Donnerstag, 17. März 2016

Mikrophon-Aufnahmetechnik bei der Musikproduktion

Mikrophon-Aufnahmetechnik bei der Musikproduktion
Author D.Selzer-McKenzie
https://youtu.be/gElx6cX2g2o
Funktionsprinzipien von Mikrofonen
Bei der Musikproduktion und bei Live-Musik werden fast ausschließlich dynamische Mikrofone und Kondensatormikrofone verwendet.
Im Studio verwendet man hochwertige Kondensatormikrofone für die meisten Instrumental- und Gesangsaufnahmen. Bei Schlagzeugaufnahmen, bei der Abnahme von Lautsprecherboxen (E-Gitarre) und insbesondere in Live-Situationen werden auch viele dynamische Mikrofone eingesetzt. Dynamische Mikrofone erweisen sich als mechanisch weniger empfindlich. Man kann sie eher einmal fallenlassen, und sie vertragen einen Schlag mit dem Drumstick. Gegenüber Störgeräuschen sind sie weniger „hellhörig", erreichen aber dennoch eine uneingeschränkt studiotaugliche Qualität, wenn ihre gegenüber Kon-densatormikrofonen zumeist schwächere Höhenwiedergabe erwünscht ist, was oft genug der Fall ist.
Solange man keine Orchester und keine Schlagzeuge aufzeichnen will, kann man mit sehr wenigen Mikrofonen auskommen, da die Spuren nacheinander aufgezeichnet werden. Bei überwiegend elektronischen Produktionen genügt oft ein einziges. Allerdings ist man schlecht beraten, an der Qualität des Mikrofons zu sparen.
Die Studio-Szene bleibt bemerkenswert alten Mikrofontypen treu, die zum Teil schon seit Jahrzehnten auf dem Markt sind. Zu den beliebtesten Großmembran-Kondensatormikrofonen im Studio zählt das Neumann U 87. Das erfolgreichste dynamische Mikrofon, noch heute Standard bei Live-Gesang, sind das Shure SM 58 und das für die Instrumental- und Gitarrenboxen-Abnahme bewährte, bis auf den fehlenden Korb praktisch baugleiche SM 57.
4.2 Dynamische Mikrofone
Wie das der Lautsprecher basiert das Funktionsprinzip der dynamischen Mikrofone auf der elektromagnetischen Induktion. Wenn eine Leiterschleife (Spule) in einem Magnetfeld bewegt wird, wird in der Spule eine Spannung induziert. Wenn andererseits durch die Spule, die sich in einem Magnetfeld befindet, ein Strom fließt, bewegt sich die Spule. So bewegt die Spule eines Lautsprechers die an ihr befestigte Membran.
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An der Membran eines dynamischen Tauchspulenmikrofons ist also eine Spule befestigt, die sich in dem Magnetfeld eines Permanent-Magneten bewegt. Die Spannung zwischen den beiden Enden der Spule verhält sich analog zum Luftdruck.
Dynamische Mikrofone vertragen sehr hohe Schalldrücke und können diese verzerrungsarm übertragen. Die Masse der Membran ist jedoch größer als die der Kondensatormikrofon-Mem-branen. Wegen der Masseträgheit ist die Impulswiedergabe nicht ganz so gut. Der Frequenzgang der Amplitude ist zumeist nicht ganz so gerade wie der von Kondensatormikrofonen.
Die gelegentlich geäußerte Empfehlung, die Wahl des Mikrofons besonders auf die individuelle Stimme einer Sängerin oder eines Sängers abzustimmen, erscheint zweifelhaft, denn grundsätzlich ist die lineare Übertragung des gesamten Frequenzbereichs erwünscht - es sei denn, man will Spezialeffekte erzielen.
Wirksamer als die Wahl eines speziellen Mikrofons oder der grobe Einsatz von Equalizern ist die Arbeit an einer guten Gesangstechnik, wenn Intonation und Klang des Gesangs nicht zufrieden stellen. Vor jeder Gesangsaufnahme sollte die Sängerin/der Sänger Atemübungen durchführen und sich gut einsingen. Das gilt für Rock- und Popsänger nicht weniger als für die „klassischer" intonierenden Musical- und Belcanto-Sänger.
4.3 Kondensatormikrofone
Die Membran eines Kondensatormikrofons bildet gemeinsam mit einer unbeweglichen Gegenelektrode die beiden Platten eines elektrischen Kondensators, dessen Kapazität vom Abstand beider Platten abhängt. Da die Membran im Takt des Schalls schwingt, ändert sich die Kapazität des Kondensators analog und Strom fließt analog zum Schall.
Das abgebildete Neumann TLM 103 ist ein Gro ßmembran-Konden-satormikrofon mit der Richtcharakteristik Niere. Das trafolose Mikrofon ist für anspruchsvolle Gesangsaufnahmen geeignet.
Die Masse der mit Metall beschichteten Membran ist besonders gering. Wegen ihrer geringen Trägheit ist die Impulswiedergabe von Kondensatormikrofonen besonders gut.
Der Kondensator muss elektrisch geladen sein - deshalb benötigen Kondensatormikrofone eine Versorgungsspannung. Kon-densatormikrofone enthalten kleine Verstärkerstufen für die Anpassung der Kapselimpedanz und des Pegels, die so genannten Impedanzwandler. Auch für diese wird die Spannungsversorgung benötigt.
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Transformatoren in Kondensatormikrofonen
Bei der Konstruktion von Kondensatormikrofonen setzen sich zunehmend Konzepte ohne Transformator im Impedanzwand-ler durch, denn diese können höhere Schalldrücke verzerrungsfrei übertragen. Es ist konstruktiv anspruchsvoller, bei elektronisch symmetrierten Mikrofonen eine ebenso gute Symmetrie des Signals zu erzielen wie bei der Verwendung von Übertragern (Trafos). Die Trafos wirken als Bandpässe, bieten jedoch ebenfalls sehr gute Frequenzgänge. Ob mit oder ohne Trafo das Mikrofon kann so oder so von exzellenter Qualität sein.
Phantomspeisung
Kondensatormikrofone werden im Studio mit Hilfe von XLR-Kabeln angeschlossen, die eine symmetrische Signalführung gestatten. Lange Kabelstrecken sind dann unproblematisch. Die Spannungsversorgung erfolgt heute durch die so genannte „Phantomspeisung" von 48 Volt, die am Mischpult oder Preamp zentral, in Gruppen oder für jeden einzelnen Mikrofoneingang getrennt geschaltet werden kann. Der Anschluss dynamischer Tauchspulenmikrofone an Kanäle mit Phantomspeisung führt nicht zu Beschädigungen. Aufpassen muss man aber bei den spezielleren Bändchenmikrofonen: Diese vertragen keine Phan-tomspeisung. Auch Tauchspulenmikrofone vertragen nicht die veraltete Tonaderspeisung und auch keine falsch gepolten Kabel. Im Zweifelsfall schaltet man auch die Phantomspeisung lieber aus.
Der Anschluss unsymmetrischer und Line-Signale an die XLR-Buchsen kann bei eingeschalteter Phantomspeisung Defekte verursachen. Vorsicht ist bei der Verwendung von Adapterkabeln von Klinke oder Cinch auf XLR-männlich geboten!
