Samstag, 23. Januar 2010

Mykonos Island Greece Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Insel Mykonos
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=-3WeArQrJnY

Die seidenweiche Luft umfächelt sanft den Kör¬per und tut der Seele gut. Der Himmel ist so klar und blau wie niemals im August. Die Insel hält den Atem an. Die Hauptsaison ist vorüber. Jetzt findet das Kykladen-Eiland wieder zurück in sein ureigenes Tempo, die Zeit, in der man wieder Zeit hat. Das tut den Einheimischen gut, aber auch den Besuchern. Ein Dutzend Turnschuhe knirscht auf dem Schotter- weg, der sich durch verblühte Lavendel- und Thy¬mianbüsche schlängelt. Bergauf, Kurve links, berg¬ab, Kurve rechts. Trekking-Guide Evangelos kennt den Pfad zum Kap Armenistis und zur Panormos¬Bucht. Die Sommer-Partygänger können sich gar nicht vorstellen, welch herrlich stille Plätzchen sie verpassen. Evangelos, längst nennen ihn alle Van-gelis, wie das in Griechenland so üblich ist, zeigt hinunter zur blendend weißen Inselhauptstadt. Dort läuft gerade eine Fähre aus und die Sonne zaubert sanfte und zugleich leuchtende Töne in das sichel¬förmige Panorama.
Früh am Morgen sind die Wanderer aufgebrochen. Da ist die Musik im Cavo Paradiso auf Mykonos in der Hochsaison in der Regel noch nicht verstummt. Die Open-Air-Disco am Hang über dem Paradise Beach leert sich erst, wenn die Sonne zum Himmel steigt. Ein letztes Bier? Einen ersten Kaffee? Oder

schon zurück ins Hotel? Erschöpft packt der DJ seine Sachen zusammen, lässt ein Taxi rufen. Es war wie¬der eine jener rauschenden Nächte, wie man sie nur von hier kennt. Die Partygänger lieben die einzigar¬tigen Vibrationen der Insel, die ausgelassene Stim¬mung. Vergleiche mit Ibiza mag der DJ nicht. Seine Insel sei ungezwungener.
Mykonos ist ein Touristenmagnet der Ägäis. Schon im frühen 20. Jahrhundert diente es als Zwischen¬stopp für vorwiegend US-amerikanische Bildungs-reisende auf dem Weg nach Delos. Die pittoreske Kykladen-Architektur und die Sandstrände sprachen sich schnell herum, und in den 50er-Jahren avan¬cierte die Insel zu einem Lieblingsziel des Jetsets. Heute ist Mykonos Griechenlands schillerndster Partytreff, der die Nächte zum Tag macht.
Doch nun steht der Herbst vor der Tür. Mykonos atmet kräftig durch. Aber auch Anfang Oktober strö¬men am frühen Abend, wie von einer höheren Gewalt gesteuert, Mietautos, Motorroller, Minibusse und Radler durchs ockerfarbene Land in den Haupt-ort der Insel. Nun aber verlieren sich die Urlau¬ber zwischen den wild ineinander geschachtelten
Würfelhäusem und den blau und purpurrot lackier-ten Kirchenkuppeln. Schmale Gassen bilden ein la-byrinthisches Netz durch Mykonos-Stadt. Wie ein Spalier führen Außentreppen mit schlichten bunten Holzgeländern über Balkone in die Obergeschosse. Der Hype hat Einzug gehalten auf Mykonos, doch der Inselalltag lässt sich nicht vertreiben. Vielerorts herrscht ein Nebeneinander von Welten, die gegen-sätzlicher kaum sein könnten: teure Designer- Boutiquen (jetzt mit Ausverkaufspreisen) neben tra-ditionellen Webereien zum Beispiel oder die Kiriaki-Kirche direkt neben einem legendären Gayclub. Im Hafen sortieren Fischer friedlich ihre Netze, während die Fähre Neuankömmlinge an Land spuckt.
Im historischen Stadtteil Klein-Venedig liegen zahl-reiche kleine Bars, dazu leiser Drum'n'Bass und ein hübscher Blick auf die alten Mühlen von Mykonos. In Klein-Venedig stehen die geduckten Häuschen ganz nah am Wasser, und ihre Erker und Balkone ragen gefährlich weit über das Meer. Nicht ohne Grund, weiß Dimitri, der in einer der Bars kellnert: Früher lebten viele Insulaner von der Seeräuberei und durch die großfenstrigen Erker konnten sie ihre Beute direkt von den Booten in ihre Wohn¬zimmer verfrachten. Doch Dimitris Gäste interes¬siert die Vergangenheit kaum. Die Gegenwart ist wichtiger: Die Cocktails sind fruchtig und stark, die Sonne steht schon tief. Wenn sie dann glutrot ins

