Donnerstag, 21. Januar 2010

Pentecost Island Pazificinsel Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Pentecost Island Pazificinsel Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Die einmaligen Filmaufnahmen hat der Author Selzer-Mckenzie selbst auf der Pazificinsel Pentecost bei den Eingeborenen gedreht.
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=-bxtXAVUFbQ

Auf der Pazifikinsel Pentecost springen junge Männer von Holzgerüsten. Gehalten werden sie nur von Lianen — und dem wachsamen Blick ihres Stammesältesten
Du nicht!" Häuptling Lauran Tho springt auf und ist unzweideu¬ Jahren, in denen Tho Land Diving Doctor ist, hat es keine einzige tig in seiner Ansage. Dem Teenager, in dessen Augen, in dessen Verletzung gegeben. Was in der Tat erstaunlich ist, denn auf an¬Seele sich Tho versenkt hatte, werden die Lianen von den Fesseln deren Sprungtürmen im Süden Pentecosts passiert durchaus was,
abgenommen. Die hölzerne Plattform, die für ihn bestimmt Verletzungen sowieso, aber auch drei Tote in den letzten Jahren.
gewesen war, wird mit lautem Knacken abgebrochen. Der Blick Tho ist verantwortlich für alles Sprungtechnische, was hier in
des Jungen scheint erleichtert, keine Spur von Scham. Er respek¬ Lonorore auf Pentecost passiert, einer von 83 Inseln im Südpazi
tiert die Entscheidung des Weisen, klettert vom Turm und mischt fik, die zusammen den Staat Vanuatu ausmachen. Er bestimmt,
sich unter den Rest seines Stammes, dessen Singen und Tanzen welche Bäume für den Turm gefällt werden, er sucht die Lianen
den Sprung des Nächsten einleitet. aus, er überwacht den Bau und natürlich die Sprünge.
„Ich kann es nicht erklären", sagt Lauran Tho später, „es ist Die Vorbereitung dauert mehrere Wochen. Die Arbeiter kom
ein Geschenk, ein sechster Sinn. Ich spreche mit den Lianen, sie men von der ganzen Insel, sie kommen in mehrstündigen Fußmär
sagen mir, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wenn sich jemand schen oder in Ruderbooten übers Meer. Lauran Tho kommandiert
verletzen wird. Dann verbiete ich den Sprung." In den siebzehn den Bautrupp, der aus etwa fünfzehn Männern besteht, zwischen