Klein- und Großmembran-Kondensatormikros
Betrachtet man die technischen Daten und die Bauformen von Kondensatormikrofonen, liegt die Frage auf der Hand, weshalb es Mikrofone mit kleinen und großen Membrandurchmessern gibt. Interessanterweise liegen bedeutende Vorteile auf Seiten der Kleinmembraner, die etwa bei Orchesteraufnahmen tatsächlich fast ausschließlich zum Einsatz kommen. Kleinmem-bran-Kondensatormikrofone sind nicht nur besonders impulsfreudig, sondern auch besonders linear in der Wiedergabe des gesamten Frequenzspektrums, auch was die Basswiedergabe anbelangt. Ihre besondere Stärke ist jedoch die relative Verfär-bungsfreiheit von seitlich eintreffendem Schall, genauer: die erst bei höheren Frequenzen einsetzende Verfärbung „off-axis" eintreffenden Schalls. Eine solche Verfärbungsarmut zählt zu
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
den wichtigsten Qualitätskriterien von Mikrofonen - und Groß-membraner tun sich hier prinzipbedingt schwer. Die große Membran flattert bei seitlich eintreffendem Schall wie eine Fahne im Wind „in sich", anstatt sich im Ganzen hin- und herzubewegen. Dadurch werden relativ zur Membrangröße kurzwellige (hochfrequente) Schallanteile nicht erfasst. Es ist aber schwerer, Kleinmembranmikrofone mit einem ebenso guten Abstand von Nutzsignal und Grundrauschen zu bauen. Groß-membraner klingen deshalb „wärmer", weil durch die Rich-
tungsabhängigkeit des Frequenzgangs mehr tieffrequenter Reflexionsschall erfasst wird. Das entspricht vielfach genau dem
ästhetisch Erwünschten. Je stärker die Richtwirkung, desto stär-
ker ist auch die Ungleichmäßigkeit der Richtwirkung bei verschiedenen Frequenzen. Das Verhältnis der Richtwirkung in den Höhen und den Tiefen wird bei Mikrofonen durch das so ge-
nannte Bündelungsmaß beschrieben. Als Orientierung können diese Regeln dienen, die durch viele Ausnahmen und Experimentierfreude bestätigt gehören:
* Wenn eine einzelne Schallquelle mit einem einzelnen Mikrofon im Studio frontal aufgenommen wird (beispielsweise Gesang), empfiehlt sich der Einsatz eines Großmembran-mikrofons.
* Wenn viele Mikrofone gleichzeitig für Aufnahmen eingesetzt werden und die einzelnen Mikrofone viel Schall von der Seite erfassen (Orchesterstützmikrofone) sowie bei Stereo-Haupt-mikrofonverfahren (ebenfalls Orchester und Chöre) bieten sich Kleinmembran-Kondensatormikrofone an.
Die Kleinmembran-Mikrofone der modularen Colette-Serie von Schoeps sind Klassiker der Orchestermikrofonierung, da sie zu den verfärbungsärmsten Mikrofonen zählen, wenn der Schall „off-axis", also schräg, einfällt. Die Mikrofone von Schoeps vermögen ihr lineares Übertragungsverhalten ohne elektronische Filterelemente zu erzielen - wofür sie von Tonmeistern besonders geschätzt werden.
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken

Elektret-Kondensatormikrofone
Bei manchen Kondensatormikrofonen wird die elektrische Vor-spannung der Membran beziehungsweise ihrer Gegenplatte nicht durch die Phantomspeisung, sondern durch eine Permanentladung erzielt. Dazu dient ein so genanntes Elektret. Dabei handelt es sich um einen Kunststoff, der permanent elektrische Ladungen halten kann - zumindest über viele Jahre. Eine Spannungsversorgung für den Impedanzwandler wird nach wie vor benötigt. Daher werden Elektret-Kondensatormikrofone entweder ebenfalls mit Phantomspeisung - oft genügen 12 Volt, aber auch 48 Volt werden akzeptiert - oder mit einer Batterie gespeist. Batteriegespeiste Mikrofone sind in der Musikproduktion nicht gebräuchlich, wohl aber phantomgespeiste Elektret-Kon-densatormikrofone wie das Shure SM 87 oder Beta 87. Elektret-Kondensatormikrofone lassen sich wesentlich billiger produzieren als konventionelle Kondensatormikrofone, sind wegen der größeren Dicke der Elektretmembran aber oft qualitativ leicht unterlegen. Die qualitativen Unterschiede fallen so gering aus, dass manches Elektret-Mikrofon manches konventionelle Kon-densatormikrofon übertrifft. Die Elektret-Bauweise ist insbesondere bei Kleinmembranmikrofonen und in der Hand gehaltenen Live-Mikrofonen verbreitet.
4.4 Richtwirkung und Frequenzgang
Bei den Bauformen der Mikrofonkapsel unterscheidet man Druckempfänger und Druckgradientenempfänger. Der Druckempfänger misst den Schalldruck, der Druckgradientenempfän-ger die Druck-Differenz des aus verschiedenen Öffnungen eintretenden Schalls. Der Druckgradientenempfänger kann verschiedene Richtwirkungen besitzen, die die Form einer Niere (Cardioid), der sogennanten Hyperniere, einer Acht oder einer Keule einnehmen. Das heißt, dass diese Mikrofone bevorzugt Schall aus bestimmten Richtungen „hören". Druckempfänger besitzen eine Kugelcharakteristik, das heißt, dass das Mikrofon auf Schall aus allen Richtungen gleichermaßen reagiert. Bei der Aufnahme ist fast immer eine gewisse Richtwirkung erwünscht.
Die hinteren Öffnungen des Korbs eines Mikrofons dürfen nicht verdeckt werden, etwa durch die Handhaltung eines Sängers, der live sein Mikrofon in der Hand hält. Dadurch verliert das Mikrofon seine Richtcharakteristik und wird besonders empfindlich gegen akustische Rückkopplungen. Außerdem verändert sich der Klang.
Hochwertige Studiomikrofone übertragen in etwa den Frequenzbereich von 40 Hz bis 20 kHz mit einer Toleranz von etwa ±2 dB. Manche Mikrofone reichen freilich auch tiefer hinab.
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Kondensatormikrofone sind dynamischen Mikrofonen tendenziell überlegen.
Nieren-, Hyper- und Supernierencharakteristika
Die Richtwirkung von Mikrofonen wird in Diagrammen angegeben, in denen so genannte Isobaren die Linien gleicher Empfindlichkeit darstellen. Isobaren kennt man auch von der Wetterkarte. Bei den Richtdiagrammen für Mikrofone sind allerdings nicht Linien gleichen Luftdrucks, sondern Linien gleichen Schallwechseldrucks dargestellt, die nötig sind, um aus den verschiedenen dargestellten Einfallsrichtungen zu einem konstanten Pegel am Mikrofonausgang zu führen. Aus den nierenförmigen Isobaren eines Mikrofons mit Nierencharaktersitik ist ersichtlich, dass man von hinten sehr viel näher ansprechen müsste als von vorn, um den gleichen Ausgangspegel zu erzielen — das Mikrofon hat eine Richtwirkung. Bei der Hyperniere und der engeren Superniere ist die Empfindlichkeit nicht genau von hinten am geringsten, sondern von schräg hinten. Dadurch wird mehr rückwärtig eintreffender Schall bedämpft. Bei der Aufstellung von Live-Mikrofonen ist zu beachten, dass die Monitorbox aus der Richtung der geringsten Empfindlichkeit des Mikrofons schallen soll, um die Mitkopplung weitgehend zu unterdrücken. Je einfacher die Richtcharakteristik, desto linearer fällt oft der Frequenzgang aus. Die Nierencharakteristik heißt auf englisch „cardioid". Die Richtwirkung soll möglichst frequenz-unabhängig ausfallen.
