Samstag, 25. April 2015

Wer war Jesus ? - von D.Selzer-McKenzie


Wer war Jesus ?  -  von D.Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/dsFyjK8m6aE
Unabhängige historische Aussagen über den Menschen Jesus gibt es nicht. Es ist sogar schon angezweifelt worden, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Nur einmal wird er nebenbei in einem antiken Dokument erwähnt: Flavius Josephus ("Antiquitates Judaicae ", 94 n.Chr.), erzählt von der unrechtmäßigen Steinigung eines gewissen "Jacobus, Bruder des Jesus, den sie Messias nennen".
Die Evangelien sprechen nicht von dem historischen Jesus, sondern von dem Jesus der Christus wurde. Sie projizieren den Christus bereits in den Jesus hinein, schreiben seine "Geschichte" immer mit Blick auf das geglaubte Ende. Sie wurden an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten, unter verschiedenen Umständen geschrieben, sie präsentieren unterschiedliche theologische Sichten. Sie wollten etwas verkünden! In diesem Sinne kann man sie mit heutigen Sekten-Traktaten vergleichen. Das Markusevangelium, wohl das älteste der vier, gilt noch als am nächsten am Menschen Jesus. Das Johannesevangelium, das späteste, präsentiert eine sehr eigene, hellenistisch und gnostisch beeinflusste Sicht, es gilt als historisch weitgehend wertlos.
Die Evangelien, auch die drei synoptischen, stecken voller Widersprüche. Bedenkt man wie Zeugenaussagen von realen Ereignissen (z.B. einem Unfall oder einem Flugzeugabsturz) schon kurz nach dem Ereignis von einander abweichen, sind solche Widersprüche nicht verwunderlich. Kontrollierte Versuch haben ergeben, dass das menschliche Gedächtnis in den Details sehr kreativ ist. Bedenkt man die Entstehungsgeschichte der Evangelien (keiner der Verfasser war Augenzeuge gewesen, die Texte wurden 40 .. 70 Jahre nach Jesu Tod verfasst), so wäre Widerspruchsfreiheit ein wirkliches Wunder. Ebenso kann man in aller Regel nicht erwarten, dass Äußerungen Jesu wörtlich widergegeben werden – nach mehr als 40 Jahren "Stille Post" kann man das nur für besonders markante Worte erhoffen. Man muss sich in der Regel mit der Botschaft des Gesagten zufrieden geben. Insofern ist Stilkritik wie "typisch mathäische Wortwahl" unfruchtbar. Auch bei der Übersetzung ursprünglicher hebräischen oder aramäischer Teiltexte in das Griechische können viele Verschiebungen eingetreten sein .
Entsprechend der mangelhaften bis widersprüchlichen Quellenlage verbreiten unzählige Bücher unzählige unterschiedliche Bilder von Jesus. Sie reichen vom Aufrührer (Joel Carmichael) bis zum Psychisch Kranken (Berthold Block), um nur einmal zwei Darstellungen neueren Datums zu nennen. Sie spiegeln wohl mehr die Anliegen ihrer Verfasser als den wahren Jesus – wie es schon die Evangelien selbst tun!
Damit ist es unmöglich, irgendeines der Bilder einfach zu übernehmen – jedermann muss sich sein eigenes Bild machen. Dabei ist man gezwungen von den Evangelien auszugehen – es gibt eben einfach keine anderen Quellen. In diesem Papier wird versucht, dies möglichst fair zu tun, ohne willkürliche Text-Manipulationen; dafür muss auch Widersprüchliches hingenommen werden, schwarze Flecken werden nicht übertüncht.


Basis des folgenden Persönlichkeitsbildes sind die Evangelien, jedoch ausgenommen:
·         Verstöße gegen die Naturgesetze (z.B. Jungfrauengeburt, Wiederbelebung einer verwesenden Leiche, Wandeln auf dem Wasser, Auferstehung und Himmelfahrt ...);
·         Märchenhafte Verbrämungen (Weihnachtsgeschichte, Dämonen welche in
Säue fahren ....... )
·         Nachweislich Jesus später in den Mund gelegte Äußerungen (siehe die Arbeiten von Gerd Lüdemann!);
·         Äußerungen von denen überhaupt niemand Kenntnis haben kann (Gespräche in der Wüste mit dem Teufel, Gebete in Gethsemane während alle schlafen; Äußerungen am Kreuz )
·         offensichtliche theologische Konstrukte (Johannes-Evangelium);
·         Judenhass, dem Juden Jesus in den Mund gelegt. Schlimmstes Beispiel: [Johannes 8: 44]
Wollte man nur 100% beweisbare Aussagen gelten lassen, so bliebe kaum eine Feststellung übrig. Vernünftig begründete Vermutungen müssen akzeptiert werden.
2. Geschichtlicher Hintergrund.
Die Herrschaft über Palästina, das nach jüdischem Verständnis doch Jahwe selber seinem Volk zugewiesen hatte, ging durch viele Hände: Babylonier, Perser, die
ägyptischen Ptolemäer, Seleukidenkönige .....  164 v.Chr. kamen nach einem
Guerillakrieg unter Judas Makkabäus die jüdischen Hasmonäer (oder Makkabäer) an die Macht, die als Könige und Hohepriester des Tempels in Jerusalem das Land regierten. Erbfolgestreitigkeiten riefen die Römer ins Land: 63 v.Chr. wurde Judäa römisches Protektorat. 37 v.Chr. wurde Herodes der Große zum Klientelkönig von Roms Gnaden.
Seinem Tod 4 v. Chr. folgen Jahre der Wirren und Revolten, so dass Kaiser Augustus 6 n.Chr. Judäa in eine direkt von Rom verwaltete Provinz verwandelt. Fortan ist die Burg Antonia, an einer Ecke des Tempels von Jerusalem, Sitz des römischen Stadthalters (seit 26 n.Chr. ist es Pontius Pilatus). Er wirkt zusammen dem Hohepriester (seit 18 n.Chr. Joseph Kaiphas). Diesem untersteht mit dem großen Tempel von Jerusalem das religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Juden. Seine adeligen Priester häufen für den Tempel (und sich selbst) Reichtümer an, während draußen die Landbevölkerung verarmt und vielfach ihren Landbesitz verliert.
Der Zorn der Verarmten richtet sich einerseits gegen die Römer, die das den Juden doch von Gott zugewiesene Land beherrschten, aber ebenso gegen die als verräterisch angesehene, mit den Römern kollaborierende Priesterschaft im Tempel. Die ganze Hoffnung richtet sich auf ein Eingreifen Jahwes. Ein Messias würde das kommende Reich Gottes vorbereiten, ein neuer König werde es regieren. Messias und König verschmelzen im Volksglauben zu einer Person.
Es ist eine Zeit apokalyptischer Erwartungen. Propheten, Prediger, Wunderheiler, Möchte-gerne-Messiasse, aufrührerische Banden ziehen durch das Land – die


