Freitag, 26. März 2010

Cabo de Gata Spain Travel Reise Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Eine Reise nach Cabo de Gata Spain
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=vWRUxbjXR8c


Es s war eine Art Liebe schon vor dem ersten Blick, zumindest eine höchst verheißungsvolle Vorah¬nung. Wie sollte es auch anders
sein, wenn man auf dem Weg ist zu einem Stück spanischer Mittelmeerküste, das an¬geblich nicht verbaut und schon gar nicht verschandelt ist? Muss man so etwas nicht unbesehen mögen? Und schon wäh¬rend der Fahrt zum Cabo de Gata in den östlichen Ausläufern der Sierra Nevada beginnt ein anderes, wenig bekanntes An-dalusien: ohne Bettenburgen und Strän-de, auch ohne Olivenhaine, Flamenco oder Stierkampfarenen.
Dennoch erscheint der Hintergrund vertraut. Es sind Bilder aus dem Kino, die sich hier aufdrängen, Landschaften des Wilden Westens und des mexikanischen Nordens. Es ist die Szenerie, die der Italo¬Western einst auf die Leinwand gebracht und anschließend bis zum Klischee ver-braucht hat: karge, von der Erosion zer-fressene Berge aus Fels, Geröll und Sand; nur niedriges Gestrüpp, ein paar Kakteen und Agaven, mehr nicht. Der Regisseur Sergio Leone entdeckte diese Gegend rund um das Dörfchen Tabernas in den sechziger Jahren, ließ ein paar Kulissen hineinbauen und nutzte das Ganze als Schauplatz für verschiedene Filme. „Eine Handvoll Dollar", der erste Italo-Western überhaupt, wurde hier gedreht, dann der Klassiker „The Good, the Bad and the Ugly", später auch amerikanische Wes¬tern. Clint Eastwood hat hier seine Kar¬riere begonnen und ist mit Lee van Cleef
und Burt Lancaster zu Fuß und zu Pferd durch die Landschaft gezogen.
So sieht man in dieser kakteenübersä-ten Steinwüste auch heute noch mit etwas Phantasie Django seinen Sarg über den Boden zerren, kann sich irgendwo in der Ebene den passenden Ort für die Inszenie¬rung eines Duells zwischen zwei Revolver¬helden vorstellen, und in der glühenden Hitze zur Mittagszeit baut sich eine An¬spannung auf, die sich jeden Moment in einem Mundharmonika-Motiv von Ennio Morricone entladen könnte. Nur das mau-rische Kastell von Tabernas passt nicht ins Bild. Die Regisseure haben es ausge-blendet, und den Besucher erinnert es dar¬an, dass er sich weder im amerikanischen Westen noch im Kino befindet.
Lucainena de las Torres ist ein weißes andalusisches Dorf, aber keines, das ei-nen besonderen Ruf hat und von Touris¬ten besucht wird. Verloren liegt es jen¬seits von Tabernas am Rande der Sierra Alhamilla. Eine drei Meter breite Gasse führt ins Dorf hinein und gleich wieder hinaus. An der winzigen Plaza gibt es drei Parkplätze, aber kein Auto. Die Tür zum Rathaus steht offen, doch niemand geht hinein oder hinaus. Im Foyer hängt eine Vitrine mit zwei Dutzend blankgeputzten Pokalen, die vor vielen Jahren offenbar die örtliche Fußballmannschaft gewon¬
hat; ansonsten kein Hinweisschil keine Ankündigung, nichts. Im einzig Cafe am Platz sitzt eine Handvoll alte Männer. Mit ihren zahnlosen Mündet brabbeln sie ein kaum verständliches Sp nisch. Drei verlorene Serrano-SchinkE hängen an der Decke, in einer Ecke 1 gern ein paar Fünf-Liter-Flaschen mit G venöl, und auf dem Tresen piepst in SE nem Käfig ein Kanarienvogel. Zwei Mii terchen in tiefschwarzen Kleidern schlE chen sich im schmalen Schatten auf d gegenüberliegenden Straßenseite vorh jemand zapft am Brunnen Wasser in E nen Kanister. Ein uralter Trecker fäh vor und bleibt tuckernd vor der Kneij stehen. „Wo kommst du her?", wird Neuankömmling gefragt. „Del campo, dando", sagt er, vom Feld und durchg schwitzt.