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken

Sparsam entzerren
Tonmeister sind zumal bei Gesang bestrebt, an möglichst wenigen Stellen der Signalkette einen Equalizer einzusetzen. Man versucht, ohne Klangregelung aufzunehmen, und auch bei der Wiedergabe beziehungsweise der Abmischung nach Möglichkeit nichts mehr korrigieren zu müssen. Eine größere Auswahl an guten Mikrofonen erlaubt eine Anpassung der gewünschten Eigenklanglichkeit des Mikrofons an die aufzunehmende Stimme oder das aufzunehmende Instrument. Diese Pedanterie ist insbesondere bei Gesangsaufnahmen nachvollziehbar, denn der Gesang bleibt bis zum Endverbraucher stets im Vordergrund der Mischung, und selbst der ungeübte Hörer kann die Natürlichkeit des Stimmklangs gut beurteilen. Die Mikrofone gelten deshalb als die Kronjuwelen eines jeden Tonstudios. Fast alle Mikrofone enthalten ihrerseits Filterschaltungen, etwa zur Kompensation des so genannten Nahbesprechungseffekts. Wenn das Budget begrenzt ist, erzielt man aber auch sehr gute Resultate, wenn man mit nur einem Großmembran-Kondensa-tormikrofon aufnimmt, dessen Frequenzgang sehr linear und dessen Höhenwiedergabe bis nach 20 kHz gut sein sollte. Bei der Abmischung lässt sich insbesondere mit vollparametrischen digitalen Entzerrern des Harddiskrecorders sehr gut nachträglich korrigieren. Die Tiefenwiedergabe ist weniger bedeutend, da man unter 100 Hz sehr unauffällig mit Filtern korrigieren kann.
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4.
Mikrofone

und Aufnahmetechniken
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Bei Kugelcharakteristik ist der Frequenzgang vieler Mikrofone linearer, so auch der des AKG C 4000 B.
Der Frequenzgang ist bei allen Mikrofonen mit einer anderen als Kugelcharakteristik immer auch abhängig von der Einfallrichtung. Hier unterscheiden sich Mikrofone mit ähnlichen technischen Daten ganz eklatant, denn die Frequenzgangangaben beziehen sich immer auf die Beschallung von vorne. Angaben zum so genannten „Diffusfeld-Frequenzgang", also zum Fre-quenzgang bei der Beschallung aus anderen Richtungen, sind seltener. Nicht zuletzt deshalb ist die Mikrofonie eine Art Geheimwissenschaft. Eine Stärke von Kleinmembranmikrofonen ist relative Richtungsunabhängigkeit des Frequenzgangs. Da die kleine Membran weniger Spannung liefert und deshalb stärker vorverstärkt werden muss, ist es zwar schwieriger, Kleinmem-bran-Kondensatormikrofone mit ebenso guten Werten wie denen von Großmembran-Kondensatormikrofonen zu bauen —der Vorteil der kleinen Membran besteht jedoch oft darin, dass der Klang seitlich eintreffenden Schalls weniger stark eingefärbt wird. Wenn der Anteil von Schall aus dem so genannten Diffus-feld hoch ist, wenn also nicht nah mikrofoniert wird, setzt man bevorzugt Kleinmembranmikrofone ein. Das gilt immer dann, wenn der Raumanteil hoch sein soll, bei Instrumenten mit sehr
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
großen schallabstrahlenden Flächen (Flügel) sowie bei Stereo-Mikrofonverfahren wie der X/Y-Mikrofonie.
Auf die Anschaffung eines Großmembran-Kondensatormikrofons für Gesang und einzelne, nah abgenommene Instrumente folgt deshalb oft die Anschaffung zweier Kleinmembran-Kondensatormikrofone (umschaltbar oder mit Nierencharakteristik), für Stereomikrofonierungen (etwa Drum-Overhead) oder andere Aufnahmen mit mehr Raumanteil (akustische Gitarre).
4.5 Der Abstand zur Schallquelle
Musikinstrumente und Gesang haben eine frequenzabhängige Richtwirkung: Unterschiedliche Frequenzbereiche werden in unterschiedliche Richtungen abgestrahlt. So fungieren die Nasenlöcher der Sängerin oder des Sängers als kleine Bassreflex-rohre und strahlen die tieferen Frequenzen nach unten ab. Aus dem Mund strahlen die hohen Mitten und die Höhen, wie man leicht nachvollziehen kann, wenn man mit zugehaltener Nase spricht. Dementsprechend kann man durch Positionierung und Ausrichtung des Mikrofons den Klang regeln.
Jürgen Meyer diskutiert ausführlich das Abstrahlverhalten von Musikinstrumenten (in Akustik und musikalische Aufführungspraxis, 4. überarbeitete Auflage, Frankfurt: Bochinsky, 1999). Ein Experimentieren mit der Mikrofonposition führt ebenso zum Ziel. Es lohnt sich, hier genau zu sein, Zeit und Mühe zu investieren. Bedenken Sie, dass die Wellenlänge bei 2 kHz 17 cm beträgt (bei 20 kHz 17 Millimeter) und dass ein Viertel Wellenlänge den Klang entscheidend ändern kann. Hören Sie das Mikrofon mit dem Kopfhörer ab und rücken Sie es hin und her. Der Klang ändert sich.
Besondere Brisanz erhält die Frage der Mikrofonposition bei der Verwendung mehrerer Mikrofone. Bei mehreren Mikrofonen an unterschiedlichen Positionen treten Kammfiltereffekte auf, die den Klang stark färben. Meistens meidet man deshalb zu viele Mikrofone. Oft lassen sich jedoch gerade diese Effekte ergiebig ausnutzen, etwa wenn bei Gitarrensounds weniger die Natürlichkeit im Vordergrund steht als vielmehr eine interessante Klangfarbe.
Bei der Frage, in welchem Abstand zur Schallquelle das Mikrofon zu platzieren ist, spielen Hallradius und Richtentfernung, bei Gesang das Problem des Poppens, der Nahbesprechungs-sowie der Druckstaueffekt eine Rolle.
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Hallradius und Richtentfernung
Schall wird an allen Flächen des Raumes, an Wänden, Decken, Fußböden und allen Gegenständen im Raum teils reflektiert, teils absorbiert. Die Reflektion und Absorption ist frequenzab-hängig und hängt von Gestalt und Material ab, auf die der Schall trifft. Innerhalb des Hallradius, im so genannten Nahfeld, überwiegt der Pegel des Direktschalls einer Schallquelle den gesamten reflektierten Schall. Der Bereich außerhalb des Hallra-dius heißt Diffusfeld. Hier überwiegt der Reflektionsschall. Unser Gehirn vermag aufgrund der Stereophonie unseres Hörens und aufgrund von Laufzeitunterschieden Schallquellen gut zu lokalisieren und Sprache gut zu verstehen, obwohl viel Reflekti-ons- und Störschall die Deutlichkeit des Signals vermindert. Man täuscht sich leicht, wie klein der Hallradius in Wohn- und Studioräumen ist. Er kann sehr variieren, je nach Größe des Raumes und nach Beschaffenheit der Flächen. Typisch für einen Studioraum wäre ein Hallradius, den ein Sänger mit ausgestrecktem Arm beschreibt. Steht das Mikrofon weiter entfernt, dominiert der Reflektionsschall. Der Pegel des Reflektionsschalls ist überall im Raum in etwa gleich. Der Klang ist, wenn das Mikro im Diffusfeld platziert wird, hallig und diffus. Bei Stereomikrofo-nierungen wirkt das womöglich angenehm räumlich, aber tendenziell unklar. Die Richtwirkung des Mikrofons arbeitet der Richtwirkung der Schallquelle zu. Dieser Effekt ist allerdings nicht zu überschätzen. Die so genannte Richtentfernung eines gerichteten Mikrofons ist zwar etwas größer als der Hallradius, hält sich aber ebenfalls in engen Grenzen.