römische Staatsmacht machte mit allen kurzen Prozess. Galiläa gilt als besonders unruhig, seit langem steht es mit Judäa in Konflikt.
3. Der Mensch Jesus – ein Persönlichkeitsbild
Name:                 Jeschu (kurz für Joshua = "Gott rettet"),
lateinisiert: Jesus
Geboren:            Wahrscheinlich wenige Jahre vor unserer Zeitrechnung
Geburtsort:         Unklar, wahrscheinlich Nazareth
Hingerichtet:      Irgendwann in den Jahr 30 ... 37
Nationalität:       Jude
Vater:                  Traditionell Joseph, Zimmermann (Bauunternehmer im winzigen
Nazareth? Eher wohl Bauhandwerker).
Wahrscheinlich jedoch wurde Jesus unehelich gezeugt, deswegen wird er als "Sohn der Maria" bezeichnet (Markus 6:3).
Als sein Vater wird in der Spätantike ein gewisser "Pantera" genannt. Ein Grabstein belegt, dass ein "Abdes Panthera" aus Sidon in der 1. Kohorte der Bogenschützen diente, die bis zum Jahre 9 in Palästina stationiert war. Abdes Panthera starb etwa im Jahre 40 im Alter von 62 Jahren.
Mutter:                 Maria (Mirjam)
Vorfahren:          Völlig unklar – die Genealogien in der Bibel sind reine Erfindungen ,
sie sind grob widersprüchlich
Geschwister:      Vier Brüder sind namentlich bekannt: Jakobus, Josef, Simon und
Judas. Jakobus "der Gerechte" war später der Kopf der Judenchristen in Jerusalem (anfänglich Petrus?). Mehrere Schwestern, genaue Zahl offen. Eigentlich Halbgeschwister?! Ihr Vater taucht in der Bibel nicht auf.
Wohnort:            Überliefert als Nazareth in Galiläa (Damalige Existenz des Ortes
angezweifelt, Ort zumindest klein und unbedeutend)
Sprache:             Aramäisch, wahrscheinlich mit dem Akzent von Galiläa ähnlich
Petrus [Matthäus 26: 73]
Bildung:              Kein Hinweis darauf dass er lesen und schreiben konnte – die
weitaus meisten Menschen konnten es damals nicht.
Beruf:                  "Zimmermann" [Markus 6:3] (Übernahme des Gewerbes vom nur
legendenhaften Vater??? Oder hat man diesem das Gewerbe des Sohnes angedichtet?!)


Textfeld: Berufung: Ein bis zwei Jahre Wanderprediger und WunderheilerFamilienstand: Unverheiratet (sehr ungewöhnlich in seinem Alter!), keine Kinder bekannt.
Verhältnis zur eigenen Familie gestört – diese hält ihn für verrückt [Markus 3, 21/22). ]
Er verweigert den Kontakt zu seiner Mutter und seinen Brüdern [Markus 3: 31ff], lässt sie vor der Tür stehen. Mit der Frage :"Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?" sagt er sich von seiner Familie los .
In [Lukas 14: 26] macht er den Hass auf Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern zur Voraussetzung dafür sein Jünger zu werden.
Aber: das Verhältnis muss sich später gebessert haben – vielleicht
wurde er erst nach seinem Tod anerkannt? Jedenfalls
übernimmt sein Bruder Jakobus die Leitung der kleinen Gruppe seiner Anhänger in Jerusalem.
Äußeres               Keine Hinweise. Jedenfalls keine auffällige Kleidung wie für
Johannes den Täufer überliefert.
Sexualität:           Schwul??? Er nimmt nackten jungen Mann über Nacht zu sich
[Brief des Kirchenvaters Clemens, 2. Jahrhundert ]
Ein nackter junger Mann läuft ihm nach [ Markus 14: 51,52 ]. Im historisch allerdings besonders zweifelhaften Johannes-Evangelium gibt es den Lieblingsjünger: ".... der Jünger, den er lieb hatte" und "der an seiner Brust lag" [Johannes 213: 23-25].
Kastrat??? In [Matthäus 19: 12] spricht er von Eunuchen, darunter Menschen, die sich selbst um des Himmelreichs willen kastrieren.
Hetero - wahrscheinlich. Lässt sich ausgiebig von einer stadtbekannten Hure verwöhnen [Lukas 7:37 ].
Eine Gruppe von Frauen läuft ihm nach und hält ihn finanziell aus [Lukas 8: 1-3;], darunter Maria Magdalena, mit der man ihn später in eine engere Verbindung brachte (in der Gnosis ist sie Jesu Gefährtin)
Temperament: Sein Wechsel zwischen Liebesbotschaften und Verdammen lässt ihn als temperamentvoll, zu Extremen neigend, innerlich unausgeglichen erscheinen. Wenn er einen unfruchtbaren Feigenbaum verflucht, gebärdet er sich wie ein unreifes Kind.


