Montag, 6. April 2015

Aratta – ein Beruicht vn D. Selzer-McKenzie


Aratta – ein Beruicht vn D. Selzer-McKenzie

 

Eine sensationelle Entdeckung im iranischen Hochland weist auf eine frühe Verbindung mit Ägypten hin

 

Einer der großartigsten Funde aus dem 4. Jahrtausend, der auch für die Frühgeschichte Ägyptens bedeutungsvoll ist, verdanken wir einem Zufall. Eine Überschwemmung des Flusses Halil Rud in der Nähe von Jiroft, in der südiranischen Provinz Kerman, legte im Jahr 2000 Spuren einer verschollenen, großen Frühzivilisation frei. Auf dem weltweiten Antikenschwarzmarkt tauchten plötzlich massenhaft neuartige Kunst-Artefakte auf, bevor der iranische Staat darauf aufmerksam wurde und eingriff.

Der iranische Archäologe Youssef Madjidzadeh hatte schon lange vermutet, dass im weitläufigen bergigen Gebiet des südwestiranischen Hochplateaus die mythische – aber noch nicht entdeckte – einst ausserordentlich wohlhabende Stadt Aratta lag. Er war überzeugt, dass es sich bei dem Fundort der am Halil Rud an die Oberfläche geschwemmt wurde, um Aratta handeln musste. Seinen Reichtum verdankte der Stadtstaat einst dem bedeutenden Vorkommen von Gold, Silber, Edel- und Halbedelsteinen und den vielen farbigen Steinarten, die vom westlichen Sumer bis nach Indien gefragt waren. Begünstigt durch seine Lage am weitverbreiteten Handelsnetz exportierte Aratta seine künstlerisch bearbeiteten Produkte in die ganze damalige Welt – und wie sich herausstellte – bis nach Ägypten.

Madjidzadeh, der die ersten Kunstwerke der auf dem Markt aufgetauchten Schmugglerware begutachtete, stellte erstaunt fest, dass es sich bei den gefundenen Objekten um einen ihm bestens vertrauten Stil von Kunstgegenständen handelte, die schon auf verschiedenen Grabungsstätten gefunden wurden, die jedoch mehrere Tausend Kilometer auseinander lagen. Er sagte:

 

Ich sah etwas, was in Mesopotamien nicht existierte. Etwas sehr viel Raffinierteres als die mesopotamische Kunst.

 

Die Kunst der SteinschneiderInnen Arattas brachte Tausende dekorierter Steingefäße und Paletten u.a. aus grünlich schwarzem Chlorit-Schiefer hervor. Dazu fand man unzählige mit Szenen dekorierte Stempelsiegel. Motive und Formen sind von außergewöhnlicher Vielfalt und alles in höchster Vollendung ausgeführt. Die amerikanische Spezialistin der Steinschneidekunst, Holly Pittman von der University of Pennsylvania, sieht in der Kunst Arattas einen Beweis für die einzigartige Begabung, Kreativität und eine phänomenale Vorstellungskraft der KunsthandwerkerInnen, die fähig waren, Bilder von einer solchen Lebendigkeit und Vitalität zu schaffen. Sie erkennt Motive, denen sie noch nie zuvor begegnet ist. Es handle sich um einen hoch entwickelten Stil, eine ganz eigene Ikonografie und eigene Formen. Die Feinheit der Reliefs lässt den Schluss zu, dass es bei Anbruch des 3. Jahrtausends eine andere, ebenso entwickelte Kultur gab wie die Mesopotamiens, stellte Madjidzadeh fest, fügte jedoch an:

 

»Die Kultur von Aratta wurde lange vor der Mesopotamischen entwickelt und hat die letztere auf zahlreichen Gebieten beeinflusst.«

 

Und diese Kunst entstand in der friedlichen Zeit des Matriarchats, als in Aratta die Göttin Inanna verehrt wurde. Doch dann wurde auch Aratta erobert.

 

Die Funde machen aber deutlich: Es waren nicht die ins Zweistromland eingedrungenen Sumerer, die irrtümlicherweise immer wieder als ›Kulturbringer‹ gerühmt werden, welche die frühesten Kunstwerke Mesopotamiens und Ägyptens schufen, sondern die KunsthandwerkerInnen von Aratta.