blaue Wasser der Ägäis taucht, wird applaudiert. Das ist Mykonos-Kult. Alles ist hier einfach stylisch. Ein kosmopolitisches Örtchen, das auch treffend Saint Tropez Griechenlands genannt wird.
Wer die Stillleben von den Ansichtskarten sucht, muss ins Inselinnere. Etwa nach Ano Mera zum Kloster Panagia Tourliani, das heute noch von drei gewichtigen Mönchen bewohnt wird. Dazu gibt es herrliche Sandstrände. Ornos Plati Gialos oder Paradise sind die bekanntesten — und gerade im Spätsommer ein Traum. Im hügeligen Norden ist es karg, einige wenige Gehöfte, da und dort mehrere Häuser mit einem Kafenion. Dort sitzen die Alten und lassen die Zeit verstreichen. Olivenbauern kom-men mit Säcken voller geernteter Früchte auf ihren Eseln des Weges. So still muss es vor 20 Jahren selbst im Sommer gewesen sein, bevor Mykonos als einer der beliebtesten „Plätze an der Sonne" entdeckt wurde.
Wenn bei Spiros, der direkt unter den weltberühm¬ten Windmühlen von Mykonos eine Taverne be¬treibt, in den Sommerferien am frühen Abend die Touristen einfallen, dann ist keine Zeit mehr für ein Schwätzchen. Dann schwitzen Ehefrau und Töchter in der Küche, während die Schwiegersöhne Sou-vlaki, gebratene Fische, Hummer, Bauernsalat und geharzten Retsina servieren. Spiros kann zufrieden sein, der Laden läuft. Da nimmt er sich dann an den

ersten Abenden ohne Massenandrang auch schon wieder mal Zeit für den Plausch. In der benachbar-ten Ouzeria spielt die Besitzerin jetzt wieder laufend wunderschöne griechische Musik, von Klassik über Rembetiko bis Pop. Im Sommer bestimmt das Publikum die Musikrichtung: Techno und Hip-Hop sind dann gefragt. Zwischendrin Independent und House. Die Ouzeria selbst ist eine Augenweide: Hier trocknen Kräuter in einer Schale, da quellen blü-hende Bougainvilleas aus einem Korb, meist sitzt man draußen an den Tischen in der belebten Altstadtgasse, bis weit nach Mitternacht. Das Party¬volk hat die Insel verlassen. Was den Blick auf eine ganz andere Seite der Insel freigibt.
Jetzt im Oktober ist es nicht mehr so überfüllt und der Meltemi, der heiße Wind des Sommers, hat sich beruhigt. Neben kleinen Pensionen sind in der Nebensaison auch die meisten Hotels geöffnet, die ihre Zimmer — den Touristen sei dank — zu er-schwinglichen Preisen vermieten. Dafür fällt ab Anfang November zwar ab und zu einmal Regen, doch was macht das schon: Für die großen Ein-drücke geht man ins Seefahrts-Museum, ins "Haus der Lena" mit seiner volkskundlichen Sammlung, ins Kulturzentrum mit Ausstellungen junger mit Mykonos verbundener Künstler und für die kleinen Erlebnisse einfach ins nächste Kafenion. 

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