Genusssucht: Jesus erwähnt selbst, dass er als Fresser und Säufer bekannt ist [Lukas 7: 34] (ganz im Gegensatz zum asketischen Täufer Johannes)
Das Reich Gottes scheint ihm ein ewiges Tafeln zu sein [Lukas3:29, 22:30]
Tierliebe:            Keine relevanten Äußerungen
Humor:                Nichts überliefert. Es sei denn man fasst sein rätselhaftes Wort,
er spreche in Gleichnissen damit andere Menschen nichts  verstehen und verstocken [Markus 4:12], als Selbstironie auf (Es wurde ohne Beleg auch spekuliert, dass Jesus in seinen Reden Doppeldeutigkeiten und geheime Hinweise versteckt habe). Das bisweilen als grotesk-humoristische Übertreibung zitierte Kamel, das nicht durch ein Nadelöhr geht [Markus 10:25], ist möglicherweise das Ergebnis der Verwechslung zweier nahezu gleichlautender griechischer Worte (die Botschaft bleibt die gleiche, auch wenn Jesus kein Kamel, sondern ein Schiffstau meinte).
Geistige Basis: Johannes der Täufer, der seine Täuflinge auf das nahe
bevorstehende Gottesreich vorbereiten wollte [Matthäus 3: 2] und in dessen Fußstapfen Jesus trat; eventuell die geheimnisvolle jüdische Sekte der Essener – über zeitweilige Mitgliedschaft wird spekuliert.
Jesus und Johannes wirkten mindestens eine Zeitlang nebeneinander, zwischen ihren Jüngern gab es eine Konkurrenz [Markus 2:18-20]. Zwei Jünger liefen von Johannes zu Jesus über, einer davon Andreas, Bruder des Petrus, [Johannes 1: 35ff].
Dass Johannes der Täufer nicht selber zum Jünger Jesu wurde, macht alle Aussagen der Evangelien, dass er in ihm den Messias sah, unglaubwürdig.
Religion:             Gläubiger Jude, hatte keinerlei Absicht eine neue Religion zu
begründen und schon gar nicht weltweit; erfüllte alle Vorschriften und Riten (mit Ausnahmen! Siehe unter Ethik!).
Chauvinistischer Jude, wollte mit Nichtjuden nichts zu tun haben: verbietet ausdrücklich seinen Jünger anderen als Juden zu predigen "Werft die Perlen nicht vor die Säue!" [Matthäus 7:6; Matthäus 10 : 5, 6].
Vergleicht Nichtjuden mit am Tisch bettelnden Hunden
[Matthäus 15, 21:28 und Markus 7, 24:30]
Urteilt "Heiden beten nicht, sie plappern nur" [Matthäus 6: 7] Nur im Rahmen einer Brandrede gegen seine jüdischen Mitbürger spricht er davon, dass Heiden aus aller Welt an der Stelle der verlorenen Kinder Israels im Reich Gottes am Tisch sitzen werden [Lukas 13 : 29] (wird meist als spätere Erfindung eingeschätzt). Sein Missionsbefehl [Matthäus 28: 19] ist mit Sicherheit späte


Erfindung.
Sozialverhalten: Keinerlei Scheu vor dem Umgang mit den Außenseitern der
Gesellschaft, wie den Armen, den Steuereintreibern
(= "Zöllner", also Kollaborateure mit der römischen Besatzungsmacht!) und Huren.
Sein soziales Engagement ist ganz konkret und diesseitig : "Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden" [Lukas 14: 13]. Keinen Sinn hat er für das Los der Sklaven, ihr Schicksal dient ihm nur als Material zu einem Gleichnis [Lukas 7: 7-10]
Geht mit Kindern betont freundlich um.
Unterhält sich häufig mit Frauen, die zu seiner Zeit ja eigentlich in der Öffentlichkeit nicht aufzutreten und nicht mit fremden Männern zu reden hatten [Johannes 4:27]
Frauen ziehen in der Gruppe seiner Anhänger mit ihm herum; ihre finanziellen Beiträge sind die einzigen aus der Gruppe die erwähnt werden [Lukas 8:1-3].
Zielsetzung:       Er will die jüdische Gesellschaft auf die unmittelbar bevorstehende
Ankunft des Messias und das folgende Gottesreich vorbereiten. Er sieht sich als von Gott beauftragt. Das Gottesreich wird sehr bald kommen, viele werden es noch erleben [Markus 9:1] Die Welt wird zu Ende gehen, Gott wird auch den Tempel zerstören und wieder aufbauen, als Zentrum eines neuen wundervollen Israel. Die Benachteiligten dieser Welt, die Armen, Hungernden, Weinenden werden Wiedergutmachung erfahren
[Seligpreisungen bei Lukas 6: 20b,21; bei Matthäus 5:3ff schon theologisch umfrisiert].
Für das baldige Kommen des Gottesreiche muss man beten:
Vaterunser zweite Bitte [Matthäus 6:10, Lukas 11: 2]
Der Vorbereitung auf die Ankunft des Gottesreiches ist alles andere unter zu ordnen, man muss sogar seinen eigenen Vater unbegraben (!) lassen: "Lasst die Toten ihre Toten begraben!" [Matthäus 8:22; Lukas 9: 60]
Wirkung:             Charismatischer Prediger, sehr erfolgreicher Heiler. Zieht große
Volksmengen an. Kommt besonders bei den sozialen
Randschichten an, mit dem (religiösen) Establishment vielfach im Konflikt.
Veranlasst biedere Menschen, alles liegen und stehen zu lassen und ihm als Jünger zu folgen. Allerdings: Mindestens einer seiner Jünger war "Zelot" (Simon Zelotes vgl. [ Lukas 6:15 ]), also Anhänger einer Gruppe besonders fundamentalistisch eingestellter Juden, welche die Römer – auch mit Waffengewalt - vertreiben wollten; bis zu sechs Zeloten unter den Jüngern wurden vermutet. (Zur Zeit Jesu eher "Eiferer", erst später im jüdischen Aufstand ab