 

Arattas Reichtum und die Schönheit seiner Kunst weckten Neid und Begehrlichkeit der in Mesopotamien eingedrungenen Eroberer aus dem Norden und ihrer frühdynastischen Könige, die hier ihre Quelle für kostbare Güter sahen und sich die Stadt unterwerfen wollten.

 

(s. Die frühsumerische Dichtung von Enmerkar und dem König (oder der Königin!) von Aratta s. D. Wolf 2009, S. 44f.)

 Die Kunst von Aratta erscheint in der Frühzeit Ägyptens

 

Amethystvase.jpecEine sieben Zentimer große Amethystvase von vollendeter Schönheit und Eleganz aus der Zeit um 3200 befindet sich heute im Ägyptischen Museum Berlin. Völlig unbegreiflich ist der Kommentar zu der Abbildung im Offiziellen ›Weissen‹ Katalog: »Da der altägyptische Kunstgewerbler der vor- oder frühdynastischen Periode das rechte Material und die dem Inhalt angemessene Form für ein Gefäß noch nicht gefunden hatte, musste er experimentieren. Aus dieser Zeit des Suchens stammt das dargestellte Salbgefäß, welches noch völlig untypisch ist. Das betrifft nicht nur seinen eiförmigen Körper, sondern ganz besonders sein Material; denn gemessen an dem ›Alabaster‹ der nachfolgenden Periode des Alten Reiches erscheint es um einiges zu kostbar.«  (4. Auflage 1989, S. 6 Foto Jürgen Liepe)

 

Der erfahrene Archäologe Flinders Petrie war bekannt für seine Aufgeschlossenheit und er war, was interdisziplinäres Denken und Forschen anbetrifft, seiner Zeit weit voraus. So machte er schon 1900 auf die seltsam fremden Kunstgegenstände in Ägypten aufmerksam. (Petrie ›Royal Tombs of the 1st Dynastie‹ (1900 S. 18ff.).  Ihm fiel unter anderen Objekten auch ein Körbchen aus grünschwarzem Schiefer auf, das in beeindruckend fortgeschrittener Steinarbeit gefertigt war. Die Steinschneidekunst war in Ägypten dieser frühen Zeit völlig unbekannt. Petrie vermutete schon damals, dass diese Kunst aus der weiteren Umgebung des südwestlichen Iran stamme müsse. Tatsächlich handelt es sich eindeutig um die Kunst von Aratta, doch davon wusste man zur Zeit Petries noch nichts, und nur wenige glaubten ihm. Es dauerte noch 80 Jahre, bis das Reich von Aratta entdeckt wurde.

 

Das in Ägypten gefundene Steinkörbchen aus Aratta, aus grünlich schwarzem Chlorit-Schiefer (Petrie)

 

In Ägypten sind die für Aratta charakteristischen Kunstobjekte seit der frühdynastischen Zeit in großen Mengen vorhanden. Luxuriöses Geschirr, Schalen, Vasen, Siegelzylinder, Keulenköpfe, und Paletten, geschaffen aus jeder Art von Weich- und Hartgestein, Rosenquarz oder Bergkristall, die mit außergewöhnlichem technischem Können hergestellt worden sind. In den unterirdischen Galerien der Stufenpyramide des Djoser/Zoser/Zäsar in Sakkara fand man »Tausende von Vasen, Schalen, Bechern und Schüsseln. Sie zeugen von einem Formen- und Materialreichtum und einer Qualität der Ausführung ohnegleichen.«

 

Alabastergefäß aus dem Grab des indoeuropäisch-horitischen Eroberers Hor-Aha, 1. Dynastie um 3000. Fundort Sakkara. Emery 1964, Tafel 24)

 