Lucainena ist keine Geisterstadt, ab viel fehlt nicht dazu. Gespenstisch mut( die Ruinen der ehemaligen Schmelzöl( an, die vor dem Dorf am Hang stehe Jahrzehntelang wurde in den Berg( nach Erz gegraben, doch das ist lange v bei. Mehr Spuren der Zivilisation si: nicht zu erkennen. .Jenseits des Don beginnt die Sierra Alhamilla, ein La von dürrer Schönheit, in dem im Frühja Disteln, Ginster und Margeriten blüh( vorausgesetzt, es kommen auf dieser S te der Sierra Nevada einige Regentropf an. Schon im Frühsommer aber ist al sonnenverbrannt. Nur wenige einsai Gehöfte, die dem kargen Boden wer vo was abringen, liegen weit verstreut im ( birge. Von den vereinzelten Feigen-, ( ven- und Mandelbätmen lässt sich ka leben. Es ist ein Land, wie es der andali sche Dichter Federico Garcia Lorca in nem Drama „Bluthochzeit" beschrie' hat: „Man musste die., Erde bestrafen o beweinen, um etwas Nützliches aus herauszuholen."
Eine einsame Passstraße, die kaum mand kennt, führt in hundert engen pentinen über die Sierra. Im Jahr 1 mag sie der junge han Goytisolo ben haben, als er sich auf der Suche nach wirklichen, ungekhönten Spanien ; Cabo de Gata begab. Unterwegs traf junge spanische Schriftsteller auch , Jahrzehnte nach Garcia Lorca nichts Armut, Tristqsse und Verzweiflung
Sein anschließender Bericht über die „Campos de Nijar" war eine stumme An¬klage gegen die Folgen der damals schon zwanzig Jahre währenden Franco-Dikta¬tur, durch die sich die Rückständigkeit der andalusischen Provinz auf immer zu zementieren schien. Wenig, so scheint es bei der Fahrt durch die Sierra zunächst, hat sich seither geändert.
Doch dann erreicht man die Passhöhe, , und von dort aus fällt der Blick hinunter. ins Tal auf die heutigen Campos de Nijar, die nicht mehr karg und vertrocknet, son¬dern von gigantischen Treibhäusern aus Plastikplanen überzogen sind. Wie ein Ozean aus Zellophan flimmern sie in der Sonne. Darin werden Obst und Gemüse in so ungeheuren Mengen gezogen, dass die Provinz Almeria halb Europa versor¬gen kann. Ein moderner Goytisolo würde im Angesicht dieser plastifizierten Land¬schaft eine neue Form der Verödung be¬klagen. Und er müsste Arabisch spre¬chen, dann könnte er von den hien arbei¬tenden Marokkanern wahrscheinlich ähn¬liche Klagen hören wie der Schriftsteller damals bei seinen Landsleuten.
Jenseits der Campos de Nijar beginnt der Naturpark von Cabo de Gata, seit 1997 auch Biosphärenreservat der Unesco. Die Halbinsel am Kap ist die son-nenreichste Zone Europas, eher ein Stück Nordafrika, das auf den benachbarten Kontinent verpflanzt wurde. Tatsächlich
Foto Quadriga Images / LOOK-foto
ähnelt die Flora den Randzonen der Saha¬ra, und kleine Gruppen von Dattelpal¬men lassen an eine Oase in der ägypti¬schen oder algerischen Wüste denken. Hier soll die sonnendurchglühte Not ei¬nes ausgetrockneten Landes zur ökologi-schen und touristischen Tugend gemacht werden: Naturschutz und schonende Ent¬wicklimg von Landwirtschaft und Touris¬mus sind das Ziel.
Hundert Meter jenseits der Uferstraße und unmittelbar am Rand der winzigen Dörfer beginnt auch hier nach wie vor das archaisch anmutende „campo". Manche Felder werden noch bearbeitet, viele lie¬gen brach, Gehöfte sind zerfallen. Es gibt sie aber noch, die Landarbeiter auf den
Gutshöfen, die große Weizenfelder bestel¬len, und die Hirten, die ihre Schaf- oder Ziegenherden über die steinige Erde be¬gleiten. In den Bars von Los Escullos oder Isleta del Moro trifft man auch noch Män¬ner, die von den schweren Zeiten erzäh¬len, als sie ihre Weizensäcke zur Mühle schleppen mussten und die Brüder und Schwiegersöhne nach Deutschland zum Arbeiten emigrierten — eine Epoche, die hier noch bis zum Ende der achtziger Jah¬re anhielt.
