Montag, 28. Dezember 2015

Mobilfunk von morgen


Mobilfunk von morgen

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/cZKyGna8iWE

Die nächste Generation Mobilfunknetze (56) wird ultraschnell sein und eine tausendfach höhere Kapazität als heutige mobile Netze haben. So lassen sich künftig Milliarden Sensoren und Geräte im Internet der Dinge miteinander verbinden. Doch bis zum geplanten Start in fünf Jahren gibt es noch Einiges zu tun ¬Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher leisten dabei wertvolle Grundlagen.

 

Auch wenn die wenigsten deutschen Handy-besitzer bislang das noch löchrige Funknetz der vierten Generation (LTE) nutzen, arbeiten Exper¬ten bereits am Mobilfunk von morgen. Anbieter wie Huawei oder die Telekom erwarten die ersten 5G-Netze bereits in fünf Jahren. Der Funk soll extrem fix sein — bis zu 100-mal schneller als 4G — und Spitzenübertragungsraten von mehr als zehn Gigabit pro Sekunde bieten.

»Doch Geschwindigkeit ist bei der Mobilkommu-nikation der Zukunft nicht alles«, sagt Priv.-Doz. Dr. Gerhard Wunder vom Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI in Berlin. »Auf was es zunehmend ankommt, sind geringere Latenzzeiten von weniger als einer Millisekunde, also ultraschnelle Reaktion.« Zudem müssen die künftigen Mobilfunknetze ex¬trem verlässliche Verbindungen ermöglichen, die es mit kabelgebundenen Systemen aufnehmen können, und nicht zuletzt eine deutlich energie¬effizientere Datenübertragung. Das alles wird 5G bieten. »Mit dem Standard soll das Internet der Dinge ermöglicht werden«, macht Wunder klar.

Netz für das Internet der Dinge

Vernetzte Fahrzeuge, Verkehrsleitsysteme, Haustechnik, smarte Stromnetze, innovative Gesundheitsversorgung und vor allem die vierte industrielle Revolution, die hochautomatisierte Industrie 4.0 — all das und noch viel mehr wird das Internet der Dinge (Internet of Things oder kurz loT) bringen. Das Marktforschungsunter-

 

nehmen Gartner erwartet, dass bereits im Jahr 2020 etwa 26 Milliarden Geräte und Objekte sowie etwa 7 Milliarden Rechner, Tablets und Smartphones vernetzt sein werden. Das ist mit den bisherigen Netzen nicht mehr zu schaffen.

Der Mobilfunk der nächsten Generation muss einige Herausforderungen meistern können. »In künftigen Netzen wird eine Vielzahl von draht¬losen Geräten mit kleiner Sendeleistung und ho¬hen Latenzanforderungen unkoordiniert auf den Mobilfunkkanal zugreifen«, erläutert Wunder. Während heute wenige Hundert Smartphones und Tablets eine Funkzelle ansteuern, werden es künftig mehrere Hundertausend sein, schätzt der Fraunhofer-Forscher. Wichtige Grundlagen für Mobilfunk der fünften Generation wurden in dem kürzlich abgeschlossenen und als exzellent ausgezeichneten EU-Projekt »5GNOW« gelegt, das Wunder koordiniert hat. In 5GNOW, an dem auch Industriepartner wie der Netzwerkausrüs¬ter Alcatel-Lucent Bell beteiligt waren, ging es darum, die Architektur und Signalverarbeitung diesen Anforderungen anzupassen.

