Mobilfunk von morgen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/cZKyGna8iWE
Die nächste Generation Mobilfunknetze (56) wird ultraschnell
sein und eine tausendfach höhere Kapazität als heutige mobile Netze haben. So
lassen sich künftig Milliarden Sensoren und Geräte im Internet der Dinge
miteinander verbinden. Doch bis zum geplanten Start in fünf Jahren gibt es noch
Einiges zu tun ¬Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher leisten dabei wertvolle
Grundlagen.
Auch wenn die wenigsten deutschen Handy-besitzer bislang das
noch löchrige Funknetz der vierten Generation (LTE) nutzen, arbeiten Exper¬ten
bereits am Mobilfunk von morgen. Anbieter wie Huawei oder die Telekom erwarten
die ersten 5G-Netze bereits in fünf Jahren. Der Funk soll extrem fix sein — bis
zu 100-mal schneller als 4G — und Spitzenübertragungsraten von mehr als zehn
Gigabit pro Sekunde bieten.
»Doch Geschwindigkeit ist bei der Mobilkommu-nikation der
Zukunft nicht alles«, sagt Priv.-Doz. Dr. Gerhard Wunder vom
Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI in
Berlin. »Auf was es zunehmend ankommt, sind geringere Latenzzeiten von weniger
als einer Millisekunde, also ultraschnelle Reaktion.« Zudem müssen die
künftigen Mobilfunknetze ex¬trem verlässliche Verbindungen ermöglichen, die es
mit kabelgebundenen Systemen aufnehmen können, und nicht zuletzt eine deutlich
energie¬effizientere Datenübertragung. Das alles wird 5G bieten. »Mit dem
Standard soll das Internet der Dinge ermöglicht werden«, macht Wunder klar.
Netz für das Internet der Dinge
Vernetzte Fahrzeuge, Verkehrsleitsysteme, Haustechnik,
smarte Stromnetze, innovative Gesundheitsversorgung und vor allem die vierte
industrielle Revolution, die hochautomatisierte Industrie 4.0 — all das und
noch viel mehr wird das Internet der Dinge (Internet of Things oder kurz loT)
bringen. Das Marktforschungsunter-
nehmen Gartner erwartet, dass bereits im Jahr 2020 etwa 26
Milliarden Geräte und Objekte sowie etwa 7 Milliarden Rechner, Tablets und
Smartphones vernetzt sein werden. Das ist mit den bisherigen Netzen nicht mehr
zu schaffen.
Der Mobilfunk der nächsten Generation muss einige
Herausforderungen meistern können. »In künftigen Netzen wird eine Vielzahl von
draht¬losen Geräten mit kleiner Sendeleistung und ho¬hen Latenzanforderungen
unkoordiniert auf den Mobilfunkkanal zugreifen«, erläutert Wunder. Während
heute wenige Hundert Smartphones und Tablets eine Funkzelle ansteuern, werden
es künftig mehrere Hundertausend sein, schätzt der Fraunhofer-Forscher.
Wichtige Grundlagen für Mobilfunk der fünften Generation wurden in dem kürzlich
abgeschlossenen und als exzellent ausgezeichneten EU-Projekt »5GNOW« gelegt,
das Wunder koordiniert hat. In 5GNOW, an dem auch Industriepartner wie der
Netzwerkausrüs¬ter Alcatel-Lucent Bell beteiligt waren, ging es darum, die Architektur
und Signalverarbeitung diesen Anforderungen anzupassen.
Noch werden alle Signale der Sender, etwa ein Video oder
Steuerbefehle, synchronisiert. Das geschieht, indem die Informationen in eine
cha-rakteristische Wellenform der drahtlos übertrage¬nen Funkwellen übersetzt
werden, die Fachleute »orthogonal« nennen. So lassen sich die Signale dem
Absender zuordnen und gezielt übertragen. »Geschieht dies Nutzer für Nutzer,
klappt das ganz gut. Wenn aber eine Million User zeitgleich
funken, geht das nicht mehr«, erklärt Wunder. Die Lösung ist
ein »asynchroner Zugriff«. Dabei schickt der Sender seine Daten einfach los.