66 als militärische Gruppe formiert) .
Die Zwölfzahl der Jünger wählte Jesus bewusst im Blick auf die Zwölf Stämme Israels, die im neuen Gottesreich wieder hergestellt Würden; die Zwölf Jünger würden sie machtvoll repräsentieren [Markus 3: 14 ff; Matthäus 19: 18].
Heilungen:          Zahlreiche Heilungen im Bereich psychischer und
psychosomatischer Erkrankungen. In ihrer Häufigkeit auch für jüdische Verhältnisse ungewöhnlich (es sind auch andere Wunderheiler bekannt, z.B. Honi der Regenmacher, oder Hanina ben Dosa). Jesu "erstaunlichen Taten" werden später von dem jüdisch-römischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus erwähnt ["Antiquitates Judaicae"]; jedoch gilt der ganze einschlägige Absatz als christlicher Einschub aus dem 3. Jahrhundert.
Vermutet: Seine dominierende Persönlichkeit mit klaren autoritären Ansagen machte ihn als "Geistheiler" so erfolgreich. Es spricht einiges auch für den Einsatz von Hypnose (Wasser zu Wein verwandeln). Vielleicht fiel er bei seinen Heilungen in Trance? Man warf ihm vor selbst mit dem Teufel im Bunde zu sein: "Er hat einen unsauberen Geist" [Markus 3: 22, 30]
Zur Technik seines Heilens macht [Markus 7: 32-35] detaillierte Angaben: Er nimmt einen Taubstummen beiseite, steckt seine Finger in dessen Ohren, spuckt aus, berührt mit dem Speichel die Zunge des Kranken, und kommandiert mit "Sei geöffnet!" die Heilung. In [Markus 8:22-26] spuckt er dem Blinden auf die Augen (die desinfizierende Wirkung des Speichels reicht als Erklärung des Heilungserfolges nicht aus).
Er selbst sah – den Vorstellungen seiner Zeit gemäß – seine Heilungen und die der beauftragten Jünger als Sieg über Krankheit verursachende Dämonen/Teufel [Lukas 13: 32; Lukas 11:20] und damit als ein Zeichen des anbrechenden Gottesreiches : "So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch". Im heutigen Sprachgebrauch war Jesus ein erfolgreicher Exorzist.
Voraussetzung für seinen Erfolg: Die Aura des Besonderen. Beleg: Er kann keine Wunder dort wirken wo man ihn als gewöhnlichen Menschen kennt [Markus 6: 1-6 ]
Naturwunder: Gelten samt und sonders als unhistorisch. Eine seltsame und für die Entstehung solcher Erzählungen vielleicht lehrreiche Stellung nimmt der Feigenbaum ein, den Jesus verflucht weil er ihm keine Feige bereithält [Markus 11: 12-14]. Ein nur allzu menschlicher Jesus? Verfluchen wir nicht alle hin und wieder einen Gegenstand, der sich uns entgegensetzt als habe er einen Willen? [Markus 11:20] macht daraus nachträglich ein Wunder, bei [Matthäus 21: 18, 19] erfolgt das Wunder sofort.


Ethik:                   An den traditionellen jüdischen Gesetzen wird kein Abstrich
gemacht [Matthäus 5: 17,18; Lukas 16:17)], sie werden sogar teilweise verschärft, z.B. [Matthäus 5, 28] "Wer eine Frau ansieht sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen", oder [Matthäus 5: 34] "Ihr sollt überhaupt nicht schwören!" Andererseits stammt von Jesus das großartige Wort: "Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen und nicht der Mensch um des Sabbat willen" [Markus 2: 27]. Er hält sich selber an diese neue Maxime: Er erlaubt seinen Jüngern, am Sabbat Ähren abzupflücken. Wiederholt heilt er Kranke am Sabbat [Markus 3; 1-6; Lukas 13: 10­17; Lukas 14: 1-6] und rechtfertigt sie gegenüber Kritikern: Der Mensch ist wichtiger als das formale Gebot.
Die in allen Kulturen der Welt bekannte "Goldene Regel" kennt natürlich auch Jesus: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch [Matthäus 7:12]. Aber er geht weiter, fordert den Nächsten zu lieben! Freilich: "Der Nächste" kann für einen Juden nur ein anderer Jude sein, denn in 3. Mose 19,18 heißt es: "Du sollst nicht rachgierig sein noch Zorn halten gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; denn ich bin der HERR."
Die Achtung und Unterstützung des Mitmenschen wird auf die Frage nach dem höchsten Gebot gleichberechtigt neben die Liebe zu Gott gestellt: "Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst!"
[Markus 12: 29-31]. Dass die Liebe zu Gott sich in der Liebe zum Mitmenschen äußere, wird in [Matthäus 25: 34-46] eindrucksvoll ausgeführt: "Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan", allerdings ist diese Ausführung in den Rahmen der abstoßenden Vorstellung einer himmlischen Selektionsrampe a la Auschwitz gestellt, und es wird seitens Jesu nicht die geringste – von ihm ja gepredigte – Bereitschaft zum Vergeben gezeigt. Die ganze Stelle ist aber wohl eine spätere Erfindung (s.u. unter >Selbstbild<).
Übersteigert geläufige ethische Vorgaben ins Absurde: "Liebe Deine Feinde!" [Matthäus 5: 43 ff ], "Wehre dich nicht gegen Unrecht : halte die andere Wange hin, wenn man dich schlägt ... lass dir deinen Besitz wegnehmen"[Matthäus 5: 38 ff]
Er fordert "Vergebt sieben mal siebzig mal!" [Matthäus 18:22]
Andererseits: für teils triviale Gesetzesübertretungen, wie z.B. seinen Bruder einen Narren zu nennen, droht er ewiges Höllenfeuer an [Matthäus 5: 22] .
Städte in Galiläa verflucht er ("Sodom wird es erträglicher gehen als Dir"), wenn sie seinem Ruf nicht folgten [Matthäus 11: 24] Seine geifernden Reden gegen seine "Intimfeinde, die "Schriftgelehrten" (gemeint ist die Tempelpriesterschaft von Jerusalem) - zeigen viel Zorn, wenig der von ihm gepredigten Feindesliebe: Er nennt sie Heuchler, Otterngezücht, Schlangen ....[