Man kann den Hallradius durch Aufhängen von Textilien und Auslegen von Teppichen vergrößern. Raumanteile mit aufzunehmen ist klanglich reizvoll und oft geboten. Im Regelfall sind jedoch eher „trockene" Spuren erwünscht. Diese kann man leicht nachträglich verhallen, wohingegen das Entfernen von Hall aus einer Aufnahme praktisch unmöglich ist. Bei Solo-Gesangsaufnahmen wird das Mikrofon klar innerhalb des Hallradius platziert. Sein Abstand wird jedoch so gewählt, dass Poppgeräusche, Nahbesprechungs- oder Druckstaueffekte nicht störend in Erscheinung treten. Die natürliche Kopfbewegung der Sängerin bzw. des Sängers soll sich nicht in Pegelschwankungen äußern.
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 4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
 Der Reflexion Filter von SE Electronics ist gut geeignet, um die unmittelbare Umgebung eines Mikrofons wesentlich reflektionsärmer zu gestalten. Unter akustisch nicht optimierten Bedingungen bietet das System eine wertvolle Verbesserung der akustischen Verhältnisse um das Mikrofon.
 3-zu-1 -Regel
 Bei zwei gleichzeitig verwendeten Mikrofonen besagt eine Faustregel, dass der Abstand zwischen den beiden Mikrofonen mindestens dreimal so groß sein möge wie der Abstand der Mikrofone zur Schallquelle selbst. Dies gilt, weil sonst der Pegel der Schallquelle, für das das eine Mikro vorgesehen ist, mit zu hohem Pegel auch vom anderen erfasst wird. Das führt zur zeitversetzten Überlagerung zweier gleicher Signale — und das ist das größte Übel für den Sound, denn dann drohen Kammfilter-effekte mit ihren charakteristischen, sehr verfärbenden Einbrüchen im Frequenzgang. Auch reflektierende Wände sollen mehr als dreimal so weit vom Mikrofon entfernt sein als der Abstand zwischen Mikrofon und Schallquelle.
 Die 3-zu-1 -Regel gilt zwar streng genommen nur für Mikrofone ohne Richtwirkung, ist aber ohnehin nur ein Anhaltspunkt. Für gute Aufnahmen gilt grundsätzlich:
* Platziere die Mikrofone in gebührendem Abstand zueinander, voneinander abgespreizt, nicht nah an Wänden, und richte sie aus nicht zu großer Entfernung auf die gewünschte Schallquelle!
* Meide die unkontrollierte Mischung von Mikrofonen, die dieselbe Schallquelle mit ähnlichen Pegeln erfassen!
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Poppgeräusche
Wenn du ein Blatt Papier lose vor deinen Mund hältst und einige Konsonanten aussprichst, wirst du sofort feststellen, dass der Laut „p" mit einer Druckwelle einhergeht, die die Papiermembran weit stärker ausschlagen lässt als alle anderen Konsonanten, geschweige denn Vokale. Dieser Druckimpuls ist überwiegend nach vorne gerichtet. Spricht man direkt in ein Mikrofon, wird die Mikrofonmembran wie das Papier schlagartig maximal ausgelenkt und kann der Bewegung nicht mehr richtig folgen. Das Mikrofon „poppt". In der Hand gehaltene Vokalmikrofone werden daher auf der Höhe des Kinns oder darunter schräg nach oben gerichtet. So nehmen sie auch die Bassanteile der Nase gut ab. Der Druckimpuls des Explosivlauts „p" verfängt sich im Schaum-Poppschutz eines in der Hand gehaltenen Gesangsmikrofons. Bei Studio-Gesangsaufnahmen verwendet man üblicherweise einen Rahmen mit gespannter Gaze als Poppschutz. Dieser dämpft die Höhen weitaus weniger als ein Schaumstoff.
Routinierte Sängerinnen und Sänger sind bemüht, die Explosivlaute vorsichtig zu intonieren.
Der Popp-Filter von SE Electronics besteht aus einem starren Metallgitter, das mit noch geringerem Höhenabfall einhergeht als der übliche Gaze-Poppschutz.
Nahbesprechungseffekt
Mikrofone mit Richtwirkung heben die Bässe an, wenn man sie nah anspricht. Um die Physik zu verstehen, muss man ein paar-
mal um die Ecke denken: 49
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Für Druckgradientenempfänger, also für alle Mikrofone mit einer anderen Richtcharakteristik als der Kugel, gilt: Wenn 1. die Wellenlänge der Schallwellen sehr lang gegenüber der Größe der Mikrofonkapsel wird und 2. die Schallwellen nicht in einer parallelen Wellenfront (wie bei weiter entfernten Schallquellen), sondern gekrümmt (wie bei einer nahen Schallquelle) an der Kapsel eintreffen, funktioniert der Druckausgleich zwischen den rückwärtigen und den vorderen Öffnungen des Korbes nicht mehr so, wie für kürzere Wellenlängen (höhere Frequenzen) und weiter entfernte Schallquellen (parallel eintreffende Wellenfronten) vorgesehen. Bei allen Mikrofonkapseln mit Richtwirkung ist die Basswiedergabe schwach, es sei denn, die Schallquelle ist nah. Um die schwache Basswiedergabe zu kompensieren, verfügen Mikrofone über eine integrierte elektrische Bassanhebung. Bei manchen Mikrofonen lässt sich diese Bassanhebung durch schaltbare Hochpassfilter vermindern. Diese Bassanhebung bedingt wiederum, dass die Bässe stark abgehoben werden, wenn die Schallquelle nah ist.
Dieses Phänomen heißt „Nahbesprechungseffekt" oder auf englisch „Proximity Effect".
Sänger nutzen den Nahbesprechungseffekt bei leisen Passagen. Auch bei der Mikrofonierung von Instrumenten ist dieser Effekt zu berücksichtigen — am besten geht man experimentell vor. Bei Druckempfängern (Kugelcharakteristik, auch Grenzflächen-mikrofone mit Halbkugelcharakteristik) tritt der Nahbespre-chungseffekt nicht auf.
Der Nahbesprechungseffekt ist bei verschiedenen Mikrofontypen unterschiedlich stark ausgeprägt. Beim Kauf eines Bühnen-Gesangsmikrofons sollte man ausprobieren, ob der grundsätzlich erwünschte Effekt so ausfällt wie gewünscht oder ob er womöglich zu aufdringlich erscheint.
Druckstaueffekt
Insbesondere bei nicht gerichteten Mikrofonen, also Druckempfängern mit Kugelcharakteristik, bildet sich durch die Re-flektion des Schalls an der Membran ein Druckstaueffekt. Dieser kommt, da die Fläche der Membran klein ist, nur bei hohen Frequenzen zum Tragen und bewirkt eine Anhebung der hohen Frequenzen, wenn das Mikrofon nah besprochen wird (bei nahen Schallquellen). Mikrofone mit Kugelcharakteristik sind entweder freifeldentzerrt oder diffusfeldentzerrt — oft kann man zwischen beiden Modi auch umschalten. In beiden Fällen kompensieren Filter den Effekt der Nahbesprechung. Diffusfeldent-zerrte Kugelmikrofone sind in den Höhen bedämpft, damit sie bei Nahbesprechung so klingen, als würden sie von weitem besprochen werden. Bei nahfeldentzerrten Mikrofonen verhält es
50 sich umgekehrt.
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Bei den überwiegend verwendeten Mikrofonen mit Richtwirkung, den Druck-gradientenempfängern, tritt der Druckstaueffekt nicht auf.
4.6 Handgehaltene Mikrofone
Die Mikrofonhersteller sind stets bestrebt, dem Kunden plausibel darzustellen, dass es für unterschiedliche Anwendungen grundsätzlich unterschiedlicher Mikrofone bedarf. So sinnvoll eine große Auswahl an Mikrofonen ist, so ähnlich und vom Einsatzzweck unabhängig sind jedoch die tatsächlichen technischen Anforderungen an Mikrofone — gleich, ob es um die Abnahme von Bläsern, Streichern, Schlagzeug, Gitarrenlautsprechern oder Gesang geht. In der Hand gehaltene Gesangsmikro-fone werden bei Live-Konzerten benötigt. Sie sind in Nierenoder Hypernierencharakteristik sowie als dynamische, Kondensator- oder Elektret-Kondensatormikrofone erhältlich.
