Dienstag, 16. Juli 2013

Uckermark Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Uckermark Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie



Der Weg ist das Ziel. Der Stress soll zu Hause bleiben. „Auf keinen Fall mit dem eigenen Auto", warnen Freunde, die sich in der Region ausken¬nen. Denn viele Feldwege sind gesperrt für den motorisierten Verkehr. Die Kopfsteinpflaster-straßen schütteln einen ständig durch und stra¬pazieren die Stoßdämpfer des Wagens. Und die Geschwindigkeitsbegrenzungen in den vielen kleinen Dörfern ärgern sowieso nur. Besser ist es, die Uckermark zu erleben, wie sie sich gibt: lang¬sam, mit Muße und ganz nah an der Natur.
Wer Lust hat auf ein Rendezvous mit der Ein¬samkeit, entdeckt die ländliche Region nördlich
IMPF Uckermark:
au Viel Natur: über 400 Seen
        Größter, aber dünn besiedel¬ter Landkreis Deutschlands
        Rund 80 Kilometer von Berlin
von Berlin mit Pferd und Planwagen: eine Woche lang im Schneckentempo über alte Pfade und kaum befahrene Sträßchen trotten, vorbei an Herrensitzen und Backsteinkirchen, angetrieben von nur einem PS. Mit dem Fahrrad ginge es zwar deutlich schneller, und geübte Wanderer schaffen ein paar Kilometer mehr am Tag. Doch es geht ja ums genussvolle Reisen und darum, einmal ganz nachhaltig zu entspannen.

Die Nervosität reist allerdings mit — glücklicher¬weise aber nur am ersten Tag. „Keine Angst: Sie brauchen null Erfahrung mit Pferden", hatte Katrin van Zwoll, Chefin von Celine Caravan, am Telefon die letzten Bedenken zerstreut — oder es zumindest versucht. Denn das neue Heim samt Zugtier verursacht erst einmal eine große Portion Unsicherheit. Der Planwagen ist etwa so groß wie ein klassisches Campmobil und bietet mit einem Stockbett und dem Tisch samt zwei Bänken, die sich zu einem Doppelbett umbauen lassen, Platz für eine kleine Familie (für vier Erwachsene wird's schon eng). Gasherd, Kochgeschirr, Licht von einer Zwölf-Volt-Batterie, Bettwäsche, De¬cken und ein Wassertank: Die Organisatoren ha¬ben an alles Wichtige gedacht.
Sieben Tage, sieben Seen
Mit exakter Routenbeschreibung, Karte und Satellitenbildern hat Katrin van Zwoll unter an-derem unsere „Sieben-Seen-Tour" ausgearbeitet. Doch wo übernachten das Pferd und die Pas¬sagiere im Planwagen? „Öffentliche Camping¬plätze gibt es hier nur wenige. Doch wir haben an vielen Stellen in der Region Grundstücke gepach¬tet oder Arrangements mit anderen Eigentümern getroffen", sagt die Besitzerin des Caravan-verleihs. So sind die Schlafplätze — am Waldrand oder auf einer Wiese, auf einer Lichtung oder