z.B. Matthäus 23:33; Matthäus 23: 25]. Diese "Weherufe gegen Schriftgelehrte und Pharisäer" sind sicherlich vom Evangelisten kunstvoll ausformuliert worden, das schließt aber abfällige Äußerungen Jesu als historischen Kern nicht aus.
Oft droht er mit der Hölle: "... das ewige Feuer, da ihr Wurm nicht
stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht". [z.B. Markus 9: 42 ff...... ]
Nichts weist darauf hin, dass er es nicht wörtlich gemeint habe. In [Lukas 17:27] findet sich das entsetzliche Wort "Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor mir."
Er predigt den Verzicht auf persönlichen Besitz zu Gunsten der Armen [Matthäus 19: 21] – was angesichts des ohnehin nahen Gottesreiches ja auch unproblematisch erschien. Reichtum war nicht nur sinnlos, sondern hinderlich für den Eingang in das bevorstehende Gottesreich: "Niemand kann zwei Herren
dienen...... Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem
Mammon.“[Matthäus 6:24].
Seine Jünger sollten sich um das Morgen keine Sorgen machen : es gab bald kein "morgen" mehr. Sie hatten kein Privateigentum, Judas verwaltete die gemeinsame Kasse. Als Bettler sollen sie durch das Land ziehen: "Ihr sollt nichts mit euch nehmen auf den Weg, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld" [Lukas 9: 3-6]
Nach seinem Tod führten seine Anhänger ein kommunistisches Leben [Apostelgeschichte 2: 45]. Sie verschenkten ihren Besitz, in Erwartung des Gottesreiches. (Erst im 19. Jahrhundert verkündete Leo XIII ein Naturrecht auf Eigentum. Die Kirche freilich wusste es schon immer zu schätzen).
Gleichnisse:        Die am wenigsten als historisch angezweifelten Äußerungen Jesu.
Originell, reichhaltig. Zeigen Vertrautheit mit dem Leben auf dem Lande und große Menschenkenntnis. Beziehen sich zumeist auf das Reich Gottes, insbesondere seine Ankunft.
Seine Aussprüche sind oft von großer sprachlicher Kraft und Poesie.
Prophezeiungen: Von den Prophezeiungen Jesu zur Ankunft des Messias ist weder zu seiner Zeit noch später etwas eingetroffen. (Wird häufig kommentiert mit "Er versprach das Reich Gottes und es kam die Kirche")
Seine gerne zitierte Vorhersage der Zerstörung des Tempels [Matthäus 24: 1; Lukas 19, 42-44] wurde nach dem Ereignis im Jahre 70 niedergeschrieben und taugt somit nicht zum Beleg prophetischer Gabe. Schreckensbilder sind aber auch ein gängiges rhetorisches Hilfsmittel von Predigern.
Ähnlich : Seine Vorhersagen für den eigenen Tod. Dass er nach der in Jerusalem gestifteten Unruhe nicht ungeschoren davon


kommen werde, mag ihm ja gedämmert haben, aber als falscher Prophet hätte er vom Hohen Rat verurteilt und gesteinigt werden müssen wie wenige Jahre später Stephanus. Die Römische Besatzungsmacht hätte sich nicht quer gestellt.
Intelligenz:         Lässt sich nicht hereinlegen: "Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist
..."[Matthäus 22: 21 ] Aber mit "Gebt Gott was Gottes ist!" sagt er, dass das Land Jahwe gehört und eben nicht den Römern,
Menschenkenner, Psychologe: "Wer unter euch ohne Fehler ist der werfe den ersten Stein!" [Johannes 8: 7 ]
Weiß einen schlauen Betrug zu schätzen (!) [Lukas 16: 1-7 ]. Ein selbstsüchtig/betrügerischer Schatzsucher [Matthäus 13:44], erfolgreiche Meisterdiebe [Matthäus 24; 43,44] und ein korrupter Richter [Lukas 18: 2-5] sind weitere amoralische Helden seiner Gleichnisse.
Fragen beantwortet er nach Politikerart mit Gegenfragen [Markus 11: 27 ff. ] und weicht so einer eigenen Antwort aus
Priesterschaft: Verkehrt mit den volkstümlichen Pharisäern (glauben an das Weiterleben nach dem Tode), die ihn einladen [Lukas 7:36, 11:37] und vor Verfolgung warnen [Lukas 13:31]. Wechselseitig kritisch – feindselig steht er den Sadducäern gegenüber, die das "Unternehmen Tempel" managen, die Tempelsteuer eintreiben, und nicht an das Leben nach dem Tode glauben.
Dass in den Evangelien auch die Pharisäer als Jesu Gegner dargestellt werden, erklärt sich aus der historischen Situation beim Schreiben der Evangelien: Nach der Tempelzerstörung in 70 n.Chr. übernahmen die Pharisäer die geistige Führung der Juden, zu denen die Christen jetzt im Konflikt standen.
Friedensliebe: Preist einerseits "Selig sind die Friedfertigen" und verlangt "Liebet eure Feinde!", verkündet andererseits aber er sei "nicht gekommen um Frieden zu bringen, sondern das Schwert ... Ich bin
gekommen die Söhne mit ihren Vätern zu entzweien, die Töchter mit ihren Müttern ..." [ Matthäus 10: 34; Lukas 12, 51 ]
Sieht im Krieg etwas durchaus Normales, Krieg wird auch dem Gottesreich vorangehen [Matthäus 24: 6-8]:
Schickt beim letzten Abendmahl die Jünger los um Schwerter zu kaufen [Lukas 22: 36-38 ]
Weltbild:             Entspricht dem eines gläubigen Juden seiner Zeit. Israel ist Gottes
erwähltes Volk; als Jude hat man daher zu Gott ein besonders Verhältnis. Jesus nennt ihn "Abba", was man mit "Papa" übersetzen sollte und ein starkes Urvertrauen spiegelt [Markus