Emery schreibt zu dieser Abbildung: »Die Gefäße zeigen keine Abweichung vom vollendeten Kreis, sie sind schön in ihren Formen und wurden in ungeheuren Mengen hergestellt. Leider ist bisher noch keine archaische Töpfer- oder Steinvasenmacher-Werkstatt entdeckt worden, die Aufschluss über die verwendeten Arbeitsmethoden geben könnte. Kein Stein war zu hart, um Verwendung zu finden, Schiefer, Marmor, Kalkstein, Porphyr, Jaspis, Bergkristalle u.a.m. wurden gebraucht.« (Emery 1964) Kein Wunder, diese Gefäße wurden nicht in Ägypten hergestellt. Kunstwerke von dieser Qualität und solchem Reichtum können nur in den friedlichen Zeiten geschaffen worden sein; der Krieg zerstört und verhindert das Kunstschaffen. Ohne Frage wurden diese Artefakte von den kriegerischen Indo-Europäern in Aratta geraubt und/oder ihre HerstellerInnen nach Mesopotamien und Ägypten entführt. Möglicherweise wurde Aratta von den Indo-Europäern verwüstet, nachdem die KünstlerInnen einen Teil ihrer Kunstschätze im Halil-Fluss versenkt und wie das Rheingold ›in Sicherheit‹ gebracht hatten.

 

Kleine Alabasterschale mit Blumenmuster aus Aratta (Emery 1964, Tafel 22.b)

 

»Die Steingefäße des archaischen Ägypten gehören zu den stärksten künstlerischen Ausdrucksmitteln, und die Gegenstände sind von hoher Vollendung.« (Emery 1964, zu dieser Abbildung) (Weiter Abbildungen u. a. bei Grimm und Schoske, ›Am Beginn der Zeit – Ägypten in der Vor- und Frühzeit‹, München 2000, Abb. 48 bis 51 und 133 bis 146).

 

Alle Arbeiten aus oder in Stein, die in Ägypten in der Zeit des Umbruchs und zu Beginn der dynastischen Zeit auftauchen sind künstlerisch vollendete Produkte einer ausgereiften Handwerkerkunst. Auffallend ist, dass eine der bedeutendsten und auffallendsten Neuerungen im ägyptischen Alten Reich in der Steinbearbeitung liegt, die sich in der Plastik, speziell in der Schaffung der Porträtkunst, in Groß-Skulpturen und in Rollsiegeln ausdrückte. Man glaubt, Siegelzylinder und Rollsiegel seien eine der Hauptexportwaren Sumers gewesen, »die über das Westdelta nach Ägypten kamen und dort besonders mit ihren Darstellungen die ägyptische Kunst beeinflussten,« schreibt Helck. »Diese Rollsiegel sumerischer Provenienz sind – sicher ihres hohen Wertes wegen – in Ägypten nachgeahmt worden. Damit sind auch Motive, die sich auf den Siegeln fanden, in den ägyptischen Motivschatz aufgenommen worden. Das könnte  beispielsweise gelten für das Bild des zwei Tiere bändigenden ›Helden‹, da diese Gruppe auf Siegeln der Djemdet Nasr-Periode häufig vorkommt« (Helck 1971, S. 8). Doch diese Rollsiegel waren ursprünglich nicht sumerischer Herkunft – Sumerer waren keine Kunstschöpfer, sondern Kunsträuber und Kulturzerstörer.

 

»Wir sind zur Annahme berechtigt, dass die Sumerer nicht die ersten Siedler im unteren Mesopotamien waren, sondern dass ihnen eine zivilisierte Macht von einigem Umfang vorangegangen sein muss, eine Macht, weit fortgeschrittener als die Sumerer.« (Samuel N. Kramer ›Geschichte beginnt mit Sumer‹ 1959, S. 164)

 

Die Erfindung und Kunst der Siegel stammt wie die damalige Steinschneidekunst aus Aratta. Diese Steinschneidekunst kannte man in Ägypten vor dem Umbruch, d.h. vor der Eroberung durch indoeuropäische Männerhorden nicht einmal ansatzweise. Sie trat auf einmal, schlagartig, ohne jede Vorstufe, künstlerisch voll ausgereift, in Erscheinung. Es ist nicht möglich, dass sie sich während der Periode der Eroberung, der Unruhen und Kriege, entwickelt haben könnte. Dies trifft genau so auch für die Entwicklung der Hieroglyphenschrift zu. Kriege haben noch nie Kunstwerke hervorgebracht, sondern sie zerstört. Die Kunst der Steinbearbeitung kam mit den Eroberern und diese brachten wahrscheinlich auch die hochqualifizierten Steinmetze und Siegelschneide-KünstlerInnen aus der südiranischen Gegend von Aratta mit.