Das abgebildete Neumann KMS 105 ist eines der besten kabelgebundenen in der Hand gehaltenen Mikrofone. Es verfügt über eine konventionelle Kleinmembran-Kondensatorkapsel mit der Richtcharakteristik Niere. Sein Poppschutz besteht aus mehreren Gazen und feinen Gittern und kommt ohne Schaumstoff aus. Obwohl als Live-Mikrofon konzipiert, ist es auch für Gesangsaufnahmen im Studio geeignet.
In der Hand gehaltene Mikrofone verfügen über stabile, größere Körbe mit integriertem Poppschutz. Ein mit Gaze bespannter Rahmen, wie er im Studio zwischen Großmembranmikrofon und Sänger/in aufgebaut wird, bietet sich live naturgemäß nicht an. Als Poppschutz dient bei in der Hand gehaltenen Ge-sangsmikrofonen zumeist ein Schaumstoff und/oder mehrere Lagen von Gazen und Gittern mit unterschiedlichen Maschenweiten. Insbesondere der Schaumstoff geht leicht zu Lasten der Höhenwiedergabe und Deutlichkeit. Ansonsten kann man solche Mikrofone ohne Weiteres auch im Studio einsetzen. Die Aussteuerbarkeit dieser Mikrofone erlaubt einen Einsatz auch vor der Gitarrenbox oder am Schlagzeug. Nur in der Öffnung der Bass Drum sind die Schalldrücke so hoch, dass man vom Einsatz eines solchen Mikrofons absehen sollte.
4.7 Grenzflächenmikrofone
Grenzflächenmikrofone sind Kondensatormikrofone, die zumeist nach dem Druckempfängerprinzip aufgebaut sind. Sie besitzen ein sehr flaches Gehäuse und werden direkt an einer Wand angebracht. Dadurch, dass das Mikrofon bündig mit der
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
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reflektierenden Wand abschließt, treffen keine verzögerten Reflektionen der Wand beim Mikrofon ein. Dadurch bleiben Probleme mit Phasenverschiebungen und Raumresonanzen (stehenden Wellen) weitgehend aus. Die Wand muss eine ausreichend große Fläche besitzen, damit tiefe Frequenzen verzerrungsfrei übertragen werden können. Unter günstigen Voraussetzungen besitzen Grenzflächenmikrofone einen ausgesprochen geradlinigen Frequenzgang der Amplitude. Die Richtcharakteristik hat zumeist die Form einer Halbkugel. Mit zwei an einer Wand angebrachten Grenzflächenmikrofonen lassen sich sehr gute Stereoaufnahmen herstellen.
Obwohl eine naturgetreue Wiedergabe bei dieser Form der Mikrofonierung gar nicht zu erwarten ist, bewährt es sich bei der Live-Abnahme eines Flügels, ein Grenzflächenmikrofon auf der Innenseite des geöffneten Deckels anzubringen. Grenzflächenmikrofone bewähren sich bei verschiedenen Beschallungseinsät-zen.
4.8 Schlagzeugmikrofone
Bei der Mikrofonierung eines Schlagzeugs stellt sich die Frage, ob der natürliche Eigenklang des Schlagzeugs gefragt ist oder ob man den Klang jedes Schlagzeuginstruments einer individuellen Bearbeitung mit Hilfe der Klangregelung und diversen Effekten zuführen will. Ist ersteres erwünscht, genügt grundsätzlich eine Overhead-Mikrofonierung mit zwei Kleinmem-bran-Kondensatormikrofonen, unterstützt durch die Abnahme der Kick Drum (Bass Drum) und womöglich der Snare Drum. Je weniger Mikrofone beteiligt sind, desto weniger laufzeitbedingte Phasenverschiebungen treten zwischen den Signalen der einzelnen Mikrofone auf. Es gibt keine Kammfilterverzerrun-gen, und der Klang profitiert. Live, wenn der umgebende Geräuschpegel zu hoch ist, und im Studio, wenn jede Trommel individuell klanglich bearbeitet werden soll, ist man auf nahes Mikrofonieren („Close Miking") praktisch jeder Trommel angewiesen. Dieses Verfahren wurde bei den aufwendigen, aber unnatürlichen Schlagzeugsounds von Rockproduktionen der achtziger Jahre auf die Spitze getrieben. Diese Mikrofonierungen erfordern den großzügigen Einsatz von Gates in jedem Kanal, damit das Mikrofon nur dann zu hören ist, wenn die mikrofonierte Trommel angeschlagen wird. Die anderen Schlagzeuginstru-mente sind naturgemäß ebenfalls sehr präsent, führen aber bei einer Wiedergabe durch viele Mikrofone gleichzeitig zu einem sehr verwaschenen Klangbild. Das Gate vermeidet diesen Effekt. Allerdings ist der Threshold des Gates sehr schwer zu justieren, da die Dynamik des Schlagzeugs so hoch ist. Das Gate
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
muss daher frequenzselektiv reagieren. Dazu dienen Bandpass-filter im Seitenweg (Side Chain) des Gates.
Bass Drum
Bei der Abnahme der Bass Drum (auch: „Kick Drum") im Inneren der Trommel oder an der engen Öffnung des rückseitigen Fells entstehen hohe Schalldrücke. Deshalb sollte hier ein hoch aussteuerbares Mikrofon zum Einsatz kommen, das auch Schalldrücke von über 140 dB(SPL) gut verkraftet. Dies gilt für die meisten dynamischen Mikrofone, aber auch für manches Kon-densatormikrofon. Es gibt spezielle Bass-Drum-Mikrofone mit überaus krummen Frequenzgängen, die zwar keinen natürlichen, aber doch einen oft erwünschten Bass-Drum-Sound liefern, der mit dem EQ intensiv nachbearbeitet wird. Wird das Mikrofon im Innern der Trommel nahe dem Punkt positioniert, an dem der Schlege! auf das Trommelfell trifft, nimmt man mehr „Kick" auf, also mehr Höhen und klarere Impulse. Im Bereich der Resonanzfellöffnung ist der Tiefbassanteil am größten. Zuweilen werden zwei Mikrofone kombiniert. Sehr bewährt hat sich auch ein in der Bass Drum liegendes Grenzflächenmikro-fon. Eine sehr gute Tiefbasswiedergabe gewährleistet das Mikrofon Yamaha Subkick, in dem ein Lautsprechertreiber im Gehäuse in der Gestalt eines Trommelkessels funktionsumgekehrt als dynamisches Mikrofon mit extrem großer Membran dient.
Snare Drum
Die Snare wird oft von oben und unten gleichzeitig abgenommen. Unten schnarrt der Teppich, und dessen Anteile werden gut mit einem Kondensatormikrofon abgenommen. Sehr kleine Kondensator-Lavaliermikrofone, die an den Reifen (Rim) geklemmt werden, leisten bei Snare und Toms gute Dienste. Die klassische Variante der Snare-Abnahme: Ein schräg von oben auf das obere Trommelfell gerichtetes dynamisches Mikrofon wie das Shure SM 57. Der Vorteil bei der Verwendung eines solchen Mikrofons ist die Schlagfestigkeit des Mikrofons selbst. Gute Dienste leisten wegen ihrer guten Kanaltrennung bei der Abnahme der Snare und der Toms auch Interferenz-Richtrohr-mikrofone, die sowohl von oben wie von unten auf die Trommel gerichtet werden können.