Jenseits des Dörfchens Los Albarico-ques hört plötzlich die asphaltierte Straße auf, über zehn Kilometer Holperstrecke geht es weiter bis Rodalquilar, in der Um¬gebung nichts als Felsen, Steine, Staub und Gestrüpp, ein verlassener Bauern¬hof, die Fundamente einer Kirche. Wie¬der fühlt man sich an Garcia Lorca erin¬nert: „Vier Stunden Fußweg und weder ein Haus noch ein Baum", heißt es in sei¬nem Drama. Das ist kein Zufall, denn an dieser Strecke steht tatsächlich das Ge¬höft Cortijo del Fraile, in dem sich 1928 jene Familientragödie zutrug, die der Dichter als Vorlage für seine „Bluthoch¬zeit" nahm. In der Hochzeitsnacht ver¬schwand hier eine Braut mit ihrem Ge¬liebten, weil sie den ihr zugedachten Ehe¬mann nicht mochte. Die Flucht endete im Blutbad — in der Realität ebenso wie auf der Bühne.
Der Wind des Mittelmeers ist jetzt schon zu spüren, doch wo bleiben die Hochhäuser, die Supermärkte, die Disko¬theken, der Verkehr? Nichts von alle¬dem, statt dessen noch einmal die verfal¬lenen Anlagen ehemaliger Bergwerke. Rodalquilar erlebte in den fünfziger Jah¬ren einen regelrechten Goldrausch. Doch die „6poca de mäximo esplendor", wie es auf einer Tafel im Ort heißt, diese Zeit des größten Glanzes, war 1966 zu Ende. Fast über Nacht fiel die Einwohner¬zahl von vierzehnhundert auf fünfund¬

siebzig. Erst in jüngster Zeit hat sich ein wenig neuer Glanz eingestellt. Der Tou-rismus ist inzwischen hier angekommen, aber in zurückhaltender Weise: mit klei¬nen Feriensiedlungen und einstöckigen Hotels. So kann es also auch gehen, möchte man vielen anderen Orten rund ums Mittelmeer zurufen.
Cabo de Gata hat, auf den ersten Blick gar nicht so offensichtlich, einen vulkani¬schen Ursprung. Die Halbinsel ist das Re¬sultat von Lavaflüssen, die vor zehn Mil¬lionen Jahren von der Sierra ins Meer strömten. Am Strand von Rodalquilar ha¬ben sie großartige Klippen aus gelbem Sandstein hinterlassen. Es scheint, als wäre dort das Meer selbst zu Wellen aus Sand erstarrt. Meer und Wüste treffen sich hier, und das Wasser formt mit seiner ewigen Bewegung und schmirgelnden Kraft eine Küste, die Bucht für Bucht in kühnen Kurven und Wölbungen ausge-schabt ist. Der weiche Stein lässt sich von den Wellen bespülen, rund waschen und aushöhlen, bis er an irgendeiner Stelle zu¬sammenbricht. Zwischen den Klippen liegt hier und da ein winziger Strand, nur zu erreichen über einen Kletterpfad, und manchmal hat die Wasserkraft den Fels auch zu einem mehrere hundert Meter langen Sandstrand zerrieben. So sorgt das Meer für einen ständigen Wechsel aus ge¬rundeten Oberflächen, kantigen Felsen und ebenen Sandflächen.
Besonders augenfällig wird der vulkani¬sche Charakter der Küste an der Playa Mönsul bei San Jos6, an dem neben einer riesigen Wanderdüne das dunkle Vulkan¬gestein in grotesken Formen aus dem hel¬len Sand herauswächst: gigantische Lava¬brocken und viereckige Basaltsäulen, von Wind und Wellen zerlöchert und zerfres¬sen. Auch hier sind die Landschaften film-reif: 1960 drehte Anthony Mann den Klas¬siker „El Cid" mit Charlton Heston und Sophia Loren; kurz darauf tummelten


Und ist die Welt noch so fern, eine h
sich am Cabo de Gata Karin Dor und chim Fuchsberger in der deutschen duktion „Der letzte Mohikaner"; An ny Quinn und Omar Sharif kamen fü Dreharbeiten zu „Lawrence von bien", und schließlich diente der St] von Mönsul als irreal anmutender Sc platz für die Abenteuer von Indiana J( im Film „Der letzte Kreuzzug".
Cabo de Gata ist auch heute kein Nfi paradies, das ausschließlich sich s überlassen ist. Obwohl der Naturpark mehr als zwanzig Jahren existiert, st( in Strandnähe oder auch im Hinter verdächtig viele Neubauten. Der D auf das Schutzgebiet ist groß: Viele heimische sehen nicht ein, warum at rechnet sie am großen spanischen To tengeschäft nicht oder nur eingeschr
beteiligt sein dürfen. Freie Flächen, wie sie anderswo an Spaniens Mittelmeerküs¬te nicht mehr anzutreffen sind, locken au¬ßerdem Spekulanten und mit ihnen ver¬bündete Lokalpolitiker an. Aus dem Hin¬terland drängen die Gewächshäuser an die Grenze des Parks.