Emery schreibt über die auffallenden künstlerischen Veränderungen in der frühesten Geschichte Ägyptens: »Genauso wie die Baukunst machten auch die Bildhauerei, die Malerei und die Dekorationskunst mit der Ankunft der dynastischen Rasse radikale Wandlungen durch. Eine neue Kunst kam nach Ägypten, und obwohl viele Autoritäten sie als eine geradlinige Weiterentwicklung der prähistorischen Kunst betrachten, sind meiner Meinung nach überzeugende Beweise dafür vorhanden, dass in der Periode unmittelbar vor der Einigung etwas völlig Neues ins Niltal eingedrungen ist« (Walter B. Emery ›Ägypten – Geschichte und Kultur der Frühzeit‹ 1964, S. 172 Hvhb. DW). Und er hielt fest: »In allem Wesentlichen handelte es sich um die Frucht einer neuen Kultur, hinter der eine recht lange Entwicklungsperiode stecken muss.« (ibd., S. 173)

Eine solche findet sich weder in Mesopotamien noch in Ägypten. Ägypten fand erst später zu einem selbstständigen Kunststil, der dann fast 3000 Jahre – entsprechend der rigiden Staatsführung – unverändert bestehen blieb.

Emery bemerkte, alle Steinarbeiten aus der Zeit des Umbruchs und des Beginns der dynastischen Zeit seien »künstlerisch vollendete Produkte einer ausgereiften Handwerkskunst; ob es sich um Gefäße, Rollsiegel oder die Porträtkunst der Großplastiken handelte […] Wie konnten sie eine so ungeheure Genauigkeit erzielen, dass keinerlei Abweichung von einem vollendeten Kreis festzustellen ist? […] Wie haben sie es fertiggebracht, aus Bergkristall röhrenförmige Krüge herzustellen, deren Wände nicht dicker sind als einen Millimeter?« (1964, S. 235 f.).

 

Bis Aratta im Jahre 2000 entdeckt wurde, konnte der ›Quantensprung‹ der in Ägypten gefundenen Kunst der Steinbearbeitung aus der Umbruchszeit und der 1. und 2. Dynastie nicht erklärt werden, liess aber viel Raum für Spekulationen. Jetzt weiß man, sie kam wahrscheinlich erst über die weitreichenden Handelswege, dann brachten Eroberer die Kunst oder ihre Hersteller, die hoch qualifizierten KünstlerInnen der Steinmetzgilde, die GoldschmiedInnen und SiegelschneiderInnen aus der südiranischen Gegend von Aratta mit.

Die Narmer-Palette bezeugt die Kunst von Aratta

 

Die vielen meisterhaft gearbeiteten Paletten, wie jene von Narmer, die aus der frühen dynastischen Zeit in Ägypten gefunden wurden, sind aus dem gleichen Material, dem grünlich schwarzen Chlorit-Schiefer hergestellt, wie viele andere Kunstwerke aus Aratta. Die KünstlerInnen der Steinschneidekunst aus Aratta dürften auch die LehrmeisterInnen für die wunderbaren, künstlerisch unübertrefflichen Reliefs der Noblengräber des Alten Reiches in Sakkara und den kunstvollen in Stein gemeißelten frühesten Hieroglyphen sein.

Iranische KünstlerInnen schufen noch 3000 Jahre später großartige Kunstwerke. Im Kunstatelier von König Darius in Persepolis waren unter der Leitung einer Frau 1348 KunsthandwerkerInnen beschäftigt.

 

Aratta (akkadisch für Erhabenes Bergland) ist der Name eines Landes in der sumerischen Mythologie. Es ist umstritten, ob ein Stadtstaat oder ein Königreich dieses Namens im Nahen Osten tatsächlich existierte und wo es gelegen haben könnte.