4.9 Bändchenmikrofone
Eine Renaissance erlebte seit der Jahrtausendwende das Konzept des Bändchenmikrofons. Das Bändchenmikrofon ist ein dy-
namisches Mikrofon, allerdings ohne Tauchspule, sondern mit 53

4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
einem gefalteten, flachen Bändchen als Membran. Das Bändchen ist sehr leicht beweglich, die Impulswiedergabe, die Linea-rität und die Höhenwiedergabe übertreffen teils Kondensator-mikrofone und sind eher mit diesen zu Vergleichen als mit dynamischen Tauchspulenmikrofonen. Bändchenmikrofone haben die Richtcharakteristik „8". Sie nehmen also ebenso viel rückwärtigen Schall auf wie von vorn, was ihre Verwendbarkeit einschränkt. Sie sind daher seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts der Klassiker für Stereo-Aufnahmen im monokompatiblen und besonders für die Vinyl-Schallplatte geeigneten Blumlein-Verfahren, bei dem zwei Achten im rechten Winkel zueinander unmittelbar übereinander platziert werden und das Orchester oder der Chor sich um diese Anordnung herum gruppieren. Das Blumlein-Verfahren gilt als eines der bestklingenden Mikrofonverfahren mit schöner, aber nicht authentischer Räumlichkeit. Bändchen werden gern für die Abnahme von Gitarrenboxen verwendet. Bändchenmikrofone sind mechanisch sehr empfindlich. Sie müssen stehend gelagert werden, damit das Bändchen nicht ausleiert, und einige können durch versehentlich zugeschaltete Phantomspeisung zerstört werden.
4.10 Richtmikrofone
Mikrofone mit keulenförmiger Richtcharakteristik sind als Reportage- und Beschallungsmikrofone gebräuchlich, insbesondere auch bei Außenaufnahmen für Film und Fernsehen, wo sie an so genannten Angeln montiert werden und oft mit großen, flauschigen Windschutzeinrichtungen gegen Windgeräusche abgeschirmt werden. Die starke Dämpfung seitlich eintreffenden Schalls beruht auf einem Interferenzeffekt. Vor dem Wandler befindet sich ein längeres Rohr, das seitlich geschlitzt ist. Die durch die Schlitze eindringenden Schallwellen löschen sich gegenseitig durch Interferenz aus. Das gilt nicht für die direkt von vorne eintreffenden Schallwellen. Die Richtwirkung der Inter-ferenz-Richtrohrmikrofone ist nicht ausreichend frequenz-unabhängig, um ihren Einsatz bei Musikproduktionen attraktiv erscheinen zu lassen. Nützlich sind Richtrohrmikrofone dennoch bei der Schlagzeugabnahme (einzelne Trommeln), da eine ausreichende Kanaltrennung hier besonders schwer zu erzielen ist. Die tiefste noch keulenförmig gerichtete Frequenz hängt von der Länge des Interferenzrohrs ab. Damit auch tiefe Frequenzen gerichtet übertragen werden, muss das Rohr sehr lang sein.
54
etrseä-e

4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
4.11 Haupt-Mikrofonverfahren
Die Aufstellung der Mikrofone unter Berücksichtigung ihrer Richtwirkung wirkt sich im Allgemeinen stärker auf den Klang aus als die Wahl der Mikrofontypen. Das gilt insbesondere für die Mikrofonierung von Schlagzeugen, Flügeln und Lautsprechern.
Instrumental- und Gesangsaufnahmen werden in der Regel mit nur einem Mikrofon pro Spur aufgenommen. Mit dem Zusammenmischen mehrerer Mikrofone kann man sich sehr leicht störende Phaseneffekte einhandeln. Die Phaseneffekte kann man sich aber auch zunutze machen, etwa um den Klang einer elektrischen Gitarre zu färben, wenn man diese sowohl direkt elektrisch als auch mit dem Mikrofon abnimmt.
Stereo-Mikrofonverfahren
Stereoaufnahmen werden mit zwei Mikrofonen oder mit Stereomikrofonen durchgeführt, deren zwei Kapseln in einem Mikrofongehäuse stattfinden. Man unterscheidet Laufzeit- und Intensitätsstereophonie — sowie Kombinationen beider Verfahren. Die akustischen Lehren aus den Stereo-Mikrofonverfahren sind immer relevant. Aber es ist ein häufiges Missverständnis, sich an die Regeln und Definitionen gebunden zu fühlen. Die Stereo-Mikrofonverfahren sind streng genommen nur gültig bei Mikro-fonierungen aus großer Distanz zu einem großen Klangkörper (einem Orchester oder Chor), der durch Wiedergabe über eine Stereonanlage realistisch abgebildet werden soll. Sie gelten nicht für nahe Mikrofonierung und nicht etwa für eine Mikrofo-nierung eines Schlagzeugs („Overhead") oder eines einzelnen Instruments, bei der es nicht um eine realistisch abzubildende Hörposition gehen kann. Wichtiger als die unreflektierte Einhaltung von Stereo-Verfahren ist das Bewusstsein dafür, dass die Mikrofone „dorthin horchen, wohin sie ausgerichtet sind". Beim Schlagzeug heißt das beispielsweise, dass ein Mikrofon „das Becken aufnimmt, wenn es auf das Becken zeigt", und das ist relevanter als die Einhaltung von Abständen und Winkeln. Dennoch kann man aus diesen Verfahren wichtige Lehren ziehen:
Laufzeitstereophonie
Bei der so genannten A/B-Stereophonie werden zwei Mikrofone mit Kugelcharakteristik, also ohne Richtwirkung, in einem Abstand von 17 cm oder mehr aufgestellt. 17 cm gelten als durchschnittlicher Ohrabstand. Bei diesem Abstand erreicht man eine große räumliche Tiefe. Die Stereophonie beruht allein auf den Laufzeitunterschieden der Signalanteile, die umso größer ausfallen, je weiter seitlich die Einfallsrichtung des Schalls ist.
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
Mischt man beide Signale mono zusammen, erfolgen frequenz-abhängige Phasenauslöschungen (Kammfiltereffekte). Daher ist die Laufzeitstereophonie nur bedingt monokompatibel. Aus diesem Grunde vermeidet man Laufzeitstereophonie bei Aufnahmen, die im Fernsehen oder im Radio wiedergegeben werden sollen, wo der Endverbraucher oft mono oder annähernd mono hört. Bei größeren Mikrofonabständen spricht man auch von „Groß-A/B".
Bei Stereomikrofonverfahren ist der Abstand beider Mikrofone nicht zu groß zu wählen - nicht bei Laufzeitstereophonie und schon gar nicht bei Intensitätsstereophonie.
Intensitätsstereophonie
Bei der X/Y-Stereophonie werden zwei Nieren- oder Hyper-nierenmikrofonkapseln in unmittelbarer Nähe zueinander aufgebaut - so, dass sich die Körbe fast berühren. In Winkeln von 45° bis 60° werden beide Mikrofone voneinander abgerichtet. Jeglicher Schall trifft bei beiden Mikrofonen in Phase ein. Es gibt keine Laufzeitdifferenzen. Deshalb heißt die Intensitätsstereophonie auch „Koinzidenzstereophonie", und Stereomikrofone heißen auch „Koinzidenzmikrofone". Die Stereophonie beruht allein auf der unterschiedlichen Richtwirkung der Mikrofone. Seitliche Schallquellen werden bevorzugt von dem ihnen zugerichteten Mikrofon übertragen. Ihr Pegel (ihre Intensität) ist in dem betreffenden Kanal höher. Der besondere Vorzug der Intensitätsstereophonie liegt in der hohen Mono-Kompatibilität, da bei Monomischungen keine Interferenzeffekte auftreten. Eine besonders monokompatible Variante der Intensitätsstereophonie ist die M/S-Stereophonie. Beim „Mitte/Seite"-Verfahren wird ein Nierenmikrofon direkt nach vorne gerichtet. (Auch die Verwendung eines Mikrofons mit Kugelcharakteristik ist möglich.) Diese Mikrofon wird zu gleichen Teilen auf beide Kanäle gemischt (mittlere Panoramaposition). Das Signal eines quer dazu platzierten Mikrofons mit der Richtcharakteristik in der Form einer 8 wird auf den linken Kanal gemischt und in der Phase gedreht zugleich mit demselben Pegel auf den rechten Kanal gegeben. Gibt man die Stereomischung mono wieder, löschen sich die linken und rechten Seiten des Achtermikrofons gegenseitig aus, und nur das Signal des nach vorne gerichteten Mikrofons bleibt übrig. Die Mono-Kompatibilität ist perfekt. Bei Stereowiedergabe entsprechen die Klangeigenschaften einer X/Y-Stereophonie. Die M/S-Stereophonie ist bei Film-, Fernseh-und Rundfunkaufnahmen verbreitet.