acht und sechzig Jahre alt. Er zeigt auf die Bäume, die gefällt werden. Die Männer benutzen riesige Macheten dafür, dann tra-gen sie Stämme und Lianen zum Sprungplatz. Ein Generationen- riss wird sichtbar: Die jungen Männer tragen Shorts, die alten Nambas, den traditionellen Genitalschutz. Jean-Claude Asal, genannt „Van Damme", steht mit seinen 31 Jahren irgendwo in der Mitte und wird von den Youngsters ob seines Nambas so lang gehäkerlt, bis er zu Shorts wechselt.
Lauran Tho bestimmt neun Stellen, an denen Löcher gegraben werden. Die Männer schwitzen, Insekten piesacken sie, während Tho auf einem Hügel im Schatten sitzt. Keiner hinterfragt seine Autorität, wenn er Kommandos gibt und den Bau des Turms überwacht, jede Verbindung und jeden Knoten. Wenn der Turm steht, werden Plattformen eingezogen. Ein einfacher Holzmecha-nismus mit zwei sorgfältig geglätteten Pfosten, über welche die Lianen laufen, dient als Bremsmechanismus.
Tho ruft zum Feierabend, wenn er der Ansicht ist, dass genug Arbeit für den Tag geleistet wurde. Die Männer machen sich auf den Heimweg, nicht wenige von ihnen mit Kava-Wurzeln für die abendliche Entspannung im Gepäck. Der Rauschpfeffer wächst hier wie Unkraut, vier Jahre dauert es, bis man ihn ernten kann. Im Export bringt eine Wurzel rund zwei Dollar, und vielen Män¬nern sieht man ihre Vorliebe für das entspannende Getränk
schon von weitem an: Ihre Haut ist völlig ausgedörrt.
Am Tag des Land Diving ist alles fertig, es gibt verschiedene Höhen, aus denen die Männer springen werden.
Jeanis Asal, bärtig, über dreißig Jahre alt, genauer weiß das hier keiner, klettert auf den höchsten Punkt des Turms, zehn Meter über dem Erdboden. Bis auf das traditionelle Namba ist Jeanis nackt. Zwei Stammesangehörige begleiten ihn und befes-tigen je eine Liane an seinen Knöcheln. So tritt er vor Lauran Tho. Der versenkt sich in seine Augen und spricht mit den Lianen. Diesmal scheint alles okay. Jeanis Asal wird springen dürfen.
Das Singen, das Tanzen, das charakteristische Wupp-Wupp am Fuße des Turms wird lauter und intensiver. Männer und Frauen, alle in ihren traditionellen Gewändern, feuern den Springer an, der spielt den Ball an die Zuschauer zurück und fordert mehr, ähnlich einem Stabhochspringer in einem vollen Leichtathletikstadion. Auch eine Handvoll Touristen befindet sich unter den Zuschauern, rübergeflogen von Vanuatus Haupt-stadt Port Vila. Zehn Sprünge in einer Stunde werden die Touris-ten heute sehen, wobei der jüngste Land Diver gerade einmal acht Jahre alt ist, dann fliegen die Touristen wieder zurück, das Wetter, sagt der Pilot, Sie verstehen.
Als die Stimmung am Höhepunkt ist, drückt sich Jeanis Asal von der Holzkonstruktion ab, volle Körperspannung, die Arme seitlich ausgestreckt, perfekte Balance, wie ein Turmspringer. Bloß ist da kein Wasser unter ihm, da ist braune, festgetretene Erde. Sein Leben, seine Gesundheit hängt an zwei um seine Fußgelenke geknoteten Lianen.
Die Zuschauer in den hinteren Reihen hören nur ein lautes Knacken. Dann ist Stille. Jeanis Asal liegt am Boden, die Arme seitlich ausgestreckt, zwei Helfer eilen zu ihm. Da hebt Jeanis seinen Kopf, weiße Zähne blitzen aus dem staubigen Bart, er winkt den Zuschauern. Der hölzerne Bremsmechanismus, der den Fall dämpfen sollte, hat offenbar funktioniert, das war das Knacken. Und die Lianen haben gehalten. Die Menge tobt.
Über den Ursprung des Land Diving auf der südpazifischen Insel Pentecost gibt es mehrere Legenden, deren bestverbreitete so klingt: Es waren einmal Mann und Frau, die dauernd stritten. Eines Tages wurde es der Frau zu blöd, sie kletterte auf einen Baum und drohte damit, sich springend umzubringen. Ihren Mann überkamen Schuldgefühle, immerhin waren die beiden noch nicht so lang verheiratet. Sie mögen doch gemeinsam
springen, sagte er. Das taten sie. Was der arme Tropf nicht wusste: Die Frau hatte sich Lianen um die Beine gebunden, das rettete ihr Leben, während der Mann am Boden zerschellte. Der listigen Dame zu Ehren begannen die Inselfrauen zu springen, allerdings nicht lang: Die Grasröckchen der Insulanerinnen offenbarten beim Sprung allzu delikate Einsichten, woraufhin die Männer wieder das Kommando übernahmen und Land Diving zu ihrer Sache erklärten. Frauen sind seither nur mehr klatschendes und singendes Bodenpersonal.
Land Diving passiert ausschließlich zwischen März und Juni, man feiert damit die Yams-Ernte. Das Datum hat die erfreuliche Nebenwirkung, dass um diese Zeit die Lianen am saftigsten und somit haltbarsten sind. Eine Zeitlang galt Landtauchen außer¬dem als Initiationsritus; wer gesprungen war, galt als Mann.
Es gibt drei Sprungplätze auf Pentecost, die für Touristen zu-gänglich sind, Lonorore ist einer von ihnen. Der Flugplatz ist nur ein paar hundert Meter entfernt, schon bald soll er asphaltiert werden, heißt es. Am Flugplatz steht auch das einzige Telefon des Dorfes. Es gibt kein Stromnetz und nur eine Toilette, nur eine Wasserleitung, die ihren Ursprung oben am Berg hat. Zu essen gibt es entweder Lap-Lap, ein Gericht aus Bananen und der Was-serbrotwurzel Taro, oder Cracker, Corned Beef, Frühlingspizza und Instant-Nudeln. Wer hier auf der Insel ein Zimmer bucht, kriegt ein Bett im Krankenhaus. Auf der gesamten Insel leben laut Schätzungen zwischen 9000 und 11.000 Menschen.
Pentecost ist eine der letzten nahezu unberührten Inseln der Region. Es gibt hier Palmen, Schildkröten, Kokosnüsse und Wasserfälle, in der Nacht sieht man den roten Widerschein der zwei aktiven Vulkane auf der Nachbarinsel Ambrym. Gefischt wird von traditionellen Kanus aus, ein Fluss heißen Thermal-wassers mündet ins Meer. Pentecost ist ein potenzielles Touristen¬paradies, es gibt immer wieder Gerüchte, japanische Investoren würden in großem Stil hier einsteigen. Noch aber fehlt es an der Infrastruktur. Immerhin, eine Touristenattraktion gibt es schon: Land Diving eben.
Während die Lebensumstände auf Pentecost und Umgebung also relativ bescheiden sind, ist der sprachliche Reichtum enorm. Im Staatsgebiet von Vanuatu werden nicht weniger als 110 Spra-chen gesprochen. Auf Pentecost allein sind es fünf: Raga, Apma, Ske, Sowa und Sa, daneben natürlich die Nationalsprache Bislama. Außerdem haben die meisten Schulen entweder engli-schen oder französischen Hintergrund, darum ist es hier völlig normal, fünf Sprachen zu sprechen. Silas Buli, der Direktor des Rawandi College, spricht gar acht Sprachen. 335 Schüler hat er aktuell, die Eltern zahlen für den Schulbesuch mit Schweinen, Hühnern, Taro oder Krautköpfen. Darüber hinaus wird die Schu¬le von der australischen Gesellschaft Oz Aid unterstützt. Lang¬sam kommt die Moderne nach Pentecost.
Land Diving ist auch längst kein Initiationsritus mehr, heute ist es ein Sport. Auf den jungen Männern laste kein Druck zu springen, sagt Lauran Tho, der Zeremonienmeister. Für Sprünge gibt es heute Geld. Umgerechnet drei Dollar für einen Sprung von der untersten Plattform, fünfzehn von der obersten. Das Geld sei freilich nicht für die Sportler selbst, fügt er hinzu. Das Geld geht an den Clan des Springers. Anatol Anas hat beispiels-weise die ganze Insel durchquert, zwei Tage zu Fuß, um ein biss-chen Geld für seine Sippe zu verdienen.
Der persönliche Gewinn eines solchen Sprungs sei sozialer Aufstieg, erklärt Lauran Tho. Wer springt, ist ein Held. Nicht nur des Sprungs wegen, sondern weil er Leib und Leben für die Gesellschaft einsetzt.
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