 

Hauptquelle ist die frühsumerische Dichtung Enmerkar und der Herr von Aratta[1], in der der wahrscheinlich legendäre König Enmerkar von Uruk einen Boten nach Aratta schickt, der die Unterwerfung des arattäischen Herrschers Ensuh-keshdanna verlangt, da die Göttin Inanna ihre Gunst nicht mehr Aratta, sondern Uruk erweise. Aratta wird als überaus reiches Land hinter sieben Gebirgszügen beschrieben. Daneben wird Aratta im Epos Lugalbanda und Enmerkar als Ziel des Feldzugs genannt, wobei zu jener Zeit Lugalbanda noch als Offizier unter Enmerkar diente.

 

In späteren Keilschrifttexten wird mehrfach auf die Herkunft der Sumerer aus Aratta hingewiesen. Hier könnte ein Zusammenhang mit der Gunstverlagerung Inannas gesehen werden. Aratta scheint mehrere Jahrhunderte lang als Quelle der sumerischen Zivilisation und Religion angesehen worden zu sein.

 

Das bronzezeitliche Persien, bislang als kaum bewohntes Ödland eingestuft, war eine Wiege der Zivilisation: In der Region wurden 5000 Jahre alte Städte entdeckt.

 

Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius lasten im Sommer auf dem urzeitlichen Friedhof nahe Shahr-i Sokhta im Osten Irans. Staub weht über die rissige Erde, die mit kleinen Hügeln bedeckt ist. Der Archäologe Mansur Sajjadi vermutet hier "40 000 Gräber".

 

Gut 150 Skelette hat der Forscher bereits geborgen, darunter das eines Mädchens mit einem hirnoperierten Schädel. In einer anderen Totengrube lagen die Knochen einer 1,82 Meter großen Frau mit dem ältesten Kunstauge der Welt. Es ist ein Ball aus Bitumen und Tiertalg, der mit einem Golddraht in der Augenhöhle gehalten wird.

 

Merkwürdige Gestalten kommen da im iranischen Hochland zutage. Die Bewohner der Siedlung flochten Teppiche und Bastkörbe unter Mithilfe ihrer Zähne (wie Schäden an ihren Gebissen zeigen). Den Verstorbenen gaben sie Knoblauch mit ins Grab, vermutlich um Vampire und böse Geister zu verscheuchen.

 

Bereits um 3200 vor Christus wurde der Ort gegründet. Er erstreckte sich über 180 Hektar. Drei große Feuersbrünste fegten einst über ihn hinweg. Die Forscher sprechen von der "verbrannten Stadt".

 

Nur, wie ist das ferne Metropolis einzuordnen? Bislang hieß es, dass sich die ersten Hochkulturen der Menschheit isoliert voneinander entlang den Flüssen Nil, Euphrat und Indus entwickelten. Vor allem die Sumerer im Zweistromland (heute Irak) galten als Meister des Fortschritts, die vor über 5000 Jahren Bollerwagen, Bewässerungssysteme und die Schrift erfanden.

 

Nun aber zeigt sich: Es gab noch andere Kraftzentren. Die wellige Bergwelt jenseits des Tigris war damals keine öde Wildnis, sondern ein kulturell erstaunlich entwickeltes Land, wo Abertausende Menschen in großen Handwerkerzentren lebten (siehe Grafik).

 

Noch ein Beweis: Auch weiter südlich, nahe Dschiroft, wird schon seit einigen Jahren eine Stätte aus dem 3. vorchristlichen Jahrtausend freigelegt. Die Ausgräber stießen auf einen Festungsbau mit halbrunden Türmen, Reste einer weißen Stadtmauer, kleine Lehmhäuser und jede Menge Vasen.

 

Bizarre Vogelmenschen und Skorpionwesen sind auf den Gefäßen zu sehen - und ein göttlicher Kraftprotz, an dessen ausgestreckten Armen zwei Panther hängen. "Wir erblicken hier eine autonome bronzezeitliche Zivilisation", urteilt die an der Grabung beteiligte US-Kunsthistorikerin Holly Pittman.

 

Vor allem der verzweigte Fernverkehr der Urperser verblüfft. In Dschiroft lagen Rollsiegel aus Turkmenistan und Lothal (einem Hafen im heutigen Indien). In der verbrannten Stadt fand man Stempel aus Pakistan und Bahrain.

 

Mit Karawanen, so die Annahme, durchquerten die Kaufleute die über tausend Kilometer breite iranische Hochebene und verbanden so die Hochkulturen an Indus und Euphrat.