14:36]. Jesus sieht sich als von Gott beauftragt, wie vor ihm die Propheten.
Gegenspieler Gottes ist der Teufel / Satan. Wenn Gott sein Reich in der Welt errichtet, wird Satan endgültig besiegt sein. Nach [Lukas 10:18] beginnt die Entmachtung Satans bereits: "Ich sah wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz.". Jesus sieht sich im ständigen Kampf mit Satan [Versuchungsgeschichten Markus 1:12,13; breit ausgewalzt in Matthäus 4: 1-11; Lukas 4: 1­13]. Sein Kampf gegen die Dämonen, die Hilfstruppen Satans, ist in [Markus 5: 1-20] anschaulich beschrieben. Er selbst ist dabei Gottes verlängerter Arm: "So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch" [Lukas 11:20, ähnlich Matthäus 12:28].
Selbstbild:           Das aus den Evangelien herauslesbare Selbstbild Jesu ist in
starkem Maße verformt durch das Schreiben der Texte vom Ende her: Weil Jesus zum Christus wurde, muss er es schon immer gewesen sein! Daher viel Widersprüchliches!
Stets spricht er von sich selbst in der dritten Person als "des Menschen Sohn"; andere benutzen diese Bezeichnung für ihn nicht. Es gibt dafür vielfältige theologische Deutungsversuche. So wird spekuliert, Jesus spiele damit auf [Daniel 7, 1-14] an und melde auf diese nur schriftkundigen Juden verständliche Art seinen Anspruch auf den Königsthron an, weil er das jedermann geläufige "Messias" vermeiden wolle.
Nicht ganz neuer eigener Vorschlag: "Des Menschen Sohn" ist nur eine leicht scherzhafte Form für "ich" (Vgl. "Meines Vaters Sohn" ... "My father's son"). Darf man Jesus so viel Humor zumuten? Oder – noch weiter gehend (und m.W. wirklich neu:) – Jesus spielt selbstironisch damit auf seine uneheliche Herkunft an, die ihm vielleicht viel zu schaffen machte - "Irgendeines Menschen Sohn"?
Dass er sich selbst als im besonderen Auftrage Gottes tätig sah, daran gibt es keinen Zweifel. Soweit, so gut. Aber sah er sich selbst als Gottes eingeborener Sohn, zu dem ihn die christliche Theologie machte, als Erlöser der Menschen von Tod und Sünde? Mit Sicherheit nicht. Oder wenigstens als der sehnlich erwartete Messias, den endzeitlichen Retter Israels, Vorbereiter des unmittelbar bevorstehenden Gottesreiches? Ein Mensch wohlgemerkt, keine Inkarnation Gottes!
Jesus kündigt an, er werde den Weltenrichter spielen und die Mehrzahl der Menschen in das ewige Höllenfeuer schicken [Matthäus 25: 31-34 / 41; Matthäus 22: 14 ]. Diese Äußerung ist mit höchster Wahrscheinlichkeit unecht. Lüdemann sieht sie als theologische Erfindung des Evangelisten. Zudem: Sich selbst zum Gott zu erheben war sicherlich für einen Juden die
höchstmögliche Blasphemie, Jesus hätte kaum der Steinigung


entgehen können. Ebenso anmaßend ist [Matthäus 19:28]. Als unecht gilt auch Jesu Bekenntnis zur Gottessohnschaft [ Markus 14, 61b, 62].
Die Ich-bin-Worte und andere ähnliche Texte bei Johannes gelten als unhistorisch, sie drücken die besondere theologische Sicht des späten Evangelisten aus.
In der Tat weist Jesus es zurück mit Gott auch nur
verglichen zu werden [Lukas 18:19]. Er sieht sich selbst als sündig genug, um sich von Johannes dem Täufer taufen zu lassen
[Markus 1. 9 ff].
Messianische Erwartungen wurden wohl häufig an ihn herangetragen: von Johannes dem Täufer [Matthäus 11:3]; von seinen Jüngern [Markus 8:29]; von den Armen [Markus 10: 47]; vom Volk beim Einzug in Jerusalem [Markus 11:10]. Dass er sich selbst nie Messias nannte oder sich andere messianische Titel zulegte wie "Sohn Davids" oder "Sohn Gottes", muss seine Anhänger irritiert haben: Die Bibel berichtet daher, Jesus habe ausdrücklich verboten ihn Messias zu nennen: seinen Jüngern in [Matthäus 16:20], den Dämonen (!) in [Lukas 4:41]
Als Petrus ihn als Messias anspricht, gerät Jesus darüber mit ihm in
Streit und bezeichnet ihn als Satan [Markus 8; 29-33]
Der Ausrufung zum politischen Anführer entzieht er sich durch Flucht [Johannes 6:15].
Auf der anderen Seite wiederum steht als sehr wahrscheinliches Fakt der triumphale Einzug in Jerusalem – ist er schließlich doch selbst in die Rolle des Messias/Königs geschlüpft?! Schon auf dem Wege lässt er sich "Sohn Davids" nennen [Markus 10: 47 ff], beim Einzug in Jerusalem lässt er sich als König feiern [Markus 11: 10; Lukas 19:38]
Unruhestifter: Er zieht an Palmsonntag reitend in Jerusalem ein (aus jüdischer Tradition nicht akzeptabel), bedient sich dabei eines Esels um eine alte Prophezeiung [Sacharja 9: 9] wahr zu machen – eine sorgfältig vorbereitete Inszenierung. Sein triumphaler Einzug verursacht einen Massenauflauf. Jetzt muss jeder in ihm den Messias, ja, den neuen König Israels sehen. (Für viele war er aber wohl nur einer der vielen wandernden Prediger und Exorzisten; schließlich brach kein Volksaufstand aus, als man ihn hinrichtete.)
Mit rabiater Gewalt geht er gegen die Händler im Tempel vor [Markus 11: 15]. Er bricht damit das gültige Gesetz – der "Heidenhof" des Tempels war legitimer Ort für den Handel, darüber bestand zwischen der Tempelverwaltung (Hohepriester Josef Kajphas) und römischer Provinzverwaltung (Präfekt Pontius Pilatus) einig, sie wirkten gerade damals gut zusammen. Jesus wird endgültig zum Aufrührer.