Die Informationen werden nicht mehr umgeformt, womit auch einzelne Signale
nicht mehr sauber voneinander getrennt werden. Diesen Job übernimmt der
Empfänger. Im Projekt 5GNOW wurde eine Methode entwickelt, die ihm das Erkennen
und Trennen von Signalen ermöglicht, ohne dass vorher synchronisiert werden
müsste. Damit erklärt sich auch der doppeldeutige Name des Projektes »NOW«: Er
steht nicht nur für das englische »Jetzt«, sondern für »nicht orthogonale
Wellenform«, kurz NOW.
Extrem kurze Reaktionszeiten
»Damit ist das Fundament für eine kommende Standardisierung
gelegt worden«, sagt der Berliner Nachrichtentechniker. Außerdem hat das
Projekt den Stein zur weiteren Entwicklung ins Rollen gebracht. In Europa wird
das Thema nun mit dem Advanced 5G Infrastructure Public-Private Partnership
Programm (5GPPP) der Euro¬päischen Kommission weiter vorangetrieben, an dem
auch Fraunhofer beteiligt ist. Die Ideen aus 5GNOW werden seit Juni auch im
5GPPP-Projekt FANTASTIC-5G weiterverfolgt, mit dem Ziel, eine
5G-Luftschnittstelle zu entwickeln und zur Stan¬dardisierung zu bringen. »5GNOW
hat für diese Projekte den Boden bereitet, indem wir zeigen konnten, dass die
alternativen Wellenformen die erforderliche Robustheit und die Latenz bieten,
um einen effizienten funkgestützten Zugang für das Internet der Dinge und das
taktile Internet zu ermöglichen«, betont Wunder. »Taktik wird das Netz durch
extrem kurze Reaktionszeiten von etwa einer Millisekunde, so dass sich zum
Beispiel Maschinen aus der Ferne vom Monitor aus bedienen lassen, als ob man
vor Ort Knöpfe drücken würde. Diese nicht wahrnehmbare Verzögerung ist eine
wichtige Voraussetzung für die Echtzeitkommunikation, ohne die wiederum das
Internet der Dinge nie laufen lernen würde.
Damit sind etliche neue Anwendungen und Märkte denkbar. Fast
jeder Lebensbereich könnte davon profitieren: vom smarten Wohnen über E-Health
bis hin zu intelligenter Logistik und Ver¬kehrssteuerung. »Es wird auch den
Nutzern von
Smartphones künftig nicht nur um Inhalte gehen, sondern
darum, dass sie mit ihrem Gerät Dinge des Alltags steuern«, sagt Wunder. Das
Handy würde dann zum Allround-Echtzeit-Controller.
Die Experten des HHI arbeiten noch in einem weiteren Projekt
am Mobilfunk der Zukunft mit. Sie sind beteiligt an dem von Samsung
koor¬dinierten Projekt mmMAGIC, das darauf zielt, Millimeterwellen-Technologien
für 5G zu stan¬dardisieren. Denn die 5G-Mobilfunkzugangs-technologie wird
voraussichtlich in einem Fre¬quenzbereich von 6 und 100 GHz arbeiten und somit
Millimeterwellen-Frequenzen einschließen. Derart hohe Frequenzen für die
Mobilkommu-nikation zu verwenden, ist technisch anspruchs-
voll, aber nötig, damit die extrem breitban-digen Dienste
mit niedrigen Ende-zu-Ende-Latenzzeiten unterstützt werden können.
Um die neuen Technologien testen zu können, haben Experten
am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin am
Kompetenzzentrum Next Generation Network lnfrastructures NGNI einen 5G
Play-ground aufgebaut. Diese Spielwiese schafft eine Forschungs- und
Testumgebung für Wissen¬schaftler sowie Entwickler aus aller Welt, um an dem
neuen Funkstandard zu feilen. Hier können Ideen und Prototypen erprobt, demonstriert
und validiert werden. Die Zukunft des Mobilfunks hat begonnen — und zwar jetzt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.