 

Womöglich gab es sogar ein Meldesystem, wie die Gebeine eines etwa 45-jährigen Mannes nahelegen, der eine starke Verdickung am rechten Oberschenkelknochen aufweist: Er muss ständig quer auf dem Rücken eines breiten Reittiers gesessen haben. War er bereits als Fernkurier auf einem Kamel unterwegs?

 

Die Hauptrichtung beim Handel wies deutlich Richtung Westen, wo die weitentwickelten Stadtstaaten Mesopotamiens lagen. Weil es dort kaum edle Bodenschätze gab, gierte die Schickeria Sumers nach den Luxusgütern aus dem fernen Osten: Bronze, Juwelen, Gold und Lapislazuli. In den persischen Urstätten wurden die begehrten Rohstoffe weiterverarbeitet und sodann exportiert.

 

Auch das Rätsel der Chloritgefäße scheint damit gelöst. Der Name steht für Schalen und Becher aus einem weichen, grünlichen Stein, der sich leicht gravieren lässt. Meist sind die Pokale prächtig verziert und mit roten und weißen Halbedelsteinen besetzt. Von Ur bis nach Mari in Syrien wurden die prächtigen Schüsseln gefunden. Weil niemand ihren Herstellungsort kannte, ordnete man sie bisher einem "interkulturellen Stil" zu.

 

Nun zeigt sich: Die Gefäße stammen offenbar allesamt aus der Region Dschiroft. Etwa 90 Kilometer von der archäologischen Stätte entfernt, am Tepe Yahya, befindet sich ein Steinbruch, wo das wertvolle Mineral in Klüften zu finden ist.

 

So ersteht das Bild eines gigantischen vorzeitlichen Handelsnetzes. Schon vor 5000 Jahren existierte ein geistiger und wirtschaftlicher Austausch, der vom Ufer des Indus bis hin zu den Pyramiden reichte.

 

Einige Altorientalisten vermuten sogar, dass Dschiroft mit dem sagenhaften "Königreich Aratta" identisch ist. Immer wieder wird dieser Ort in den sumerischen Legenden erwähnt. Aratta ist reich, es besitzt Paläste aus Gold und Lapislazuli und liegt entlegen und schwer erreichbar hinter "fünf, sechs, sieben" Bergen.

 

In einer der Dichtungen schickt der König von Uruk einen Boten nach Aratta, um von dort Arbeiter anzuwerben, die ihm einen Göttertempel aus Gold und Elektrum bauen sollen. Schließlich überzieht er das ferne Dorado mit Krieg.

 

Eine historische Verortung ist bislang keinem Forscher gelungen.

 

Der Projektleiter in Dschiroft, Youssef Madjidzadeh, ein bärtiger Iraner mit Wohnsitz in Nizza, glaubt dies endlich geschafft zu haben: Seine Ruinenstätte sei mit dem Märchenland identisch.

 

Zwar teilen längst nicht alle Experten diese Ansicht. Bis heute habe Madjidzadeh keine richtige Funddokumentation vorgelegt, heißt es in der aktuellen Ausgabe des US-Fachblatts "Archaeology". Auch würde der Mann "kostbare Artefakte in einem Koffer unter seinem Bett" verstecken.

 

Drei Schrifttafeln aus Dschiroft, die der Ausgräber im Jahr 2008 auf einem Kongress in Italien vorlegte, sorgen deshalb bis heute für Verwirrung. Der längste Text enthält 59 Zeichen eines unbekannten Alphabets. Der Grabungsleiter hält die Krakel für "proto-elamitisch" - sie seien älter als die Schrift der Sumerer.

 

Die überwiegende Zahl der westlichen Forscher hält das für abwegig. Einige bezweifeln sogar die Echtheit der Tafeln. Sie seien gefälscht. Doch das scheint unwahrscheinlich.

 

Was es wirklich mit diesen Botschaften aus der "vergessenen Welt" (Madjidzadeh) auf sich hat, müssen zukünftige Entzifferer herausfinden. Doch eines steht schon jetzt fest: In der abgelegenen Gebirgswelt Persiens liegt ein fehlender Puzzlestein, der zu den Anfängen unserer Zivilisation führt.

 







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