch das Knock-out-
Ereignis beachtet werden, das entweder
zumTotalverlust oder zur Auszahlung eines
Restwertes führen kann.

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