Allerdings: Dass er einen regelrechten Aufstand plante, wurde zwar bisweilen vermutet, lässt sich aber in keiner Weise belegen.
Abendmahl:        Das Sedermahl am Vorabend des Pessach-Festes ist bis heute
jüdischer Brauch.
Die Berichte von der Einsetzung der Eucharistie sind nicht nur unterschiedlich, bei Johannes erfolgt sie überhaupt nicht beim letzten gemeinsamen Essen. Wenn es überhaupt einen historischen Kern gibt, dann am ehesten, gemäß der ältesten Erwähnung [Korinther 11, 23-26], als Gedächtnismahl (Jesus mag geahnt haben, dass er nicht mehr lange zu leben hatte). Die theologisch-magische Aufladung ist späteren Datums. Auch [Markus 14:25 ] könnte echt sein: Der als Weinsäufer
bekannte Jesus will keinen Wein mehr trinken bis das Reich Gottes kommt, das er ja als unmittelbar bevorstehend ansieht.
Wahrscheinlich aber wurden die Berichte von der Einsetzung der Eucharistie später eingefügt um den inzwischen etablierten Brauch solcher Gedächtnismahle auf Jesus selbst zurückzuführen.
Verrat:                  Die ganze Erzählung vom Verräter Judas Iskariot wird heute
vielfach als unhistorisch gesehen, eine Erfindung der
Evangelisten, die alle Schuld an Jesu Tod den Juden in die Schuhe schieben wollten; da bot sich Judas/Judäa/Juden schon vom Namen her an. In einem der ältesten christlichen Schriftzeugnissen, Jahrzehnte älter als die Evangelien, erscheint Jesus nach seinem Tod vor den Zwölfen (!) [1.Korinther 15: 5]. Erst die Evangelisten machen daraus die Elfe!
Prozess:               Der ganze Vorgang, vom Verrat des Judas bis zur Verurteilung
durch die Römer, lässt sich nicht vernünftig nachvollziehen, zu sehr ist die Erzählung überwuchert vom Wunsch die Schuld den Juden zuzuweisen (mit denen die Christen zur Zeit der Evangelisten im Streit lebten) und sich im römischen Reich als akzeptable Religion zu präsentieren. Der Bericht über das Verhör vor dem Hohenpriester ist schon deshalb gänzlich unglaubhaft, als die Jünger alle geflohen waren, nur Petrus stand im Hof und wärmte sich bei den Knechten [Markus 14: 53 ff] – der Bericht muss also frei erfunden sein. Der Ablauf entspricht auch nicht jüdischem Prozedere.
Hatte der "Hohe Rat" (Sanhedrin) überhaupt etwas damit zu tun? Er hätte Jesus zur Steinigung verurteilen dürfen, wenn auch für die Durchführung des Urteils vielleicht formal Zustimmung der römischen Besatzungsmacht erforderlich war. (In Anlehnung an [Johannes 18:31] wird das immer geleugnet. Die Steinigung des Stephanus wenige Jahre später zeigt, dass es sehr wohl möglich war).


Dass der als harter Verwalter bekannte Pontius Pilatus (Präfekt in Judäa 26-36 n.Chr.) sich für die religiösen Streitigkeiten der Juden interessierte und gar für jüdische Wünsche vereinnahmen ließ, ist sehr unwahrscheinlich. Aber die neuerliche Unruhe in Jerusalem in der notorisch unruhigen Provinz Judäa konnte der römischen Verwaltung nicht verborgen bleiben. Ob die jüdische Priesterschaft konkret aktiv wurde (Gefangenname, Überstellung), kann offen bleiben: Ein dezenter Tip von jüdischer Seite hätte wohl schon ausgereicht. Gewiss hat Pontius Pilatus sich nicht auf eine Diskussion mit einem jüdischen Aufrührer eingelassen.
Tod:                      Von den Römern als Aufrührer hingerichtet. (INRI = Jesus
Nazarenus Rex Judarum).
Letzte Worte: Der auf Aramäisch überlieferte Verzweiflungsschrei "Elohi, Elohi lama asabthani?! (Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?!)" [ Markus 15:34 gebraucht die aramäische Gottesanrede, Matthäus 27: 46 macht daraus
hebräische Anrede "Eli". Luther schreibt auch bei Markus "Eli", die Elberfelder Übersetzung sagt korrekt: "Eloi" ] ist viel glaubhafter als die wohlgesetzten Worte "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist" [Lukas 23:46 ]. Was er sonst noch gesagt haben soll, kann ohnehin keiner gehört haben, weil die Frauen abseits standen [Markus 15:40], sie hielten sich ganz fern. Die Jünger waren geflohen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist nur der Schrei glaubhaft. Das triumphierende "Es ist vollbracht" bei Johannes ist auch deshalb unmöglich, da Jesus ja mit seiner Mission gescheitert war.
Begräbnis:           Zweifelhaft ob überhaupt begraben. Wahrscheinlich von den
Römern wie andere Hingerichtete der niedrigsten Kategorie in einer städtischen Abfallgrube den Geiern vorgeworfen. Oder am Kreuz, wie vielfach zur Abschreckung üblich, den Hunden und Raben überlassen.
4. Zusammenfassung
Man erkennt ein in vielerlei Hinsicht widersprüchliches Bild. Bereinigung bis zu völliger Einheitlichkeit wäre beim Stand des Wissens unehrlich. "Weichspülen" von Jesu' weniger erfreulichen Eigenschaften wäre Geschichtsklitterung.
Aber wer sagt auch, dass Jesus ein einfacher Charakter war?! Vielleicht war er ja in sich widersprüchlich? Vielleicht änderte er auch einmal seine Meinung? Vielleicht war er auch einmal übellaunig? Vielleicht ging manchmal sein Temperament mit ihm durch? Vielleicht nutzte er rhetorische Übertreibungen um sein Anliegen um so klarer zu machen?