Kombinierte Mikrofonverfahren
Andere Mikrofonverfahren kombinieren Laufzeit- und Intensi-
56 tätsstereophonie (ORTF-Verfahren und andere), setzen drei

4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
statt zwei Mikrofone ein (Decca-Tree) oder setzen schallabschirmende Scheiben zwischen den Mikrofonen ein (Jecklin-Schei-be, OSS-Mikrofon, Trennkörpermikrofonie u. a.). Das Blumlein-Verfahren bedient sich zweier um 90° verdrehter Mikrofone mit Achtercharakteristik. Kugelflächenmikrofone mit Mikrofonkapseln, die in die Oberfläche einer Kugel von der Größe eines Kopfes eingelassen sind, vermeiden Druckstaueffekte in den Höhen. Kunstkopfmikrofone simulieren die Form des Kopfes und die Gehörgänge genau. Ihre Stereowirkung kann aber nur über Kopfhörer optimal genossen werden. Die Räumlichkeit der Stereo-Mikrofonverfahren kann oft zu stark ausfallen. Bei der Wiedergabe über Lautsprecherboxen in natürlichen Räumen überlagert sich die Akustik des Wiedergaberaumes, und der Klang wird undeutlich.
4.12 Technische Daten von Mikrofonen
Neben den Diagrammen für Richtwirkung und dem stets entfernungsabhängigen Frequenzgang gibt es eine Reihe weiterer technischer Daten, die bei der Wahl eines Mikrofons zu beachten sind.
Ersatzgeräuschpegel
Der Ersatzgeräuschpegel, auch Äquivalenter Schalldruckpegel, Äquivalentrauschen oder auf englisch „Equivalent Noise Level" genannt, gibt an, wie sehr ein Mikrofon rauscht. Es wird angegeben, welchen Schalldruck ein Rauschen haben müsste, das genauso laut wie das Eigenrauschen des Mikrofons vom Mikrofon übertragen wird. Üblicherweise wird der Ersatzgeräuschpegel als A-bewerteter Effektivwert angegeben - je nachdem, wie man misst und das Messergebnis formuliert, ergeben sich unterschiedlich „attraktive" Werte. Ein Studio-Kondensatormik-rofon sollte weniger als 20 dB(A) rauschen, bei dynamischen Mikrofonen sind Werte bis 30 dB noch akzeptabel.
Übertragungsfaktor und Grenzschalldruckpegel
Der Übertragungsfaktor gibt an, wie stark der Schalldruck sein muss, um eine bestimmte Ausgangsspannung zu erzeugen. Der Übertragungsfaktor beschreibt also den Wirkungsgrad des Schallwandlers. Hochwertige Mikrofonvorverstärker kommen mit allen gängigen professionellen Mikrofonen zurecht. Die Werte rangieren von 1 mV/Pa (Millivolt pro Pascal) bei dynamischen Mikrofonen bis 25 mV/Pa bei Kondensatormikrofonen. Kritischer ist der Grenzschalldruckpegel, der den maximal ver-
träglichen Schalldruck angibt, dem das Mikrofon ausgesetzt 57
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
werden darf, wenn ein noch vertretbares Klirren einzuhalten ist. Der Klirrfaktor muss zum angegebenen Schalldruck angegeben sein. Dynamische Mikrofone verkraften zwischen 120 und 150 dB(SPL), trafosymmetrisierte Kondensatormikrofone 120 und 130 dB, transformatorlose Schaltungen bis zu 140 dB(SPL). Ein Mikrofon, das 130 dB(SPL) verkraftet, kann für Bläser, E-Gitarrenboxen und alle Trommeln außer der Bass Drum eingesetzt werden. Bei Kondensatormikrofonen übersteuert eher der Transformator oder der Impedanzwandler, also der integrierte Vorverstärker, als dass die Membran an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gelangt.
Impedanz
Die Impedanz, also der elektrische Scheinwiderstand des Mikrofons, ist frequenzabhängig. Sie liegt bei den im Studio üblichen Mikrofonen in der Größenordnung von 200 Ohm. Die Impedanz des Mikrofonverstärkereingangs liegt deutlich darüber. Gängige professionelle Mikrofonvorverstärker können harmonieren mit allen Impedanzwerten heute üblicher Mikrofone. Insofern ist die Impedanz kein Qualitätskriterium mehr.
4.13 Mikrofonvorverstärker
Mikrofone haben einen viel schwächeren Ausgangspegel als die im Studio üblichen Line-Signale. Den erforderlichen Mikrofon-vorverstärkerfindet man in jedem Kanalzug eines Mischpults. Es gibt aber gute Gründe, anstelle der Mikrofonvorverstärker des Mischpults mit einem separaten Vorverstärker ausgesuchter Qualität zu arbeiten. Ein ein- oder zweikanaliges Gerät lässt sich naturgemäß kostengünstiger realisieren als beispielsweise 24 Vorverstärker gleicher Qualität in einem 24-Kanal-Mischpult. Der Mikrofonvorverstärker ist ein sensibles Glied der Signalkette. Dieses Gerät ist zudem auf jeder Spur zu hören. Die besten Übertragungseigenschaften haben in der Regel diskret aufgebaute (aus einzelnen Bauteilen montierte) Mikrofonverstärker in Class-A-Technik. „Class A" bedeutet, dass die Verstär-kerschaltung intern die so genannten „Nulldurchgänge" bei 0 Volt vermeidet, die stets mit Verzerrungen einhergehen. „Class A" geht mit einem (für Mikrofonverstärker abgesehen von der Wärmeentwicklung irrelevanten) schlechten Wirkungsgrad, dabei aber besten Audio-Eigenschaften einher. Manche Preamps sind zudem mit Eingangsübertragern ausgestattet, deren Impe-danzverlauf die Klangeigenschaften des Mikrofons maßgeblich prägen kann. Röhrenvorverstärker sind für den Charakter ihrer Verzerrungen beliebt, als universell einsetzbarer Preamp emp-
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
fiehlt sich aber eher ein verzerrungsärmerer Preamp in Transistortechnik. Die Mikrofonvorverstärker werden als so genannte „Channel Strips" oft mit Kompressoren und Equalizern, oft auch mit integrierten A/D-Wandlern kombiniert. Wenn die Mikrofonvorverstärker des Mischpultes nicht von ausgesuchter Qualität sind, ist man gut beraten, einen oder zwei separate Mikrofonvorverstärker oder Channel Strips einzusetzen, um bei der Aufnahme einen möglichst kurzen und aus edlen Komponenten zusammengesetzten Signalfluss zwischen Mikrofon und der digitalen Domäne zu realisieren. In diesem Fall wird ein analoges Mischpult bei der Aufnahme ganz umgangen. Es sind aber auch analoge Mischpulte mit exzellenten Mikrofonvorverstärkern erhältlich. Eine neue Entwicklung sind analoge Mischpulte mit integrierter digitaler Audio-Hardware (AD/- und D/A-Wandler). Bei der Verwendung eines digitalen Mischpults „vor" dem Computer kann der Channel Strip direkt an einen Eingang des Mischpults angeschlossen werden; dies ist aber nur geboten, wenn ein anderer Mikrofonvorverstärker überhaupt gewünscht wird, etwa ein Röhrengerät mit besonderen Klangeigenschaften.
dit Abi
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Focusrite
Der Focusrite Red 8 ist ein Class-A-High-End-Mikrofonvorverstärker.