Offiziell erlaubt ist das Bauen inzwi-schen zwar nur noch innerhalb der Orts¬grenzen, doch wo die im Einzelfall genau verlaufen, scheint Ansichtssache und ist in der Vergangenheit offenbar recht gro߬zügig ausgelegt worden. Die Bucht von San Jose ist rund um den hübschen, halb¬mondförmigen Strand auf fast jedem Zen¬timeter zugebaut, und die Terrassenhäu¬ser ziehen sich an allen Seiten weit die Hü¬gel hinauf. Die meisten Architekten aber halten sich wenigstens an den traditionel¬ len Baustil der Region. Sie imitieren die alten Cortijos mit ihren flachen Wohn¬häusern und Stallungen oder erinnern in den Dachkonstruktionen an Windmüh¬len und überdachte Brunnen. Ab und zu sieht man auch Reminiszenzen an die Alji¬bes, die tunnelartigen, mit langgestreck¬ten Gewölben bedeckten Zisternen, in die früher nach kurzen, aber unwetterartigen Regenfällen das aus den Bergen herab- schießende Wasser geleitet wurde.
Dass einzelne Investoren allerdings dreist und rücksichtslos agieren können, zeigt der Versuch, einen monströsen Ho¬telkomplex an die Playa Algarrobico zu setzen: Mit allen lokalen Genehmigun¬gen versehen, entstand dort ein Hotelko¬loss, der gegen die einschlägigen andalusi¬schen Bauvorschriften verstieß, und erst als alles schon fast fertig war, wurde das Vorhaben gestoppt. Der Bau sollte abge¬rissen werden, aber bis heute verschan¬delt diese Spekulationsruine die Land¬schaft am äußersten nordöstlichen Ende des Naturparks.
Wie unerschlossen aber der weitaus größte Teil der Küste ist, zeigt sich vom Aussichtspunkt am ehemaligen Wach-turm Vela Blanca: in beiden Richtungen, so weit das Auge reicht, keine einzige Siedlung, kein Haus, nur der Leuchtturm am Cabo de Gata und ansonsten die Steil¬küste aus Vulkangestein — mal schwarz und grau, mal ocker und gelb. Dahinter erstreckt sich die karge Berglandschaft der Sierra, und über allem steht der fünf¬hundert Meter hohe Cerro de los Frailes, der Rest eines ehemaligen Vulkans. Die Dörfer haben sich getarnt, stecken irgend¬wo hinter einem Berg, und sogar das et¬was ausgeuferte San Jos6 ist wie magisch von der Bildfläche verschwunden. Trotz aller Schwierigkeiten und Einschränkun¬gen löst Cabo de Gata also sein Verspre-chen ein: fünfzig Kilometer spektakuläre und unverbaute andalusische Mittelmeer¬küste.
Das wilde Kap
51 Anreise: Den Flughafen von Almeria fliegt unter anderen die
spanische Fluggesellschaft Iberia an, von Deutschland aus mit Umsteigen in Madrid (ab 320 Euro); er liegt zwölf Kilometer vom westlichen Ein¬gang des Naturparks entfernt. Auf der Halbinsel selbst kommt man nur mit einem Auto wirklich voran.
• Unterkunft: Kleine Hotels, Pensio¬nen und Appartements finden sich in allen Orten, besonders viele in San Jos. Außerhalb der spanischen Feri¬enzeit ist dort auch ohne Reservie-rung immer ein Zimmer zu haben.
B Wanderungen: Ein wunderbarer Pfad führt vom Strand von Rodalqui¬lar über die Sandsteinklippen direkt am Meer entlang. Den schönsten Ausblick über die gesamte Küsten¬landschaft hat man auf dem vier Kilometer langen Weg von der Playa Mönsul hinauf zum ehemaligen Wachturm Vela Blanca.
• Touren: Exkursionen zu Pferd und mit dem Jeep organisiert Cortijo EI Sotillo am Ortsrand von San Jos, Telefon: 00 34/950/61 11 00.
• Besucherzentrum: Las Amolade¬ras liegt an der westlichen Zufahrt zum Park. Dort bekommt man Infor¬mationsmaterial. Sehenswert ist dort die AL.istellung zu Geologie, Flora und Fauna am Cabo de Gata.
Information: Spanisches Fremden¬verkehrsamt, Myliusstraße 14, 60323 Frankfurt, Telefon: 0 69/72 50 33, E-Mail: frankfurt@tourspain.es.


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