Was bleibt also? Kurz gesagt:
·         Jesus war eine charismatische Persönlichkeit ersten Ranges, doch in sich widersprüchlich.
·         Jesus war er ein fanatischer Eiferer, der vor allem anderen ein Anliegen hatte: seine jüdischen Volksgenossen (und nur diese) mit Verheißung und Drohung reif zu machen für das bald kommende Gottesreich in Israel. Viele seiner Äußerungen sind nur im Kontext des nahen Weltendes verständlich.
·         Er sah sich als von Gott beauftragt, durch seine großen Erfolge als Heiler von Gott bestätigt. Wahrscheinlich identifizierte sich schließlich selbst mit der erwarteten Rettergestalt des Messias.
·         Als potentieller Messias war er nolens volens eine politische Figur: Es ging schließlich darum, dass der Gott Israels sein neues Reich mit der Hauptstadt Jerusalem errichtete. Schließlich identifizierte er sich selbst mit dem Messias/König – und scheiterte , wie andere vor ihm.
·         Eine neue Religion/Kirche wollte er nicht stiften. Er dachte auch nicht daran, durch seinen Tod die Welt zu erlösen. Die nachösterliche Interpretation des irdischen Jesus ist eine Übermalung ohne Grundlage im wirklichen Jesus.
·         Die Gesetze des jüdischen Glaubens waren für ihn unverrückbar bindend, doch beklagte er die Formalisierung des Glaubens und stellte die Menschenliebe gleichwertig daneben, in der Praxis sogar darüber.
·         Seine in ihrer radikalen Konsequenz bewundernswerte, viel gerühmte Ethik und Friedensliebe kann für den Einzelnen immer noch unerreichbares Idealbild sein, für eine menschliche Gesellschaft ist sie keine brauchbare Richtschnur. Freilich hielt er sich selbst nicht daran, wenn er nicht den Frieden sondern das Schwert zu bringen versprach; wenn er seine Gegner verfluchte; wenn freigiebig war mit der Androhung ewiger Höllenqualen.
·         Sein Verhalten gegenüber der eigenen Familie, seine Einstellung gegenüber Nichtjuden sind heute nicht mehr akzeptable, gar abstoßende Charakterzüge.
·         Seine Zuwendung zu den Außenseitern der Gesellschaft - den Armen, Kranken, Verachteten (freilich nicht zu den Sklaven) – ist ein bleibendes Vermächtnis.
·         Dass er Frauen als völlig gleichberechtigt ansieht, ist auch heute noch in weiten Bereichen der Welt (inklusive der katholischen Kirche) eine aufrührerische Botschaft.
·         In der feineren jüdischen Gesellschaft war er, der Handwerker aus Galiläa, mit seinem Lehren und Verhalten selbst ein Außenseiter, ein "unmoralischer Held", der umgeben von Anhängern und Anhängerinnen (!) bettelnd, heilend und predigend durch das Land zog und "schlechte Gesellschaft" pflegte. Für die Römer war er schlicht ein Unruhestifter.
Hat Jesus uns heute noch etwas zu sagen? Ja! Aber man muss auch auf ihn hören!
Der antike Glaube an das gepredigte Jesus-Phantom der Amtskirchen kann es freilich nicht sein. Käme Jesus heute zurück auf die Erde, wäre er erstaunt, entsetzt, ja wohl zornig über das, was inzwischen geschah.
Kirchengründer Paulus hatte ihn "Gottes Sohn" genannt, was ja nur eine besondere enge Beziehung des Menschen zu Gott bezeichnete, in ihm aber durchaus noch einen Menschen gesehen: " .... so ist viel mehr Gottes Gnade und Gabe vielen reichlich widerfahren durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus" [Römer


5:15, 18]. Immerhin: Paulus hatte Jesus zum Erlöser hochstilisiert, als den er sich nie gesehen hatte.

Danach aber hat die christliche Kirche in heidnischer Umgebung Jesus zum Gott in einer Trinität erhoben. Die Kirche wurde zu einer unerhört mächtigen Organisation; sie hat in Jesu Namen viel mehr Menschen umgebracht als sie je Märtyrer vorzuweisen hatte.

Wo Jesus selbst sich in direkter Beziehung zu seinem Gott sah ("Abba" nannte er ihn!) , stand er jetzt – vergöttlicht – zwischen dem Menschen und Gott, mit seiner quasi-vergöttlichten Mutter, mit Heiligen und unfehlbaren Päpsten und dem ganzen Apparat der Kirche dazu ("Extra ecclesiam nulla salus").

 



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