4.14 Gesangsaufnahmen
Gesang wird überwiegend schon bei der Aufnahme mit dem analogen Kompressor komprimiert und ohne Effekte und ohne Klangregelung, aber mit Trittschallfilter (Hochpassfilter) aufgenommen.
Der Hochpass bei Gesangsaufnahmen
Die Grenzfrequenz des Hochpass muss deutlich unter der Frequenz des Grundtons des tiefsten gesungenen Tons liegen. Die feste Frequenz eines nicht durchstimmbaren Hochpasses in einem Mikrofonvorverstärker liegt meistens bei 80 Hz und ist für Männer- und Frauenstimmen geeignet. Viele Mikrofone verfügen über ein schaltbares Hochpassfilter. Mitunter dient ein Filterschalter am Mikrofon laut Bedienungsanleitung der Umschaltung zwischen so genannter Freifeld- und Diffusfeldentzer-rung. Damit soll das Mikrofon entweder bei Nahbesprechnung oder aus der Distanz annähernd linear übertragen. Bei man-
4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
chen Mikrofonen sind die Filter auch einfach zur Trittschallbe-kämpfung vorgesehen. Von Interesse sind aber nur Flankensteilheit und Grenzfrequenz der Filterschaltung. Eine vorsichtige Dämpfung von 6 oder 12 dB/Oktave und eine Frequenz unter dem tiefsten Grundton des Gesangs genügt, im Zweifel bereits im Mikrofon, ansonsen am Mikrofonvorverstärker. Eine Filterung bereits ganz am Anfang der Signalkette ist sinnvoll, um Artefakte niederfrequenten Störschalls in allen folgenden Prozessen auszuschließen. Bei Frauenstimmen kann ein durchstimm-bares Hochpassfilter auf bis zu etwa 140 Hz hochgestimmt werden, ohne dass die Basswiedergabe leidet — was unbedingt zu vermeiden ist. Zum Vergleich: Das „große A", die A-Saite einer Gitarre, schwingt mit einer Grundfrequenz von 110 Hz.
Die Kompression während der Gesangsaufnahme
Die Kompression sollte eine Gain Reduction von etwa 3-5 dB nicht übersteigen und aus einer Kompressionsratio von nicht mehr als 4:1 herrühren. Die Kompression soll leistungsabhängig erfolgen („RMS Mode") und muss keine kurze Attack-Zeit haben. Ein (fotoelektrischer) Opto-Kompressor ist geeignet, ebenso ein Röhren- oder VCA-Kompressor. Weitere Kompressionen erfolgen nach der Aufnahme innerhalb der digitalen Domäne, also nicht-destruktiv. Die Kompression dient nicht der Verhinderung von Übersteuerungen. Auf gutes Aussteuern der Aufnahme muss man weiterhin achten und sowohl damit rechnen, dass Sänger/innen immer lauter werden können, als auch ein Untersteuern, aber auch ein ständiges Nachregeln vermeiden.
Monitoring bei Solo-Gesangsaufnahmen
Das Monitoring erfolgt über einen geschlossenen Kopfhörer. Die geschlossene Bauweise bewirkt, dass das Playback aus dem Kopfhörer nicht auf das Mikrofon überspricht. Alle Monitorwünsche der Sänger und Sängerinnen werden genau besprochen und erfüllt.
In gewissem Umfang kann man die Intonation durch das Mischungsverhältnis zwischen eigener Stimme und der Begleitung im Monitor des Sängers/der Sängerin steuern. Aufmerksamkeit ist geboten, wenn ungeübte Sänger ungewohnt sanft oder angestrengt intonieren — der Komfort eines perfekten Monitors verführt zu leiser Intonation.
Eine leichte Kompression auf dem Monitor schadet nicht. Im Monitor muss der Gesang verhallt sein. Das hilft bei der Ge-sangsintonation. Wenn das richtige Mikrofon gewählt ist und dieses korrekt aufgestellt wird, ist in der Regel bei der Aufnahme keine Entzerrung mit dem Equalizer erforderlich. Auch bei der Wiedergabe (Abmischung) kann oft genug darauf verzichtet
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4. Mikrofone und Aufnahmetechniken
werden. Dazu muss die Sängerin/der Sänger korrekt intonieren — er oder sie muss eingesungen sein, und der Stimmsitz (die Gesangstechnik) muss stimmen. Die Bedeutung des Einsingens und des richtigen Aufwärmens ist nicht zu unterschätzen.
Die Mikrofonposition bei Solo-Gesangsaufnahmen
Obwohl ihre Wiedergabeeigenschaften in Hinblick auf die Ungleichmäßigkeit ihrer Richtwirkung nicht optimal sind, ist das Großmembran-Kondensatormikrofon mit der Richtcharakteristik „Niere" das Mikrofon für Studio-Gesangsaufnahmen schlechthin. Wenn nicht eine ganz bestimmte Klangfarbe intendiert ist, die mit „vintage" und „warm" nur unzureichend beschrieben ist, liegt man mit dem HiFi-Paradigma der maximalen Klangtreue richtig („High Fidelity") und wählt ein eher neutrales trafoloses Echtkondensatormikrofon mit voll transistorisiertem Impedanzwandler als universelle Erstinvestition in ein Stu-dio-Gesangsmikrofon. Die Abkürzung für „Trafoloses Mikrofon" findet sich beispielsweise in der Modellbezeichnung des Neumann TLM 103.
Ein solches Mikrofon besitzt keinen Poppschutz aus Schaum, seine empfindliche Membran liegt hinter feinen Stahlgittern praktisch frei und soll vor Staub, Speichel, Anpusten und Speiseresten und bei Nichtgebrauch durch Einpacken oder Abdecken geschützt werden. Bei Gesangsaufnahmen verwendet man einen Poppschutz aus gespannter Gaze. Eher für Sprachaufnahmen gebräuchlich ist ein leicht schräges Sprechen am Mikrofon vorbei.
Für Gesang ist ein frontales Ansingen des Mikrofons aus einem Sprechabstand von rund 10 cm zu empfehlen, mit dem Gaze-Poppschutz noch dazwischen, also sehr nah an Nase und Mund. Die Mikrofonmembran soll ungefähr senkrecht stehen. Wichtig ist die richtige Höhe des Mikrofons. Der Grundton des Gesangs schallt aus den „Bassreflexöffnungen des Schädels", nämlich aus der Nase. Die Nasenlöcher müssen also gut erfasst werden. Aus dem Mund schallen die Mitten und die Höhen. Eine ausgewogene Abnahme von Nase und Mund ist bei der Mikrofonposition genau zu beachten.
Variierende Mikrofonabstände führen bei Stereo-Choraufnahmen in Aufnahmeräumen mit guter Akustik zu interessanten räumlichen Effekten. Ansonsten wird der Einsprechabstand auch in lauten Passagen eher nicht variiert, sondern einem stabilen Klangbild der Vorzug gegeben.
Schlagzeugaufnahmen
Die Mikrofonsignale der einzelnen Mikrofone werden bei der
Produktion mit einer Digital Audio Workstation (DAW) heute 61

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