direkt am See — genau beschrieben. Die Idylle ist meist perfekt, die Zivilisation weit weg. Und auch die Toiletten: „Natur pur", heißt es bei der Ein¬weisung mit einem Augenzwinkern, „ein Klapp¬spaten ist im Wagen."
Dann führt einen Katrins Kollegin Nadin in den Stall. „Unsere Pferde sind Kaltblüter. Diese Tiere sind gutmütig und nicht aus der Ruhe zu brin¬gen. Aber auch gelehrig und clever: Mathilde hat Eure Tour schon oft gemacht und wird den Weg fast alleine finden." Mathilde: So heißt also unse¬re Begleiterin für die nächsten sieben Tage, die schon kräftig am Strick zieht. Eine Dame von im¬posanter Größe und mächtigem Gewicht, aber angeblich doch von recht zartem Gemüt: „Wenn man sie mit einem halben Eimer Kraftfutter be-sticht, lässt sie sich ohne Murren vor den Plan¬wagen spannen." Wie das geht, zeigt Nadin und bringt einem auch bei, wie der Strick zum Anbinden geknotet und Mathilde gestriegelt wird und wie ihre Hufe gesäubert werden.
Der erste echte Test ist die Fahrt zum Rastplatz Nummer eins, einer Wiese direkt an einem See mit kleiner Badestelle. Netterweise kommt Nadin mit uns Novizen mit und verspricht: „Ich schaue jeden Tag mal nach Euch und dem Pferd. Doch für Notfälle gebe ich Euch auch noch meine Handynummer. Gute Nacht!" Nach schnellen Spaghetti mit Tomatensoße kuscheln wir uns dann rasch ins Bett. Mathilde funktioniert der-
weil, das stellt sich am nächsten Morgen heraus, nicht nur als vor Kraft strotzender Antrieb, son¬dern auch als verlässlicher Wecker: Weil sich Planwagen und Pferd die Koppel teilen, klopft sie schon früh am Morgen an die Wagentür und mahnt die Langschläfer: Zeit fürs Frühstück!
Gegenverkehr gibt's nicht
Mit gespitzten Ohren (Mathildes Signal, dass al¬les in Ordnung ist, auch wenn sie nicht immer den saftigen Löwenzahn fressen darf, der am Wegesrand wächst) zieht sie den Planwagen munter durch eine Landschaft ohne Gegen¬verkehr. Das Tempo wird auf ein natürliches Maß zurückgedreht, und so fallen plötzlich all die Details auf, die sonst im Rausch der modernen Geschwindigkeit verloren gegangen wären. In einem Pappelwäldchen sprießt eine Kolonie Schirmpilze — das perfekte Essen, während Ma¬thilde ihren Hafer mampft. In den Seen springen Fische vor bunten Bootshäuschen im Abendlicht. Und wer die Wasserburg von Gerswalde ansteu¬ert oder mit klappernden Hufen die Kas¬tanienallee zu Schloss Kröchlendorff hinauffährt, fühlt sich wie die Herren von Arnim, die hier einst ebenfalls zu Ross unterwegs waren.
Dabei sind es gerade einmal 80 Kilometer vom Norden Berlins bis hierher, nur eine gute Stunde Fahrt vom Rand der quirligen Hauptstadt. Doch Menschen gibt es in der Uckermark nur wenige. Einige Einheimische und ein paar Zugereiste aus den Metropolen, die hier mitten im abgeschiede¬nen Nirgendwo ihren Platz an der Sonne gefun¬den haben, verteilen sich auf winzige Dörfer, die so versteckt liegen, dass sie bislang niemand im Renovierungswahn verunstalten konnte.

Deutschlands flächenmäßig größter Landkreis liegt im vergessenen Norden Brandenburgs zwi¬schen Polen und Mecklenburg-Vorpommern. Er misst mehr als 3000 Quadratkilometer — und ist mit gerade einmal 142.000 Einwohnern einer der am dünnsten besiedelten. Wenn dann aber plötz¬lich einige auffällig-unauffällige Kleinbusse mit getönten Scheiben am Wegesrand stehen und auf dem Feldweg nur noch junge Männer auf- und abspazieren und einen mit professioneller Aufmerksamkeit abschätzen, weiß man: Um die Ecke muss das Haus der Bundeskanzlerin liegen. Ab und an genießt auch Angela Merkel einen freien Sommertag in ihrer alten Heimat.
Nahezu unbegrenzte Weite
Mathilde zieht derweil den Planwagen weiter. Die Hufe klappern, die Achsen ächzen, und am Ende eines langen Tages riecht alles wunderbar nach Pferd. Der Rhythmus der Reise ist Tag für Tag der gleiche: Zugtier anspannen, Schritt für Schritt die Natur in sich aufnehmen, ein paar Walderdbeeren sammeln oder am Wegesrand wilde Pflaumen pflücken, Zugtier ausspannen, striegeln und putzen, dann den Nachmittag ver¬trödeln: So lässt es sich leben! Der Alltag ist schnell vergessen in der Uckermark — angesichts ihrer scheinbar unbegrenzten Weite wirkt die Region auch wie eine Landschaft von ei¬nem anderen Stern.

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