Noch werden alle Signale der Sender, etwa ein Video oder Steuerbefehle, synchronisiert. Das geschieht, indem die Informationen in eine cha-rakteristische Wellenform der drahtlos übertrage¬nen Funkwellen übersetzt werden, die Fachleute »orthogonal« nennen. So lassen sich die Signale dem Absender zuordnen und gezielt übertragen. »Geschieht dies Nutzer für Nutzer, klappt das ganz gut. Wenn aber eine Million User zeitgleich

 

funken, geht das nicht mehr«, erklärt Wunder. Die Lösung ist ein »asynchroner Zugriff«. Dabei schickt der Sender seine Daten einfach los. Die Informationen werden nicht mehr umgeformt, womit auch einzelne Signale nicht mehr sauber voneinander getrennt werden. Diesen Job übernimmt der Empfänger. Im Projekt 5GNOW wurde eine Methode entwickelt, die ihm das Erkennen und Trennen von Signalen ermöglicht, ohne dass vorher synchronisiert werden müsste. Damit erklärt sich auch der doppeldeutige Name des Projektes »NOW«: Er steht nicht nur für das englische »Jetzt«, sondern für »nicht orthogonale Wellenform«, kurz NOW.

Extrem kurze Reaktionszeiten

»Damit ist das Fundament für eine kommende Standardisierung gelegt worden«, sagt der Berliner Nachrichtentechniker. Außerdem hat das Projekt den Stein zur weiteren Entwicklung ins Rollen gebracht. In Europa wird das Thema nun mit dem Advanced 5G Infrastructure Public-Private Partnership Programm (5GPPP) der Euro¬päischen Kommission weiter vorangetrieben, an dem auch Fraunhofer beteiligt ist. Die Ideen aus 5GNOW werden seit Juni auch im 5GPPP-Projekt FANTASTIC-5G weiterverfolgt, mit dem Ziel, eine 5G-Luftschnittstelle zu entwickeln und zur Stan¬dardisierung zu bringen. »5GNOW hat für diese Projekte den Boden bereitet, indem wir zeigen konnten, dass die alternativen Wellenformen die erforderliche Robustheit und die Latenz bieten, um einen effizienten funkgestützten Zugang für das Internet der Dinge und das taktile Internet zu ermöglichen«, betont Wunder. »Taktik wird das Netz durch extrem kurze Reaktionszeiten von etwa einer Millisekunde, so dass sich zum Beispiel Maschinen aus der Ferne vom Monitor aus bedienen lassen, als ob man vor Ort Knöpfe drücken würde. Diese nicht wahrnehmbare Verzögerung ist eine wichtige Voraussetzung für die Echtzeitkommunikation, ohne die wiederum das Internet der Dinge nie laufen lernen würde.

Damit sind etliche neue Anwendungen und Märkte denkbar. Fast jeder Lebensbereich könnte davon profitieren: vom smarten Wohnen über E-Health bis hin zu intelligenter Logistik und Ver¬kehrssteuerung. »Es wird auch den Nutzern von

 

Smartphones künftig nicht nur um Inhalte gehen, sondern darum, dass sie mit ihrem Gerät Dinge des Alltags steuern«, sagt Wunder. Das Handy würde dann zum Allround-Echtzeit-Controller.

Die Experten des HHI arbeiten noch in einem weiteren Projekt am Mobilfunk der Zukunft mit. Sie sind beteiligt an dem von Samsung koor¬dinierten Projekt mmMAGIC, das darauf zielt, Millimeterwellen-Technologien für 5G zu stan¬dardisieren. Denn die 5G-Mobilfunkzugangs-technologie wird voraussichtlich in einem Fre¬quenzbereich von 6 und 100 GHz arbeiten und somit Millimeterwellen-Frequenzen einschließen. Derart hohe Frequenzen für die Mobilkommu-nikation zu verwenden, ist technisch anspruchs-

 

voll, aber nötig, damit die extrem breitban-digen Dienste mit niedrigen Ende-zu-Ende-Latenzzeiten unterstützt werden können.

Um die neuen Technologien testen zu können, haben Experten am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin am Kompetenzzentrum Next Generation Network lnfrastructures NGNI einen 5G Play-ground aufgebaut. Diese Spielwiese schafft eine Forschungs- und Testumgebung für Wissen¬schaftler sowie Entwickler aus aller Welt, um an dem neuen Funkstandard zu feilen. Hier können Ideen und Prototypen erprobt, demonstriert und validiert werden. Die Zukunft des Mobilfunks hat begonnen — und zwar jetzt.

 

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